Frankfurter Allgemeine Zeitung - 27.03.2020

(Greg DeLong) #1

FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG Politik FREITAG,27. MÄRZ2020·NR.74·SEITE 7


In Afghanistanzeichnen sichFortschritte
auf demWegzuFriedensverhandlungen
zwischen derRegierung und denTaliban-
Rebellen ab. In denkommendenTagen
wollten Vertreterbeider Seiten sichzu
Vorgesprächen treffen, sagteder Spre-
cher des afghanischenNationalen Sicher-
heitsrates, Javid Faisal, der Deutschen
Presse-Agentur am Donnerstag. Dies sei
bei einerVideokonferenz am Mittwoch-
abendvereinbartworden–der zweiten in-
nerhalbweniger Tage.Dorthabe man
aucheinen Kompromisszum umstritte-
nen Gefangenenaustauschgefunden,
hieß esvomNationalenSicherheitsrat.
Der afghanische Präsident Aschraf Ghani
benannteunterdessen am Donnerstag
eine zwanzigPersonen umfassende Dele-
gation, welche die Verhandlungen mit

den Taliban über dieZukunftAfghanis-
tans führen soll.
Der Gefangenenaustauschund darauf
folgend der Beginn innerafghanischer
Friedensverhandlungen sind in demAb-
kommenvorgesehen, das dieVereinigten
Staten und dieTaliban am 29.Februarge-
schlossen haben und das dazu beitragen
soll, den seit 2001währenden Krieg in
dem Land zu beenden. Bislang istjedoch
keiner der Schritteerfolgt, da dieRegie-
rung inKabul Teile desAbkommens ab-
lehnte, an dem sie nicht beteiligt war. Nun
hat man sichnach Aussagebeider Seiten
daraufgeeinigt, dassdie schrittweiseFrei-
lassungvonGefangenenvom31. Märzan
erfolgen soll.VomNationalen Sicherheits-
rat hieß es, manwerdemit der Freilassung
vonhundertinhaftiertenTaliban „aus hu-

manitären Gründen“ beginnen, nachdem
die Taliban zugesicherthätten, dassdie
Häftlingenicht wieder anKämpfenteil-
nehmenwerden. Im Gegenzug würden
auchdie Taliban Gefangene freilassen. Ei-
ner ihrer Sprecher schrieb aufTwitter,
dassman eineAbordnung „zur Identifizie-
rung, Bestätigung undFreilassung vonGe-
fangenengemäß der bereitsvorgelegten
Liste“zum Gefängnis nachBagram nörd-
lichvon Kabul schickenwolle.
Der mit Ghanikonkurrierende bisheri-
ge Regierungsgeschäftsführer Abdullah
Abdullahsagtederweil am Donnerstag,
er sei bereit, Gesprächezuführen, um die
politische Krise im Land zu beenden. Die
amerikanischeRegierung hattezuletzt er-
heblichen Druckauf Ghani undAbdullah
ausgeübt, sichzueinigen. cmei.

