Frankfurter Allgemeine Zeitung - 27.03.2020

(Greg DeLong) #1

SEITE 4·FREITAG,27. MÄRZ2020·NR.74 Politik FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG


„Einzige polnische


Autorität“


Der Generaldirektor derWiederauf-
bauorganisation derVereinten Natio-
nen (UNRRA)sagt, seine Organisa-
tion werdeinBezug aufPoleneinzig
mit derprovisorischenRegierung in
Warschau Vereinbarungen über
Hilfsleistungen treffen. Di eproviso-
rische Regierungübe diefaktis che
Kontrolle im Land aus undsei des-
halb für ihn die „einzige polnische
Autorität“, mit derverhandeltwer-
de. Besagte provisorische Regierung
versucht derweil au finternationaler
Bühne an Gewicht zugewinnen. In
einemSchreiben an die vier Groß-
mächte, die zurUN-Gründungskon-
ferenz eingeladen haben, heißt es,
die provisorische Regierunghabe
den größtenTeil de spolnischenVol-
keshinter sich. Außerdemhätten
ihrepolnischenStreitkräftegemein-
sammit derRotenArmee diedeut-
schen Verteidigungsstellungen
durchbrochen.„Nureine Cliquevon
reaktionärenElementen“ säe Un-
einigkeitundwoll edie Teilnahme
Polens an derKonferenzverhindern.
Im Gegensatzzuder so bezeichne-
tenpolnischen Exilregierung in Lon-
donsei die provisorischeRegierung
„ein aufrichtiger Freundder Sowjet-
union“. Moskau sagtdazu, wenn die
„Reorganisation“ derRegierungin
Polen nicht bald erfolge, müssedie
provisorischeRegierungnachSan
Francisco eingeladenwerden.


Zinsloser Kredit


Die FinanzministerFrankreichs und
Großbritanniensunterzeichnen in
Parisein Finanzabkommen.Um den
gegenseitigen Handelwieder in
Gang zu bringen,gewähren sie sich
wechselseitig Kredit imUmfang von
100 Millionen Pfund beziehungswei-
se 20 MilliardenFrancs.Deraktuelle
Wechselkurs(200 Francs für ein
PfundSterling) soll nur einvernehm-
lichverändertwerdenkönnen. Die
Kreditbeträgezur Deckung des lau-
fenden Zahlungsbedarfswerd en zins-
los zu rVerfügunggestellt. BeidePart-
ner verzichten auf diegegenseitig bis
zum 1. Juli 1940 aufgelaufenen
Krieg sschulden. Der französische Mi-
nisterRené Plevenhebt dengroßen
Nutzen für beide Länder hervor.
Hier schließen zwei starkge-
schwächteSiegermächteeine Verein-
barung. Beidefühlen sichnochals
Großmächte. Beide herrschen zu die-
sem Zeitpunkt auchnochüber große
Kolonialreiche. Die wirkliche Macht
in derWelt is tallerdings schonwei-
tergewandert. Großbritannien ist
vonden Geschwächten nochder Stär-
kere,hatteesdochkeine Besatzungs-
truppen im Land.


Eisenhowerberuhigt


Der alliierte Oberbefehlshaberemp-
fängt in seinem Hauptquartier Jour-
nalisten. Ihnenteilt erseine Ein-
schätzung mit, dassdie deutsche Ar-
mee an derWestfrontgeschlagen
sei, auchwenn sieversuche nwerde,
weiter Widerstand zu leisten. Zusam-
menhängendeFrontlinien könnten
die Deutschen nicht mehr halten.
Dannsagt der amerikanische Gene-
ral nocheinen Satz,der –ohne Na-
mensnennung–an denewig miss-
trauis chen Bundesgenossen in Mos-
kaugerichtet sein könnte: „Es wird
nicht eine bedingungsloseÜbergabe
auf demVerhandlungsweg geben,
sondernnur eine aufgezwungene be-
dingungsloseKapitulation.“Ander
Front machen die Alliiertenüberall
weiter Fortschritte. Am Niederrhein
dauertder Vormarsc hnördlichvon
Wesel an.Weiter südlicherreichen
weiter eamerikanischeEinheiten die
Sieg. Im Rhein-Main-GebietwirdOf-
fenbacherobert. VonSüden her drin-
genamerikanischeTruppen in
Frankfurtein. pes.


