Frankfurter Allgemeine Zeitung - 27.03.2020

(Greg DeLong) #1

FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG Deutschlandund die Welt FREITAG,27. MÄRZ2020·NR.74·SEITE 9


C


19 istnicht nur eineAbkürz ung
für die schwereLungenkrank-
heit Covid-19.UnterSchachspie-
lernist C19 auch der Code für einenPar-
tien -Anfang, nämlichdie Winawer-Vari-
anteder Französischen Verteidigung.
Justdiese Eröffnungwählteder in Füh-
rung liegende Jan Nepomnjaschtschi
am Mittwochinder letztenPartie, be vor
die Weltmeisterschaftsausscheidung in
Jekaterinburgunterbrochenwurde.Wo-
mit man jetzt trefflichsagen kann: Mit
C19 endetdas Kandidatenturnier.Wit-
ze, selbstwenn sieTreppenwitze sind,
helfen, Krisen durchzustehen. Vishy
Anand,der f rüher eWeltmeister, ruft
sichwährend schwierigerPartien öfter
einen Monty-Python-Sketch in Erinne-
rung. Anish Girilegt sich,wenn all eVa-
rianten berechnetund alle möglichen
Transformationen der Stellung bewertet
sind, schon mal Späße für das auf die
Partie folgende Interviewzurecht.Nach
der vorletzten Runde in Jekaterinburg
erzählteder Niederländer,wie aufge-
regt er gewesen sei,als er merkte, dass
er seine20. Kandidatenturnier-Partie
erstmals als Sieger beenden würde. Da
habe sein Herzganz heftig zu schlagen
begonnen. So heftig, dassereinenIn-
farktbefürchtete.Dawerde dieTurnier-
ärzti nwohl gründlicher nachforschen
müssen.Dabei verrietsein Grinsen,
dassjede Sorge um seinkörperliches
Wohlergehen unangebrachtwar. Auch
über denTurnie rverlauf hattesichGiri
Gedankengemacht. Es komme ihmvor,
als wäre er auf einer Geburtstagsparty
für JanNepomnjaschtschi. AlleKinder
seien da und haben Geschenkemit-
gebracht.Aber niemand freue sichmit
dem Geburtstagskind. Angeblichhat
Giridas Schachspielaus demrussischen
Kinderbuch„Wieman ein Gentleman
wird“gelernt .Dabeihabe er nur das
Schachkapitelgründlichgelesen und
alle anderenKapitel ausgelassen. Das
scheint sichnun zurächen. Eswarnicht
„gentlemanlike“, einemKollegenvorzu-
halten,vonGeschenkenseiner Gegner
zu profitieren,nachdemGiriselbst ein


Sieg in den Schoßgefallen war. Sein
russischer Gegner Kirill Alexejenkohat-
te ermattetvon fastsiebenStunden De-
fensiveein klaresRemis verpatzt.Und
in ihrer direkten BegegnungwarGiri
vonNepomnjaschtschi überzeugendge-
schlagenworden. VonseinenKollegen
gefürchtetwirdGiriwenigerfür sein lo-
ses Mundwerkals für seine ausgezeich-
nete Vorbereitung. Selbstden für sein
Analyseteam und sein außerordentli-
ches GedächtnisgerühmtenFabiano Ca-
ruana überspielte GiriinJekaterinburg
aus der Eröffnung heraus. Als es daran-
ging, diewackeligeStellung des Ameri-
kanerssturmreif zu schlagen, manö-
vrierte GiriseinenTurm in die Brett-
mitte,vonwoeralle möglichen Drohun-
genaufbaute.Allerdings entging ihm
dabei ein entscheidendesDetail. Ein
Manöver, mit dem sichSchwarz gerade
nochbehaupten und in einRemis durch
dreimaligeStellungswiederholung ret-
tenkonnte. Sehen Sie, wie Caruanafort-
setzte? STEFANLÖFFLER

Auflösungvom20. März:
24...b5! sicherteNepomnjaschtschigroßenVor-
teil.Nach25.cxd5: c2 liefederFreibauer durch,
und auchnach25.Dd5: Lb7 26.De6+ De
27.De7:+Ke7: entscheideterzugunstenvon
Schwarz.