N


iemandweiß, wasden Sinnes-
wandel des 29 Jahrealten At-
tentätersvon Christchurch aus-
gelösthat. Dochetwaein Jahr
nachdem Anschlag auf zwei Moscheen in
der neuseeländischenStadt hat sichder
rechtsextreme Terroris tBrenton Tarrant
überraschend dochschuldig bekannt.
Dem Australier wurden Mordin51Fäl-
len, versuchter Mordin40Fällen undTer-
rorismusvorgeworfen. Noch im Juniver-
gangenen Jahres hatteeralles abgestrit-
ten. Über dieVideoverbindung,mit der
sein Bild am Donnerstag in den Gerichts-
saal übertragen wurde,zeigt eersichwort-
karg und ohne sichtbareGefühlsregun-
gen. Nurerheblichschmaler alsvorei-
nem Jahr sah der ehemaligeFitnesstrai-
nerBrenton Tarrantinseinemgrauen Ge-
fängnispulloveraus.
Ande rs als man annehmenkönnte, hat-
te es mit demCoronavirus nichts zu tun,
dass derAngeklagte per Videozugeschal-
tetwar.Tarrant sitzt im Hochsicherheits-
trakt der Haftanstalt Paremoremo in
Auckland, knapptausend Kilometer von
dem Gericht in Christchurch entfernt.
Dassdas Verfahrennun plötzlichinso
kurzer Zeit über dieBühnegegangen ist,
hat dann aber doch etwasmit denVerän-
derungen inZeiten der Pandemie zu tun.
Erst am Dienstag hatteTarrant seine An-
wälte über dieAbsicht inKenntni sge-
setzt, dieTatennun dochinvollemUm-
fang gestehenzuwollen .DainNeusee-
land vonDonnerstaganwegen desCoro-
navi ruseine strengeAusgangssperre gilt,
hatte sich der zuständig eRichter Came-
ronMander entschieden, dieAnhö rung
so schnell wie möglich anzusetzen.Der
Richterwollteden zu erwartendenVerzö-
gerungen durch die sichverschlimmern-
de Pandemie zuvorkommen.
Dafürwarenaber deutlichwenigerPer-
sonen im Gerichtssaal anwesendals sonst
üblich.„Es is tbedauerlich, dassdie derzeit
geltendenCovid-19-Restriktionendazu ge-
führthaben, dassdie Opfer und ihreFami-
lien nicht anreisenund anwesendsein
konnten, alssichder Angeklagteschuldig
bekannt hatte“, sagteMander laut Ge-
richtsprotokoll .Und so saßen am Morgen
dann nur 17Personen imweiten Abstand
zueinander in demgroßzügigen Gerichts-
saal. Darunter warenvier Gerichtsangehö-
rige und zwei Anwälte, sechs Journalisten,
ein Polizistsowie Vertreterder muslimi-
schen Gemeindevon Christchurch.

Im Namen der Opfer und ihrerAngehö-
rigenwaren die Imameder beidenMo-
scheen anwesend, die derTerroris tTar-
rantam15. März 2019gestürmt hatte.
Siewussten offenbar nicht, was der
Grun dfür die Anhörungwar.Das Ge-
richthattedie Absicht Tarrants geheim
gehalten, um nicht einenspäteren Pro-
zess zu gefährden,falls essichder An ge-
klagt evor dem Richter doch nochanders
überlegt hätte.
Auch GamalFouda, derImam, derin
derAl-Nur-Moschee in Christchurchdas
Freitagsgebetgeleit et hatte, alsTarrant
auf dieversammelten Gläubigengeschos-
senhatte, sa ßimGerichtssaal.Fouda
weinte einem Berichtdes „N ew Zealand
Herald“ zufolge, alsvorGericht dieNa-
mender 51 Mordopfervorgelesenwur-
den. Danachwurde Tarrantgefragt,ober
aufschuldig oder nicht schuldig plädiere.
DerAustralierstellte nocheine Nachfra-
ge zu einemNamen.Danach sagte er:
„Oh, o.k.,jaschuldig.“
InsgesamtgestandTarrant in allen 92
Anklagepunkten seine Schuld. Damit ent-
fällt nun derauf sechsWochen angesetz-
te Prozess, der im Juni beginnensollte.
Das Gerichtmussaber nochdas Straf-
maß festlegen.Wann diesesverkündet
werden kann, is taufgrund de rdurch die
Pandemieherrschenden Ausgangsbe-
schränkungenderzei tnochvölligoffen.
DieamDonnerstag in Neuseeland in
Kraftgetrete nenEinschränkungengel-
tenfür mindestens vierWochen.Das Jus-
tizsy stem gehörtlaut derNotverord nung
zurEindämmungder Corona-Krise zu
denEinrichtungen, die als„essentiell“
gelten und deshalbvonden umfassenden
Einschränkungen des öffentlichen Le-
bens ausgenommen sind.Aber der Rich-
terlegt Wert darauf,dassalle Opfer und

