Busunternehmen
Soforthilfe statt Kredite
D
er Bundesverband Deut-
scher Omnibusunterneh-
mer klagt, dass viele Mittel-
ständler eben genau in die Finanzie-
rungslücke der Bundeshilfen gerie-
ten. Unter den Busunternehmern
beschäftigen viele deutlich mehr als
zehn Mitarbeiter. Hinzu kommt ein
besonderes Problem, das vor allem
diese Branche trifft: Die Kunden ha-
ben ihre Reisen angezahlt. Busun-
ternehmer haben mit diesen Anzah-
lungen entsprechende Plätze in den
Urlaubsländern und -regionen re-
serviert.
Viele Reisende können nun aber
auf volle Erstattung pochen und
sich Geld zurückzahlen lassen, das
die Unternehmen längst weiterge-
reicht haben. „Noch in den nächs-
ten Tagen werden die ersten Unter-
nehmen untergehen“, fürchtet die
Hauptgeschäftsführerin des Bun-
desverbands Deutscher Omnibus-
unternehmer, Christiane Leonard.
Es müsse nachgebessert werden.
Viele der fast 3 000 privaten kleinen
und mittelgroßen – zumeist famili-
engeführten – Bustouristik-Unter-
nehmen würden vor dem Nichts
stehen. „Die Reiseverbote haben
unserer Branche die Geschäfts-
grundlage entzogen.“
Das Problem: Kredite sind für
sehr viele der Busunternehmer kei-
ne Lösung, weil vorerst keine Aus-
sicht auf Erträge besteht. Daher
brauche es auch schnell Soforthil-
fen, die nicht zurückgezahlt werden
müssten. Der Verband hat daher die
Länder aufgefordert, diese Lücke zu
schließen. Ein Beispiel: Ein Busun-
ternehmen mit 25 Mitarbeitern hat
vom Bund keinen Anspruch auf So-
forthilfe. In NRW aber hat die Lan-
desregierung zusätzliche Mittel bis
25 000 Euro für Unternehmen bis
50 Mitarbeiter beschlossen. In Bay-
ern können Firmen mit bis zu 250
Mitarbeitern 30 000 Euro Soforthil-
fe beantragen – ohne Rückzahlung.
Noch sind die Programme nicht in
allen Ländern veröffentlicht.
Anja Müller
Restaurants
Die ersten Pleiten
E
rst mussten die Tische weit
auseinandergestellt werden,
am Montag wurden Restau-
rants dann bundesweit komplett ge-
schlossen. Einzig der Außer-Haus-
Verzehr und Essenslieferungen sind
weiter erlaubt. Die Zwangsschlie-
ßungen bringen Gaststätten bundes-
weit in Existenznot. Die meisten
sind kleine Familienbetriebe und
haben kaum finanzielle Polster, um
mehrere Wochen ohne Einnahmen
durchzustehen. „Die Zukunft vieler
der 223 000 Unternehmen des
Gastgewerbes mit über 2,4 Millio-
nen Erwerbstätigen ist akut be-
droht“, warnt Guido Zöllick, Präsi-
dent des Deutschen Hotel- und
Gaststättenverbandes (Dehoga).
„Es ist zum Verzweifeln“, meint
Sylvia Fehn-Madaus, Geschäftsfüh-
rerin des Restaurants „Em Krütz-
che“ in bester Lage am Kölner
Rheinufer. Das Speiselokal mit
420-jähriger Tradition hätte jetzt
Hauptsaison mit Terrassengeschäft,
Spargel- und Messezeit. Doch alles
steht still. Essen zum Mitnehmen
lohne in der Altstadt nicht. Denn
Touristen blieben nun aus. Sechs
neue Mitarbeiter musste Wirtin
Fehn-Madaus entlassen, 14 sind in
Kurzarbeit, die vier Azubis muss sie
weiter komplett bezahlen. Genauso
wie die Pacht bei einer Brauerei, die
sich im Monat auf rund zehn Pro-
zent des Jahresumsatzes beläuft. Sie
hat um Kürzung gebeten, aber noch
keine Antwort erhalten.
Die Gastwirtin ist sauer auf die
Politik: „Banken und Griechenland
wurden mit Milliarden gerettet, nur
wir Mittelständler, die kräftig Steu-
ern zahlen und Arbeitsplätze schaf-
fen, werden mit minimalen Sofort-
hilfen abgespeist.“ Mit den Summen
könne sie noch nicht einmal die
monatlichen Fixkosten ohne Löhne
decken. Die Wirtin hatte auf eine
Stundung der Lohnsteuer gehofft,
was ihr aber verweigert wurde.
KfW-Kredite aufzunehmen hält
sie für Unsinn. Für viele Wirte sei es
sinnvoller, den Betrieb zu schlie-
ßen, als sich über Jahre hoch zu ver-
schulden. „Ein Drittel der Restau-
rants geht über die Wupper“, fürch-
tet sie. Denn viele lebten ohnehin
von der Hand in den Mund. Der Fa-
milienbetrieb „Em Krützche“ hat
zwei Monate finanziellen Puffer.
