„Es wird sehr wahrscheinlich eine neue
Fußballwelt geben. 100-Millionen-Euro-
Transfers kann ich mir in der nächsten Zeit
nicht vorstellen.“
Uli Hoeneß, Ehrenpräsident des FC Bayern München
Worte des Tages
Reiserückzahlungen
Urlauber sind
keine Bank
E
s reimt sich nett, und solida-
risch klingt es außerdem:
„Wer Reisen liebt, ver-
schiebt!“ Mit diesem Spruch starte-
te der Deutsche Reiseverband so-
eben eine Kampagne, die den Tou-
ristikern während der Coronakrise
das Überwintern erleichtern soll.
Denn dass Hotels, Airlines und Rei-
severanstaltern angesichts des welt-
weiten Reisestopps bald das Geld
ausgehen wird, dürfte bis zu den
schlichtesten Ballermann-Urlaubern
vorgedrungen sein.
Gegen die Kampagne selbst ist
wenig zu sagen, solange der Ver-
zicht auf Rückzahlung der Reisekos-
ten freiwillig bleibt. Doch in der
Bundesregierung gehen die Gedan-
kenspiele durchaus weiter. Deren
Tourismusbeauftragter Thomas Ba-
reiß (CDU) hält auch Zwangsgut-
scheine für eine praktikable Idee,
zumal Italien, Belgien und die Nie-
derlande sie erlaubt haben. Zwar
kommt Widerstand aus dem SPD-
geführten Justiz- und Verbraucher-
schutzministerium; ob sich Bundes-
justizministerin Christine Lam-
brecht durchsetzen wird, bleibt
jedoch abzuwarten.
Dabei zeigen die Staatshilfeanträ-
ge großer Veranstalter wie Tui und
FTI schon jetzt, wie wenig gesichert
solche Gutscheine wären. Scheidet
eines dieser Unternehmen aus dem
Markt aus, müssen ihre Kunden
dem Geld hinterherlaufen. Im Fall
des Reiseveranstalters Thomas
Cook etwa, der im vergangenen
September Insolvenz anmeldete,
warten viele Urlauber bis heute auf
die Rückzahlung.
Der öffentliche Unmut über sol-
che Zwangsgutscheine wäre zu
Recht erheblich. Weshalb eigentlich
sollten Kunden – darunter zahlrei-
che Familien mit magerem Einkom-
men – die Liquidität von Großkon-
zernen sichern? Im Fall des Tui-
Konzerns käme hinzu, dass er Mitte
Februar erst 318 Millionen Euro an
die Aktionäre ausschüttete, darun-
ter zu einem erheblichen Teil an
den Milliardär Alexej Mordaschow.
Weniger Betuchte wie Kurzarbei-
ter und Arbeitslose werden nach
dem Ende der Krise eines dagegen
wohl am wenigsten brauchen: Ur-
laubsgutscheine.
Der Staat darf Reisekunden nicht
zwingen, sich bei Rückzahlungen
mit Gutscheinen zu begnügen,
sagt Christoph Schlautmann.
Der Autor ist Redakteur im
Ressort Unternehmen & Märkte.
Sie erreichen ihn unter:
[email protected]
E
rich Sixt ist bullish. Das Vermietgeschäft
liegt am Boden, Tausenden Mitarbeitern
droht die Kurzarbeit, doch der Unter-
nehmer erklärt die Coronakrise zur gro-
ßen Chance seines Unternehmens. Zwei
bis drei Monate werde der Einbruch dauern, prog-
nostiziert der Vorstandschef, dann werde das Ge-
schäft wieder anziehen. Das habe ihn das Dutzend
Krisen seiner mehr als 50-jährigen Unternehmer -
karriere gelehrt. Es geht immer wieder aufwärts. Ab
2021 werde dann ein neuer Boom einsetzen, glaubt
Deutschlands größter Autovermieter. Der 75-jährige
Sixt bleibt an Bord: Soeben hat der Aufsichtsrat sei-
nen Vertrag bis 2023 verlängert.
Heinz Hermann Thiele ist genauso im Unruhe-
stand. Der Mehrheitsaktionär der Knorr-Bremse ist
kein Pensionär, er ist ein milliardenschwerer Unter-
nehmer, der die Gunst der Stunde nutzt. Gestern
war er noch Vielflieger mit der Lufthansa, heute ist
er ihr Großaktionär. Mit jeder schlechten Nachricht
rund um die Coronakrise kaufte der 78-Jährige zu.
Jetzt, wo Kurs und Flotte am Boden sind, ist er mit
zehn Prozent einer der größten Lufthansa-Aktionäre.
Auch Dietmar Hopp ist in diesen Tagen im Ram-
penlicht. Anfang März musste sich der SAP-Gründer
von Fußballfans noch schmähen lassen, nun ist der
79-Jährige einer der größten Hoffnungsträger des
Landes. Als die Pandemie noch weit entfernt war,
investierte der Unternehmer in die Virenforschung.