Angehörigeanwesend seinkönnen,die
das wünschen.
Vielevonihnenhaben mit Erleichte-
rung auf das Schuldeingeständnis des An-
geklagtenreagie rt.Die Premierministe-
rinJacinda Ardernsagte, denÜberleben-
den und Hinterbliebenen bleibenun „die
Qual eines Prozesses“erspart. Imam Ga-
mal Fouda äußerte sichgegenüber „Ra-
dio NewZealand“ähnlich: „Ichbin er-
leichtert, weil wir keinen langen und
str essigen Prozessüber unsergehen las-
sen müssen. Vielen Opferngraute es da-
vor, ihr Trauma nocheinmal durchleben
zu müssen,wenn sie ihreGeschichtevor
Gericht nocheinmalerzählen müssen
und dazu vielleichtauch nochhinte rfragt
werden.“ Schon der Jahrestag des Atten-
tats auf die zwei Moscheenvorrund zehn
Tagenhattedie albtraumhaftenErinne-
rungen an diesenTagzurüc kgebracht.
Zudem befürchtetenBeobachter,dass
der Terroris tden Versuch unternommen
hätte, den Prozesszur Selbstdarstellung
und derVerbreitung seinerrassistischen
Hassbotschaftenzumissbrauchen.Tar-
rant hattewie seinVorbild,der norwegi-
sche Rechts extremistund Attentäter A n-
dersBreivik,seine rassistische Ideologie
in einem „Manifest“ ins Internetgestellt.
Zudem hatteerdie Bluttat mit einerKa-
meraliveauf Facebook übertragen,was
anschließend auchandereAttentäter in
ähnlicherForm taten.
DerMuslim OmarNabi, der bei dem
Attentat seinenVater verloren hat, sagte
dem „New Zealand Herald“, der Schritt
des Angeklagten se iüberfällig: „Erhätte
sichfrüher schuldig bekennen sollen,
aberesist gut, dasserseine Meinung
geändert hat.“Ander SchuldTarrants
habeesschließlichkeine Zwei felgeben
können.

stah. TELAVIV.InIsrael zeichnetsich
eine große Koalition ab, inwelcher der
Vorsitzende des oppositionellen Bündnis-
ses Blau-Weiß BennyGantz in eineRegie-
rung mitdemBlockaus rechten undfrom-
men Parteien des amtierenden Minister-
präsidenten BenjaminNetanjahu eintritt.
Gantz ließ sichamDonnerstag überra-
schend selbstzum Parlamentspräsiden-
tenwählen. Sowollteernachüberein-
stimmendenMedienberichten seiner eige-
nen Fraktion innerhalbvonBlau-Weiß
die Möglichkeit einer Einheitsregierung
mit Netanjahus Likud offenhalten. Das
Blau-Weiß-Bündnissteht damitvorder
Spaltung. DieFraktion desstellvertreten-
den Blau-Weiß-Vorsitzenden Jair Lapid,
die zuvorgrößtenteils alsPartei Jesch
Atid angetretenwar,blieb derWahl in der
Knessetfern. JeschAtid sowie die bislang
ebenfalls zum Blau-Weiß-Bündnisgehö-
rende Telem-FraktionvonMosche Jaalon
beantragten,das Bündnis mit Gantz’Par-
teiChosen LeYisrael aufzulösen.

Während der frühereGeneralstabschef
Gantz zurWahl für das Amt des Knesset-
Präsidenten damitkeine ausreichendeUn-
terstützung aus der Opposition erhielt,
kamZustimmung für Gantz ausNetanja-
hus rechtemParteienblock. Bildungsmi-
nisterRafiPeretzvon der siedlernahen
Yamina-Parteibegrüßtedie Entschei-
dungvonGantz mit denWorten „Viel
Glück, Freund“.Netanjahu ließkeinen
Gegenkandidaten aufstellen.Unbestätig-
tenMedienberichtenzufolg esoll Gantz’
Partei Chosen LeYisrael dem bisherigen
BlockNetanjahus ausrechte nund from-
men Parteien beitreten, dazu auchder
Vorsitzende der Arbeitspartei, AmirPe-
retz, sowieweiter eAbgeordnete.Gantz’
künftig eRolle blieb zunächstunklar,Jus-
tizministersoll der Gantz-VertrauteHili
Tropperwerden. Netanjahu sollverspro-
chen haben, die ersten 18 Monateals Mi-
nisterpräsi dent zuregieren, anschließend
werdeerdiesen Posten Gantz überlassen.
Darüber herrscheindes nochkeine Einig-