SCHACH


„Es hat auch einen psychologischen Effekt,wenn wir mitPolizei und in Schutzmonturkommen“:Beamteauf Quarantäne-Kontrollmission inTelAviv FotoJochenStahnke

MADRID. Erst wenn es dunkel wird,
beginnt für viele Spanier der Höhe-
punkt desTages. Sie öffnen ihreFenster
und gehen auf die Balkone. Jeden
Abend dauertder Applaus einwenig län-
ger, den sie Krankenschwesternund
Pflegernspenden.InVigo imNorden
des Landesglaubt jedochein achtzigjäh-
rigerMann, der Beifallgelte nur ihm. Er
leidetanAlzheimer,kann kaum noch
reden, aber wunderbarMundharmoni-
ka spielen. Seine Pflegerin brachteden
aus DeutschlandstammendenRentner
dazu, jedenAbend amFenster seiner
Wohnung ein paar Melodien zu spielen.
Die kleineLüge rettetdem Alzheimer-
Patienten denTag. Wieein großes Kind
freut er sichüber den Applaus, wie auf
Videos zu sehen ist, die sichinWindes-
eile über das Internetverbreitet haben.
Tagsüber übt er und lebt auf denAbend
zu –wie Millionen seiner Landsleute.
Das „Spanien der Balkone“ hat in Kri-
senzeiten Tradition. Wiezuletzt auf
dem Höhepunkt desKatalonien-Kon-
flikts hängen in Madrid viele Leutespa-
nische Flaggen auf. Seit die Spanier


wegendes Coronavirus nur nochzum
Einkaufen auf dieStraße dürfen, sind
Balkone undFenster zu einem wichti-
genTreffpunk tgeworden.Nach barnver-
abredensichzur gemeinsamen Gymnas-
tik oder zum Bingo.AufMallorca san-
genund tanzten uniformierte Polizisten
auf derStraße, umdieKinder in ihren
Häusernaufzumuntern. EinVideo in
den sozialen Medien zeigt, wie im Ma-
driderStadtteil Lavapiés Nachbarnei-
ner Achtzigjährigen einenKuchen vor
die Wohnungstürstellen und ihr aus
den Fenstern ein Ständchen singen.
Zu einer heimlichen Hymne istein
Schlager des „Dúo Dinámico“ aus den
neunziger Jahrengeworden. Er heißt
„Resistiré“ –ich werdewiderstehen.
AusBarcelona lieferndrei jungeMusi-
ker, die sich„Stay homas“ nennen (frei
übersetzt:Die Daheimbleiber), jeden
Tagvon ihrer Dachterrasseeinen neuen
Song. In ihrem ersten Hit imReggae-
Rhythmus mit demRefrain „Let’s enjoy
this confination“ sang aus derFerne
eine ihrerFreundinnenmit, die sie über
das Mobiltelefon einblendeten. Im Ma-
drider Salamanca-Viertelgehörtzum
Ritual die Arie „Nessun dorma“ (Nie-
mand schlafe) aus Puccinis Oper„Turan-
dot“, die immer nachdem großen
Applaus laut aus einem offenen Fenster
erklingt.Kaum hatLuciano Pavarotti
geendet, wirdwieder geklatscht.
Ein paarHäuser entfernt beginntwe-
nig später ein Klavierkonzert. Mit anfeu-
erndenRufenversuchen dieNachbarn
zu verhindern, dassdas Klavier zu früh
die spanischeNationalhymneanstimmt.
Sie bildetimmer denAbschluss, bevor
sichdas Fensterschließt.„Hasta maña-
na“ rufensichdie Menschen hoffnungs-
vollzu.DanachkehrenStilleundAngst
zurück. HANS- CHRISTIANRÖSSLER

