Die Welt - 27.03.2020

(Jeff_L) #1

D


ie Corona-Krise führt in
Italien und Spanien teil-
weise zu einer massiven
Überlastung des Gesund-
heitssystems. Die Leid-
tragenden sind nicht nur Patienten,
sondern auch Ärzte und Pflegepersonal.
Durch Dauerschichten und Material-
mangel geraten viele an ihre körperli-
chen und seelischen Grenzen, und die
Belastung wird in den nächsten Wochen
vermutlich enorm zunehmen. Doch wer
hilft den Helfenden? Maxi Braun ist
Fachärztin für Psychiatrie und Psycho-
therapie sowie für psychotherapeuti-
sche Medizin. Sie erklärt, welche Warn-
signale Ärzte beachten sollten und was
zur Entlastung von medizinischem Per-
sonal getan werden muss.

VON JULIAN AÉ

WELT:Viele Mediziner arbeiten der-
zeit am Limit. Welche psychischen
Folgen kann das haben?
MAXI BRAUN: Bei Ärzten scheint die

Folgen kann das haben?
ei Ärzten scheint die

Folgen kann das haben?


Häufigkeit für eine klinisch relevante
depressive Störung nach den verfügba-
ren Daten bei etwa 6 bis 13 Prozent zu
liegen. Auf die gesamte Lebenszeit ge-
rechnet, liegt dieses Risiko sogar bei 41
bis 45 Prozent – das war also schon vor
der Corona-Krise deutlich mehr als in
der Allgemeinbevölkerung. Besonders
betroffen sind Notfallmediziner, Allge-
meinärzte, Internisten, Neurologen und
Psychiater und Psychotherapeuten. Ge-
rade jetzt könnten diese Zahlen noch
erheblich steigen. Es besteht natürlich
eine höhere Gefahr für Burn-out – wir
nennen das Erschöpfungsdepression.
Hinzu kommen verschiedene Formen
von Schlaf-, Anpassungs- und Belas-
tungsstörungen. Auch Substanzmiss-
brauch spielt manchmal eine Rolle.

Bei Ärzten kann der ethische An-
spruch mit den eigenen Belastungs-
grenzen in Konflikt geraten. Spielt
das bei der Entstehung von psy-
chischen Erkrankungen eine Rolle?
Dazu gibt es sehr wenig Literatur. Wir
arbeiten bei uns häufig mit dem soge-
nannten Modusmodell aus der Schema-
therapie. Ein Modus ist so etwas wie ein
„Verhaltenssteuerungsprogramm“, das
das Fühlen, Denken und Handeln in ei-
ner Situation beeinflusst. Viele Ärzte
haben einen sehr ausgeprägten leis-
tungsfordernden Modus. Das bedeutet,
dass sie besonders viel von sich selbst
erwarten und bei Misserfolg sehr nega-
tiv über sich urteilen. Viele Kollegen ha-
ben aber auch einen emotional fordern-
den Modus – sie fühlen sich besonders
stark verpflichtet, Verantwortung für
andere zu übernehmen. Eigene Bedürf-
nisse werden dabei oft als egoistisch
eingestuft. Wenn sich Menschen nicht
diesem Modus entsprechend verhalten,
bekommen sie oft große Schuldgefühle.

Auch die große Verantwortung spielt
sicherlich eine Rolle. Welche Erklä-
rungsansätze gibt es noch?
Ein anderes Modell, um die Entstehung
von psychischen Störungen zu erklären,
ist das transaktionale Stressmodell
nach Lazarus. Demnach entsteht Stress
dann, wenn eine Situation subjektiv als
belastend empfunden wird – also indivi-
duell. Das passiert zum Beispiel, wenn
die Anforderung ist: „Ich darf keinen
Fehler machen“, und zeitgleich die eige-
ne Kompetenz als unzureichend bewer-
tet wird. Beide Modelle können das be-
sondere Risiko für psychische Erkran-
kungen bei Ärzten und Therapeuten gut

sondere Risiko für psychische Erkran-
kungen bei Ärzten und Therapeuten gut

sondere Risiko für psychische Erkran-


erklären. Denn diese tragen eine extrem
hohe Verantwortung und müssen
gleichzeitig sehr kompetent sein.