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Als dieKatholiken in Deutschlandwäh-
rend derFastenzeit des Jahres 1959 zum
ersten Mal aufgerufen wurden, Geld zur
Bekämpfung der Armut und des Hungers
in derWelt zu spenden,kamdie für dama-
ligeVerhältnisseexorbitant hohe Summe
von34Millionen Mark zusammen. Die-
ser Betrag bildete das Startkapital für das
1958 vonder Deutschen Bischofskonfe-
renz imZusammenwirkenmit demZen-
tralkomitee der deutschen Katholiken
(ZdK)gegründete HilfswerkMisereor.
Seit mehr als fünfzig Jahren istdieses
Bischöfliche Hilfswerkwie seinevangeli-
schesPendant Brot für dieWelt weltweit
nicht nur derAusweis der Hilfsbereit-
schaf tund der Solidarität der Christen
hierzulande mit den Ärmstender Armen.

Auch die Politik macht längstvon den vie-
lenWegen Gebrauch, die kirchlichen Ak-
teuren in vielen Ländernauchund gerade
dann offenstehen,wenn staatliche Akteu-
re als Partner nicht inFragekommen.
Seit 1962 wickelt die Bundesregierung ei-
nen Teil ihrer Entwicklungszusammenar-
beit über die kirchlichen Hilfswerke ab.
Genuin kirchliche Zielsetzungen wie
Glaubensverkündigung oder Priesteraus-
bildung sind dabei ausgeschlossen.
Umgekehrtfließt parallel zu denstaatli-
chen Informationskanälen viel Wissen
über dieZustände vorOrt über die viel-
fach nichtkirchlichen, sondernimweites-
tenSinn zivilgesellschaftlichenPartneror-
ganisationen auf kirchlichenWegennach
Deutschland zurück. In Berlinetwa sind

die Leiter der Hilfswerke und deren Gäste
aus denPartnerländernbis in die Spitze
der Bundesregierung hinein immer wie-
der gefragt,wenn es um Lageberichteund
Einschätzungen aus den oftunzugängli-
chen Krisenregionen dieserWelt vonSy-
rien über Südsudan bis nachNordkorea
geht.
DiesenRoutinen tut dieweltweit eCo-
rona-Pandemie bislangkeinen Abbruch.
Es steht sogar zuvermuten, dassdie Be-
deutung der kirchlichen Akteureindieser
Krise nochzunehmen wird. Martin Brö-
ckelmann-Simon, einer der beidenGe-
schäftsführer vonMisereor,berichtet
denn auchimGesprächmit dieserZei-
tungdavon, dassdas Hilfswerk mittlerwei-
le vonAnfragen aus derganzen Welt über-

schwemmtwerde. Of tgehe es dabei um
Schutzausrüstung und Desinfektionsmit-
telfür medizinisches Personal, die in
Flüchtlingslagernoder entlegenen Kran-
kenstationen in der Regelüberhaupt
nicht vorhanden sind.
Gleichzeitig aber gibt es ersteBerichte
vonPartnerorganisationen,die ihrerseits
die Initiativeergriff en haben. In SriLan-
ka,das vonder Pandemie nochnicht voll
erfasstwurde, werden in Eigenregie
Schutzmaskengenäht und Lebensmittel-
paketevorbereitet.Beides, so Bröckel-
mann-Simon, sei unabdingbar.
„In den Länderndes globalen Südens
istnicht nur das Risikohöher,dassMen-
schen an Coronasterben, sondernauch
durch Corona.“Wenn Märkteschließen

und in der informellenWirtschaf tkein
Einkommen mehr zu erzielen ist, istder
Absturzindie extreme Armut nicht mehr
fern.
Dochdamit der klassische Ansatz „Hil-
fe zur Selbsthilfe“ sichauchunter neuen,
oftimprovisiertenBedingungen bewährt,
bedarfeshierzulande nicht nurVerhand-
lungen mit den öffentlichen Geldgebern,
um Projekteanpassen zukönnen.
Weil in diesem Jahrdie traditionelle Mi-
sereor-Kollekteinder Fastenzeit ausfällt,
weil in den Kirchen keine Gottesdienste
stattfinden, bemüht sichMisereorver-
mehrtumOnline-Spenden. Ob diese den
befürchtetenVerlus tinMillionenhöhe
wettmachen können, wirdsichinden
kommendenWochen zeigen.