WAAGERECHT:1Wasstets den neues-
tenChic verschickt undmit tragbaren Prei-
sen entzückt 9 Quakensichbei denen durch
dieAhnengalerie: Sir Daunenstert,Sir Düm-
pelfried undSir Dusseltrutz(Pl., Nachn.)
11 Nichtganz vondieserWelt zusein, ge-
hörtzuseinen Geflogenheiten (Abk.)
13 „Eine...istein vortreffliches Heilmit-
telfür verworrene Zustände“ (Franz Grill-
parzer) 15 Hangelt sich durch dieE-Mail-
Adresse 18 McDonaldsHühnerklein–wie
goldigkann’s dochsein!(engl.) 20 Was
tunEnten als Stadtbe wohner? 22 Rex
Gildo eilte ein bestimmter Rufvoraus
23 Justin Trudeau,geborenwo?Dan Ay-
kroyd, Paul Ankasowieso! 24 „. ..istzwei-
fellos die Wiegeder Kultur .Aberman
kann nicht seinganzes Leben in derWiege
verbringen “(Oskar MariaGraf) 25 Gab
Friedric hII. zu dessen Freudedem Walther
vonder Vogelweide 26 Bringt so delikat
wie raffiniertdie Kreiszahl mit der Kritik
der reinen Vernunft in Verbindung 28 Es
wäre völligumsonstzuverlan gen, derart
auf seineKosten zukommen 30 Wiener
Würstchen fürWiener 36 Diese Dame
grenzt ja anVermessenheit (Vorn.) 37 Das
im Film Geschehendebetriffthier Außen-
stehende 38 Sie nutzt jedenSpielenachmit-
tag, umsichzuverstecken (Vorn.) 39 Dem
Spieltriebgiltmanch Saitenhieb (Pl.)

SENKRECHT:1Dasöffentli cheVer-
breitungsgeschehen hat uns neu mitFertig-
keiten versehen –uns tie finder Meinungs-
undMeldungsschlachtein neues Ver-
mögen mit eingebracht 2 Er nahmdieLin-
coln-Maschine in den marsianischen Zeit-
sturz: ZumgalaktischenTopfheilerund
dendreiStigmatades PalmerEldrit ch
(Nachn.) 3 Sozusagen Dauerausstellun gen
inBots chaftenund Konsulaten(Pl.) 4 Da,
wo meist die Fragesteht, hier auchnach
dem, um den esgeht 5 Seine Liebedienerei
galt auchNietzsches Fati 6 Heimat für
Strausswalzerschwalbenaus Österreich
7 Das Faktotum der schönenWelt singt sie
ganz auf sichgestellt 8 Diesichhalbwegs in
dembewegt,was aufgewandt undaus-
gelegt 10 „DasAmt machtwohl satt, aber

nicht...“(Sprichwort) 12 Der istwirkli ch
auf dieformvollend eteste Artabgekratzt
14 BeimAufwand seiner Grünanlagen
reicht’ ssogarnochfür wasauf die hoheKan-
te 16 ...istjanun garnichts gewonnen,
wenn man beimAutorennen wirklich ...
will 17 Waspolitische Ideen und Lokomo-
tiven nach sich ziehen 19 IhreBaumeister
hatten denBogen raus, wie manwasspitz
kriegenkann 21 „. ..stärkt Arme,Rumpf
undBeine,kürzt die ödeZeit, under
schützt unsdurch Vereine vorder Einsam-
keit“(Joachim Ringelnatz) 27 Täglichauf
Badesee-Tournee, quer durch Brienzer-

Thuner-Wohlen-Bielersee 29 Immer nobel,
der Herr Tawil(Vorn.) 30 Undnun wollen
wir es mal mit dem Scheiternprobieren
31 VonLessin gseinerzeitpasquillt:ein
negatives Goezenbild,behängt mit diesem
Abwehrschild 32 Nunbringen Sie mal
weißes Pulver und schwarze Klumpen un-
tereinenHut 33 Waslässt sichTag und
Nachtbedrän gen, und zwar durchalle
Wellenlängen? 34 Als waswaren Seven-
ties-Kids inAction, gemeinsammit Hard
Rock undJohn Steel? (engl.) 35 Ein un-
vermischtes Angebotist damit eingehend
bezeichnet meu.

