Die Zeit - 02.04.2020

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IT-Fachkräfte
und -Talente
werden hände-
ringend gesucht.
Wenn Arbeitge-
ber vergeblich
fahnden, suchen
sie vielleicht
nur falsch.
Soll sagen:
Die klassische
Stellenanzeige
hat weitgehend
ausgedient.

MICHAEL PRELLBERG

Der Markt für IT-Fachkräfte
ist leer gefegt? Wer Talente
anziehen will, darf sich nicht
allein auf Stellenanzeigen
verlassen. Arbeitgeber müs-
sen sich auch dorthin wagen,
wo die jungen Frauen und
Männer unterwegs sind: in
die sozialen Medien. Zum
Erfolg führt der crossme-
diale Ansatz, der »analog«
und »digital« als Partner im
Austausch begreift.


Die klassische Stellenanzeige
verströmt nicht gerade Sex-
appeal. »Viele Personalmana-
ger geben sich einfach wenig
Mühe mit dem attraktiven
Texten von Stellenangeboten«,


kritisiert Monika Zehmisch, die
als Xing-Ambassadorin täglich
mit Job-Offerten zu tun hatte.
Oft präsentieren sich die Stel-
lenanzeigen als lange Liste mit
Anforderungen, die Kandidaten
erfüllen sollen, garniert mit dem
Versprechen auf »interessante
Aufgaben«. Das geht besser.
Das muss auch besser gehen,
denn die Zeiten haben sich ge-
ändert. Fachkräfte und Talente



  • nicht nur im IT-Bereich – kön-
    nen sich ihren Arbeitgeber aus-
    suchen. Und genau das machen
    sie auch. Sie wollen spannende
    Aufgaben, wollen gestalten,
    wollen tolle Kollegen – und
    das Gehalt darf auch stimmen.
    Fach- und Nachwuchskräfte
    schauen sich um, bei welchem
    Arbeitgeber ihre Erwartungen
    erfüllt werden. Das macht die
    Stellenanzeige nicht überflüs-
    sig, doch wer auf dem Radar der


Talente und Fachkräfte auftau-
chen möchte, muss Recruiting
umfassender verstehen und
angehen.
Es geht darum, auch in Kon-
takt zu solchen Kandidaten zu
kommen, die nur bedingt nach
einem neuen Job suchen und
daher keine Stellenanzeigen le-
sen. Um diese wesentlich größe-
re Gruppe zu erreichen, müssen
Arbeitgeber auf allen Kanälen
vermitteln, dass die Aufgaben
bei ihnen tatsächlich interes-
sant sind. Werbekampagnen in
Zeitungen und Magazinen hel-
fen dabei ebenso wie Werbe-
kampagnen, die für Sichtbarkeit
sorgen. Und längst werden die


sozialen Medien immer wich-
tiger. Auf Instagram oder Face-
book posten Azubis, wie es bei
ihrem Projekt vorangeht. Das
Video über den neuen Digital-
Hub gibt es auf YouTube. Und
die Chefs zeigen mit Beiträgen
auf sozialen Plattformen, dass
sie längst in der digitalen Ära
angekommen sind.
Es braucht allerdings an-
sprechende Inhalte, um die eige-
ne Präsenz direkt oder indirekt
zum Recruiting zu nutzen. An-
sagen wie »Wir sind der führen-
de Softwareentwickler im Sau-
erland – bewirb dich bei uns!«
werden als plumpe Anmache
ignoriert. Wer wahrgenommen
werden will, muss interessant
sein. Wobei: Was junge Men-
schen für interessant halten,

deckt sich nicht unbedingt mit
dem, was Geschäftsführer oder
Marketeers für interessant hal-
ten. Solche Missverständnisse
sorgen für Image-Flops, die
entweder ohne Widerhall un-
tergehen oder gar Häme ein-
bringen. Und wer heuert schon
bei einem Arbeitgeber an, den
man peinlich findet?

Das eigene Wirken interessant
darzustellen halten nicht nur
Softwareentwickler im Sauer-
land für arg ambitioniert – und
liegen falsch. Gerade weil Men-
schen eine Arbeit suchen, in der
sie etwas bewirken und bewe-
gen können, eröffnen sich vie-
lerlei Chancen für Arbeitgeber.
Die Digitalisierung verändert
viele Prozesse – und manchmal
sogar ganze Geschäftsmodelle.
Damit entstehen reizvolle Auf-
gaben. In Unternehmen wird
über Robotics und Künstliche
Intelligenz diskutiert, und die
Cloud ist längst Alltag. Plötz-
lich sind IT-Architekten gefragt,
und es wird bei Beratern ange-
klopft, wie digitale Workflows
optimiert werden können.
Daraus ergeben sich viel-
fältige Chanen zum Jobeinstieg
und -wechsel mitsamt glänzen-
den Karriereaussichten, selbst
in scheinbar non-digitalen
Branchen. In Banken können
Frauen und Männer mit Inter-
esse an IT beispielsweise effizi-
entere Transaktionsketten oder
gar digitalisierte Plattformen
aufbauen. In der Assekuranz

können sie Geschäftsprozes-
se automatisieren und so die
gesamte Versicherungsbran-
che umkrempeln. Und wenn
die Bundeswehr in Zeitungen
und auf Werbeplakaten fragt,

