Neue Zürcher Zeitung - 27.03.2020

(Jeff_L) #1

32 SPORT Freitag, 27. März 2020


«Ich gehe weiterhin davon aus,


dass wir ‹on track› sind»


Der Präsident Andras Gurovits sagt im Interviewmit Flurin Clalüna, dass er trotz Corona-Krise aneinen


Verkauf der Grasshoppers glaube – der Klub wird wohl in chinesischen Besitz übergehen


Andras Gurovits, wie schwierig ist es,
mitten in der Corona-Krise einen Fuss-
ballklub zu verkaufen?

EinenSchweizer Fussballverein zu ver-
kaufen, ist grundsätzlich nicht einfach.
Die Corona-Krise macht nun alles noch
komplizierter. Das Gute in unseremFall
ist aber, dass wir für den Besitzerwech-
sel von GC vieles schon früher aufglei-
sen konnten.Ich binguter Dinge.


Ohne die Krisewäre GC schon verkauft.
Können Sie das bestätigen?

Ich weiss nicht, woher Sie diese Infor-
mation haben, ich kann sie weder be-
stätigen noch dementieren. Richtig ist,
dass wir ohne die Corona-Krise vermut-
lich schon etwas hättenkommunizieren
können.Was ich sagen kann, ist, dass
der Verkaufsprozess nicht abgebrochen
worden ist. Die Signale stehen weiterhin
auf Grün.Das is t nicht selbstverständ-
lich. Es gibtFälle, in denenVertragsver-
handlungen abgebrochen werden und in
Vertragsbeziehungen bei höherer Ge-
walt Ausstiegsmöglichkeiten vorgesehen
sind, bei einerPandemie zum Beispiel.
Das ist bei uns nicht so. Ich gehe weiter-
hin davon aus, dass wir «on track» sind.


In welchem Status befinden sich die
Verhandlungen? Ist man über Absichts-
erklärungen hinaus?

Ich kann nicht in die Details gehen.
Aber wir sind weit über Absichtserklä-
rungen hinaus. Wenn alles normal läuft,
werden wir bald abschliessen.


Wann genau? Im April oder Mai?
Noch vor Ende dieser Saison.


Das bedeutet auch, dass Sie nur noch
mit einem Kaufinteressenten inKon-
takt sind.

Dazu kann ich nichts sagen.Aber grund-
sätzlich gilt: Solange ein Deal nicht ab-
geschlossen ist, dürfen wir nicht alle


anderenTüren schliessen. Den Champa-
gnerkönnen wir erst öffnen, wenn die
Aktien übergeben worden und die Gel-
der geflossen sind.


Sind Sie besonders froh, dass sich die
Lage in China etwas stabilisiert hat?

Ich hoffe, dass sich dieLage auch in
Europa und überall sonst auf derWelt
stabilisieren wird...


... Sie wissen,worauf wir ansprechen:
Die neuenBesitzer von GC sollen aus
China kommen.

Dazu kann ich nichts sagen.Wie ich ge-
hört habe, sind auchRussen im Spiel.
Oder Araber. Dieses Geheimnis lüf-
ten wir, wenn wir einenVollzug melden
können.


Werden Sie beim neuen GC eineRolle
spielen und vielleicht sogar Präsident
bleiben?

Es geht primär um GC. Wir reden dar-
über, aber ich weiss noch nicht, ob und
in welcherRolle ich dabei sein werde.
Wenn es Sinn ergibt, würde ich gern wei-
termachen. Ich wäre gern dabei, wenn es
mit GC wieder aufwärtsgeht.Aber zent-
ral ist dieseFrage nicht.


Zentral ist, wie die Rahmenbedingungen
des neuen Projekts aussehen.

Sie verstehen, dass ich dazu noch nichts
sagen kann.Wenn es dazukommt,haben
wir auch von der Struktur her das Maxi-
mum herausgeholt. Ein neuer Eigentü-


mer will natürlichselber bestimmen,was
geschieht. Aber wirkonnten gewisse
Kontrollmechanismen einbauen,um zu
verhindern, dass es zu schwierigenFäl-
len kommt, wie sie der SchweizerFuss-
ball schon erleben musste.