keit,verlauteteausdemLagervonGantz,
der im Wahlkampfversprochen hatte,
nicht mit dem derKorruption angeklag-
tenNetanjahu zukoalieren. Lapid schrieb
an seineAbgeordneten, „Benny(Gantz)
entschied, Blau-Weiß zu zerlegen und in
Bibis (Netanjahus) Regierung zu krie-
chen.“ ImParlamentverteidigteGantz
sein Vorgehen mit denWorten: „Unge-
wöhnlicheZeiten verlangen ungewöhnli-
cheEntscheidungen.“
In denTagenzuvor hatten sichAbge-
ordnete vonBlau-Weiß und den anderen
Oppositionsparteien für denAbgeordne-
tenMeir Cohen als Knesset-Präsidenten
ausgesprochen, der zu JeschAtid gehört.
UnterFührung Cohenswaren Gesetzes-
vorhaben zu erwarten gewesen, die es ei-
nem angeklagtenPolitiker wieNetanjahu
verbieten, eine neueRegierung zu bilden.
Netanjahu hattedamit gedroht, Gesprä-
cheüber einegroße Koalition mit Gantz
abzubrechen,wenn Cohengewählt wür-
de. Dem istGantz nungefolgt.

Annäherung zwischen Kabul und Taliban


Beide Seitenverkünden EinigungüberGefangenenaustauschinAfghanistan


Trostspenden:Premierministerin Ardernnachdem Anschlag in Christchurch FotoAFP

Mordin51Fällen


Koaliert Gantzmit Netanjahu?


Oppositionspolitiker wirdParlamentspräsident/Blau-Weiß vorSpaltung


Der Atten tätervon


Christchurch bekennt


sichüberraschend


schuldig. Opfernund


Angehörigen bleibt


ein aufreibender


Prozesserspart.


VonTill Fähnders,


Singapur


BRIEFE AN DIE HERAUSGEBER


ZurDebatteüber Rückerstattungvon
Kulturgut:Nachdem diegesetzlichenRe-
gelungen zuRückerstattung und Ent-
schädigung an Opfer und Hinterbliebe-
ne längstabgelaufen sind und eineResti-
tution auf zivilrechtlicher Grundlagere-
gelmäßig nicht mehr möglichist,be-
wegt sic hstaatliches wie privates Han-
deln zurAufklärung und ansatzweise
„Wiedergutmachung“ des NS-Kunst-
raubs auf der Grundlageethisch-morali-
scher Selbstverpflichtung.Diese istin
den „Washingtoner Prinzipien“ alsrecht-
lichunverbindliches „SoftLaw“von 44
Unterzeichnerstaaten und in der „Ge-
meinsamen Erklärung“vonBund, Län-
dernund kommunalenSpitzenverbän-
den 1999 für Deutschlandkonkretisiert
worden. Ziel istes, NS-Raubgut zufin-
den und zurückzugeben oder andere
„fair eund gerechte Lösungen“ zu errei-
chen. Zu diesem Zwecketwa gibt es das
2015 gegründe te Deuts cheZentrumKul-
turgutverluste und dievonihm betriebe-
ne LostArt-Datenbank.
Das 2016 in Kraftgetretene Kulturgut-
schutzgesetz will hingegen das nationa-
le Kulturerbe bewahren sowie den illega-
len Handel mit Kulturgüternverhin-
dern. Zwar begründetdas Gesetzgestei-
gerteSorgfaltspflichten gewerblicher
Händler bei NS-Raubgutverdacht. Die
Sorgfaltspflichtgeht im Hinblick auf öf-
fentlicheVerzeichnisse und Datenban-
kenaber nicht über die Prüfung hinaus,
ob der zuveräußernde Gegenstand dort
eingetragen ist. Händlerund Kunde kön-
nen diegewonnenen Erkenntnisse frei
würdigen und selbstentscheiden, ob sie
einenVerkauf vornehmenwollen oder
nicht. Die LostArt-Datenbank hat sich
seit 20 Jahren alsweltweit einzigartige
Informationsquelle bewährt. Sie doku-
mentiert, schafft Transparenz und führt
„Suchende“ (Opfer und Hinterbliebene)
und „Findende“ (gegenwärtigeEigentü-
mer/Besitzer) zusammen, damit diese ei-
genständig und freiwillig eine Lösung
für denVerbleib des Objekts herbeifüh-
ren. Eine Pflicht zur Meldung sowohl
für öf fentliche Einrichtungen wie Priva-
te besteht,wenn diese einefinanzielle
Förderung zur Provenienzforschung
durch das DeutscheZentrum. Die Ein-
tragungund LöschungvonMeldungen
richtetsichnachden Angaben der Mel-
derunder folgtaufgrundeinerPlausibili-
tätsprüfung. DasZentrum istweder be-
rech tigt nochinder Lage, einevertiefte
Prüfung der Angaben oder der Berechti-