Auflösungvom20. März:
Waagerecht: 1 Freileitungsbau 8 Stufe 10 Par(-abel;
Kalauer,Pardon!) 12 Staub 14 Argumente 15 OECD
(= C-O-D-E,Abk.OrganisationforEconomicCo-Opera-
tion and Develepment, Organisation für wirtschaftli-
cheZusammenarbeit und Entwicklung, internationale
Organisation mit SitzinParis) 17 (Mannesmann-)Ufer
(RheinuferpromenadeinDüsseldorf) 19 Heizkoerper
23 (Jerry)Sein(-feld, amerik.Stand-up-Comedian,
Schauspieler undAutor,seine Sitcom „Seinfeld“ ist
nachihm benannt, 1989) 24 Real (Einzelhandelskette,
Tochterder Metro-Gruppe) 25 Eistanz (=
E-I-N-S-A-T-Z) 26 Brač(kroat.Adriainsel mit der Land-
zungeGoldenes Horn) 28 (Siemens-)Steg(Fußgänger-
brückeüber die Spree in Berlin-Charlottenburg+Sie-
mens-Nixdorf-Steg=überquertden Donaukanal in
Wien) 29 Gran Canaria(Kanareninsel, Drehortder
Moby-Dick-Verfilmung vonJohn Huston, 1956)
32 Oboe (symbolisiertdie EnteimMusikmärchen „Pe-
terund derWolf“vonSergei Prokofjew,1936) 33 Egge
(landwirtschaftliches Gerät zum ZerkleinernvonErd-
schollen 34 Whirlpool(brit. Spielfilm mit O. W.Fischer
und JulietteGréco in den Hauptrollen, dt.Titel„Die
schwarze Lorelei“, 1959) 38 Masse (Mensch, Theater-
stückvon ErnstToller,1920) 40 (Stamo-)Kap (Abk.
StaatsmonopolistischerKapitalismus, These derVer-
schmelzung des ImperialistischemStaats undkapitalis-
tischerWirtschaft;Stamokaps=Juso-Linke) 41 Reich
43 Neubaunachfrage
Senkrecht: 1 (Kon-)Fusionsabkommen (Kalauer,Par-
don!) 2 Eau (frz.Wasser) 3 Leer(-gut) 4 Team (=
A-T-E-M; engl. Mannschaft, Gruppe) 5 Gast 6 Bea
(Fiedler, dt. Schauspielerin) 7 Ueberflugrechte 9 (Nau-
tischer)Faden (in der englischsprachigen Seefahrtfür
Tiefenangabengebräuchliches Maß,1fm=1,8288 m)
10 Puck(Name derStubenfliegeinder Biene-Maja-Zei-
chentrickfernsehserie, 1975; Eisbären Berlin=Eis-
hockeymannschaft) 11 Reue 13 (Aben-)Teuer 16 Chi-
cago (ThatToddlingTown, LiedvonFredFisher,1922,
bekanntgeworden in derVersionvonFrank Sinatra,
1957) 18 Freitag (sexta-feira=portug. sechsterMarkt)
20 Zwirn 21 (Lido di) Ostia (Stadtteil vonRom mitZu-
gang zum Mittelmeer) 22 Ronja (Räubertochter, Ro-
manvonAstrid Lindgren, 1981; die Mutter singt ein
Wolfsliedfür sie) 27 Crews(engl. Mannschaften)
28 Siele (verschließbareGewässerdurchlässe in ei-
nem Deich) 30 Cork(Stadt in Irland) 31 Nepp 35 Heia
(Safari!,WanderliedvonRobertGötz,TextvonAnton
Aschenborn,1921) 36 (Das) Lama(Spitzname, den
FriedrichNietzsche seiner SchwesterElisabethFörster-
Nietzschegab) 37 (Carl) Orff(dt.Komponist, 1895 bis
1982; „Urworteorphisch“=Gedichtsammlungvon
Goethe, 1820) 39 Sau(-preiß,bayer.Beleidigung)
42 Ida (Krottendorf, österr.Schauspielerin,Frauvon
KlausjürgenWussow,1927 bis 1998)

Meghan Markle


ist streng


Meghan Markle hält sichandie Rat-
schlägevon Virologen.Wegender Infek-
tion ihres Schwiegervaters,Prinz
Charles, soll die HerzoginvonSussex
mit Wohnsitz auf Vancouver Island
ihrem Ehemann Prinz Harry verboten
haben, seineFamilie in Großbritannien
zu besuchen. EineVertrauteverriet der
„DailyMail“, die Kalifornierin habe
dem Fünfunddreißigjährigen sämtliche
Reisen untersagt.Auchfür seinenVater,
der sichnachder Diagnose am Dienstag
auf das schottische SchlossBalmoral
zurückgezogen hat,werdekeine Ausnah-
me gemacht.UminPandemiezeiten
dennochein Zeichen zu setzen, plant
Markle angeblichdie Adoption eines
Hundes. Die Herzogin und der Herzog,
die die Corona-Krise nachdem Ab-
schied aus dem britischenKönigshaus
mitihrem Sohn Archie in Kanadaaussit-
zen, vertreiben sichdie Zeit mit guten
Ratschlägen. Auf ihrer Instagram-Seite
„Sussexroyal“ fordernsie ihr eAnhänger
auf, die Hände zuwaschen und auf die
seelische Gesundheit zu achten. ceh.


