Handelsblatt - 06.04.2020

(Martin Jones) #1
Frank Specht, Gregor Waschinski Berlin

O

stern im Kreis der Familie fällt für
Danka C. in diesem Jahr aus, sie ver-
bringt die Feiertage in Bielefeld. Ei-
gentlich fährt die 60-jährige Polin aus
Toruń jedes Jahr um diese Zeit für ei-
nige Tage in ihre Heimat. Nun bleibt sie bei der al-
ten Dame in Nordrhein-Westfalen, die sie als Pflege-
kraft betreut. Natürlich würde sie das Osterfest ger-
ne zu Hause feiern, sagt Danka, die in der Zeitung
lieber nur ihren Vornamen lesen möchte. Doch sie
habe Sorge, anschließend in Polen festzusitzen.
Denn die Schlagbäume in Europa sind wieder he-
runtergelassen, wegen der Corona-Pandemie.
Danka ist eine von vielen Osteuropäerinnen, die
sich in deutschen Familien um hilfebedürftige Se-
nioren kümmern. Sie sind rund um die Uhr ein-
satzbereit, arbeiten nicht selten am Rand der Aus-
beutung. Ohne die Betreuungshilfen im Haushalt
würde das Pflegesystem in der Bundesrepublik zu-
sammenbrechen, doch sie tauchen in keiner offi-
ziellen Statistik auf. Laut einer Studie der gewerk-
schaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung aus dem Jahr
2017 lebt in rund jedem zwölften Pflegehaushalt ei-
ne osteuropäische Hilfskraft, das wären rund
175 000 Menschen. Der Arbeitgeberverband Pflege
spricht sogar von bis zu 400 000 privat betreuten
Haushalten. Und längst nicht alle Pflegehelfer har-
ren in der Coronakrise an ihrem Arbeitsplatz aus,
so wie Danka in Bielefeld.
Neben diesem sogenannten grauen Pflegemarkt
ist auch die reguläre Altenpflege auf ausländische
Fachkräfte angewiesen, und viele kommen aus Ost-
europa. Die Bundesregierung hat das Ziel ausgege-
ben, noch mehr Personal aus dem Ausland zu re-
krutieren. Das war vor Corona. Nun droht die oh-
nehin dünne Personaldecke bei ambulanten
Pflegediensten und in Altenheimen zu reißen.
Der Pflegebeauftragte der Bundesregierung, An-
dreas Westerfellhaus, macht deutlich: „Von deut-
scher Seite aus wird weder die Ein- noch die Aus-
reise von bei uns tätigen ausländischen Pflege- und
Betreuungskräften unnötig behindert.“ Osteuropäi-
sche Betreuungskräfte könnten sich von ihrem Ar-
beitgeber oder der Vermittlungsagentur eine Pend-
lerkarte ausstellen lassen, mit der sie die Grenze
nach Deutschland überqueren können. Einige
Nachbarstaaten hätten die Grenzen aber auf ihrer
Seite komplett dichtgemacht.

Pflegekräfte zu Hause in Quarantäne
Länder wie Polen oder die Slowakei stellen einhei-
mische Pflegekräfte, die in Deutschland arbeiten
und auf Heimatbesuch sind, unter Quarantäne. Ei-
ne schnelle Rückreise ist nicht möglich. „Diese
Pflegekräfte fehlen dann in der Versorgung bei
uns“, sagte Westerfellhaus dem Handelsblatt. Die
Bundesregierung sei mit den osteuropäischen Staa-
ten im Gespräch, um die Einreise der dringend be-
nötigten Pflegekräfte zu erleichtern. „Das ist aller-
dings in diesen Zeiten nicht ganz einfach.“
Peter Blassnigg führt die Geschäfte bei Promedi-
ca Plus, einer Vermittlungsagentur für Pflegehelfer
im Haushalt. Das Unternehmen hat rund 8 000 Be-
treuungskräfte unter Vertrag, 400 Mitarbeiter re-
krutieren und schulen sie in Polen, Rumänien und
Bulgarien. Blassnigg sagt: „Jeder Tag stellt für uns
eine neue Herausforderung dar, je nachdem, was
das jeweilige Herkunftsland gerade entscheidet.“
Betreuungskräfte aus Rumänien und Bulgarien
würden in ihrer Heimat festhängen, weil der Land-
weg nach Deutschland durch Ungarn versperrt ist.
Normalerweise garantiert das Unternehmen, dass
innerhalb von fünf Tagen eine Helferin bei einer
deutschen Familie eintrifft. „Das gelingt derzeit nicht
immer“, sagt Blassnigg. Jeden Dienstag und jeden
Freitag machen sich rund 20 Minibusse der Firma
auf den Weg, um Betreuungskräfte aus Osteuropa
abzuholen. In normalen Zeiten rauschen die Bus-
transporte problemlos durch den Schengenraum.
Nun müssen die Pflegehelfer Papiere mitführen, die
ihre Reiseroute und ihren Zielort dokumentieren –
in der Hoffnung, damit über die Grenze zu kommen.
In der ambulanten Tagespflege und in Altenhei-
men spitzt sich ebenfalls die Lage zu. Der Chef des
Bundesverbands privater Anbieter sozialer Dienste

