Die Zeit - 02.04.2020

(Brent) #1

INFOGRAFIK: ARCHÄOLOGIE


Quellen


Gespräche mir Prof. em. Ernst Pernicka von
der Universität Tübingen, der von 2006 bis
2012 die Ausgrabungen in Troja leitete

Wer Homers »Ilias« nicht ganz lesen möchte,
ist mit Gustav Schwabs »Sagen des
klassischen Altertums« bestens bedient

»Troja – Traum und Wirklichkeit« hieß eine
große Troja-Ausstellung in Stuttgart (2001).
Der zugehörige Katalog ist eine Fundgrube

Links zu diesen und weiteren Quellen
finden Sie bei ZEIT ONLINE
unter zeit.de/wq/2020-15

NR 562


zum Raustrennen

Die Stadt


Das Pferd


Der Krieg


Echt jetzt?


Vor 150 Jahren begann Heinrich Schliemann mit den


Ausgrabungen in Troja. Was wir über die Stadt


zu wissen glauben, stimmt nicht alles. Ein Faktencheck


VON ANDREAS DEREBUCHA (ILLUSTRATION)
UND URS WILLMANN (RECHERCHE)

Geschichte einer Stadt


Um 5000 v. Chr.:
Erste Besiedlungsspuren
in der Umgebung Trojas

Um 2920 v. Chr.: Früheste
Bauphase auf dem Hisarlık
Te p e an den Dardanellen

1700 bis 1200 v. Chr.:
Troja nische
Blütezeit

13./Frühes 12. Jahrhundert v. Chr.:
Das homerische Troja endet mit
der Zerstörung der Stadt

85 v. Chr. bis 500 n. Chr.:
Zeit des römischen
Ilion/Ilium

Mittelalter/14. Jahrhundert:
Die letzten Bewohner
verlassen die Stadt


  1. April 1870: Der Deutsche Heinrich
    Schliemann beginnt mit den ersten
    Ausgrabungen auf dem Hisarlık Tepe


2001/02: Im »Troja-
Streit« geht es um die
Größe der Stadt

Das Ensemble


Helena Achilles Hektor Paris Odysseus

5000 v. Chr. 2000 v. Chr. Jahr 0 2000

Mythos


Sie war die schönste Frau ihrer Zeit:
Helena, Tochter des Zeus. Und die
Göttin Aphrodite versprach dem
trojanischen Königssohn Paris die
Schönste zur Gattin. Da Helena
bereits mit Spartas Herrscher ver-
heiratet war, entführte Paris sie. Die
Griechen stellten ein Heldenheer
zusammen (mit dabei: Achilles und
Odysseus). Sie zogen gegen Troja,
wo sie auf Paris und dessen Bruder
Hektor trafen – und gewannen.

Realität


Die Helden sind keine realen
Figuren – eher Versatzstücke aus
Überlieferung, Zeitgeschehen und
Religion. Anhand von Odysseus
erzählt Homer, wie die Griechen zur
regionalen Großmacht wurden,
die trotz des Sieges unterging. So
schickt der Dichter den Helden der
»Odyssee« auf dem Rückweg von
Troja durch Stürme und Gefahren.
Die Schilderung birgt viel Wissen
über Geografie und Meteorologie.

Mythos


In der griechischen Mythologie ist
es das Ereignis schlechthin: Ein
Jahrzehnt lang wurde Troja (die
Stadt Ilios) belagert. Entscheidende
Szenen schildert Homer in den
26.000 Versen der »Ilias«. Eine
der dramatischsten: Paris schießt
dem griechischen Helden Achilles
einen giftigen Pfeil in die Ferse –
dessen einzige verwundbare Stelle.
Nach dem unterlegenen Helden ist
unsere kräftigste Sehne benannt.

Realität


Kriege hinterlassen Spuren. Eine
entsprechende Brandschicht jedoch
fehlt. Es gibt immerhin Hinweise
auf Wehrgräben, Funde erzählen,
dass Tore eilig verrammelt wurden.
Um 1200 v. Chr. veränderte sich die
Architektur – die Stadt wurde neu
besiedelt. Hunderttausende Scher-
ben von Trinkgefäßen zeugen von
Besäufnissen danach: Wurde eines
identitätsstiftenden Sieges ge-
dacht, wie desjenigen in der »Ilias«?

Mythos


Bei Troja (oder der Troas) handelt
es sich um eine von Homer im


  1. Jahrhundert v. Chr. beschriebe-
    ne Landschaft. In dieser Gegend lag
    am Eingang der Dardanellen die
    Stadt Ilios, deren Eroberung im
    Trojanischen Krieg der Dichter
    beschrieb. Dieser literarische Ort
    wurde in der Antike mit der real
    existierenden Stadt Ilion gleichge-
    setzt. Ihre genaue Lage geriet später
    in Vergessenheit.


Realität


Heinrich Schliemann setzte am


  1. April 1870 den Spaten auf dem
    Siedlungshügel Hisarlık an. Der
    Ort in der Türkei gilt seither den
    meisten als das einstige Troja. Einen
    Hinweis lieferten die Hethiter in
    Anatolien. Ihre Quellen erwähnen
    ein Wilusa (Ilios). Im »Troja-Streit«
    2001/02 debattierten Experten, ob
    es hier eine Unterstadt gab. Nach
    heutigem Stand war Troja mit Tau-
    senden Bewohnern recht groß.


Mythos


Den Trojanischen Krieg beende-
ten die Griechen mit einer List. Sie
täuschten ihren Abzug vor und
ließen vor den Toren der Stadt ein
hölzernes Pferd stehen – in dessen
Bauch Soldaten versteckt waren.
Die Gegner fielen auf den Trick
herein, sie zogen das Vehikel durchs
Stadttor. Nachts krochen dann die
Eindringlinge heraus und öffneten
die Tore. Das griechische Heer fiel
ein, zerstörte die Stadt – und
gewann den Krieg.

Realität


Zwar steht heute ein riesiges Holz-
pferd unweit der Ruinen in der
heutigen Türkei. Historisch ist ein
solches Objekt jedoch nicht belegt.
Dennoch gibt es Bezüge zur Reali-
tät. Denn die Umgebung der Stadt
war ein Zentrum der Pferdezucht.
Großer Bedarf an den Tieren
herrschte, seit die Mesopotamier
den zweirädrigen, von einem Pferd
gezogenen Streitwagen erfunden
hatten: den Porsche des Altertums,
bekannt aus »Ben Hur«.

32 WISSEN 2. APRIL 2020 DIE ZEIT No 15

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