Frankfurter Allgemeine Zeitung - 27.03.2020

(Greg DeLong) #1

FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG Finanzen FREITAG,27. MÄRZ 2020·NR.74·SEITE 27


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Vieles am aktuellen


Bärenmarkt isteinzigartig.


Aber nicht alles istneu.


Der jüngste Kurseinbruch


weistÄhnlichkeiten mit 1987


auf. Das darfhoffenlassen.


Das Coronavirusstopptauch


das WM-Kandidatenturnier


in Jekaterinburg.


Das Krefelder Eishockeyschien


aus dem Gröbstenraus –doch


dann kamdie Corona-Krise.


LEHRENVONBÄREN TECHNISCHEANALYSE

Dax
in Punkten

25.3.20 26.3.20
F.A.Z.-Index 1793,65 1820,32
Dax 30 9874,26 10000,96
M-Dax 20762,04 21426,13
Tec-Dax 2543,12 2592,21
Euro Stoxx 50 2800,14 2847,78
F.A.Z.-Euro-Index 100,98 102,67
Dow Jones 21200,55 22104,94a
Nasdaq Index 7384,30 7634,88a
Bund-Future 169,67 171,27b
Tagesgeld Frankfurt -0,47%-0,47 %
Bundesanl.-Rendite 10 J. -0,32%-0,36 %
F.A.Z.-Renten-Rend. 10 J. -0,04%-0,06 %
US-Staatsanl.-Rend. 10 J. 0,86%0,80 %a
Gold, Spot ($/Unze) 1611,25 1638,84
Rohöl (London $/Barrel) 30,05 28,52b
1Euro in Dollar 1,0827 1,0981
1Euro in Pfund 0,9150 0,9135
1Euro in Schweizer Franken 1,0602 1,0634
1Euro in Yen 120,67 120,18
a) Ortszeit 13 Uhr, b) Ortszeit 19 Uhr

Bundesanleihe
Rendite 10 Jahre

27.12.19 26.3.20 27.12.1 92 6.3.20

SCHACHMATT

D


er bis zu 600 Milliarden
Euroschwere Rettungsfonds
für Unternehmen istnoch
nicht endgültig beschlossen, da
spricht BundesfinanzministerOlaf
Scholz schonvonerfolgreichen Exits.
Er kann sichvorstellen, einzelne Be-
teiligungen mit Gewinn zuverkau-
fen, wenn die Lagesichirgendwann
normalisiert. Das könntelaut Scholz
Verluste aus anderen Beteiligungen
ausgleichen. Die Ansageist wohl
auchein Signal an alle, die fürchten,
dassdie Corona-Krise langfristige
und breiteStaatsbeteiligungengesell-
schaftsfähig macht.Die Lehren aus
der Finanzkrise zeigen, dassder Staat
fast endlos in Beteiligungengefangen
bleibenkann. Das Aktienpaket an
der Commerzbank istder Bundwe-
gendes immer tiefer eingebrochenen
Kurses nachnun mehr als 10 Jahren
immer nochnicht losgeworden.Statt-
dessen scheint Berlin die Beteiligung
inzwischen alsWerkzeug zuverste-
hen, denvolkswirtschaftlich nötigen
Umbau des Bankensektorsmitzuge-
stalten. Eine solche Verfestigung
könnte auchimFall andererUnter-
nehmen drohen, derenRettung nun
ansteht.Dazu passen die Ankündi-
gungenvonPolitikern, einenAusver-
kauf deutscher und europäischerUn-
ternehmenverhindernzuwollen.