gung des Meldersvorzunehmen. Mit
der Eintragungwerden deshalbkeine
verbindlichenFeststellungen zur Eigen-
tumslage, zu Restitutionsansprüchen
und zum NS-verfolgungsbedingten Ent-
zug getrof fen. Das Bundesverwaltungs-
gerichthat 2015 in seinerwegweisen-
den „van Diemen“-Entscheidung zum
Betrieb der LostArt-Datenbank klarge-
stellt, dassessichumeine öffentliche
Einrichtung handelt, für deren Betrieb
keine gesetzliche Grundlageerforder-
lichist,solangesie sic handie für staatli-
ches Informationshandeln geltenden
Grundsätze hält.Bei der informationel-
len UnterstützungvonBürgern,umih-
nen die eigenverantwortliche Mitwir-
kung bei der Bewältigungrech tswidri-
gerFolgen des NS-Regimes zu ermögli-
chen, handele es sichumeine staatliche
Aufgabe, an deren Erfüllung angesichts
der historischen Verantwortung
Deutschlandsein gesamtgesellschaftli-
ches Interesse bestehe.
Der Betrieb der LostArt-Datenbank
entspricht diesenVorgaben und bedarf
daher keiner gesetzlichen Grundlage.
Die Listung in der Datenbankwarbis-
lang weder fürVerkäufer oderKäufer
nochfür Händler ein Hinderungsgrund.
Für die vielfachbehauptete nWertverlus-
te oder gardie Unverkäuflichkeit eines
derar t„bemakelten“ Objekts gibt eskei-
ne öffentlichzugänglichen Belege.
Schlicht abwegig is tdie Vorstellung, mit
dem Betrieb der Datenbank dürften nur
Beamteoder vergleichbareHoheitsträ-
gerbetraut werden, so dassdie Mitarbei-
terdes Zentrums dem „Risikoder straf-
barenAmtsanmaßung“ ausgesetzt sei-
en. Unbestritten darfder Staat sic hzur
Erfüllung öffentlicher Aufgabenauch
privatrechtlicher Organisationsformen
bedienen, wenn die öffentlich-rechtli-
chen Bindungenstaatlichen Handelns
dadurch nicht unterlaufenwerden.
Die Gründung des DeutschenZen-
trumsKulturgutverluste als privatrecht-
liche Stiftun ghat es ermöglicht,die Um-
setzung der Washingtoner Prinzipien
dauerhafterund ef fektiver als bisher zu
verfolgen. Die Aufklärung undWieder-
gutmachung benötigt auch75Jahre
nachdem Ende der NS-Unrechtsherr-
schaf tVerständigkeit und Entschlossen-
heit auf allenstaatlichen und bürger-
schaftlichen Ebenen.