Haben sich die neuenBesitzer jüngst
nie dieFrage gestellt, was sie mit einem
Fussballklub anfangenwollen, von dem
sie nicht wissen,wann er überhaupt wie-
der spielen kann?
Selbstverständlich spielt dieseFrage eine
Rolle. Keiner, der heute einenFussball-
klub kauft, weiss, was er kauft.Weil nie-
mand weiss, wie sich dieLage entwickeln
wird. Trotz dieser Unsicherheit muss sich
ein Käufer dieFrage stellen:Will ich den
Verein? Oder will ich ihn nicht?

Und in IhremFall heisst das:Der Käu-
fer will GC immer noch.
Ja. Für jemanden, der GC kaufen will,
ist der Zeitpunkt gut.Was dieFinanzen
betrifft, sind wirschon sehr lange nicht
mehr so gut dagestanden wie jetzt. Noch

vor kurzem betrug das Defizit über acht
MillionenFranken. Für diese Saison
rechneten wir ursprünglich mit einem
Verlust von sechseinhalb Millionen.
Ohne Corona-Effekt wird er lediglich
zwi schen viereinhalb und fünf Millio-
nen betragen. Und für die nächste Sai-
son stehen wir bei drei Millionen. Wer
jetzt einsteigt, kann also mehr Geld in
den Sport investieren, weil er ein weni-
ger grosses Defizit decken muss. Es ist
trotz Corona heute attraktiver als frü-
her, GC zu übernehmen.

Obwohl der neueBesitzer Stand heute
auch noch nicht weiss, ob GC in ein paar
Jahren über ein neues Stadion verfügen
wird.
Ja, das istkein einfacherVerhandlungs-
punkt.

Haben Sie eine Vorstellung davon,
welchen wirtschaftlichen Schaden die
Corona-Krise für Ihren Klub anrichtet?
Wir haben das ausgerechnet. Die Rech-
nung für dieses Geschäftsjahr wird nicht

mehr massiv schlechter. Selbst imWorst
Case, wenn wir die Saison nicht zu Ende
spielenkönnten, wären es nicht meh-
rerehunderttausendFranken, die ver-
loren gingen.

Wie gehen Sie mit dieserPlanungs-
unsicherheit um, die für GC noch grös-
ser ist als für andereVereine: Sie wissen
noch nicht,wem der Klub gehören wird,
ob die Saison zu Ende gespieltwerden
kann und ob man allenfalls aufsteigen
kann.
Wir beschränken uns darauf, zu tun, was
wir beeinflussenkönnen. Als Unter-
nehmen haben wir GC fürKurzarbeit
angemeldet.Und esist schon richtig:
Die neue Saisonkönnen wir jetzt noch
gar nicht planen. Der Campus ist ge-
schlossen. Ein paar Büros sind offen,
und es gibtreko nvaleszente Spieler,
die Physiotherapie benötigen.Wir hal-
ten einen Minimalbetrieb aufrecht.
Aber über die laufende Saison hinaus
können wir heute nur sehr schwierig
planen.

Der GC-Spieler Allen Njie steht unter Qua rantäne – in Monrovia


StephanRamming· Pool, Palmen, Blu-
mengarten, es sieht ein wenig aus wie
Ferien. «GoldenKey Hotel» heisst der
Aufenthaltsort von AllenNjie, doch das
Türschloss bleibt für den 20-jährigen
GC-Spieler seit achtTagen zugedreht –
er steht unter Corona-Quarantäne.
Als Njie am18. März in Monrovia
landet, wird er aufgefordert, den Zoll-
beamten zu folgen. «Ich war überrascht»,
sagt Njie, «ich hatte keinerlei Informatio-
nen, dass Menschen aus Hochrisikolän-
dern bei der Einreise unter Quarantäne
gesetzt werden.» Er wird ins «Golden
Key» im Südosten von Liberias Haupt-
stadtgebracht. Seither ist er isoliert.
Die Reise von Njie beginnt am


