Peter Köhler, Robert Landgraf
Frankfurt
D
ie Corona-Pandemie
lähmt die Wirtschaft.
Das trifft auch die er-
folgsverwöhnte Priva-
te-Equity-Branche, die
zuletzt gar nicht mehr wusste, wo sie
das viele Geld der Anleger noch in-
vestieren sollte. Jetzt geht es für die
Beteiligungsgesellschaften vor allem
darum, die Unternehmen in ihren
Portfolios wetterfest zu machen. Bei
Übernahmen werden sie deutlich
vorsichtiger, Deals sind aber nicht
vom Tisch. Mitunter gibt es auch
günstige Einstiegsmöglichkeiten.
Das zeigt eine Umfrage des IMAA
Instituts und der M&A-Beratung Pro-
ventis Partners, die dem Handelsblatt
vorliegt. Demnach wollen 50 Prozent
der Private-Equity-Gesellschaften
vorerst Käufe zurückstellen und ab-
warten, wie sich die Lage entwickelt.
„Trotz der Coronakrise will jeder
zweite Finanzinvestor investieren,
viele begreifen den Einbruch als
Chance“, erklärt Jan Pörschmann,
Managing Partner bei Proventis.
Angesichts der Krise erwartet er
auch Vorzieheffekte, manche Trans-
aktionen kämen schneller als erwar-
tet. Beispielsweise dann, wenn die
Digitalisierung des jeweiligen Ge-
schäftsmodells forciert werden müs-
se. Insgesamt würden Verkaufspro-
zesse flexibler gehandhabt, Rück-
trittsklauseln und Besserungsscheine
gängige Instrumente. Denn die Um-
frage zeigt auch: 72 Prozent der Betei-
ligungsmanager rechnen mit einem
starken Konjunktureinbruch.
Firmen auf dem Prüfstand
Für die Finanzinvestoren gilt aktuell:
„Unternehmen mit attraktiven mittel-
bis langfristigen Wachstumsperspek-
tiven werden auseinandergenom-
men, um die derzeitigen Auswirkun-
gen des Coronavirus zu analysieren
und die direkten und indirekten Kon-
sequenzen zu untersuchen“, betont
Justin Welstead, Partner der Bera-
tungsfirma Eight Advisory. Aus seiner
Sicht werden die Luftfahrt-, die Reise-
sowie die Bewirtungsbranche zu-
nächst am stärksten getroffen. Dazu
kommen noch Bereiche wie Automo-
bile, Rohstoffe sowie der Maschinen-
und Anlagenbau, ergänzt Rainer Lan-
gel, Europachef von Macquarie.
Private-Equity-Gesellschaften wie
KKR, EQT oder BC Partners sammeln
von institutionellen Investoren wie
Versicherungen und Pensionskassen
Kapital ein und investieren es. Inner-
halb von fünf bis zehn Jahren werden
die übernommenen Firmen restruk-
turiert. Mitunter gibt es auch Zukäu-
fe, um den Umsatz anzukurbeln. Im
Anschluss verkaufen die Finanzinves-
toren die Firmen in der Regel dann
zu einem höheren Preis weiter oder
bringen sie an die Börse. Deutsche
Unternehmen stehen bei den Finanz-
investoren hoch im Kurs, KKR kaufte
beispielsweise etliche Medienfirmen
und stieg zuletzt beim Axel-Springer-
Konzern ein - laut einer Mitteilung
vom Mittwoch wurden hier gut 47
Prozent der Stimmrechte erworben.
„Bestehende Portfolios werden
derzeit genau analysiert. Es wird ver-
sucht, Schwachstellen zu finden. Da-
zu gehören etwa Lieferabbrüche und
Kunden, die die aktuelle Krise mögli-
cherweise nicht überleben werden“,
sagt Investmentbanker Langel. Es
würden Liquiditätspuffer aufgebaut
und dabei vorhandene Kreditlinien
gezogen. Viele Finanzinvestoren sei-
en derzeit gezwungen, bis zu 80 Pro-
zent ihrer Zeit auf ihre bestehenden
Unternehmensbeteiligungen zu kon-
zentrieren.
Die Bundesregierung hat wegen
der Coronakrise ein beispielloses
Hilfspaket auf die Beine gestellt, mit
dem sie Selbstständige und Unter-
nehmen unterstützen will. Davon
dürften auch mittelständische Fir-
men in den Portfolien der Finanzin-
vestoren profitieren. Wie hoch die
Umsatz- und Ertragsausfälle sind,
lässt sich aktuell nicht abschätzen.
An den Bewertungen der Unter-
nehmen geht die Krise ebenfalls
nicht vorbei: Sie hatten Ende 2018 ih-
ren Höhepunkt erreicht und verharr-
ten 2019 auf diesem hohen Niveau.
Teilweise wurde das Siebzehnfache
des operativen Gewinns (Ebitda) be-
zahlt, wie im Fall der Aufzugssparte
von Thyssen-Krupp für 17,2 Milliar-
den Euro.