Angelina Jolie

ist großzügig

Nach AmyAdamsund Jennifer Garner
unter stützt jetzt auchAngelina Jolie die
Hilfsorganisation „NoKid Hungry“.
Die Oscar-Preisträgerin überwies der
Stiftung eineMillion Dollar, um Schü-
ler aus einkommensschwachenFamili-
en auchwährend der Corona-Krise zu
verpflegen. „In Amerikasind fast
22 Millionen Kinder auf die Ernährung
angewiesen,die sie während des Schul-
tags bekommen“,teilteJolie mit und
erinnerte an die SchließungenvonBil-
dungseinrichtungenwegender Corona-
Krise. Die Schauspielerin(„Maleficent:
Mächteder Finsternis“) gehörtzuHol-
lywoodsspendenfreudigs tenProminen-
ten. Mit ihrem früherenEhemann Brad
Pitt gründetesie unter anderem eine
Stiftung, die inKambodscha, derHei-
mat ihres ältestenAdoptivsohnes Mad-
dox, mehrereSchulen betreibt.Zudem
unternimmt die 44 JahrealteJolie
immerwieder Reisen in Krisengebiete,
um als Sondergesandte der Flüchtli ngs-
hilfeder VereintenNationenzuhelfen,
Konflikt ebeizulegen. ceh.

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39

SchwarzamZug

D


er Frühling istda, die Sonne
scheint mild auf denStadtteil
Afek aimNordenvonTel Aviv,
aber die Bürgersteigesind
nahezu menschenleer.Die Polizisten und
die Leutevom Gesundheitsamt parken
ihreFahrzeugedirekt vordem Haus, ein
Beamter in Zivilverteilt inFolie einge-
schweißteGanzkörperanzüge. Sie zwän-
gensichindie weißen Overalls und setzen
Masken auf, bevoreshinauf in dieWoh-
nung des mutmaßlichInfiziertengeht.
„Das istdochhier eine illegaleVer-
sammlungvonmehr als zehnPersonen“,
sche rztein Israeli,der si ch mit seinemLie-
gefahrrad an denPolizistenvorbeischlän-
gelt. Den Humor haben die meisten Israe-
lis nochnicht verloren. Allerdingswarbis
zu demTagauchSportinEinzeldiszipli-
nen nochnicht verboten. Das hat sichseit

Mittwochabendgeändert:Nur100 Meter
ums eigene Haus herum darfman jetzt
nochdraußen sein.„Wir wollen nicht Ita-
lien oder Spanienwerden“, sagtRonny
Berkowitz vomGesundheitsministerium.
Mehr als 12 000 Hausbesuche haben die
Mitarbeiter der Behörden schon bei Infi-
zier tenund Personenin Quarantäne absol-
viert, gut 120Personen festgenommen,
die gegendie Auflagen verstoßen haben.
Der Mann in Afekaist gerade aus den
VereinigtenStaaten zurückgekehrt. Des-
halb darferseine Wohnung für 14Tage
nichtverlassen, aberwachsame Bürger
wollen ihn draußengesehen haben.„Die
Adressehaben wirvonBürgern,die uns
angerufenhaben“, sagtPolizeisprecher Mi-
ckyRosenfeld. Die Beamten klopfen an
die Tür. Der Mann istzuHause, er sagt, er
habe keine Symptome. Sein Sohn fragt, ob
er sic hwieder an seinen Computer in den
virtuellen Klassenraum setzen darf. Die
Beamten lächeln und ziehenab. „Es hat
aucheinen psychologischen Effekt, wenn
wir mitPolizei und in Schutzmonturkom-
men“, sagt Berkowitz, „die Leuteerzählen
das weiter.“
Mittels Mobilfunküberwachung ver-
folgt Israels InlandsgeheimdienstInfizier-
te und gleicht deren Bewegungsprofil mit
dem vonPersonen ab, derenWege sich
kreuzten.PerSMS wirdihnen dann mitge-
teilt, dasssie sic hfür zweiWochen in Qua-
rantäne zu begeben haben. DiePolizei be-
kommt die Daten übermittelt, wie sie
auchauf jene der Einwanderungsbehör-
den zugreifen kann. Dochvor allemfolgt
sie altbewährten Methoden: Der Bürger
istnochder beste Hinweisgeber.Inden