»Wie ziehst du eine Firewall
um ein Feldlager?«, hat sie et-
was Grundsätzliches verstan-
den: Eine lockere Ansprache
mit Augenzwinkern hilft beim
Recruiting.
Nun hantiert nicht jedes
Unternehmen mit einem so
gewaltigen Werbeetat, doch
für »Social Recruiting« müssen
nicht unbedingt Riesensum-

men eingesetzt werden. Eine
preiswerte Option ist »Active
Sourcing«: Über ein Jobmat-
ching-Tool finden Arbeitgeber
und potenzielle Kandidaten
zusammen. Eine andere Mög-
lichkeit besteht darin, »Influen-
cer« für sich zu gewinnen, auf
deren Tipps und Empfehlungen
gehört wird.
Solche »Influencer« gibt es
außer im Netz im ganz realen
Leben: Es sind die Mitarbeite-
rinnen und Mitarbeiter. Ihre
Glaubwürdigkeit ist nicht zu
toppen. Und je positiver sie
über ihren Arbeitgeber spre-
chen, desto attraktiver wirkt er.
Empfehlungsmarketing ist das
beste Marketing.
Womit sich zeigt: Obwohl
Stellenanzeigen und -portale
unverzichtbar bleiben, sind
sie nur die Pflicht. In der Kür
zeigen sich Unternehmen und
andere Arbeitgeber auf analo-
gen wie auf digitalen Kanälen
nahbar und unterhaltsam, kre-
ativ und locker. Die passende
Tonalität und die stimmigen
Inhalte schüttelt niemand aus
dem Ärmel, deshalb ist es klug,
sich einen externen Partner
ins Haus zu holen. Denn in-
tern wird vieles für selbstver-
ständlich genommen, was in
der Außenperspektive als »un-
gewöhnlich«, »spannend« oder
jedenfalls attraktiv gewertet
wird. Und damit Ansatzpunkte
liefert, um künftige Mitarbeite-
rinnen und Mitarbeiter zu inte-
ressieren.
Vielleicht ist das die eigent-
liche Revolution: Heute geht es
weniger darum, die richtigen
Mitarbeiter zu finden, als da-
rum, von ihnen gefunden zu
werden.

Vom Finden. Und
Gefunden-Werden

Mitarbeiterinnen
und Mitarbeiter
werden zu
Inf luencern

Der Arbeitgeber
wird ausgesucht

didaktisch besser geworden und
»ermöglichen flexibles, zeit- und
ortsunabhängiges Lernen«, sagt
KfW-Chefvolkswirtin Köhler-
Geib. »Damit passt es besonders
gut zu den Anforderungen klei-
ner Unternehmen«.

Die großen Unternehmen nut-
zen E-Learning natürlich auch.
Dennoch setzen weniger als 20
Prozent der multinationalen
Konzerne primär auf digitale
Formen der Weiterbildung, wie
eine Umfrage des Beratungsun-
ternehmens KPMG ergeben hat.
Der Seminarraum mit Präsenz-
pflicht setzt nach wie vor den
Standard. Dafür gibt es einen
überzeugenden Grund: Unter-
nehmen wollen bei der Weiter-
bildung zugleich den Austausch
der Mitarbeiter fördern – und
das geht am besten, wenn man
sich persönlich begegnet. Um
diesen Austausch nicht zu kap-
pen, favorisieren Unternehmen
beim E-Learning hybride For-
men: teils digitale, teils persön-
liche Präsenz.
Sie orientieren sich damit an
einer Erkenntnis aus den Schu-
len: E-Learning ist sinnvoll und
hilfreich, doch der persönliche
Austausch ist durch nichts zu
toppen.

MICHAEL PRELLBERG

Seitdem die Schulen ge-
schlossen wurden, hat sich
die Diskussion um digitales
Lernen verändert. Die »Sinn-
voll oder nicht?«-Debatte
wird ersetzt durch die Frage,
wie wir E-Learning in Schu-
len überhaupt ermöglichen.
Deutsche Unternehmen
machen vor, wie es geht.

