Die Welt - 27.03.2020

(Jeff_L) #1

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27.03.20 Freitag,27.März2020DWBE-HP


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6 POLITIK DIE WELT FREITAG,27.MÄRZ


A


lle Menschen sind vor dem
Gesetz gleich – so lautet
der erste Satz von Artikel 3
des Grundgesetzes. Auch
diese Grundüberzeugung
ist in der Corona-Krise Anlass dafür,
dass die bisherigen Maßnahmen zur
Bekämpfung der Ausbreitung des Vi-
rus für alle gleichermaßen gelten. Zu-
mindest vordergründig. Alle sollen
Kontakte vermeiden, sie idealerweise
auf eine zweite Person reduzieren. In
einigen Bundesländern können die
Bürger das Haus oder die Wohnung
nur noch mit triftigem Grund verlas-
sen.

VON THOMAS VITZTHUM

Das gilt für Jung und Alt gleicherma-
ßen. Noch. Schon bisher gab es aller-
dings eine Art Ungleichbehandlung in
der Seuchenbekämpfung: Jene, die ih-
ren Job nicht im Homeoffice erledigen
können, dürfen an ihre Arbeitsplätze
gelangen und sich dort aufhalten. Dass
dies nicht selbstverständlich ist, wird
in Ländern wie Spanien, Italien oder
zuvor in China vorexerziert. Dort wur-
de oder wird auch das Arbeitsleben
stark beschnitten.
In Deutschland gibt es eine Un-
gleichbehandlung zwischen den außer-
halb ihrer Wohnung Arbeitenden und
jenen, die drinnen arbeiten oder gera-
de nicht arbeiten können. Das Anste-
ckungsrisiko am Arbeitsplatz wird also
in Kauf genommen – wohl wissend,
dass etwa in der Industrie, im Hand-
werk, am Bau, im medizinischen Be-
reich und in Großküchen Abstandsre-
geln, Hygienemaßnahmen und derglei-
chen nur leidlich funktionieren.
Nun bahnt sich eine weitere Abwei-
chung vom Prinzip der Gleichbehand-
lung an: Je länger die Einschränkungen
des öffentlichen und wirtschaftlichen
Lebens dauern, desto offensichtlicher
wird, dass sie auf Dauer nicht durchzu-
halten sind, dass sie ebenso zu großem
Schaden führen. In ökonomischer,
aber auch in menschlicher Hinsicht.
Obwohl am Mittwoch im Bundestag
eigentlich über die wirtschaftlichen
und juristischen Maßnahmen zur Be-
wältigung der Krise beraten wurde,
war aus einigen Wortbeiträgen durch-
aus herauszuhören, wie die nächste
Phase aussehen könnte. Dann dürften
die Mitglieder dieser Gesellschaft nach
ihrem Risiko differenziert werden, das
eine Erkrankung an Covid-19 mit sich
bringen würde. Heißt konkret und ver-
kürzt: Jüngere dürften wieder raus. Al-
te und Menschen mit Vorerkrankun-
gen sollten – oder eher: müssten –
drinbleiben.
Noch vor einer Woche schien ein sol-
cher Gedanke unerhört. Egal, wen man
nach dieser Ungleichbehandlung fragte


  • ob Politiker von CDU, CSU oder SPD,
    Linkspartei oder Grünen –, die Idee
    wwwurde verworfen unter dem Hinweis:urde verworfen unter dem Hinweis:
    Man müsse alle gleichbehandeln. Inzwi-
    schen hat sich das etwas geändert. Un-
    ter vorgehaltener Hand halten immer
    mehr ein solches Vorgehen für denkbar.
    Am Mittwoch kündigte nun Kanzler-
    amtschef Helge Braun gar bereits an, die
    aktuellen Restriktionen später als Erstes
    fffür junge und gesunde Menschen zu lo-ür junge und gesunde Menschen zu lo-
    ckern. „Die nächste Phase lautet natür-
    lich: Junge Menschen, die nicht zu den
    Risikogruppen gehören, dürfen wieder


mehr auf die Straße“, sagte Braun in ei-
nem Fragevideo auf der Studenten-App
Jodel.
Damit spricht Braun offen aus, wo-
rüber hinter den Kulissen bereits in-
tensiv diskutiert wird. „Man könnte
die Gesellschaft mit einem Teil wieder
hochfahren und würde die Risikogrup-
pen bitten, drinzubleiben“: So fasst ein
CDU-Politiker die Debatte zusammen.
Jüngere sind durch das Virus zwar glei-
chermaßen betroffen, ihre Gesundheit
ist jedoch im Allgemeinen nicht in glei-
chem Maße bedroht wie die Älterer.