(bpa), Bernd Meurer, sagt: „Die Corona-Beschrän-
kungen für ausländische, insbesondere osteuropäi-
sche Pflegekräfte verschärfen den Fachkräfteman-
gel sicherlich.“ Thomas Greiner, Präsident des Ar-
beitgeberverbandes Pflege, sagt: „Es droht eine
ausweglose Situation: Stationäre Einrichtungen ha-
ben Aufnahmestopps. Ambulante Dienste können
keine neuen Kunden annehmen. Für die häusliche
Betreuung können die osteuropäischen Betreu-
ungskräfte nicht einreisen und aus Drittstaaten
kommen sie aktuell nicht nach Deutschland.“
Ganz besonders betroffen sind Regionen an der
Grenze zu Polen. Ende März ordnete die Regierung
in Warschau eine 14-tägige häusliche Quarantäne
nach der Einreise an. Das stellt Berufspendler in
der Pflege, die sonst jeden Tag die Grenze überque-
ren, vor große Probleme. In Brandenburg sind
nach Angaben des dortigen bpa-Landesverbands
komplette Intensivpflegeteams von der polnischen
Regelung betroffen. Die Landesregierung in Pots-
dam versucht, Berufspendler aus Polen mit einer
Aufwandsentschädigung in Höhe von 65 Euro pro
Tag zu überzeugen, vorerst ganz in Deutschland zu
bleiben. Damit sollen die Kosten für Unterkunft
und Verpflegung ausgeglichen werden.

Die Personalnot in der Pflege beschäftigte die Po-
litik schon vor der Coronakrise. Zehntausende Stel-
len sind in Deutschland unbesetzt. Ein Jahr lang
ließ die Große Koalition Verbände, Gewerkschaf-
ten, Arbeitgeber und Krankenkassen über Lösun-
gen diskutieren, im vergangenen Sommer präsen-
tierte die Regierung die Ergebnisse ihrer „Konzer-
tierten Aktion Pflege“. Ein Baustein der Strategie
ist, mehr Pflegekräfte aus dem Ausland anzuwer-
ben. Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) flog in
den Kosovo und nach Mexiko, um dort persönlich
Vereinbarungen zu unterzeichnen. Momentan
muss sich Spahn mit ganzem Einsatz um die Coro-
nakrise kümmern. Und die Bemühungen um neue
Pflegekräfte aus dem Ausland stocken.
Westerfellhaus sagt: „Die Anwerbemaßnahmen
der Bundesregierung laufen intensiv weiter, unter
anderem mit der neu gegründeten Deutschen
Fachkräfteagentur für Gesundheits- und Pflegebe-
rufe.“ Gegenwärtig sei das angesichts der weltwei-
ten Gesundheitskrise aber „sehr schwierig“. Die
Bundesregierung bemühe sich allerdings darum,
laufende Anerkennungsverfahren für ausländische
Fachkräfte zu beschleunigen. Laut Bundesagentur
für Arbeit kamen schon 2019 etwa 80 000 der

Pflegen unter

doppeltem Druck


Die Personalnot in der Altenpflege ist groß. Die Coronakrise


verschärft das Problem: Ausländische Fachkräfte kommen nur


schwer ins Land. Auch Betreuungshilfen, die sich in Familien um


Pflegebedürftige kümmern, hängen in ihrer jeweiligen Heimat fest.