Nun ist es das von ihm maßgeblich finanzierte Bio-
techunternehmen Curevac, das in der Entwicklung
eines Corona-Impfstoffs weltweit ganz vorn mitar-
beitet.
Während die Republik überlegt, wie sie ihre Senio-
ren vor dem Coronavirus am besten schützt, sind ih-
re ältesten Unternehmer hochaktiv. Sicher – im Ge-
gensatz zum großen Rest der Bevölkerung müssen
sich die Multimilliardäre persönlich um die finanziel-
len Folgen der Krise wenig Sorgen machen. Es wird
reichen, was an Immobilien, Wertpapieren und Un-
ternehmensbeteiligungen über das Leben angesam-
melt wurde. Und es ist genug Kapital vorhanden, um
finanzielle Abenteuer einzugehen, die andere in die-
sen Tagen lieber meiden.
Sixt, Hopp und Thiele sind aber keineswegs Hasar-
deure. Keiner von ihnen hat sein Geld geerbt, sie
starteten unter denkbar schlechten Vorzeichen in
ihr Leben. In Kriegszeiten geboren, haben sie in der
Hoffnung auf eine bessere Zukunft ein Vermögen ge-
macht. Wer heute mit Vertretern dieser Generation
spricht, trifft oft auf eine gewisse Gelassenheit, was
die materiellen Folgen der Coronakrise angeht. Die-
se Menschen haben das Krisenerlebnis nie ganz ab-
geschüttelt und immer vorgesorgt. Jeder auf seine
Weise. Die Großverdiener mit Immobilien und Un-
ternehmensbeteiligungen. Die weniger Betuchten
mit Sparbüchern, Einweckgläsern und reichlich Toi-
lettenpapier. Während wir Nachgeborenen erleben,
dass Regale auch mal leer sein können, greift die
Kriegsgeneration in das häusliche Vorratslager.
So widerspricht Erich Sixt auch der Kanzlerin An-
gela Merkel bei der Feststellung, dass diese Krise die
schlimmste seit dem Zweiten Weltkrieg sei. Wer nach
dem Krieg von Schulspeisung gelebt hat, den kön-
nen auch ein paar Wochen Shutdown im Wohl-
standsland nicht schocken. Tatsächlich spricht hier
eine Generation, die Deutschland geprägt und die
sich eigentlich längst aus dem Geschäftsleben verab-
schiedet hat. Aber eben nicht ganz. Menschen vom
Schlage Hopp, Sixt, Thiele haben ihre Unternehmen
nach eigenen Regeln aufgebaut. Immer mit vollem
Einsatz, stets eigenen Werten folgend, rücksichtslos
gegenüber sich selbst. Wer unter ihnen arbeitet,
kann den Ansprüchen der Altvorderen oft kaum ge-
nügen. Ihr patriarchalisches Führungsverständnis
macht ihnen das Loslassen schwer. Das größte Ver-
trauen bringt man seinesgleichen entgegen: Trifft
ein Alphaunternehmer einen anderen, gilt oft noch
der Handschlag für eine bindende Vereinbarung.
Berater kommen diesen Unternehmern selten
über die Türschwelle. Sie machen sich auch ungern
von Banken und Aktionären abhängig, könnte man
doch in einer Krise die Kontrolle über das eigene Le-
benswerk verlieren. Menschen dieser Art riskieren
nie das ganze Geschäft. Aber wenn sich die Gelegen-
heit bietet, in Umbrüchen zuzugreifen, wenn andere
zögern, dann greifen sie zu. Als „Effectuation“ be-
schreibt die Managementliteratur diese Fähigkeit.
Sie gilt als Erfolgsrezept. Die deutsche Übersetzung
dafür heißt Bauchgefühl.
Und dieses Bauchgefühl sagt ihnen, dass jetzt die
Zeit der Möglichkeiten kommt. Die Generation der
alten weißen Männer wird gern verspottet, aber sie
hat die Erfahrung aus existenziellen Krisen und der
sich daraus ergebenden unternehmerischen Chan-
cen anderen voraus. Sixt wird mit der dicksten Ei-
genkapitaldecke der Branche in die Nach-Corona-
Zeit fahren. Heinz Hermann Thiele wird ein Schlüs-
selspieler beim Neustart der Lufthansa. Und Dietmar
Hopp wird mit Curevac hoffentlich helfen, die Coro-
nakrise zu beenden. Gut, dass wir sie haben.
Gründergeneration
Klub der alten
weis(s)en Männer
Die Milliardäre
Hopp, Sixt und
Thiele sehen in
der Krise eine
Chance. Wo
andere verzagen,
sind die
Unternehmer
jenseits der 70
zur Stelle,
beobachtet
Markus Fasse.
Wer heute mit
Vertretern
dieser
Generation
spricht, trifft
oft auf eine ge-
wisse Gelas-
senheit, was
die materiel-
len Folgen der
Coronakrise
angeht.
Der Autor ist stellvertretender Ressortleiter
Unternehmen & Märkte.
Sie erreichen ihn unter:
[email protected]
Meinung
& Analyse
WOCHENENDE 27./28./29. MÄRZ 2020, NR. 62
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