st jedoch im Allgemeinen nicht in glei-
hem Maße bedroht wie die Älterer.

st jedoch im Allgemeinen nicht in glei-


Mit höherem Alter steigt das Risiko für
schwere Verläufe deutlich an.
Das Durchschnittsalter an Corona
gestorbener Menschen in Italien liegt
bei fast 80 Jahren. So wird als ein mög-
licher Grund für die im Vergleich zu
anderen Staaten noch relativ niedrige
Todesrate in Deutschland auch ange-
geben, dass die Mehrzahl der – geteste-
ten – Infizierten hierzulande der mitt-
leren Altersgruppe angehört. In Italien
ist dies anders. Es gibt zwar auch dort
Todesfälle bei Menschen unter 50.
AAAber sie bilden eine Ausnahme, nichtber sie bilden eine Ausnahme, nicht
selten liegen auch hier Vorerkrankun-
gen vor. Darauf weist auch die Wissen-
schaft immer wieder hin.
Bundesgesundheitsminister Jens
Spahn (CDU) sagte am Mittwoch im
Bundestag: „Wir nutzen diese Zeit, um
Konzepte nicht nur zu entwickeln,
sondern auch für die Umsetzung vor-
zubereiten, wie wir schrittweise Be-
schränkungen wieder aufheben kön-
nen.“ Und ergänzte: „Um besondere
Gruppen schützen zu können.“ In ei-
nem „Zeit“-Interview wurde er noch
konkreter: Gebraucht würden Konzep-
te, die speziell auf Ältere und chro-
nisch Kranke zugeschnitten seien.
„„„Wenn wir sie schützen, können wirWenn wir sie schützen, können wir
gleichzeitig an anderen Stellen wieder
normales Alltagsleben ermöglichen.
Wir werden die Älteren also mögli-
cherweise über mehrere Monate bitten
müssen, ihre Kontakte stark einzu-
schränken und im Zweifel zu Hause zu
bleiben.“
Bayerns Ministerpräsident Markus
Söder (CSU) sagte: „Wir müssen vor
allem die Risikogruppen vor der Anste-
ckung mit dieser tödlichen Krankheit
schützen.“ Auch in der Bundestagsde-
batte deuteten Redner an, dass nicht
alle gleichbehandelt werden müssten.
SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich
sagte: „Die Erkrankung trifft mögli-
cherweise einzelne Gruppen beson-
ders.“
ÄÄÄhnliche Töne schlagen auch anderehnliche Töne schlagen auch andere
inzwischen vermehrt an. Der Düssel-
dorfer Oberbürgermeister Thomas
Geisel (SPD) etwa forderte in einem
Gastbeitrag für die „Rheinische Post“,
„solidarisch, die Alten und Schwachen
ganz gezielt vor einer lebensgefährli-
chen Infektion mit dem Virus zu
schützen“. Je effektiver das gelinge,
desto geringer seien die Freiheitsein-
schränkungen und der wirtschaftliche
sowie soziale Schaden.
Dass die Debatte über nicht pau-
schale, sondern gezielte Schutzmaß-
nahmen anläuft, darauf machte Grü-
nen-Fraktionschefin Katrin Göring-
Eckardt implizit aufmerksam, indem
sie ihre Rede im Bundestag mit dem
Hinweis beschloss: „Wir könnten jetzt
anfangen, uns zu separieren: Die einen
bleiben zu Hause, und die anderen ma-