RÜDIGERHÜTTE,HAUPTAMTLICHER
VORSTAND DERSTIFTUNGDEUTSCHES ZEN-
TRUMKULTURGUTVERLUSTE,MAGDEBURG

ZumLeitartikel „Nicht ohne Lernverlus-
te“von HeikeSchmoll (F.A.Z.vom23.
März):Nureine kleineKorrektur zu
„Wie sic heine langeAussetzung der
Schulpflicht, die es in dieserForm noch
nie gab, langfristig auswirkt...“.Gab
es doch! Als ichdie dritteKlasse besuch-
te gabesk einenUnterricht vonAnfang
April 1945 bis Ende September 1945.

Unddann keinerlei Lernmittel! Haben
wir überlebt und mussten sogar Ende
der viertenKlasse, also 1946,garnicht
so leichteAufnahmeprüfungen ins Gym-
nasium bestehen!Finanz- und auchBil-
dungskapital sammelt sichinFamilien
halt nur über mehrereGenerationen an.
Istso!
PROFESSORDR.REINHARDBREIT,PULLACH

ZumArtikel „Per Asterixadastra“ von
Andreas Platthaus (F.A.Z. vom25.
März): Herrlich, einfachherrlichdie
Hommageauf As terixleiblichenVater,
der imstolzen Altervon92Jahren
starb. Jener ließ denZeichenstiftspre-
chen und schuf 1959 einenetwasbe-
drückten, besorgten undgehetzten Hel-
den, im Jahr darauf wirktejener schon
selbstbewusster und drei Jahrespäter
einfachmutig. Erkennbar am Habitus
und den Flügelschlägen des Helmes,grö-
ßeren Augen und erhobenerNase, alles
tref flichinder Bildleiste dokumentiert.
Undsoverwundertesnicht, dassEnde
dersechziger,die Achtundsechzigergrü-
ßen huldvoll, Asterix alsstolzer und er-
folgreicher WelteroberervorunsereAu-
gentrat, im immerwährendenKampfge-
genObrigkeiten.VomWerdegang des
berühmten DuosRené Goscinnyund Al-
bertUderzo erzählt ein launigerText,
der uns lehrt: Treffliche Karikaturen le-
ben vomPfiff und Strich.

NORBERTKAPITOLA,
RHEDA-WIEDENBRÜCK

Seit25Jahren lese ichdie F.A.Z. täg-
lich. Undich habeimmer Hochachtung
voreiner Redaktion,die täglich so vie-
le komplexe Themen so gutrecher-
chiertzuPapier oderonline auf die
Rechnerbringt.Umso mehr hat mich
der ArtikelvonElena Geus berührt
(F.A.Z.vom25. März), de rzeigt,was
es heißt, in Corona-Zeiten eineZei-
tungimHomeoffice zu produzieren
und dieganzen Schrittevon derRedak-
tionskonferenz undden notwendigen
inhaltlichen Diskussionen bis zum letz-
tenAusträger aufrechtzuerhalten .Ich
sagenur einfach: Danke an alle!Ich
freue mich jedenMorgenauf die
F.A.Z.. Bleibtgesund!
DIETER HELLING,KOBLENZ