Wie können denn Ärzte und medizini-
sches Personal aktuell mit dem er-
höhten Stress und Leistungsdruck
umgehen?
Viele Kollegen gehen sehr verantwor-
tungsbewusst mit der Situation um und
befinden sich gewissermaßen im „Funk-
tionsmodus“. Hier tritt aber erstmals
seit langer Zeit das Problem auf, dass
Ärzte ähnlich existenzielle Ängste und
Sorgen um die Angehörigen oder die ei-
gene Gesundheit beschäftigen, wie sie
in der Allgemeinbevölkerung vorhan-
den sind. Besonders wichtig ist es im
Moment, ausreichend zu schlafen und
Pausen einzulegen – Schlafmangel ist
nach neueren Daten aus China ein sehr
wichtiger Faktor bei der Entstehung
von psychischen Störungen im Rahmen
der Corona-Krise. Wir arbeiten auch
mit der radikalen Akzeptanz von unver-
änderlichen Dingen – im Sinne von „Ich
kann nicht jedem helfen“. Man muss die
Grenzen der persönlichen und fachli-
chen Verantwortung erkennen, akzep-
tieren und im Team kommunizieren.

An wen können sich Ärzte und medi-
zinisches Fachpersonal wenden, was
gibt es bisher für Möglichkeiten?
Leider gibt es da in Deutschland sehr
wenige Angebote. Die Oberberg-Klini-
ken bieten seit einigen Jahrenein
Konzept für Ärzte an, die
in eine Substanzabhän-
gigkeit geraten sind.
Unsere Klinik bietet
seit November einen
Behandlungs-
schwerpunkt für
psychisch er-
krankte Ärzte

psychisch er-
krankte Ärzte

psychisch er-


und Psychothe-
rapeuten an.
Es wird aller-

dings in Zeiten der Corona-Krise
schwierig sein, stationäre psychosoma-
tische Hilfe in Anspruch zu nehmen.
Da ist meiner Meinung nach die große
Stunde der digitalen Medien gekom-
men. Hier wären beispielsweise On-
line-Angebote oder telefonische Diens-
te für helfende Berufe denkbar, die es
aber – so weit ich weiß – in Deutsch-
land noch nicht gibt. Hier müsste
schnell etwas gemacht werden. Wir
versuchen in unserem Klinikverbund
ein solches Angebot zu schaffen.

Vielen Ärzten fällt es offenbar schwer,
Hilfe in Anspruch zu nehmen, weil sie
sich selbst in der Rolle des Helfers se-
hen. Wie kann man diese Grenze
überwinden?
Das ist tatsächlich ein Problem. Da
müsste letztendlich ein psychosomati-
scher Konsildienst sowohl für die Ärzte

müsste letztendlich ein psychosomati-
scher Konsildienst sowohl für die Ärzte

müsste letztendlich ein psychosomati-


und Angestellten als auch für die Pa-
tienten in den Kliniken eingerichtet
werden. Auch das ist etwas, was wir in
unserem Klinikverbund versuchen um-
zusetzen.

Wir reden bisher allgemein über
Fachpersonal.
Ärztinnen sind besonders gefährdet
fffür psychische Störungen. Auch außer-ür psychische Störungen. Auch außer-
halb von Krisenzeiten ist die Belastung
hoch, wenn die Kinderbetreuung nicht
sichergestellt ist. Das muss unbedingt
gewährleistet sein – und zwar nicht
nur viereinhalb Stunden am Tag, son-
dern in Vollzeit. Die Pausenzeiten
sind außerdem knapp und werden
dringend zur Regeneration benö-

tigt. Daher kann ich mir auch andere
Entlastungsmöglichkeiten wie einen
Einkaufsservice vorstellen – da ist
Kreativität gefragt.

Gibt es Zahlen, wie viele Mediziner
ihren Beruf aufgrund von psychischen
Erkrankungen aufgeben oder längere
Pausen einlegen müssen?
Es gibt dazu in Deutschland nach mei-
ner Kenntnis keine Erhebungen. Es ist
schwierig, weil es schambehaftet ist.