vergangenenWochen hätten 40 00 Israelis
angerufen, um den Behörden Informatio-
nen über Mitbürgerzuzustecken, die sich
in Quarantäne befinden müssten, aber
draußengesehen wurden, sagt Berkowitz.
Werden Quarantänebestimmungen nicht
folgt, mussmit umgerechnet1200 Euro
Geldbußerech nen und zumindesttheore-
tischauchmit einer Gefängnisstrafe.
Jetzt hat dieRegierung die Bestimmun-
gennocheinmalverschärft.Sie ähneln
denen in Italien, denn Sars-CoV-2 beginnt
sichauchinIsraelraschzuverbreiten:
Mehrals 2600 Infizierte und achtTote wur-
den bislang gemeldet. Die Zahl der
Infiziertenverdoppelt sichalle dreiTage.
Seit Mittwochabend darfdie häusliche
Umgebung nur nochverlassen,weraußer-
halb des eigenen Hauses arbeiten darf, um
einmal amTageinkaufen zugehen oder
für medizinische Angelegenheiten. Die
Synagogensind geschlossen, Gebete sind
draußen erlaubt, jedochfür höchstens
zehn Personen mit mindestens zwei Meter
Abstand voneinander.Grundsätzlichfolge
die Bevölkerung den Bestimmungen, sagt
Rosenfeld, aber in einigenreligiösenVier-
teln etwa in Jerusalem sei es schwerer,die-
se zu implementieren.
Zuletzt wurde diePolizei dortmit Stei-
nen beworfen, mehrereBeamtewurden
verletzt.„Einigeder ultraorthodoxenGe-
meinschaften bestehen darauf, sichweiter
zu versammeln, das istschrecklich“, sagt
die stellvertrete nde Jerusalemer Bürger-
meisterinFleur Hassan-Nahoum in einer
Telefonkonferenz.„Wir haben Plakatein
den religiösenVierteln auf gehängt, auf de-
nen ste ht, dassdies gleichbedeutend ist

mit Mord.“ Dochsoeindrücklichdie Fern-
sehbilder auchsind, auf denen diePolizei
mit aufgebrachten Ultraorthodoxenringt
–eshandele sichdabei dochnur um viel-
leicht fünf Prozent derFrommen, sagt Has-
san-Nahoum. Das entspricht immer noch
Tausenden Ultraorthodoxen, die den An-
weisungen nichtfolgen.
In einer bemerkenswertenStellungnah-
me gaben das aschkenasische und das se-
fardische Oberrabbinat am Mittwochbe-
kannt, dassnur Familien, die unter einem
Dachleben, dasPessachfestimApril ge-
meinsam begehenkönnen. Es sei aucher-
laubt,Torarollen auf dieStraßezum Ge-
betunter freiem Himmel herauszugeben.
ZumindestinBnei Brak,der wohl größten
ultraorthodoxenStadtder Welt, sindweni-
gerMenschen auf den Straßen als üblich.
Das Land rüstet sichfür die Infektions-
welle, diekommen mag. AusTiefgaragen
werden Krankenstationen, Hotels inTel
Aviv und Jerusalem nehmen dieweniger
schwer Erkrankten auf. Der General-
direktor desGesundheitsministeriumssag-
te am Donnerstag, er sei „nicht optimis-
tisch“, dassIsraels Gesundheitssystem
jeden angemessen behandelnkönne.
Bald beginnenPessachund Ramadan.
Eine Anfragedes parlamentarischen
Corona-Ausschusses ergab, dassIsrael
mindestens 1437 ungenutzteBeatmungs-
geräte zur Verfügung hat.Ministerpräsi-
dent BenjaminNetanjahugabbekannt, er
unternehme große Anstrengungen, um
medizinischeAusrüstung zu besorgen.
Wahrscheinlichtelefonierte Netanjahu
deshalb schon am Dienstagauchmit Bun-
deskanzlerin Angela Merkel.

KREUZWORT


Persönlich


In der Musik vereint


Abends versammelt Spanien sichauf den Balkonen


„AkzeptierenLied-Vorschläge“:Balkon-
Sängerin in Madrid Fotodpa


Sch on12 000Hausbesuche


Infizierte in Is rael


werden überwacht –


undvon Beamten


kontrolliert, wenn sie


dieQuarantäneregeln


nichtbeachte n.


VonJochenStahnke,


TelAviv

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