„Sollten die Zwangsschließungen
länger andauern, hält das kaum ein
Restaurant durch.“
Gastronomen, die ohnehin finan-
ziell angeschlagen waren, treibt es
als Erste in die Insolvenz. Die Pasta-
Kette Vapiano hat sich für zahlungs-
unfähig erklärt, die Steakhaus-Kette
Maredo mit rund 950 Mitarbeitern
meldete Insolvenz in Eigenverwal-
tung an. Auch die Pizza- und Pasta-
Kette L’Osteria schickte alle rund
5000 Mitarbeiter in Kurzarbeit.
„Wir werden den Mitarbeitern den
Lohn im März aber auf 100 Prozent
aufstocken“, sagt L’Osteria-Chef
Mirko Silz. Er führt Gespräche, um
anderen Unternehmen mit Arbeits-
kräften auszuhelfen. McDonald’s
leiht bereits überschüssiges Perso-
nal an Aldi aus. Denn der Discoun-
ter hat anders als die Gastronomie
Hochkonjunktur. Katrin Terpitz
Buchhandel
Lesungen auf Instagram
E
igentlich hätten viele Men-
schen derzeit viel Zeit zum
Lesen. Das Problem: Auch
die Buchhandlungen müssen wegen
des Coronavirus fast überall ge-
schlossen bleiben. Der Börsenver-
ein des Deutschen Buchhandels
rechnet aufgrund der umfangrei-
chen Ladenschließungen mit einem
Umsatzausfall von insgesamt einer
halben Milliarde Euro pro Monat.
Um einen Teil zu kompensieren,
haben auch kleinere Läden Liefer-
dienste organisiert. „Viele Buch-
händler nutzen diese Krise als
Chance und verknüpfen Onlineshop
mit telefonischer Beratung“, sagte
Alexander Skipis, Geschäftsführer
des Börsenvereins. „Sie übertragen
eine ihrer großen Stärken, die Bera-
tungskompetenz, auf Social Media
und bauen ihre Lieferservices aus.“
Das tat auch Marc Schürhoff, der
einen Buchladen in Gauting bei
München betreibt. Der Anhänger
seines Fahrrads ist mit etwa 30 Bü-
cherpaketen bepackt, die er gleich
wie jeden Tag ausliefern wird. Der
kostenlose Lieferservice, oft schnel-
ler als eine Bestellung bei Amazon,
stößt bei seinen Kunden auf enorme
Resonanz. „Der Zuspruch gibt
Mut“, sagt er, „psychologisch ist das
wahnsinnig wichtig.“ Inzwischen
kommt er an vielen Tagen auf 30 bis
50 Prozent der normalen Umsätze.
„Wir müssen als kleines Unter-
nehmen alles machen, was möglich
ist“, sagt Schürhoff. Und so prüft er
gerade die Möglichkeiten von Fi-
nanzhilfen über Steuerstundungen
bis zu Kurzarbeit für seine fünf
Buchhändlerinnen. Der Börsenver-
ein rät den Mitgliedern, Soforthilfen
von Bund und Ländern zu nutzen.
Die Krise trifft die Branche in ei-
ner schwierigen Lage. „Für die
größtenteils Klein- und Kleinstun-
ternehmen, aber auch die wenigen
größeren Unternehmen der Bran-
che sind Schließungen kritisch bis
existenzgefährdend“, sagte Skipis.
Den Laden zu öffnen, weil auch
Presseprodukte angeboten werden,
sei nicht empfehlenswert, warnt
der Börsenverein. „Sie müssten, um
hier Rechtssicherheit zu erlangen,
sicherstellen, dass Kunden wirklich
nur Presseprodukte kaufen.“ In
Leipzig musste sogar eine Bahn-
hofsbuchhandlung zwischenzeitlich
schließen. Nun darf sie nur noch
Zeitungen und Zeitschriften verkau-
fen. Der Börsenverein rät auch da-
von ab, ein Kontaktlos-Regal vor der
Buchhandlung anzubringen oder
Abholungen an der Ladentür zu er-
möglichen. Liefern oder liefern las-
sen ist die Devise.
Wichtiges Element, um Kunden
zu binden, sind für Buchhandlun-
gen Lesungen. Bei der Kette Hugen-
dubel lesen Autoren wie Mareike
Fallwickl und Frank Berzbach jetzt
auf Instagram. „In einer Zeit, in der
das kulturelle Leben und eben auch
jene Begegnungen stark einge-
schränkt sind, erlauben uns die di-
gitalen Kanäle, zumindest virtuell
Kontakt zu halten und weiter Auto-
ren und Leser zusammenzubrin-
gen“, heißt es. Axel Höpner
Ein Drittel
der
Restaurants
geht über die
Wupper.
Sylvia Fehn-Madaus
Gastwirtin aus Köln
Unternehmen & Märkte
WOCHENENDE 27./28./29. MÄRZ 2020, NR. 62
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