DIE PINGUINE ZITTERN WIEDER

Lehren der Finanzkrise


VonMarkFehr

F


ür dieRettung vonUnternehmen
in de rCorona-Krisewill die Bun-
desregierung auf Instrumentezu-
rückgreifen, die sie schonwäh-
rend der Bankenrettung nachder Finanz-
krise 2008 erprobt hat. Damalsverteilte
der kurz als Soffinbezeichnete Finanz-
marktstabilisierungsfonds Garantien und
Kapital im Milliardenvolumen an Ban-
ken. Um nun unverschuldetinExistenz-
notgerateneUnternehmen zustützen,
hat die Bundesregierung Anfang derWo-
cheein Gesetz für einen„Wirtschafts-
stabilisierungsfonds“ auf den Wegge-
bracht, dervomBundestaggebilligt wur-
de und amFreitag im Bundesrat zurAb-
stimmung steht.Der Wirtschaftsfonds
knüpftandie in der Finanzkrise ent-
wickelten Rettungsregeln an.
Der Bundestagsabgeordnete Florian
Toncar (FDP)wardamalsvon2009 bis
2013 Vorsitzender des Parlamentsaus-
schusses für dieKontrolle des Soffin. Die
Situation sei nun aber eineganz andere.
„Die Rettungsmaßnahmen betreffen
wohl fast alle Branchen und dürften bis
tief in den Mittelstand hineingehen“, sag-
te Toncar derF.A.Z. Daher sei eine viel
größereZahl an einzelnenUnternehmen
zu er warten als das Dutzend Banken, die
beim Soffinvorstellig wurden. „Das Ma-
nagement dieser unterschiedlichen Betei-
ligungen wird dieFinanzagentur des Bun-
des überfordern, dafür braucht es Spezia-
listen“, sagtToncar.Erforder tzudem,
dassbesondersgroße Beteiligungen ab
etwaeiner Milliarde Eurosowie deren
spätereVeräußerung nur mit Zustim-
mung des Bundestags möglichwerden.
Zudem erwartet Toncar eine breitepoliti-
sche Debatteüber denStaatseinflussauf
die Wirtschaft. Schon jetzt müsse an Pri-
vatisierungspläne und den staatlichen
Exit gedachtwerden, bei dem die bisheri-
genEigentümer einVorkaufsrecht erhal-

tensollten.Zu bedenken sei auchder Ein-
flussder EU-Kommission, die den in der
FinanzkrisevomStaat gerettetenBanken
schmerzhafte Einschnitteauferlegt hatte.
Die zuRettendenstammen dieses Mal
nicht aus derFinanzbranche, sondernaus
der Industrie und dem Dienstleistungssek-
tor. FürFinanzhilfen inFragekommen
grundsätzlichUnternehmen, die mindes-
tens zwei derfolgenden Kriterien erfül-
len: Bilanzsummevonmehr als 43 Millio-
nen Euro,Umsatz vonmehr als 50 Millio-
nen Euround mehr als 249 Arbeitneh-
mer.Der Wirtschaftsfonds soll zum einen
Garantien imUmfangvon bis zu 400 Mil-
liarden Eurofür Verbindlichkeiten und
andereSchuldtitelvergeben, dieUnter-
nehmen nachInkrafttreten des Gesetzes
bis Ende Dezember 2021 aufnehmen.
Zumanderenkann derWirtschaftsfonds

überdenGarantierahmenhinausKredite
im Umfang voninsgesamt biszu 10 0Milli-
arden Euroaufnehmen, um direkte Geld-
spritzen anUnternehmen zuverteilen.
FürAktionäre und andereprivate Anteils-
eigner wirdein Staatseinstieg in ihreUn-
ternehmenweitreichendeFolgen haben.
Die Bundesregierung bezeichnetdas ab-
strakt als „Modifizierungen des Gesell-
schaftsrechts“,die insbesondere beschleu-
nigteVerfahren erlauben sollen.Wasbe-
deutet das im Einzelnen?
Im Wirtschaftsrecht und amFinanz-
markt hatsichein ganzer Dschungel anFi-
nanzinstrumenten etabliert. Neben rei-
nem Eigenkapital (etwaAktien) oder
Fremdkapital (etwaAnleihen) stehen
zahllose Mischformen zurVerfügung, wie
stille Einlagen, Genussrechte, oder nach-
rangigeSchuldverschreibungen, die der