Pflegerinnen
im Altenheim:
Schon vor der Krise
war die Situation
vielerorts prekär.

plainpicture/Axel Killian

80 000


ALTEN -


PFLEGER
von insgesamt
600 000 in der
Altenpflege sind aus
dem Ausland.
Quelle:
Bundesagentur
für Arbeit

Wirtschaft


& Politik


MONTAG, 6. APRIL 2020, NR. 68
6

rund 600 000 sozialversicherungspflichtig Be-
schäftigten in der Altenpflege aus dem Ausland.
Die Pflege-Arbeitgeber spüren in der Coronakri-
se nach eigenen Angaben erhebliche Auswirkun-
gen auf die Personalgewinnung im Ausland. Inner-
halb der Europäischen Union sind die Grenzen
praktisch dicht. Für Drittstaaten gilt ein 30-tägiges
Einreiseverbot über den See- und Luftweg. Zwar
sind davon Menschen mit „systemrelevanten Be-
rufen“ ausgenommen, dazu zählen auch Pflege-
kräfte. Allerdings hätten im Ausland viele deut-
sche Botschaften und Konsulate geschlossen,
heißt es beim Arbeitgeberverband Pflege. Behörd-
liche Genehmigungen und die Ausstellung neuer
Visa seien somit blockiert. Und selbst wenn alle
erforderlichen Unterlagen zur Einreise nach
Deutschland vorlägen, gebe es oft keine Flüge
mehr nach Deutschland. Außerdem würden im-
mer mehr Länder aufgrund der zunehmenden
Corona-Infektionen einen Ausreisestopp für hei-
mische Pflegekräfte verhängen.

Aufnahmestopp für Heime
Die Personalnot treibt die Pflegeanbieter um, doch
sie haben noch viel größere Sorgen. Alte Men-
schen, umso mehr bei Vorerkrankungen, sind be-
sonders gefährdet, an der durch das Coronavirus
ausgelösten Atemwegserkrankung Covid-19 zu ster-
ben. Die Todesfälle in Seniorenheimen in Wolfs-
burg und Würzburg verdeutlichen die Risiken,
wenn sich der Erreger in einer Einrichtung ausbrei-
tet. Mittlerweile haben einige Bundesländer einen
Aufnahmestopp für Heime verhängt, vielerorts gel-
ten Besuchsverbote. Dazu kommt ein Mangel an
Schutzausrüstung für das Pflegepersonal. „Wir sind
in größter Sorge, dass wir dieser Ansteckungswelle
ohne ausreichende Schutzbekleidung begegnen
müssen“, sagt bpa-Chef Meurer. „Die Hoffnung,
dass uns die Bundesregierung entsprechend aus-
rüsten wird, schwindet von Tag zu Tag mehr.“ Das
Gesundheitsministerium beschafft seit einigen Wo-
chen zentral. Doch die Nachfrage auf dem Welt-
markt ist riesig, und in Deutschland klagen auch
Arztpraxen und Krankenhäuser über Engpässe.
Kaspar Pfister ist Inhaber des Pflegeanbieters Be-
nevit, das Familienunternehmen aus Baden-
Württemberg betreut rund 2300 Pflegebe-
dürftige stationär und ambulant. Bis Mitte
vergangener Woche hatten sich neun Pflege-
kräfte und neun Heimbewohner mit Coro-
na infiziert, zwei Menschen starben. Pfister
sagt, sein Unternehmen benötige bis zu 3000
Atemschutzmasken am Tag. Der Textilher-
steller Trigema liefere nun Masken,
die gewaschen und wiederverwen-
det werden könnten.
Pfister sagt, eine Quarantäne
sei in Pflegeheimen nichts Neu-
es. Das komme immer wieder
vor, etwa bei Grippewellen
oder wegen Magen-Darm-In-
fektionen. „Aber Covid-
ist schon die Herausforde-
imago images / Future Imagerung des Jahrhunderts.“

Coronahilfen

DIHK fordert zweites


Rettungspaket


In Berlin kommen Unternehmer nicht an
das versprochene Geld. Nun werden Rufe
laut, die Bundesmittel aufzustocken.