  1. März, als der Bundesrat Einschrän-
    kungen an den Grenzen verkündet. Zu
    diesem Zeitpunkt haben die Klubs den
    Trainingsbetrieb bereits eingestellt. Nun
    stehen sie vor derFrage, ob sie ihren
    ausländischen Spielern die Erlaubnis
    erteilen sollen,nach Hause zu ihren
    Familien zureisen.Während beispiels-
    weise der FC Zürich alle Spieler in der
    Schweiz behält, stellenandere Klubs wie
    St. Gallen oder die Grasshoppers den


Spielern frei, ob sie bleiben oder gehen
wollen. «Ich habe vollesVerständnis,
wenn man bei seinerFamilie sein will»,
sagt der GC-SportchefFredy Bickel, «in
einer solchen Situation ist der Spieler
vor allem ein Mensch.»
Bei GCreiste etwa Djibril Diani un-
verzüglich zurFamilie nachParis, der
19-jährigeFrancis Momoh zuVater, Mut-
ter und den dreizehn Geschwistern nach
Kaduna im Umland der nigerianischen
Hauptstadt Abuja.Auch Njie musste
nicht lange überlegen. Er sagt: «Es ist
besser, wenn ich dieFamilie sehe und
trainieren kann.» Njie geht davon aus,
dass er «in ein oder zweiTagen» aus der
Quarantäne entlassen wird. Krankheits-
symptome habe erkeine, er fühlesich fit
und munter. Njie telefoniert mit dem Be-
rater, mit derFamilie und hältKontakt
zu seinen Mitspielern und dem Klub. Im
Gepäck hat er einen detailliertenTrai-
ningsplan, via soziale Netzwerke werden
in terne Challenges veranstaltet und die
Ausdauerdaten nach Niederhasli über-
mittelt.«Ich tr ainiere viel, ich will fit blei-
ben», sagt Njie und klingt motiviert. Das
«GoldenKey Hotel», unweit vom Natio-

nalstadion gelegen,kennt er bereits. In
diesem Hotel hat sich der sechsfache
Nationalspieler bereits zum Zusammen-
zug mit LiberiasAuswahl getroffen.
Njies Ziel ist dieses Mal aberBard-
nesville, zweiAutostunden entfernt im
Norden. Dort lebt dieFamilie, die Mut-
ter arbeitet in derAdministration der
Hafenanlagen Monrovias. Von Bardnes-
ville ist er vor zweiJahren nach Europa
aufgebrochen, nach einem Umweg über
Wien landete er schliesslich für 10 000
Franken bei GC.
Wie für jedenFussballer in Liberia
ist seinVorbild GeorgeWeah, der 1995
der ersteWeltfussballer aus Afrika war.
«Ich», mit Ausrufezeichen, antwortete
Nji e im«Tages-Anzeiger» einmal auf
die Frage, wer der nächste GeorgeWeah
werde. Heute istWeah der Präsident des
noch immer vom Bürgerkrieg geschun-
denenLandes. «Mein Eindruck ist, dass
die Menschen gut informiert sind über
die Gefahr des Coronavirus», sagt Njie.
«Es ist ruhig, die Behörden habenVor-
kehrungen getroffen – bis jetztsinderst
drei Infizierte bekannt.» Njie gehört
nicht zu ihnen.

