Die Zeit - 02.04.2020

(Brent) #1

Von den Vasenhüllen gibt es bislang


nur Zeichnungen (rechts), die Proto­


typen der Visitenkartenetuis sind fertig


(unten). Die Perlenmuster illustrierte


Ana Kraš am Computer (links)


Eigentlich wollte ich immer Architektin


werden. Leider kann man nicht auf eigene
Faust ein Haus bauen – eine Bank oder ei-


nen Tisch allerdings schon. Das Entwickeln
einer Idee, die Ausarbeitung des Entwurfs


und dann die tatsächliche Herstellung, all
das empfinde ich als unglaublich befrie-


digend. Ich habe bei der Arbeit wirklich
Schmetterlinge im Bauch. Es macht mir


Spaß, Probleme zu lösen. Nicht im Sinne
eines mathematischen Problems (obwohl


ich Mathematik mag), sondern als eine
Denkaufgabe, die ich mir selbst stelle. Und


dazu kommt dann das Sinnliche: Wie soll
der Entwurf aussehen, wie fühlt er sich an,


welches Material verwende ich? Das ist toll
am Möbeldesign: Es vereint das Künstleri-


sche und das Technische.
Dieses Projekt ist eine neue Auftragsarbeit


für die dänische Möbelmarke Hay. Mette
Hay, die Gründerin, war letztes Jahr bei


mir in Chinatown zu Besuch. In einem La-
den entdeckte sie kleine Spielzeugfiguren,


hergestellt nach einer traditionellen chine-
sischen Technik, bei der man Plastikperlen


aneinanderknüpft. So entstand die Idee,
etwas aus solchen Perlen zu machen, nur


eben kein Spielzeug, sondern große Körbe,
Obstschalen und Vasenhüllen (in die man


ein Glasgefäß stellen kann), außerdem
Handytaschen zum Umhängen und Visi-


tenkartenetuis. Von Letzteren wurden be-
reits Prototypen produziert, die hier auch


zu sehen sind.


Ich bin keine Designerin, die viel zeichnet.
Für mich ist Entwerfen vor allem Denk-
arbeit. Was ich mir im Kopf vorstelle, ist
sehr nah an der Realität dran. Ich male mir
keine Fantasieformen aus; ich denke eher
darüber nach, wie genau ich einen Gegen-
stand anfertigen würde.
Bei diesem Projekt habe ich nur wenige
Skizzen gemacht. Die Muster, nach denen
die Perlen farblich angeordnet werden soll-
ten, habe ich dann mithilfe eines Illustrator-
programms designt. Dabei habe ich mich
von bemalter Keramik inspirieren lassen,
die oft farblich abgesetzte Kanten hat. Per-
len sind ein tolles Material: Weil sie sich wie
ein Raster anordnen lassen, kann man sehr
einfach unterschiedliche Ornamente damit
entwickeln, etwa Karos oder Streifen.
Ich mag klassische Formen – ein Stuhl,
so wie ein Kind ihn zeichnen würde, hat
mich schon immer mehr interessiert als
einer mit drei Beinen. Die Vasenhüllen
in dieser Kollektion, von denen es im
Moment nur technische Zeichnungen
gibt (siehe oben), sollten deshalb auch
wie der Archetyp einer Vase geformt sein,
nur eben aus einem ungewohnten, über-
raschenden Material.
Der Arbeitsprozess bedeutet mir mehr als
das fertige Objekt. Das Ausarbeiten einer
Idee ist es, was mir den Kick gibt. Wenn
ich etwas fertiggestellt habe, fühlt es sich
nicht mal mehr an wie meins. Der Prozess
aber ist meiner. Deshalb entwerfe ich.
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