Gesetzentwurffür denWirtschaftsfonds
explizit nennt. Diese ermöglichenganz
unterschiedliche Ausges taltungen der
Staatsbeteiligung. Mit einerstillen Einla-
ge kann derStaat als Eigenkapitalgeber
für Verluste haftenund am Gewinn des
Unternehmens beteiligt werden. Die Be-
zeichnungkommt daher,dassstille Einla-
genannormalenUnternehmen fürAu-
ßenstehende nicht in Erscheinung treten.
Im Fall einer Aktiengesellschaftdagegen
sind stille Einlagen zuveröffentlichen.
StaatlicheKapitalspritzen dürften aber
auchbei nicht publizitätspflichtigenUn-
ternehmen breit in der Öffentlichkeit dis-
kutiertwerden.Stille Einlagenkann der
Staat ohneZustimmung der Hauptver-
sammlung leisten. Erkann zudem das
Rechterhalten, die EinlageinAktien um-
zutauschen. Das Bezugsrechtder Aktionä-

re wirdfür denFall einerUmwandlung
der EinlageinAktien ausgeschlossen.
Auch staatliche Genussrechteoder nach-
rangigeSchuldverschreibungen können
ohne Zustimmung der Aktionärebe-
schlossen werden. Ein Beschlussder
Hauptversammlung istnur nötig,wenn
das Genussrecht oder dieNachranganlei-
he einRechtauf dieUmwandlung in Ak-
tien erhalten.Über eine nachrangigeAn-
leihe erhält derStaat einefesteVerzin-
sung wie normale Gläubiger.Erhaftetje-
dochwie ein Aktionär fürVerluste,daer
im Fall einer Insolvenz oderAbwicklung
des Unternehmens nur Geld zurücker-
hält, soweit nac hder Befriedigung der An-
sprüche aller anderen Gläubiger nochFi-
nanzmittel übrig bleiben. Ebenfalls für
staatlicheKapitalhilfen zurVerfügungste-
hen Genussrechte. Sie ermöglichen je
nachSpielartdie Be teiligung amUnter-
nehmen unddie Haftung fürVerluste,ent-
halten aber in derRegelkein Stimmrecht.
Die staatliche Mitsprache bei denvom
Wirtschaftsfonds gestützten Unterneh-
men kann dennoch sehrweit gehen und
flexibel gestaltet werden, wie das Beispiel
der Commerzbank aus derFinanzkrisen-
zeit zeigt.Damalsstellteder Bundstille
Einlagenvoninder Spitze 16,4 Milliar-
den Eurozur Verfügung.Um die Einlage
abzusichern, erhielt derStaat zudem ein
Aktienpaket an der Commerzbank mit ei-
nem Kapitalanteilvon25Prozent plus ei-
ner Aktie.Wegendieser Sperrminorität
konntedie Hauptversammlung ohne Billi-
gung desStaats keine Beschlüssefassen.
Gibt eine Aktiengesellschaftneue Ak-
tien aus, um denStaatinder Krise als Mit-
eigentümer an Bordzuholen, können die-
se Anteile bei derVerteilung des Ge-
winnsgegenüber anderen Aktien bevor-
zugt werden. EinVorrang für diestaat-
lichen Anteilekann auchbei einerVertei-
lung des Gesellschaftsvermögensgelten,
wasetwafür denFall einer späterenAb-
wicklung desUnternehmens zumTragen
käme.Verkauftder Staat seine Aktienspä-
teranprivate Investoren, verlieren die An-
teilsscheine ihrenVorrang und ihreVor-
rechte allerdings wieder.
Anders als privateInvestorenkann der
Staat dieKontrollevonAktiengesellschaf-
tenlaut dem Gesetzentwurfschneller
übernehmen und Minderheitsaktionäre
leichter ausschließen.Zudem können Ak-
tiengesellschaftenmit Staatsfinanzierung
Gewinne nicht mehr wiegewohnt an ihre
Aktionäreausschütten,wenn dasgegen
die mit der HilfeeinhergehendenVer-
pflichtungenverstößt.Das führtwohl zu
einemweitgehenden Dividendenverbot
für betroffene Unternehmen (F.A.Z.vom