Acht Topklubs


vereint gegen


Manchester City


Sportgerichtshof sollden
Europacup-Ausschluss bestäti gen

MICHELE COVIELLO

Der Widerstand gegen Manchester City
ist massiv und geeint, er ist so etwas wie
eineVerschwörung gegen den stein-
reichen und ungeliebten Mitstreiter. Wie
die «Daily Mail» am späten Dienstag-
abend in ihrer Online-Ausgabe öffent-
lich machte, haben sich acht Premier-
League-Klubs an den Internationalen
Sportgerichtshof (TAS) in Lausannege-
wandt. Sie fordern, dass der zweijährige
Ausschluss Manchester Citys aus sämt-
lichen europäischenWettbewerben be-
steh en bleibt und die derzeit laufende
Berufung des englischen Meisters abge-
schmettert wird.
Unter den protestierenden Ver-
einen sind die namhaftesten der Liga:
Liverpool, Chelsea, Manchester Uni-
ted, Tottenham Hotspur und Arsenal.
Auch Leicester City, die Wolverhamp-
ton Wanderers und Burnley haben sich
angeschlossen. Diese acht stehen unter
den ersten zehn in der aktuellenTabelle.
Sie haben gemeinsam eine Anwalts-
kanzlei engagiert und ein Schreiben ans
TAS nachLausanne geschickt. Sie ver-
langen, dass das Uefa-Urteil vom ver-
gangenen14. Februarkeinesfalls aufge-
weicht wird.Wie nochkeinen Klub da-
vor hatte der europäischeFussballver-
band vor etwas mehr als einem Monat
Manchester City bestraft:Wegen syste-
matischerVerstösse gegen dasFinancial
Fairplay sprach die Uefa eine Sperre in
Champions League und Europa League
von zweiJahren aus sowie eine Busse
von rund30 Millionen Euro.

«Genugist genug»


Eine anonyme Quelle, wohl aus denRei-
hen der aufbegehrendenTopklubs, sagte
gegenüber der «Daily Mail»: «Genug
ist genug. Zu lange hat sich Manches-
ter City mit Regelverstössen durch-
gesetzt und ist aufKosten mindestens
eines anderenVereins in die Champions
League gekommen.» Man befürchte,
dass City nun erneut eine Strafe abwen-
den und ungeschoren davonkommen
könnte – «was ungeheuerlich wäre».
Laut derFinanzkontrollbehörde der
Uefa versuchte der Klub Manchester
City den europäischenFussballverband
zu täuschen, indem er jahrelang Spon-
soreneinnahmen überbewertete und fal-
sche Zahlen meldete. Damit kaschierte
er ein Defizit von180 Millionen, wäh-
rend maximalein Verlust 45 Millionen
Euro erlaubt gewesen wäre.
Der Klubbesitzer Scheich Mansour
bin Zayed Al Nahyan aus denVereinig-
ten Arabischen Emiraten soll das unzu-
lässigeMinus heimlich gedeckt haben,
etwa indem er Etihad Airways Millio-
nenbeträge zukommen liess, welche die
Fluggesellschaft dann als Sponsoren-
gelder an Manchester City überwies.

Burnley hofft aufEuropa


Es istkein Zufall, dass sich die obere
Hälfte derTabelle der Premier League
nun gegen die Citizens auflehnt. Sie
belegen derzeitRang 2 der stillgeleg-
ten Meisterschaft.Würde dasTAS den
Rekurs gutheissen, stünden sie bei
gleichbleibenderTabelle erneut direkt
in der Champions League, und ein ande-
rer Klub würde derTeilnahme an der
Königsklasse beraubt, ein weiterer der
Qualifikation zur Europa League. Des-
halb hat sich auch das zehntplatzierte
Burnley zuWort gemeldet.Wird die
Meisterschaft nach der Corona-Krise
wiederaufgenommen, hätte auch der
Klub nördlich Manchesters eine Chance
auf den Europacup.
Nur einVerein aus den ersten zehn
hat sich nicht dem Protest angeschlos-
sen: Sheffield United, derzeit im7. Rang
klassiert.Auch dies entspringt wohl nicht
dem Zufall. Der gut aufspielendeAuf-
steiger gehört zu 100 Prozent dem sau-
dischen Prinzen Abdullah bin Musa’ad
bin Abdulaziz Al Saud – und die Bezie-
hungen zwischenSaudiar abien und den
Vereinigten Arabischen Emiraten sind
derzeit gut.

«Für jemanden, der GC kaufen will, ist derZeitpunkt gut», sagt der GC-Präsident Andras Gurovits. STEFFEN SCHMIDT / KEYSTONE

Andras Gurovits
Präsident
KEYSTONE der Grasshoppers

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