chen Party im Park. Das ist nicht mei-
ne Vorstellung von Gesellschaft.“ Of-
fffenbar lehnt die Politikerin eine Un-enbar lehnt die Politikerin eine Un-
gleichbehandlung ab.
International hat eine Differenzie-
rung zwischen Jung und Alt bereits
stattgefunden. Die britische Regie-
rung etwa hatte sich kurzzeitig an ei-
ner solchen versucht, inzwischen aber
von allen eingefordert, zu Hause zu
bleiben. Auch Argentinien und Kolum-
bien verhängten zunächst Teil-
ausgangsbeschränkungen, die sich am
Alter orientierten. In beiden Ländern
gilt aber inzwischen wieder der
Gleichheitsgrundsatz.
WWWürde Deutschland einen ähnlichenürde Deutschland einen ähnlichen
WWWeg beschreiten, wäre dies aber docheg beschreiten, wäre dies aber doch
nicht vollständig vergleichbar, da ja auf
die allgemeine Ausgangsbeschränkung
die Teilausgangsbeschränkung folgen
wwwürde – und nicht umgekehrt. Spahnürde – und nicht umgekehrt. Spahn
wies denn auch auf die Notwendigkeit
hin, dies mit entsprechenden Maßnah-
men zu flankieren. Dafür wären dann
solidarische Lösungen zu finden, die
Betroffene unterstützen, um Versor-
gung und soziales Miteinander über
neue Kanäle zu organisieren, so der
Minister. Bis spätestens Ostern will er
einen Vorschlag machen.
Er scheint dabei die Unterstützung
der wichtigsten Ratgeber der Regie-
rung auf seiner Seite zu haben: der Vi-
rologen. Der Biochemiker und Virolo-
ge Alexander Kekulé sagte bezogen auf
die jetzigen Ausgangsbeschränkungen:
„„„Wir müssen uns auf jeden Fall fürWir müssen uns auf jeden Fall für
nach Ostern etwas anderes ausdenken,
was einen ähnlichen Effekt hat.“ Er
sprach von „neuen Formen der Isolati-
on“, die man überdenken müsse. Der
Wissenschaftler geht davon aus, dass
wegen der vielen milden Verläufe viele
Infektionen nicht auffielen. „Unsere
Bevölkerung wird unauffällig durchim-
munisiert, während wir uns alle aufre-
gen.“ Je höher der Anteil immunisier-
ter Menschen ist, desto geringer ist die
Gefahr für die Risikogruppen: Das ist
das Prinzip der Herdenimmunität.
AAAuch der Virologe Christian Dros-uch der Virologe Christian Dros-
ten von der Berliner Charité sprach
von einer „Nachsteuerung der Maß-
nahmen“ und insbesondere davon, ei-
nen „ganz besonderen Fokus auf den
Schutz der Risikogruppen zu legen, auf
die älteren Leute pauschal und dann
auf die Risikopatienten innerhalb der
jüngeren Leute“. Auf deren Schutz hin
könnten die Maßnahmen des Gesund-
heitssystems stärker gesteuert wer-
den. Einer gezielten Infektion jüngerer
Menschen erteilte Drosten aber eine
klare Absage.
Die Debatte über Phase zwei ist also
entbrannt. Gesundheitsminister
Spahn, der sie ja mit angestoßen hatte,
warnte aber schon am Donnerstag da-
vor, zu schnell über Lockerungen zu
reden. Man müsse in den Botschaften
klar sein, sagte er. Zunächst müsse
man die derzeitigen Maßnahmen
durchhalten. „Wir können dann nach
Ostern möglicherweise über eine Ver-
änderung reden, wenn wir bis Ostern
alle miteinander konsequent sind.“
Gleichwohl sprach Spahn neben der
Notwendigkeit, weiterhin umfassend
zu testen, die Kontakte von Infizierten
nachzuverfolgen und Therapieoptio-
nen zu prüfen, davon, Schutzkonzepte
fffür die Teile Bevölkerung zu erarbei-ür die Teile Bevölkerung zu erarbei-
ten, „die besonders gefährdet sind“.