  1. März).


Die Börse


T

urbulenzen an denAktien-
märkten hin oder her,Dräger-
werk istderzeit eine echte
Bank,wenn es umKursgewinne geht.
Innerhalbvonnur zweiWochen hat
sichder Wertdes Papiersvon 51 Euro
auf über 84 Eurogeschraubt.Dräger-
werk-Aktien sind gefragt .Und das
nicht ohne Grund. DasUnternehmen
produziertGeräteund Systeme in
den Bereichen Medizin- und Sicher-
heitstechnik.ImMoment fertigen
Drägerwerk derzeit die so dringend
notwendigen Beatmungsgeräte. Erst
kürzlichhattedie deutsche Bundesre-
gierungrund 10 000 Gerätebei dem
Unternehmen ausLübeckinAuftrag
gegeben. Die Anteile des S-Dax-Un-
ternehmens liegen zu 71,3 Prozent in
den Händen derFamilie Dräger,der
Rest istimStreubesitz. Im Geschäfts-
jahr 2019konnteder Umsatz um 7,2
Prozent auf 2,8Milliarden Euroge-
steiger twerden. Das Ergebnis vorZin-
sen undSteuernkletter te von62,6
auf 66,6 Millionen Euro. DasUnter-
nehmen will 0,19 EurojeVorzugsak-
tie und 0,13 Europro Stammaktie als
Dividende ausschütten. ins.

RechnenderRetter:BundesfinanzministerSchol zkannsichvorstellen,Staatsanteile später mit Gewinn zuverkaufen. FotoImago

sibi. FRANKFURT. Die Europäische
Zentralbank (EZB) will in ihrem neuen
750 Milliarden EuroschwerenHilfspro-
gramm zur Corona-Krise Anleihen ohne
einig eder bislangvorgeschriebenen Gren-
zen kaufen. Dasgeht aus einem Doku-
ment über dierechtlicheUmsetzung des
„PEPP“ (Pandemic Emergency Purchase
Prog ramme) hervor. Insbesonderesoll es
künftig möglichsein, dassdie Notenbank
insgesamt auchmehr als ein Drittel der
Staatsanleihen eines Eurolandes auf-
kauft. Zu dem sollen nun auchSchuldver-
schreibungen mit einerkurzen Laufzeit
von70Tagen gekauftwerdenkönnen,bis-
lang lag dieUntergrenze bei einem Jahr.
Die Ankündigung sorgte für Diskussio-
nen unterFachleuten auf demKurznach-
richtendi enstTwitter.Was einigeNoten-
bank-Fachleutewie Frederik Ducrozet
vomSchweizer Bankhaus Pictet als „Sah-
netüpfelchen“ des Hilfsprogramms der
EZB bezeichnen, sehen andereals juris-
tischheikel an. Schließlich hatte der Euro-
päische Gerichtshof Ende 2018 in seinem
Urteil zu den EZB-Anleihekäufen aus-
drücklichauf die Kaufobergrenzen als
rechtf ertigendes Kriterium hingewiesen.
UndinDeutschland wirddazu einUrteil
des Bundesverfass ungsgerichts für den


  1. Mai erwartet.
    An den Anleihemärkten sorgtedie
    Nach richtam Donnerstag füretwasEnt-
    spannung. Die Renditen italienischer
    Staatsanleihen mit zehn Jahren Laufzeit
    sanken zeitweise um7Basispunkte auf
    1,49 Prozent, diekürzeren Laufzeiten so-
    garnochstärker.Spekuliertwurde an den
    Anleihemärkten, dassdie Notenbank
    jetzt vonbesondersvon Corona betroffe-
    nen Länderngrößere MengenvonAnlei-
    hen kaufen könnteals bislang zulässig.
    Volker Wieland, Mitglied im Sachver-
    ständigenrat derWirtschaftsweisen, ord-
    netdas neuen EZB-Programm „irgendwo
    zwischen“ zwei derVorgängerprogram-
    me ein.Für das2012 aufgelegteund nie
    genutzteProgramm OMT („Outright Mo-
    netary Transactions“) sei eine juristische


Überprüfung durch den Europäischen Ge-
richtshof und das Bundesverfassungsge-
richterfolgt.„Dieses Programm istals In-
strument für einegezielte, massiveAb-
wehr eines Zinsprämienanstiegs bei ein-
zelnen Mitgliedstaaten verfügbar.“ Es
könne aber nur eingesetztwerden, wenn
zuvor für ein Land ein Programm des Eu-
ropäischenRettungsschirms ESM („Euro-
peanStability Mechanism“) mit seinen
Bedingungen und Auflagen vorliege.
„Deshalb sollten die Mitgliedsstaaten
jetzt ab einergewissenVerschuldungshö-
he eine ESM-Kreditlinie beantragen“,
meintWieland. DieKonditionenkönnten
im Rahmen der zusätzlichenVerschul-
dung durch den Corona-Schockleichter
gefasstwerden, als man das aus der Euro-
Krisekenne. Das spätereAnleihekaufpro-
gramm „PSPP“ („Public Sector Purchase
Prog ramme“), mit dem die EZBtatsäch-
lichAnleihenkaufte,sei zwarvomEuro-
päischen Gerichtshof überprüftworden –
aber nicht abschließendvomBundesver-
fassungsgericht.DessenUrteil aber sei zu-
mindestfür die Bundesbank und die Bun-
desregierung entscheidend: „Da dürftees