J. Hildebrand, S. Kersting, M. Koch Berlin

D


ie Zahlen sind dramatisch: Fast jeder fünfte
Betrieb in Deutschland sieht sich in Insol-
venzgefahr, wie eine Blitzumfrage des Deut-
schen Industrie- und Handelskammertags zeigt. Der
Wirtschaftsverband fordert daher jetzt ein zweites
staatliches Rettungsprogramm. „Der Schutzschirm
der Bundesregierung enthält bereits gute Instru-
mente, die krisenmildernde Wirkung entfalten“,
sagte DIHK-Präsident Eric Schweitzer mit Blick auf
die im März beschlossenen Maßnahmen. Das gelte
etwa für die Sonderregelungen beim Kurzarbeiter-
geld sowie die Soforthilfen für Soloselbstständige
und Kleinbetriebe. Es sei aber „dringend notwen-
dig“, die Hilfsprogramme weiterzuentwickeln, um
einer „Kettenreaktionen in die Breite der Wirt-
schaft“ entgegenzuwirken.
Konkret spricht sich der DIHK dafür aus, mittel-
ständische Betriebe stärker zu stützen. „Bund und
Länder sollten sich untereinander über ein transpa-
rentes Soforthilfe-Angebot für Betriebe verständi-
gen“, sagte Schweitzer dem Handelsblatt. Dieses
sollte für Unternehmen mit „bis zu 50 oder besser
noch bis zu 250 Mitarbeitern“ gelten. Einzelne Bun-
desländer füllen die „Mittelstandslücke“ schon mit
eigenen Hilfen auf, besonders großzügig ist Bayern.
Der DIHK spricht sich jetzt für eine bundesweite Lö-
sung aus.

Bund darf 100-Prozent-Garantie
geben
Vielen mittelständischen Unternehmen stehen bis-
her nur Liquiditätshilfen der Kreditanstalt für Wie-
deraufbau offen. Der Bund garantiert bisher für 90
Prozent der Darlehen. Doch vielfach reicht das
nicht, da sich immer noch eine Privatbank finden
muss, welche die verbliebenen zehn Prozent über-
nimmt.
Die EU-Kommission erlaubt es der Bundesregie-
rung nun, die Kredite im vollem Umfang zu garan-
tieren. Schweitzer begrüßt die Entscheidung: „Die
Betriebe müssen schnell an frisches Geld kommen
können, um ihre akuten Liquiditätsengpässe zu
überwinden“, betont er. „Das funktioniert nur,
wenn es für sie zeitlich befristet, aber so schnell wie
möglich spezielle Corona-Kredite mit 100 Prozent
Staatsgarantie gibt.“
Die Mängel der bisherigen Programme zeigen sich
beispielhaft an Problemen in Berlin: Zunächst ging
alles ganz schnell. Zehntausende Kleinunternehmer,
die vom 27. März an wegen der Coronakrise Sofort-
hilfe bei der Investitionsbank Berlin (IBB) beantragt
hatten, konnten sich wenige Tage später über Geld
auf dem Konto freuen. „So schnell wurde in keinem
deutschen Land die Soforthilfe an die Betroffenen
ausgezahlt“, feierte sich die IBB. Dabei war der An-
drang enorm. Die IBB genehmigte 151 000 Anträge,
zahlte 1,336 Milliarden Euro aus. Mehr Geld wurde
bisher nur in Nordrhein-Westfalen überwiesen. Zu-
dem stockte Berlin die Bundeshilfen für Soloselbst-
ständige und Kleinunternehmen mit bis zu fünf Be-
schäftigten mit weiteren 5 000 Euro aus Landesmit-
teln auf. So gab es in Berlin für Soloselbstständige
und Kleinunternehmen, von denen es in der Haupt-
stadt besonders viele gibt, statt 9 000 Euro 14 000
Euro. Damit war Berlin großzügiger als manches an-
dere Bundesland, das von vornherein nur in den
Grenzen des Bundesprogramms auszahlte.
Doch der Berliner Senat hat die Lage falsch einge-
schätzt. Das Geld reichte nicht so lange wie verspro-
chen. Stattdessen bekommen Berliner Unternehmen
nun ausschließlich die Hilfen des Bundes ausgezahlt.

Noch am Wochenende hatten die zuständigen
Berliner Politiker versucht, die Unternehmer und
Selbstständigen zu beruhigen. Da die Server der
IBB dem Ansturm zunächst nicht standhielten, ap-
pellierte Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grü-
ne): „Bitte vermeidet den gestrigen Riesenan-
drang.“ Das schrieb Pop am 28. März auf Twitter.
„Es sind genug Mittel da, es gilt NICHT das Wind-
hundprinzip!“ Und auch Finanzsenator Matthias
Kollatz (SPD) wurde bei der IBB mit der Botschaft
zitiert, es seien ausreichend Mittel vorhanden.
Doch die Aussagen der Senatspolitiker hatten nicht
lange Bestand. Am Mittwoch, dem 1. April, also
nur vier Tage später, teilte die IBB mit, die Bean-
tragung werde vorerst gestoppt, das Verfahren um-
gestellt. Diejenigen Anträge, die bereits in der War-
teschleife hingen, sollten noch abgearbeitet wer-
den.