„Wissen wirgenug?“, um all dasverant-
worten zukönnen,waswir unsgerade
zumuten, fragt IhrRedakteur Joachim
Müller-Jung (F.A.Z.vom21. März). Es
istnicht die einzigeFrage, die sichjetzt
stellt.Ich frag emichzum Beispiel,was
gerade mit unserer Demokratie, mit un-
seren demokratischen Verfahren und
mit unsererVerfassunggeschieht.
Man musssichdas vorAugen führen:
Mit einem Handstreich werden in die-
sen Tagenweite Teile derVerfassung,
werden unsereBürgerrechteaußer
Kraftgesetzt :das allgemeinePersönlich-
keitsrecht, die Versammlungsfreiheit,
das Rechtauf Freizügigkeit. Dies alles
auf der Grundlagedes Infektionsschutz-
gesetzes, eines einfachen Gesetzes. Ist
dies das Ermächtigungsgesetz unserer
Tage,mit dem die Exekutivealle Staats-
gewalt an sichziehen, die Legislative
ausschalten und gleichzeitig die Bürger-
rech te aussetzenkann?
Normalerweise lassen wir solche Ein-
griffe in denStaat und die Gesellschaft
nur nacheinem medial begleiteten, par-
lamentarischenVerfahren zu, in dem
alle Gesichtspunkteausgeleuchtet,die
beteiligten Interessen artikuliertund in
einem transparentenVerfahren ausge-
glichenwerden. Dafür haben wirkeine
Zeit, wir ddagegen eingewendet, die Kri-
se is tdie Stun de der Exekutive! Das
scheint aber nicht dagegen zu sprechen,
dasInfektionsschutzgesetzimEilverfah-
renzuverschärfen.
Zweifel an der Richtigkeit dieser Ent-
wicklungen würden sichnicht so sehr
aufdrängen,wäre nicht evident, dassdie
Entscheidungen der letztenTage weni-
gervon rationalen alsvonpolitischen,
medialen und emotionalenFaktoren be-
einflusst sind. Auf neuen Befunden be-
ruhen diese Entscheidungen nicht, son-
dernsie sind das Ergebnis einesWett-
laufsumden Titeldes stärkstenMannes
und dergrößtmöglichen politischenUn-
angreifbarkeit.
Es is tjanicht so, dasssichdie Lei-
chenberge auf denStraßenhäufen wür-
den. Die Entscheidungen beruhen auf
Meinungen bestimmter Sachverständi-
ger, auf derenBeobachtungen, aufStatis-
tiken, auf Simulationen,auf Hochrech-
nungen, auf Schätzungen, zumal auf sol-

chen, die nicht unangefochten sind und
die auchständig variiertwerden. Ges-
tern nochhieß es, dasswir in derwar-
men Zeit das Gröbste überstanden hät-
ten, jetzt dreht sichdie Diskussion auf
einmal um dieFrage, wiestarkdie Kur-
ve überhauptabflachen soll.
In einer solchen Situationbraucht es
Kontrolle, und diese Kontrolle fehlt.
Die Medien profitierenvonder Aufre-
gung,vonihnen istKontrolle leider
nicht zu erwarten. Ausden Parlamen-
tenhörtman nichts, undwenn sie über-
haupttagen, setzen sichdie Abgeordne-
tenfreiwilligzweiMeter auseinander,
um angesichts derVorgaben der Behör-
den ein gutes Beispiel abzugeben. Die
Entscheidungsfindung einesforsch vor
die Kameras marschierenden Markus
Söder istnicht transparent.
Welche gesicherten Befunde liegen
überhauptvor? Gibt es ernsthafte alter-
nativeMeinungen oder Sichtweisen?
Undwenn Maßnahmen zu treffensind,
welche Optionen stehen zur Verfü-
gung?Wiestehen sichKosten undNut-
zen gegenüber?Wieviel is tesu ns Wert,
„Engpässe im Gesundheitswesen“ zu
vermeiden? Zehn MilliardenEuro?
HundertMilliarden Euro? Die berufli-
chen ExistenzenvonTausenden? Die
Vernichtung vonWerten? DieVerar-
mung unsererKünstler? DenRuin unse-
rerWirtschaft, die massiveVerminde-
rung unseresWohlstands, der ein hohes
Gesundheitsniveau erst ermöglicht?
Eine Weltwirtschaftskrise, bei der die
Lebenserwartung der Menschenwelt-
weit mit Sicherheit sinkt?
Ichhabe keine Antwortendafür,ob
wir das Richtigefür die Gesundheit un-
serer Bürgertun. Aber in einem Punkt
bin ic hmir sicher:Die Exekutivehat die
Staatsgewalt an sichgezogen, und sie
wirdnicht kontrolliert.Wissen wir wirk-
lichgenug, haben wir alleFakten und
alle Argumentegehörtund uns darüber
ausgetauscht, haben wirKosten undNut-
zen sorgfältig abgewogen, um unseren
Wohlstand aufsSpiel zu setzen, unser
Zusammenleben auf denKopf zu stell en
und dieverfassungsrechtlichen Grundla-
genunseresStaates außer Kraftzuset-
zen? Ichmeine: nein.
DR.BURKHARDBASTUCK,
FRANKFURT AMMAIN