Noch gilt für alle Deutschen: Möglichst viel zu Hause bleiben. So auch in Heidelberg


GETTY IMAGES

/ THOMAS NIEDERMUELLER

Die gezielte


Ungleichbehandlung


bahnt sich an


Gesundheitsminister und Kanzleramtschef sprechen aus, worin sich viele


Politiker und Wissenschaftler einig sind: Deutschland kann den


Ausnahmezustand nicht mehr lange durchhalten. Die Konsequenz:


Restriktionen dürften künftig vor allem für Ältere und Vorerkrankte gelten


Die Mediziner vom Deutschen Institut
für Katastrophenmedizin (DIFKM) ha-
ben einen alarmierenden Bericht an das
Baden-Württembergische Innenministe-
rium adressiert. In dem Schreiben, das
WELT vorliegt, haben sie die deutschen
Behörden vor „medizinischen Kollate-
ralschäden“ gewarnt. Offenbar hat ihnen
die katastrophale Lage im Elsass die Au-
gen geöffnet, weil sich „nunmehr im De-
tail die greifbare Gefahr durch das Virus
Sars-CoV-2“ abzeichne. Die deutschen
Behörden und Krankenhäuser sollten
daraus Konsequenzen ziehen.
„Wir betreiben bereits seit zwei Wo-
chen Triage. Patienten über 80, über 75,
an manchen Tagen auch über 70 können
nicht mehr intubiert werden, weil uns
einfach die Beatmungsgeräte fehlen“,
sagt Brigitte Klinkert, Präsidentin des
Departements Haut-Rhin im Gespräch
mit WELT. „Man kann es gar nicht oft
genug sagen, weil nicht nur die deut-
schen Nachbarn, auch die Franzosen au-
ßerhalb des Elsass sich die Lage hier
noch nicht klarmachen.“
Das sei auch der Grund dafür, warum
sie die deutschen Krankenhäuser ver-
zweifelt um Hilfe gebeten habe.Danach
wurden mehrere Dutzend Patienten sind
in deutsche Kliniken geflogen. In Mül-
hausen ist außerdem seit Mittwoch das

C


éline bricht immer öfter in Trä-
nen aus. Noch hat die Kranken-
schwester in der Intensivmedi-
zin des Universitätsklinikums in Straß-
burg auf ihrer Station keinen Toten zu
beklagen, aber sie macht sich keine Illu-
sionen über die Gründe. „Ich weiß, dass
wir keine Patienten mehr annehmen, die
über 80 sind“, erzählt die Kranken-
schwester in einem Protokoll, das die ka-
tholische Tageszeitung „La Croix“ veröf-
fentlicht hat. „In meiner Abteilung sind
die Patienten zwischen 45 und 72 Jahre
alt und es geht ihnen, wenn ich ganz ehr-
lich bin, nicht gut.“ Alle habe man intu-
biert, in ein künstliches Koma versetzt
und auf den Bauch gelegt.

VON MARTINA MEISTER
AUS PARIS

In Frankreich herrschen bereits italie-
nische Verhältnisse, die Krankenhäuser
im Elsass, in Straßburg, Mülhausen und
Colmar sind heillos überlastet. Die Tria-
ge, wie Katastrophen- und Kriegsmedizi-
ner die Auswahl von Patienten mit bes-
seren Überlebenschancen bezeichnen,
steht im Elsass längst auf der Tagesord-
nung. Ein Team von deutschen Ärzten
hat das beim Informationsbesuch in
Straßburg mit Schrecken festgestellt.

Militärlazarett funktionsfähig. Am Don-
nerstag sind transportfähige Patienten
in einem TGV-Hochgeschwindigkeitszug
in andere Regionen Frankreichs ge-
bracht worden. „All das hilft uns, aber es
reicht nicht“, sagt Klinkert. „Die Lage ist
katastrophal. Und wir haben den Höhe-
punkt der Epidemie noch nicht mal er-
reicht.“ Im Departement Haut-Rhin sei
die Zahl der Intensivbetten mit Möglich-
keit der künstlichen Beatmung um 17 auf
104 gesteigert worden. „Aber allein im
Krankenhaus Mülhausen sind gestern 15
Patienten eingeliefert worden, die intu-
biert werden müssen“, erzählt Klinkert.
Auch das deutsche Ärzteteam hat ver-
standen, dass die Beatmungsgeräte „das
Nadelöhr“ sind. In Frankreich gibt es
keine Firma, die sie produziert, die Lager
sind leer. „Die Nachfrage ist kolossal. Je-
de Woche werden Hunderte verlangt“,
berichtete Christophe Hentze, französi-
scher Generaldirektor des deutschen
Herstellers Löwenstein Medical bereits
Mitte März, und sprach von „wochenlan-
gen Wartezeiten“.
In Frankreich beschäftigt sich längst
die Ethikkommission mit der Frage,
nach welchen Kriterien man vorgehen
sollte. Dass die Covid-19-Patienten, die
in den Genuss einer intensivmedizini-
schen Versorgung kommen, allein nach