In Berlin reichte das Geld nicht
Von diesem Montag 10 Uhr ab sollen nun wie-
der neue Anträge gestellt werden können. Doch
mit einem entscheidenden Unterschied: Dann gibt
es nur noch Hilfe nach dem vom Bund aufgelegten
Programm. Vom Land Berlin gibt es dann kein Ex-
trageld mehr. Das bedeutet aber für alle Soloselbst-
ständigen und Kleinunternehmen, deren Anträge
bis vergangenen Mittwoch 12 Uhr nicht genehmigt
wurden, dass sie nur 9 000 statt wie vorgesehen
14 000 Euro erhalten. Wer sich also auf die Zusage
von Grünen-Wirtschaftssenatorin Pop verlassen
hat und sich mit dem Antrag Zeit ließ, den kann
sein Vertrauen in die Berliner Politik nun 5 000
Euro kosten. Es galt eben doch das Windhundprin-
zip.
Dieser Nachteil war auch den Verantwortlichen
im Senat offenbar nicht sofort klar. Zumindest
dauerte es bei allen sehr lange, bis entsprechende
Nachfragen beantwortet wurden. Besonders är-
gern werden sich diejenigen, die zwar Anfang der
vergangenen Woche noch einen Antrag gestellt
hatten, dann aber in der Warteschleife hingen.
Denn auch für sie gilt: Nun gibt es statt 14 000
Euro nur noch 9 000 Euro.
Die IBB beschwichtigt: Man erwarte, dass die
Mehrheit der betroffenen Kleinunternehmen (bis
fünf Mitarbeiter) bereits finanziell unterstützt wor-
den sei, heißt es. Eine genaue Statistik sei in Vorbe-
reitung. Auch die Industrie- und Handelskammer
(IHK) Berlin glaubt, dass die meisten Kleinunter-
nehmen ihre Anträge vor der Antragspause gestellt
haben. Dass die 5 000 Euro aus dem Landespaket
künftig wegfallen, sei im Vergleich mit anderen
Problemen nicht ganz so dramatisch. Für wichti-
ger hält die IHK die Zuwendungslücke für den Mit-
telstand. „Das drängendste Problem bleibt, dass es
immer noch keine Zuwendungen für mittelständi-
sche Unternehmen mit bis zu 50 Mitarbeitern
gibt“, sagt IHK-Präsidentin Beatrice Kramm.
Diese Unternehmen sicherten in Berlin weit
mehr als 150 000 Arbeitsplätze. „Sie haben es
nicht verdient, dass sie in dieser existenziellen Kri-
se bei Fragen der rückzahlungsfreien Zuschüsse
von Bund und Land bisher schlichtweg übergan-
gen werden.“ Kramm forderte Bund und Land auf,
die Zuwendungslücke umgehend zu schließen.
Auch Unternehmer mit bis zu 250 Beschäftigten
sehen sich außerhalb der Radarschwelle. Zwar
können sie Kredite beantragen, bekommen aber
ebenfalls keine Zuschüsse.
„Wir sind dabei, mögliche Förderlücken zu
schließen“, erklärte eine Sprecherin von Wirt-
schaftssenatorin Pop auf Nachfrage. Man sei in Ge-
sprächen und Abstimmungen und werde „auch
weiter Verantwortung übernehmen“. Es sei aber
auch „die Leistbarkeit des Landes Berlin“ zu be-
wahren. Ohne weitere Zuschüsse vom Bund hört
sich das nicht nach großzügiger Hilfe an.

Die Hoffnung,


dass uns die


Bundes -


regierung


entsprechend


mit Schutz -


ausrüstung


versorgen


wird,


schwindet


von Tag zu


Tag mehr.


Bernd Meurer
Präsident des
Bundesverbandes
privater Anbieter
sozialer Dienste

Altenpflege in Deutschland
Zahl der Pflegebedürftigen 2017

2 590 000
Häusliche Pflege

3 410 000

HANDELSBLATT

*Gesundheitspfl., Krankenpflege, Rettungsdienst, Geburtshelfer
Quellen: Destatis, BA

24 % 76 %
813 300
Vollstationäre
Pflegeheime

Krankenpfleger* gesamt
1 085 187

In Deutschland tätige Pflegekräfte 2019

davon Anteil Ausländer: 89 873 (8,3 %)
Altenpfleger gesamt
600 893
davon Anteil Ausländer: 81 620 (13,6 %)

Wirtschaft & Politik


MONTAG, 6. APRIL 2020, NR. 68
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