Die Zeit - 02.04.2020

(Brent) #1

Von Tillmann Prüfer


Während es bei manchen Farben in der Mode nicht so klar ist, warum


man sie trägt, springt das bei Orange sprichwörtlich ins Auge: weil
man auffallen möchte. Kaum eine Farbe hebt sich so deutlich von


der Umgebung ab wie Orange. Deshalb wird es weithin als Signal­
far be verwendet: Müllwerker tragen Orange als Schutzmaßnahme


im Straßenverkehr, zudem ist Orange die Farbe von Rettungswesten.
Überall, wo man nicht übersehen werden will, trägt man Orange.


Natürlich ist das Nichtübersehenwerden in der Mode umso dringli­
cher, je mehr Bilder durch die sozialen Medien strömen – denn nun


muss man sich verstärkt um die eigene Erkennbarkeit kümmern.
Vielleicht ist das der Grund, warum wir jetzt in vielen Kollektionen


grelle Töne sehen: Dries Van Noten bietet einen Anzug im Tiger­
muster mit Orange als Grundton. Bei Versace sehen wir orangefar­


bene Röcke, bei Prada Mäntel aus Wolle und Leder in Orange. Bei
Marni leuchten Kleider in Orange, bei Gucci gibt es Herrenanzüge,


mit denen man auch im Straßenbau arbeiten könnte. Überall blen­
det das Orange so sehr, dass man fast mehr auffällt, wenn man etwas


anhat, das nicht ins Auge sticht.
Orange ist aber nicht nur eine Farbe, die nicht übersehen werden


will. Es ist auch eine Farbe der Abgrenzung. In den USA ist die
Häftlingskleidung zum Teil orange – damit entflohene Gefangene


möglichst schnell identifiziert werden können. Aus einem ähnlichen
Grund tragen buddhistische Mönche Orange. Die Farbe steht für


die höchste Stufe der Erleuchtung und si gna li siert, dass die Mönche
aus der Gesellschaft ausgestiegen sind und darum weder zur Part­


nerwahl noch als Arbeitnehmer, noch als Gesprächspartner zu welt­
lichen Themen zur Verfügung stehen. Man soll beim Anblick eines


komplett in Orange gekleideten Menschen sofort verstehen, dass
dieses Individuum kein normales Mitglied der Gesellschaft ist.


Allerdings hängt die Wahrnehmung einer Farbe immer auch sehr
davon ab, in welchem sozialen Kontext sie gesehen wird. So wurde


2013 die Netflix­Serie Orange Is the New Black ausgestrahlt. Sie
handelt vom Alltag von Frauen in einem fiktiven Gefängnis in den


USA. Die Frauen dort tragen größtenteils orangefarbene Kleidung.
Der Erfolg der Serie hatte sofort zu einer wachsenden Beliebtheit


der Farbe Orange geführt, sodass man sich in den Polizeibehörden
Sorgen machte, ob die Farbe Orange in der Öffentlichkeit noch


ein ausreichendes Warnsignal sei. Ein Sheriff im Saginaw County
in Michigan bestellte sogar schwarz­weiß gestreifte Häftlingsklei­


dung, damit etwaige Geflüchtete weiterhin gut zu erkennen seien.
Die Gefahr, dass sie sonst mit Fashion­Victims verwechselt werden


könnten, war einfach zu groß.


Grenzfarbe


Stil

Cold Brew ist ja im Trend, also kalt gebrühter Kaffee – vorigen Som­
mer sah ich zumindest in München viele damit durch die Gegend
spazieren. Ich hoffe, dass wir bald wieder so unbeschwert durch unsere
Städte laufen können, aber braucht man Cold Brew? Ich bevorzuge
das Heißgetränk, deshalb habe ich einen Reisebecher der Firma Ember
ausprobiert, der kalten Kaffee gerade verhindern soll.
Der Becher hält heiße Getränke auf Temperaturen zwischen 49 und
63 Grad, per Smartphone­App stellt man den Wärmegrad ein. Der
Akku reicht für drei Stunden, und das Fassungsvermögen beträgt
355 Milli liter. Mir gefallen das schlichte Design und die gute Ver­
arbeitung des Geräts. Auch wenn mein Kaffee voll erhitzt wird, spüre
ich die Hitze nicht, während ich den Becher in der Hand halte. Aller­
dings hat das Gerät zwei Mängel: Das Fassungsvermögen ist nicht
groß, es passen höchstens zwei bis drei kleine Tassen in den Behälter.
Außerdem sind drei Stunden Akkulaufzeit recht wenig. Da lobe ich
mir die gute alte Thermoskanne, sie kann in der Regel mehr als einen
Liter Kaffee oder Tee auch mehrere Stunden warm halten.
Wer braucht also so ein Gerät? Vielleicht Architekten, die eine große
Baustelle besichtigen, oder Förster, die im Wald auf Hirsche warten?
Durch meinen Job als Grafiker habe ich meistens in der Stadt in
Büros zu tun, da gibt es ohnehin oft Kaffee.
Was mich allerdings am meisten stört, ist die Tatsache, dass der
Ember­Becher ein weiteres Gerät ist, bei dem ich daran denken muss,
dass der Akku aufgeladen ist, ehe ich das Haus verlasse. Mein Smart­
phone, mein Laptop, mein Bluetooth­Kopfhörer – und jetzt auch
noch mein Kaffeebecher? Solange ich nicht im Wald auf Hirsche
warten muss, schaffe ich mir keinen Reisebecher an.

Mirko Borsche nutzt einen Reisebecher,


mit dem man auch im Wald heißen Kaffee hat


Unter Strom

Technische Daten
Größe: 2 0 x 8 x 8 cm
Gewicht: 432 g
Fassungsvermögen: 355 ml
Preis: 199,95 Euro

Mirko Borsche, Creative Director des ZEITmagazins,
schreibt jede Woche die Kolumne »Unter Strom«

Foto

Ember

Foto Peter Langer


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