Schutzkleidung und Desinfektionsmittel für die Ärmstender Ar men


Das katholische HilfswerkMisereor wirdmit Anfragen aus derganzen Welt überschwemmt /VonDanielDeckers


1945


D

as Bedürfnis, in der Corona-
Krise zu helfen, hatte Helene
Volkensfeld sehr schnell. Als
Grundschullehrerin istauchsie
vonder Pandemiebetroffen. Die Schule
istgeschlossen,erstmal bis zu den Osterfe-
rien, aberwerweiß das schon sogenau.
Nurwenigeder 420 Kinderkommen in die
schulische Notbetreuung. Die Schullei-
tung und einigeLehrkräfte sind aber im-
mer vorOrt.Volkensfeld erstellt für ihre
ErstklässlerWochenpläne, hältKontakt
zu den Elternund Kindernund beteiligt
sichgenau wie die anderenKollegen an
Fachkonferenzen und schulinternen Ar-
beitsgruppen. Dennochbliebe auchnoch
Zeit, um dortmit anzupacken, wo drin-
gend Hilfebenötigtwird, sagtVolkensfeld.
Die 39 JahrealteFrau fühlt sichbei allen
Unwägbarkeiten privilegiert: Sie be-
kommt weiter ihr Gehalt und mussumih-
renJob nicht fürchten. Deswegenwarsie
sehr froh, als sievergangeneWocheein
Brief der Schulleitung erreichte.
Darin bittet die rheinland-pfälzische
Schulbehörde um die freiwilligeUnter stüt-
zungder Lehrer bei der Gesundheitsversor-
gung.Das Coronavirus breitesichimmer
weiter aus.Deswegen brauchten Gesund-
heitsämter, Fieberambulanzen, Senioren-
heimeund Krankenhäuser Hilfe.EtwaLeu-
te,dieKontaktpersonen nachverfolgen,Lis-
tenanlegen oderZugangskontrollen durch-
führen.Auch Informationshotlineskönn-
tendringendUnte rstützunggebrauchen,
genausoSocial-Media-Teams. „Jeder
Mensch wirdgebraucht“,heißt es in einfa-
chen, abergewichtigenWortenindem
Schreibender Schulbehörde.Volkensfeld
hat sich,genau wie einigeandereKollegen,
sofor tbei ihrer Schulleitunggemeldet. Sie
hat keine speziellenVorkenntnisse, etwa in
der Medizin, deswegen sieht sie sichnicht
im SchutzanzugvoreinemCorona-Patien-
tenstehen, sonderneher im Bürositzen
oder amTelefon. Bedenken, sich in Ge fahr
zu begeben,weil sie inZeiten derKontakt-
sperre nun näher an dieCoro na-Front
rückt,hatsie abergrundsätzlich nicht.

„Wir schickenkeine Lehrer
in Krankenhäuser“
Lehrer sind im Dienst, auchwenn kein
Unterricht stattfindet. Als Beamtin ist
auchHeleneVolkensfeld ihrem Dienst-
herrn,also dem Land Rheinland-Pfalz,
verpflicht et.Ihren Wunsch, sichjetzt in
der Corona-Krise zu engagieren, habe sie
aber nicht nur als Beamtin, sondernvor
allem als Mensch, sagt sie. „Hier bin ich.
Wo kann ic hhelfen?“
In Absprache mit der jeweiligen Schul-
leitung haben sich2000 von42000 Leh-
rern gemeldet. Sie solleninGesundheits-
ämtern,Fieberambulanzen und Senioren-
heimen, bei Hotlinesoder in der Medien-

und Öffentlichkeitsarbeit eingesetzt wer-
den. „Wir schickensicher keine Lehrer in
Krankenhäuser“,versichertdie Mainzer
BildungsministerinStefanie Hubig (SPD),
diederzeit Präsidentin derKultusminister-
konferenz (KMK) ist. In derZeit derAb-
ordnunggelte für Lehrer ein voller
Dienst- undUnfallschutz. Deshalb müss-
tensie der Schulleitungeine schriftliche
Bestätigung der Einrichtung über denUm-
fang ihres Einsatzesvorlegen.
AllepraktischenFragen sind auchbei
HeleneVolkensfeld nochnicht geklärt.
Die Grundschullehrerin und ihreKolle-
genwissen bislang nicht,wo sie eingesetzt
werden. Rheinland-Pfalz hat so früh wie
keinanderesLanddenAufrufanLehrer
gestarte t. Bildungsministerin Hubig ist
stolz, wie sie schreibt, dasssichsoviele ge-
meldethaben.Auch viele Medizinstuden-
tenund Pflegeschüler hättenihreHilfean-
geboten. Derzeit seiendie Daten derFrei-
willigen an die zuständigen Behörden
übermittelt, und eswerdegeprüft,wo sie
eingesetztwerdenkönnten. Lehrerverbän-
de befürchtenallerdings, dassder Ein-
druc kentstehen könnte, Lehrer seienwäh-
rend der Aussetzung der Unte rrichts-
pflicht unterbeschäftigt.Davon könne je-
dochkeine Rede sein, so dieVerbände.
Im hessischen Kultusministerium in
Wiesbaden wirdein Aufruf an die Lehrer
aller allgemeinbildendenSchulenderzeit
vorbereitet.Ersei aber nochin der Ab-
stimmung undwerdedeshalb frühestens
an diesemFreitag, möglicherweise aber
aucherstamMontagveröffentlicht.
Das bayerische Kultusministerium
wünscht sichmindes tens 200Freiwillige
unter denLehrern, die sich vorüber gehend
abordnenließen. „DieStaatsregierung
muss in der aktuellenAusnahmesituation
die öffentlicheGesundheitsversorgung
über dieRessortg renzen hinwegunte rstüt-