Durch das hohe Arbeitspensum und
endlose Schichten bleibt in vielen Fäl-
len kaum Zeit für Partner und Kinder


  • auch ein Punkt, der zu emotionalen
    Belastungen führt.
    Da waren die chinesischen Kollegen
    während der Corona-Krise recht krea-
    tiv. Sie haben die Versorgung der Fami-
    lien mit Nahrungsmitteln sichergestellt
    und dafür gesorgt, dass Ärzte und Pfle-
    ger per Video mit ihren Angehörigen
    kommunizieren konnten. Der Punkt Fa-
    milie ist wichtig und etwas, was man im
    Auge behalten muss. Dafür müssen un-
    bedingt Räume geschaffen werden. Die-
    ses hohe Arztideal, das Politik und Be-
    völkerung zurzeit betonen, muss auch
    durch scheinbar banale Dinge wertge-
    schätzt und unterstützt werden.


Die Auswirkungen der Corona-Krise
führen nicht nur bei Ärzten zu psy-

Die Auswirkungen der Corona-Krise
führen nicht nur bei Ärzten zu psy-

Die Auswirkungen der Corona-Krise


chischen Belastungen. Welche Tipps
gibt es generell, um mit Ängsten und

chischen Belastungen. Welche Tipps
gibt es generell, um mit Ängsten und

chischen Belastungen. Welche Tipps


sozialer Isolation umzugehen?
Der Psychiater Klaus Lieb vom Leib-
niz-Institut für Resilienzforschung in
Mainz hat in den letzten Wochen viele
Beiträge zur Stärkung der psychischen
Gesundheit während der Corona-Pan-
demie veröffentlicht. Er empfiehlt un-
ter anderem, einen bewussten und
eingeschränkten Umgang mit Infor-
mationen zu pflegen und sich eine kla-
re Tagesstruktur anzueignen. Auch re-
gelmäßiger Stressabbau durch Sport
oder Entspannungsübungen ist wich-
tiger denn je. Letztlich geht es darum,
die Situation, deren Komplexität wir
nicht ganz erfassen können, zu akzep-
tieren. Da gilt natürlich für die Ärzte
das Gleiche wie für die Allgemeinbe-
völkerung.

Ist das für besonders belastete Be-
rufsgruppen überhaupt umsetzbar?
Viele Intensivmediziner haben in der
jetzigen Ausnahmesituation kaum Zeit,
um Ausgleich und Entspannung zu fin-
den. Sie arbeiten – wie vorhin beschrie-
ben – im „Funktionsmodus“.

Welche Konsequenzen ergeben sich
für die Politik?
Danke sagen reicht auf Dauer nicht. Wir
Ärzte haben einen Sicherstellungsauf-
trag und als Angestellte auch eine Ar-
beitspflicht. Diese können wir nur in ei-
ner konkreten Gefährdungslage verwei-
gern. Genauso haben Kliniken und Pra-
xen eine Fürsorgepflicht gegenüber ih-
ren Mitarbeitern. Der Arbeitsschutz
muss gewährleistet sein – das heißt, es
muss beispielsweise genügend Schutz-
kleidung und Desinfektionsmittel da
sein. Da muss sich die Politik ganz
schnell etwas überlegen, notfalls auch
durch Beschlagnahmungen oder Ausga-
bebeschränkungen gegenüber Privat-
personen. Ebenso wichtig sind schnelle
Entlastungsmöglichkeiten für die Büro-
kratie im ärztlichen Alltag.

TDas Interview wurde telefonisch
geführt.

„Danke sagen


reicht nicht“


Mediziner werden in der Corona-Krise


extrem beansprucht – und fragen


selbst kaum noch Hilfe. Eine


Psychiaterin erklärt, welche Folgen


das für die Psyche haben kann


Covid-19 treibt viele Ärzte ans Limit ihrer Kräfte


PICTURE ALLIANCE/ JOKER

/ ALEXANDER STEIN

Maxi Braun leitet eine Therapie-
einheit für psychisch erkrankte Ärzte
PSYCHOSOMATISCHE KLINIK KLOSTER DIESSEN

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27.03.20 Freitag,27.März2020DWBE-HP


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DIE WELT FREITAG,27.MÄRZ2020 SEITE 12