primär um dieFrageder Verhältnismäßig-
keit gehen –und eben um die Bedeutung
der Kaufobergrenzen.“ Das neue Pro-
gramm PEPPwerdevermutlich nachder
Krise Gegenstand einer solchenrechtli-
chen Überprüfung, meint derWirtschafts-
sachverständige: „Es liegt irgendwozwi-
schen PSPP und OMT.“
Wielands juristischeKollegen äußer-
tensichdagegen nicht einheitlich. Der
FrankfurterNotenbankrechtler Helmut
Siekmann, der Anleihekäufen eher kri-
tischgegenübersteht, meint, die Bedeu-
tung derKaufobergrenzen sei in derVer-
gangenheitvonmanchen ohnehin über-
schätztworden. Dievonder EZB in den
Gerichtsverfahren angeführtenRestrik-
tionen wie dieKaufobergrenzen seien aus
juristischer Sicht ohnehin eher wie„Ab-
sichtserklärungen“ zuverstehen und er-
zeugtenfast keine juristische Bindung.
Das werdeauchjetzt wieder deutlich,
wenn laut EZB-Präsidentin Christine La-
gardedas allesflexibler gehandhabtwer-
den solle. „Mit der Ankaufsgrenze sollte
eine gezielteSubventionierung einzelner
Mitgliedstaaten mit fragwürdigerWirt-
schafts- undFiskalpolitik ausgeschlossen

werden“, meint Siekmann.Auch das Bun-
desverfassungsgericht habe zumindestin
seinen letzten Entscheidungen die Mög-
lichkeit einer selektiven Begünstigung
einzelner Mitgliedstaaten als einen „recht-
lichbesondersfragwürdigen Punkt“ her-
ausgestellt.
Im Gegensatz dazu meint der jüngere
FrankfurterNotenbankrechtler Roland
Broemel, mit dem neuen Programm setze
die EZB zweirechtli cheArgumentations-
strängefort, die jeweils vomEuropäi-
schen Gerichtshof in den Entscheidun-
genzuPeter Gauweiler (OMT) und Hein-
rich Weiss(PSPP) akzeptiertworden sei-
en. Erstens: Risikozuschlägebei Staatsan-
leihenkönnten eineStörung dergeldpoli-
tischenTransmission darstellenund da ge-
gengerichteteMaßnahmen damit in die
Kompetenz der EZB für Währungspolitik
fallen wie imFall des OMT.Und zwei-
tens: Sy stematische Anleihekäufekönnen
auchdann vondieser Kompetenz gedeckt
sein, wenn sie auf dieRealwirtschaftähn-
lichwirkten wie wirtschaftspolitische
Maßnahmen, wie imFall des PSPP.„Eine
Besonderheit des neuen EZB-Programms
liegt in seiner Flexibilität, die sichoffen-
bar insbesondereauf dieVerteilung des
Ankaufsauf die einzelnen Euroländer be-
zieht“, meint Broemel. Eine solche Selek-
tivität sei in den beidenSträngenrecht-
lich unterschiedlichbewertetworden:
„Die OMT-Ankündigung durftesichgera-
de auf Mitgliedstaaten mit erheblichen Ri-
sikozuschlägen beziehen, während der
EuGH in der PSPP-Entscheidung unter
anderem auf diefehlende Selektivität und
die verteilteHaftung abstellte.“ Broemel
meint:„AusmeinerSicht wirdesmaßgeb-
lichauf dietatsächlicheUmsetzung und
die Plausibilität ihrer Begründung ankom-
men.“ Ähnlichesgeltefür den potentiel-
len Wegfall derKaufobergrenzen.Auch
hier argumentieredie EZB mit derNot-
wendigkeit der Flexibilität, sagt Broemel:
„Und auchhier wirdaus meiner Sicht die
tatsächliche Umsetzung, also die Be-
gründbarkeit angesichts der eingetrete-
nen Entwicklung, einewesentlicheRolle
spielen.“