In unserem Lande gibt esgeflücht ete
Menschen, diegesundsind und seit Jah-
reninder Duldung leben. Monat für
Monat, viele Jahr für Jahr zwischen Hof-
fenund Warten. Sie würdengernearbei-
ten, auchehrenamtlich, aber per Ge-
setz dürfensie das in vielen Fällen
nicht .Statt dessen leben diese Men-
schen, zumTeil Facharbeiter,inihren
Unterkünftenund versuchen sichmit
Nach barschaftshilfezubeschäftigen,
waseigentlichauchnicht erlaubt ist.
Wäreesjetzt nicht an derZeit dieses
Gesetz zu lockern,damit auchdie zu
uns geflücht eten Menschen sichmit ih-
renFähigkeiten in unserem Landeein-
bringenkönnen?Auchals Erntehelfer.
Das wäre gelungene Integration.

DONATA FREIRFRAUSCHENCK ZU
SCHWEINSBERG

Aufklärung undWiedergutmachung


Die Corona-Krise zwingt auchmich,
meinen Alltag neu zustrukturieren und
michden derzeitigen Einschränkungen
abzufinden.Umso mehr freue ichmich
jeden Morgen, wenn ic himBriefkas ten
meineF.A.Z. vorfinde. Ichweiß, dass
das sicher nicht einfachfür Redaktion
und Verlag ist, und möchtedarum an
dieserStelle allen Beteiligten einganz
großes, vonHerze nkommendes Danke-
schön sagen.

PETRAPETERS-BECKER, FRANKFURTAMMAIN

Zu „Walter Eucken –Opfer einesVi-
rus“ vonGerald Braunberger(F.A.Z.
vom21. März): Es isterfreulich, dass
die F.A.Z. aus Anlassdes 70.Todesta-
gesdieses bedeutenden Vordenkers
der sozialen Marktwirtschaft an diesen
erinnertund sehr prägnant seinWerk
würdigt.Gerade in diesenTagender
Corona-Krise, an denen derStaat mas-
siv in dasWirtschaftsgeschehen ein-
greiftund dabei leicht überdas gutge-
meinteZiel hinausschießt,sollte man
sichEuckens „Grundsätze derWirt-
schaftspolitik“wiederzuGemütefüh-
ren. In diesemWerk ohneVerfallsda-
tum geht es um dierichtigeBalance
zwis chen Staat, Wirtschaf tund persön-
licher Freiheitder Haushalteund Un-
ternehmer.Diese Balanceist –jelän-
gerdie Krise dauert–in akuter Gefahr.
Es is tbedauerlich, dassEuckenbis-
her zuwenig außerhalbdes deutschen
Sprachraumsgelesen wird. Auf eine
löbliche Ausnahme istjedoc hhinzu-
weisen: Seit 2017 gibt es eineausführ-
lichkommentierte,unter derkenntnis-
reiche nÄgidevonSantiago García
Eche varría (Universidad Alcalá de He-
nares )erarbeitete Übersetzung der
„Principios de Política Económica“.
Die Schrifthat demVernehmennach
im spanischsprachigem Raum nicht zu-
letzt in den sozialen Medien ein beacht-
liches Echogefunden.

DR.ROBERTFIETEN,KÖLN

Bleibtgesund!


Es fehlt eineKontrolle der Exekutive


An der Zeit


Aussetzung der Schulpflichtgabes


Pfif fund Strich


VonHerzen :Danke!


Vordenker

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