WISSEN


WISSENSCHAFTSREDAKTION: TELEFON: 030 – 2591 719 50|E-MAIL: [email protected]|INTERNET: WELT.DE/WISSENSCHAFT


PSYCHOLOGIE


Homeoffice macht


nicht unproduktiv


Das Arbeiten im Homeoffice macht
Arbeitnehmer nach Angaben norwe-
gischer Wissenschaftler nicht weni-
ger produktiv. Unter den richtigen
Voraussetzungen seien virtuell zu-
sammenarbeitende Teams manch-
mal sogar effektiver als solche am
selben Standort, so der Forscher
Nils Brede Moe von der unabhängi-
gen norwegischen Forschungsorga-
nisation Sintef. „Es ist nicht der
Fall, dass virtuelle Teams eine gerin-
gere Produktivität bedeuten.“ Es
könne jedoch etwas schwieriger für
solche Teams sein, effektiv zu ar-
beiten. Entscheidend sei unter an-
derem, dass die Kollegen mit den
richtigen Werkzeugen zur Kom-
munikation während der Arbeit
ausgestattet seien. „Es ist wichtig,
Videokonferenzen zu nutzen und
miteinander zu sprechen, anstatt
Gedanken und Bedürfnisse einfach
nur schriftlich auszutauschen“, riet
Moe. Treffen per Video sollten des-
halb vorgeschrieben sein, wenn man
nicht am selben Standort arbeite.

KLIMAWANDEL


Great Barrier Reef


in Gefahr


Teile des Great Barrier Reef vor
Australiens Nordostküste sind we-
gen wärmerer Meerestemperaturen
erneut von einer massiven Korallen-
bleiche heimgesucht worden – der
dritten binnen fünf Jahren. Luft-
überwachungen hätten gezeigt, dass
einige südliche und bisher ganz oder
weitgehend verschont gebliebene
Gebiete des weltgrößten Riffs eine
gemäßigte oder sogar schwere Blei-
che aufwiesen, teilte die zuständige
Behörde Great Barrier Reef Marine
Park Authority mit. Als Bleiche wird
ein Verblassen der farbenprächtigen
Steinkorallen bezeichnet: Bei zu
hohen Wassertemperaturen stoßen
die Nesseltiere die für die Färbung
sorgenden Algen ab, mit denen sie
sonst in einer Gemeinschaft zu
gegenseitigem Nutzen leben. Keh-
ren diese Algen nicht innerhalb
einiger Wochen oder Monate zu-
rück, sterben die Korallen.

EXPEDITION


„Polarstern“ muss


länger ausharren


Die Corona-Pandemie wirkt sich
auch auf die einjährige „Mosaic“-
Expedition des Forschungsschiffes
„Polarstern“ in der Zentralarktis
aus. Wegen der weltweiten Reise-
verbote müsse der für Anfang April
geplante Wechsel der 100 Wissen-
schaftler an Bord verschoben wer-
den, sagte Expeditionsleiter Markus
Rex vom Alfred-Wegener-Institut
(AWI). Der Austausch werde nun
für Mai geplant. Mit einem Abbruch
der Expedition rechne Rex aus der-
zeitiger Sicht nicht. „Wir gehen
weiterhin davon aus, dass die Polar-
stern wie geplant am 12. Oktober
nach Bremerhaven zurückkehren
wird“, sagte er. Der Eisbrecher war
am 20. September 2019 von Norwe-
gen aufgebrochen, um sich in der
Arktis einfrieren zu lassen.

ANTHROPOLOGIE


Neandertaler


aßen Muscheln


Neandertaler ließen sich Meeres-
früchte und andere Köstlichkeiten
aus dem Meer schmecken. Ähnlich
wie der moderne Mensch fingen sie
Fisch und Seevögel und sammelten
und aßen Muscheln und Krebse,
berichtet ein internationales For-
scherteam in „Science“. Belege
dafür fanden die Wissenschaftler in
einer Höhle an der portugiesischen
Atlantikküste. Dass die Vorliebe der
Neandertaler für das Meer bisher
wenig Beachtung fand, erklären sie
mit steigenden Meeresspiegeln und
infolgedessen versunkenen Fund-
stätten.