ihrem Alter ausgewählt werden, scho-
ckiert Mediziner wie Philippe Juvin, Lei-
ter der Notaufnahme im Pariser Kran-
kenhaus Pompidou. „Das ist unsere
Angst, unser Albtraum und total unvor-
stellbar“, sagte Juvin am Donnerstag-
morgen im Radiosender Europe 1. Noch
sei man in Paris nicht in derselben Situa-
tion wie die elsässischen Kollegen, so Ju-
vin. Der Arzt plädiert aber eindringlich
dafür, das Urteil nach der Gesamtverfas-
sung des Patienten und seiner Über-
lebenschancen zu treffen, nicht allein
aufgrund seines Alters.

Die Realität ist in Frankreich bereits
eine andere. In vielen Altenheimen ist
das Virus präsent. In einzelnen Häusern
ist es bereits zu einem Massensterben
der Insassen gekommen, wie beispiels-
weise im Pariser Heim der Fondation
Rothschild, wo in kürzester Zeit 16 Men-
schen gestorben sind. 81 weitere sind in-
fiziert, viele in einem sehr kritischen Zu-
stand. Infizierte Alte werden in Frank-
reich nicht mehr aus den Heimen in die
überlasteten Krankenhäuser gebracht.
Angehörige können sie nicht besuchen,
müssen sich per Skype oder Telefon von

ihnen verabschieden, bevor sie einsam
sterben. Das Personal ist mit dieser Si-
tuation überfordert und verlangt ver-
zweifelt nach Spritzen und Betäubungs-
mitteln, um die Sterbenden weiter hu-
man begleiten zu können. Auch das deut-
sche Ärzteteam berichtet, dass infizier-
ten Patienten in Pflegeheimen wie auch
Rettungsdienste bei Infizierten über 80
„schnelle Sterbebegleitung mit Opiaten
und Schlafmitteln“ leisteten.
Überrascht war das Team nach dem
Besuch in Straßburg auch darüber,
dass infizierte Ärzte und Pflegekräfte
in Frankreich weiterarbeiten dürfen.
Die deutschen Katastrophenmediziner
fffordern deshalb, von den Vorgaben desordern deshalb, von den Vorgaben des
Robert-Koch-Instituts abzuweichen
und eine klar definierte Sonderrolle
fffür Fachpersonal festzulegen, umür Fachpersonal festzulegen, um
Menschenleben zu retten. Der Leiter
der Infektionsabteilung des Pariser Bi-
chat-Krankenhauses sagt im Interview
mit der Tageszeitung „Le Figaro“:
„„„Wenn wir jedes Mal im KrankheitsfallWenn wir jedes Mal im Krankheitsfall
aufhören würden zu arbeiten, würde
das Krankenhaus bald zusammenbre-
chen.“ Wer kaum Symptome habe und
in Form sei, mache weiter. „Für dieje-
nigen, die arbeiten müssen, ist die
Maske ein sehr wirksames Mittel der
mobilen Ausgangssperre.“

„Für Alte nur noch Sterbebegleitung mit Opiaten und Schlafmitteln“


Deutsche Ärzte haben Kliniken in Straßburg besucht und sind schockiert von den Zuständen im französischen Epizentrum. Über 80-Jährige werden nicht mehr beatmet


Covid-19-Patienten werden im TGV von Straßburg in eine andere Stadt verlegt


AFP

/ FREDERICK FLORIN

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