Im Durchschnitt wurde indes in
Deutschland bei Firmenkäufen das
Zehnfache des operativen Gewinns
(Ebitda) gezahlt, betont Christof
Huth, Partner beim Berater Roland
Berger. „Jetzt werden aber die Bewer-
tungen unter Druck geraten, denn
der Börsencrash hat die Aktienkurse
vieler Konzerne einbrechen lassen“,
betont der Experte. Das wirke sich
auf Dauer negativ auf die Bewertun-
gen der nicht börsennotierten Gesell-
schaften aus, die gleiche oder ähnli-
che Geschäftsmodelle hätten.
Laufende Übernahmen werden
wegen der Krise bisher kaum unter-
brochen, hat Huth beobachtet. Wenn
ein Deal scheitere, bleibe „immer et-
was Negatives an den beteiligten Un-
ternehmen und Managern hängen,
das möchten alle natürlich vermei-
den“. Bei neuen Deals mit Beteili-
gung von Finanzinvestoren denken
die Parteien dagegen über Verschie-
bungen nach.
Geschäftspläne angepasst
Für Berater Welstead von Eight Advi-
sory werden Rücktrittsmöglichkeiten
bei bestimmten Wertentwicklungen
künftig wieder häufiger greifen. Bei
den sogenannten MAC- oder Materi-
al-Adverse-Change-Klauseln gilt es je-
doch, klare Vereinbarungen zu tref-
fen, um sich vor negativen Entwick-
lungen zu schützen. Eine Alternative
ist es für den Experten, Kaufpreise
zum Teil an eine erfolgsabhängige
Entwicklung der Geschäfte zu kop-
peln. Fachleute nennen das Earn-
out-Modell. Läuft das Geschäft
schlecht, kann der Kaufpreis redu-
ziert werden. „Äußerst vorsichtig
sind die Banken bei der Fremdfinan-
zierung für die Deals, aber auch bei
Krediten für die Portfoliounterneh-
men“, sagt Huth von Roland Berger.
Die Geschäftspläne stammten meist
aus der Zeit vor der Coronakrise und
müssten jetzt angepasst werden. Da
schauten Kreditinstitute genau hin.
Zu unterscheiden sind für Robert
Clausen, Investmentstratege bei Syn-
groh Capital, die kurzfristige Verunsi-
cherung - die Entscheidungen aller
Art deutlich erschwere - und die mit-
tel- bis langfristigen Auswirkungen.
Kurzfristig falle es zunächst schwerer,
frisches Geld einzusammeln. Trotz
der Krise ist die Pipeline für neue
Deals aber gut gefüllt. Huth von Ro-
land Berger spricht „von rund 15 bis
20 größeren Prozessen unter Beteili-
gung von Finanzinvestoren, die
schon in den Startlöchern in Europa
stehen“.
Und Private Equity weltweit sitzt
auf hohen Liquiditätsreserven von
über einer Billion Dollar. Außerdem
werden die besten Deals von Private-
Equity-Fonds immer am Ende der
Krisenzeiten gemacht. Da ergeben
sich attraktive Investmentgelegenhei-
ten. Aber ob von den in Europa be-
reits angestoßenen Transaktionen
„auch wirklich alle beginnen werden,
ist eine Frage, die man heute nicht
beantworten kann“, räumt Huth ein.
Private Equity
Ambivalente
Finanzinvestoren
50 Prozent der Private-Equity-Gesellschaften wollen
Käufe zurückstellen. Die andere Hälfte will investieren
und begreift die Krise als Chance.
KKR-Büro in London:
Die Beteiligungs -
gesellschaft ist auch
in Deutschland aktiv.
Bloomberg
Private Equity bereitet sich auf einen Abschwung vor
Investments in widerstandsfähige Branchen
Vorbereitung der Portfoliounternehmen auf schwere Zeiten
Anpassung der Schuldenfinanzierung
Geld für Fonds mit langer Laufzeit einsammeln
Investmentklassen verbreitern (z. B. Kreditfonds, Infrastruktur)
Verkürzung der Haltezeiten
Die eektivsten Maßnahmen*
% % % % % %
HANDELSBLATT *Befragt: 2 500 Experten in Europa • Quellen: Pitchbook, Roland Berger
Eingesammelte Mittel von Fonds in Europa in Mrd. Euro
Neue Fonds Geschlossene Fonds
77
65
33
16
7
44 49
64
83
70
(^9386)
(^104102)
118
80 89
2014 2019 2014 2019
Trotz der
Coronakrise
will jeder
zweite
Finanz-
in ves tor
investieren,
viele begreifen
den Einbruch
als Chance.
Jan Pörschmann
Managing Partner bei
Proventis Partners
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Finanzen & Börsen
WOCHENENDE 27./28./29. MÄRZ 2020, NR. 62
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