zenund ruft alle Ministerien zur Solidari-
tätauf“, schreibtdieStaatskanzlei.DieFrei-
willi genunter den Lehrernwären in dieser
Zeit vomUnter richtenbefreit .Wer in der
Notbetreuung oder auch bei der Prüfungs-
aufsicht eingeteilt ist,kann sichnatürlich
nicht be reitstellen.MedizinischeVorkennt-
nisse würden nichtvorausgesetzt.Über-
haup tdenke man eheranFachlehrerwei-
terführender Schulen,deren Aufgaben gut
vonKollegen übernommenwerdenkönn-
ten, hieß es in München. MedizinischeVor-
kenntni ssewerden nicht vorausgesetzt.

Werüber 60 oder schwanger ist,
kommt nicht inFrage
Unterdem Motto„Unterstützung im Ge-
sundheitssystem“ fragen auchinNord-
rhein-Westfalendie Bezirksregie rungen
ab,welche Lehrer im Gesundheitssystem
oder im sozialpädagogischen Bereichvor-
gebilde tsind,umsie möglicherweise inGe-
sundheitsämtern einsetzenzukönnen.
Dortwurde vorallem an Berufsschulenge-
fragt.Inein Formular können Lehrerver-
fügba re Zeiten und bevorzugteEinsatzorte
eintragen. Sie erklären sichdamitbereit,
ein Gesundheitsamtzuunterstützen, und
werden diesem Amtdannzugewiesen
(dorthin also abgeordnet).ImRegierungs-
bezirk Münster warenesmehr als 150.Ins-
besondere medizinisch vorgebildete Lehr-
kräf te kommeninFrage.
AusdemniedersächsischenKultusminis-
teriumis tzuhören,dassesdurchausAnfra-
genvon Lehrern, insbesonderemit einer
Ausbildung im pflegerischen, beziehungs-
weisemedizinischen Bereichgebe,die
jetz tgernhelfen un ddas Gesundheitssys-
temunter stützenwollen. In Hannoverar-
beitet das Ministerium gerade an einer
dienstrech tliche nBewertung, diedas
grundsätzlichermöglichensoll.Inden
norddeutschen Ländern wie Schleswig-

Holstein,Mecklenburg-Vorpommernund
Hamburghaben nochkeinevergleichba-
renInitiativen begonnen, dasselbe gilt für
die ostdeutschen Ländermit ihrer bisher
nochrelativgeringen AnzahlInfizie rter.
„EineAbordnung istbislang nichtvorgese-
hen,abernatürlichmöglich, solltedie Lage
das erfordern“, so die HamburgerSchulbe-
hörde. In Bremenläuftdie Anfrageandie
Lehrer.Der Stadtstaatverlangt einenNach-
weis, im pflegerischenBereic hbereit stätig
gewesen zu sein–entwederwährend eines
Freiwilligen Sozialen Jahres oderwährend
des Zivildienstes. In Berlin is tnochkein
derartigerAufruf geplant,zumal die Leh-
rerknappheit enormist unddie Schulsena-
torinschon jetzt alle Händevoll zu tun hat,
Notbetreuung undFernunterrichtzuge-
währleis ten. Im Saarland haben 103 Leh-
rereine medizinische Qualifikation,erst
jetzt haben die dortigen Krankenhäuserei-
nen Aufruf zur Mithilfe gestartet.
Am Donnerstag ha tdas besondersvon
der Corona-Pandemie betroffene Baden-
Württemberg in einem Briefandie Schul-
leiterberuflicher Schulen mitden Lehrbe-
reiche nGesundheit, Pflege und Pharmazie
geeigneteLehrergebeten, sic hfreiwillig
mit einemWunschort für den Einsatz in
Krankenhäusern, be iHilfso rganisationen,
Gesundheitsämtern oder anderen wichti-
genEinrichtungendes Gesundheitssektors
zur Verfügung zustellen .Wie dieande ren
Länder auch, ordnetdas Land die Lehrer
befristet bei Fortzahlungder Bezügeab.
Werälter als60sei, Immun-oder Atem-
wegsschwäche aufweise oder schwanger
sei,komme nicht in Frage. Ausgenommen
sindauchLehrer, die in PrüfungenvonBe-
rufsfachschulenfür Sozialpflege,Altenpfle-
gehilfeund Altenpflegeeingebundensind,
„da dieAuszubildenden nach ihremAb-
schlussebensodringen dbenötigt werden“.
Die Organisation übernehmen inBaden-
Württemberg dieRegierungspräsidien.