Hoffnungswert


mj. KÖLN.Banken und Sparkassen
müssen sichwegen ihrer jahrelangen
Geschäftspraxis in Verbraucherdar-
lehensverträgen auf unruhigeZeiten
einstellen. Diese hat der Europäische
Gerichtshof (EuGH) in einemUrteil
am Donnerstag als intransparentge-
rügt.Möglicherweise können Millio-
nen vonVerbrauchernihreDarlehens-
verträge für denKauf einer Immobilie
oder imFahrzeugleasingauchJahre
nachAblauf der sonstüblichenFrist
von14Tagen widerrufen. Ausden Be-
lehrungen über das Widerrufsrecht
muss fürVerbraucher „in klarer und
prägnanterForm“hervorgehen, wie
sichdie Fristfür ihr Gestaltungsrecht
berechnet, mit dem sie sichwieder
vomVertrag lösenkönnen, erklärt
derEuGH.Nichtausrei chendsind da-
mit die Angaben in Darlehensverträ-
gen, die auf eine nationaleVorschrift
verweisen,die ihrerseitsauf andere
Normen verweist(Rechtssache
C-66/19).
Die Weiterleitungquer durch das
Bürgerliche Gesetzbuch, unter Juris-
tenals Kaskadenverweis bekannt,ver-
wenden viele Banken. Das Landge-
richtSaarbrückenwollteimStreit ei-
nes Häuslebauersmit der Kreisspar-
kasseSaarlouis wissen, ob die deut-
sche Gesetzeslage mit der europäi-
sche nVerbraucherkreditrichtlinie ver-
einbar ist.Für denVerbraucher müs-
se klar ersichtlichsein, wie dieWider-
rufsfris tsichberechnet–ansonsten
wirddiesesRechtnachAnsicht des
EuGH „ernsthaftgeschwächt“. Erst
recht geltedas für dieWiderrufsfris t;
hier verfügeder Verbraucher schon
nicht über die Informationen, ob die-
se überhauptzulaufen begonnen
habe.Nach jüngstenZahlen der Bun-
desbank betrifft es vorallem Wohn-
baukrediteimZeitraum vonJuni
2010 bis März2016 mit einemVolu-
men vonrund 1,2 Billionen Euro.

Ein Hilfsprogramm mit wenig Grenzen


EZB lässt Kaufobergrenzen fürStaatsanleihenfallen /KönnenStaaten sichjetzt zügellosfinanzieren?


Wirtschaftsfonds übernimmt die Kontrolle


MehrRechte


beimWiderruf


vonDarlehen


Die Rechte von


Aktio nären könnenstark


eingeschränktwerden,


wenn de rStaat ihren


Unternehmenwegender


Krise Geldspritzen


verabreicht.


VonMarkFehr,Frankfurt


Dräger werk

Wochenschlusskurse. 26.3. imTagesverlauf.
Quelle: Refinitv F.A.Z.-GrafikHeß

in EuroISIN DE0005550636

35

45

55

65

75

85

22.3.2019 26.3.2020

Renditen ausgewählterStaatsanleihen

EZB kauft Anleihen für Milliarden


1)JüngsterStand: 26.3.20120, im Tagesverlauf.2)PSPP:PublicSectorPurchase Programme;ausgewählte Eurostaaten.
Quellen: Bloomberg; DZ-Bank/F.A.Z.-Grafik Brocker

Laufzeit10Jahre, in Prozent1)
Griechenland

Staatsanleihen im Bestand der EZB
in Prozentder PSPP-fähigen Schuldtitel2)

altes
Limit
Deutschland 31
Irland 30
Finnland 29
Niederlande 28
Portugal 28
Spanien 26
Österreich 24
Italien 21
Frankreich 21
3.2.2020 26.3.2020 Belgien 19

Italien
Portugal
Spanien
Deutschland

–1,0

–0,5

0,0

0,5

1,0

1,5

2,0

2,5

3,0

3,5

4,0

33
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