Mehr als zehn Millionen Schü-
lerinnen und Schüler müssen
wochenlang, vielleicht sogar
monatelang zu Hause bleiben.
Und sollen – müssen – trotz-
dem unterrichtet werden. Das
geht nur digital.
Damit beginnen die Prob-
leme. Schulen sind auf Präsenz
ausgerichtet, selbst der Einsatz
digitaler Medien im Unterricht
ist umstritten. Und wo sich
Lehrer offen zeigen für Digita-
les, mangelt es häufig am Geld


  • schon für die Grundausstat-
    tung. Einige Schulen können
    »mangels IT-Infrastruktur«, wie
    es etwa aus Mecklenburg-Vor-
    pommern heißt, keine Aufgaben
    per Internet übermitteln. Viele
    Lehrer kommunizieren derzeit
    per E-Mail mit ihren Schülern.
    »Jetzt rächt sich, dass sich in
    Deutschland bei der Digitalisie-
    rung der Schulen so lange nichts
    richtig bewegt hat«, sagt Udo
    Beckmann, Bundesvorsitzender


des Verbands Bildung und Erzie-
hung. Für Bewegung soll eigent-
lich der »DigitalPakt Schule« sor-
gen, der im Mai 2019 angelaufen
ist: Fünf Milliarden Euro gibt der
Bund den Schulen bis 2024, da-
mit die ihre IT-Infrastruktur in
die digitale Ära hieven. Doch in
den Schulen ist davon bislang
wenig angekommen.
Im Vergleich zu den Schulen
stehen viele Unternehmen deut-
lich besser da: Sie verfügen über
eine solide IT-Infrastruktur und
tauschen sich täglich auf digi-
talen Wegen aus. Das hilft auch
bei der Weiterbildung: Virtu-
elle Meetings und Webinare
sind den Mitarbeiterinnen und
Mitarbeitern mehr oder minder
vertraut.

Digitalkompetenz ist überle-
benswichtig, denn sie sichert die
Zukunft der Unternehmen. Eine
Umfrage der KfW Bankengruppe
förderte 2019 zutage, dass 38 Pro-
zent der Mittelständler fehlende
Fachkräfte und mangelnde IT-
Kenntnisse bei den Mitarbeitern
als größte Hürde bei ihrer digita-
len Transformation werten. Das
sieht in den Großunternehmen
ähnlich aus: »Auch klassische
Bereiche entwickeln auf einmal
einen Tech-Schwerpunkt«, hat
Svenja Müller festgestellt, die in

der Personalabteilung der Otto
Group für den externen und den
internen Talentpool verantwort-
lich ist. Das betreffe auch Sach-
bearbeiter, die vorher nie etwas
mit Technik zu tun hatten. Des-
halb täte die Otto Group »alles,
um unseren Mitarbeitern den
Weg in die Digitalisierung zu
erleichtern«.

»Weiterbildung ist die wich-
tigste Lösungsstrategie«, sagt
die KfW-Chefvolkswirtin Frit-
zi Köhler-Geib. Das haben die
deutschen Unternehmen ver-
standen: 54 Prozent erhöhten
im vergangenen Jahr ihr Budget
für Weiterbildung, ergab eine
Bitkom-Umfrage. Wer sich heu-
te beruflich weiterbilden will,
kann sich dafür auch zu Hause
mit Smartphone oder Laptop
aufs Sofa setzen und ein Tuto-
rial anschauen. Etwa auf You-
Tube. Unter den Videos können
Nutzer oft bereits ihre Fragen
oder Kommentare posten und
mit Kollegen aus der Lerngrup-
pe teilen. Das wichtigste Lern-
ziel sei eine neue Einstellung,
sagt Daniel Schütt, Gründer des
E-Learning-Anbieters Master-
plan: »Man muss offen sein für
permanente Veränderung.«
Digitale Lernformate sind
inzwischen technisch und

Wie IT-Fachkräfte


zu finden sind


Was Schulen beim E-Learning von


Unternehmen lernen können


»Weiterbildung
ist die wichtigste
Lösungsstrategie
gegen mangelnde
Digitalkompetenz
in den deutschen
Unt e r n e hm en .«

Die Schulen sind auf
Präsenz ausgerichtet

Offen sein für
die permanente
Veränderung

Natürlich könnten wir weitgehend non-digital leben.


Doch das Coronavirus zeigt uns eindrücklich, wie sehr wir


im Alltag davon profitieren, auf digitale Netzwerke zurück-


greifen und ausweichen zu können – beim Arbeiten, beim


Lernen und in unserem persönlichen Leben.


Unser digitales Netz


Digitalkompetenz ist
überlebenswichtig

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