Hierbin ic h.W oka nnic hhelf en?


oll. BERLIN.In der Bekämpfung des
neuenCoronaviruswollensichdie
deutschen Universitätskliniken zu-
sammenschließen und Erfahrungen
mit Diagnose- und Behandlungsver-
fahren austauschen. Das istder
Zweck einer Initiative, die am Don-
nerstag vonder Berliner Charité in
Zusammenarbeit mit dem Bundesfor-
schungsministerium begonnenwur-
de. Das Bundesbildungsministerium
(BMBF) unterstützt den Aufbau des
Netzwer ks mit 150 MillionenEuro.
DaskündigteBundesbildungsministe-
rinAnja Karliczek (CDU) am Don-
nerstag in Berlin an. Als Erstes soll
eine nationaleTaskforce eingerichtet
werden, die die Kräfte in der Behand-
lung und Erforschung vonCo-
vid-19-Patienten bündeln soll. Der
Vorstandsvorsitzendeder Berliner
Charité, Heyo K. Kroemer,sagte, eine
solche Bündelung dergesamtenFor-
schung einschließlich der außeruni-
versitärenForschung (Leibniz,Fraun-
hofer und Helmholtz) sei einmalig.
Spätestens nachEnde der Epidemie
müsse auchdarüber nachgedachtwer-
den,wie da sGesundheitssystem künf-
tig aufgestelltwerde und wie viele
Kran kenhausbettenalsReserve bereit-
gehalten würden. Mit deutlicher Kri-
tikreagierte Kroemer auf dieStellung-
nahme derFachgesellschaftenzum
Mangel an Intensivbetten und schwie-
rigenEntscheidungen über die Sinn-
haftigkeit vonBehandlungen Schwer-
kranker.Essei jetzt nicht dieZeit, Kri-
terienkatalogedafür zu schreiben, sag-
te Kroemer.Christian Drosten, der Di-
rektor derVirologie der Charitéin
Berlin, erklärte die imVergleich zu an-
deren europäischen Ländernnoch
deutlich niedrigereAnzahl Corona-
ToterinDeutschland damit, dasspro
Wocheeine halbe MillionTestsüber
dieFlächegemachtwerden. Niederge-
lassene Labormediziner in Deutsch-
landkönnten solche Testsbauen,
wenn sie dasRezeptdazu bekämen.
„Und das hat die Charitéihnen schon
im Januargegeben“, sagteDrosten.
Deshalb hättendie Unikliniken diese
Diagnostik schonvorEnde Januar
durchführenkönnen. Alle profitier-
tendavon, wenn ein Leuchtturmein
oder zwei Schrittevoraus sei. Diesen
Effekt gebe es auchinder wissen-
schaftsnahen Krankenversorgung.
„Wie macht ihr das eigentlich“, frag-
tenKreiskrankenhäuser und andere
die nahegelegenenUnikliniken. Die
Universitätsmedizin müsse denTon
angeben.„Wir brauchen imAugen-
blickeinen ungewöhnlichen Pragma-
tismus“, sagteDrosten. Er selbstspre-
chejeden Tagmit behandelnden Ärz-
teninden Kliniken.Neuist,dassdie
Kliniken ihrPersonal auchregel-
mäßigauf Corona testenkönnen,
wenn Pflegekräfte oder ÄrzteGrippe-
symptome zeigen. Dafür hat auchdas
Robert-Koch-Institut seine Richtlini-
en geändert.Fürdie kommendenWo-
chen kündigte Dros tenAntikörper-
test sfür bestimmteGruppen an, die
das Institut fürVirologieinKöln feder-
führend entwickele.

DIE LETZTEN
KRIEGSWOCHEN


  1. MÄRZ


In de rCorona-Krise


sind Lehreraufgerufen,


Gesundheitsämterund


Hotlineszuunter stützen


–Tausendehabensich


scho ngemel det.


VonMona Jaeger und


Heike Schmoll


Bündelung


derKräfte


NationaleTaskforce zur


Corona-Erforschung


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