KOMPAKT


W


er mehr geht, lebt gesünder.
Das belegt eine aktuelle Stu-
die, der zufolge eine höhere
tägliche Schrittzahl mit einer geringe-
ren Sterblichkeit verbunden ist. Insbe-
sondere bei Menschen, die 12.
Schritte und mehr am Tag machten, sei
die Mortalität und hier insbesondere
die in Folge von Herz-Kreislauf-Erkran-
kungen deutlich gesenkt, berichten die
Wissenschaftler im Fachblatt „JAMA“.
Unerheblich sei dabei die Intensität der
Schritte.

VON ALICE LANZKE

„10.000 Schritte am Tag halten ge-
sund“ - so lautete vor vielen Jahren das
Werbeversprechen eines japanischen
Schrittzähler-Herstellers. Auch ohne
wissenschaftlichen Beleg folgten viele
Menschen der Empfehlung mithilfe von
Fitnesstrackern und Smart Watches.

Wie viele Schritte aber optimal für die
Gesundheit sind, ist wissenschaftlich
umstritten: So ergaben spätere Studien
unterschiedliche Werte, die von 4500
bis 18.000 Schritten reichen.
Das Team um den Mediziner Pedro
Saint-Maurice vom US-amerikanischen
Nationalen Krebs-Institut wertete für
seine Studie Daten des National Health
and Nutrition Examination Survey“
(NHANES) aus, einer repräsentativen
Erhebung, die den Gesundheitsstatus
und den Lebensstil von US-Amerika-
nern erfasst. Hier fokussierten sie sich
auf 4840 Über-40-Jährige, die zwischen
2003 und 2006 für bis zu sieben Tage ei-
nen Bewegungssensor trugen. Im
Durchschnitt machten diese pro Tag
9124 Schritte. Laut einer Folgeerhebung
von Dezember 2015 waren 1165 Teilneh-
mer jener Studiengruppe in der Zwi-
schenzeit verstorben, die meisten von
ihnen an Herz-Kreislauf-Erkrankungen

(406) oder Krebs (283). Die Forscher er-
rechneten aus diesen Informationen
das Sterberisiko für verschiedene
Schrittgruppen. Das Ergebnis: Für die-
jenigen, die jeden Tag weniger als 4000
Schritte machten, lag die Mortalität bei
76,7 pro 1000 Personenjahre. Mit „Per-
sonenjahren“ wird die Summe der indi-
viduellen Jahre beschrieben, die alle an
einer Studie teilnehmenden Personen
insgesamt unter Beobachtung standen -
derartige Werte drücken Trends und Ri-
sikobewertungen aus.
Und ein solcher Trend wird deutlich
beim Vergleich der sich eher weniger
bewegenden Teilnehmer mit denen, die
mehr Schritte machten: Denn bei denje-
nigen, die täglich zwischen 4000 und
7999 Schritte gingen, lag das Sterberisi-
ko bei 21,4 pro 1000 Personenjahren. Bei
zwischen 8000 und 11.999 Schritten be-
trug dieser Wert nur noch 6,9 und für
alle, die mehr als 12.000 Schritte taten,

schließlich 4,8. Keinen Einfluss auf die
Mortalität hatte indes die Intensität der
Schritte, wenn sie an deren Gesamtzahl
pro Tag angepasst wurde - ein Ergebnis,
das eine Untersuchung der Harvard Me-
dical School im vergangenen Jahr schon
für ältere Frauen festgestellt hatte.
Die Tendenzen der Studie finden sich
insbesondere bei einem Vergleich der
Todesfälle durch Herz-Kreislauf-Er-
krankungen in den verschiedenen
Schrittgruppen wieder, was nicht über-
rascht. Denn dass mehr Bewegung das
Risiko für derartige Krankheiten gerade
im Alter verringert, wurde bereits durch
zahlreiche Untersuchungen belegt und
wird folglich von unterschiedlichen me-
dizinischen Fachgesellschaften wie
auch dem Bundesgesundheitsministeri-
um empfohlen. Erst kürzlich hatte die
American Heart Association vermeldet,
dass täglich mehr Schritte das Risiko für
Diabetes und Bluthochdruck senken. dpa

4 000, 10.000 oder doch 18.000?


Es gibt unterschiedliche


Empfehlungen zur Zahl


der Schritte, die man


seiner Gesundheit


zuliebe täglich gehen


sollte. Eine aktuelle


Studie kommt zu dem


Schluss: Mehr ist besser


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