Süddeutsche Zeitung - 21.03.2020

(C. Jardin) #1
Jede Zahl von 1 bis 9 kommt pro Zeile und Spalte
höchstens einmal vor. Ununterbrochene Reihen
weißer Felder (Straßen) enthalten nur aufeinander-
folgende Zahlen, aber in beliebiger Reihenfolge.
Zahlen auf schwarzen Trennfeldern gehören zu
keiner Straße. © 2010 Syndicated Puzzles Inc.
 http://www.sz-shop.de/str8ts

von volker bernhard

D


a haben se jar eenen alten
Pott mit Messing injebud-
delt“, ruft in bestem Eberswal-
der Kanaldeutsch angeblich
ein Arbeiter aus, als er am


  1. Mai 1913 bei Ausschachtungsarbeiten
    auf ein unscheinbares Tongefäß stößt.
    Das scheint naheliegend: Der Arbeiter
    macht seinen Fund in der Messingwerk-
    siedlung am Rand von Eberswalde bei Ber-
    lin – damals ein wichtiger brandenburgi-
    scher Industriestandort, von dessen einsti-
    ger wirtschaftlicher Bedeutung heute nur
    noch Ruinen und Ortsteilnamen wie Eisen-
    spalterei und Kupferhammer zeugen.
    Doch der Maurerpolier irrt sich: Das Ge-
    fäß ist nicht mit Messing gefüllt, sondern
    mit gülden glänzenden Drähten, Schalen,
    Spangen und Armbändern. Er hat den be-
    deutendsten Goldschatz aus der Spätbron-
    zezeit in Mitteleuropa geborgen. Der
    Schatz wird in der Messingwerksiedlung
    ausgestellt, höhere Kreise reisen eigens
    dafür an: Je zehn Besucher dürfen zeit-
    gleich den zum „Eberswalder Goldschatz“
    deklarierten Fund begutachten. Neben di-
    versen Beamten sorgen „sechs Mann der
    schmuckuniformierten Werksfeuerwehr
    und ein revolverumgürteter Fußgen-
    darm“ für Sicherheit, so derPreußische
    Stadt- und Landboteam 27. Mai 1913.


Der Direktor der Vorgeschichtlichen
Abteilung des Königlichen Museums für
Völkerkunde, Carl Schuchhardt, inspi-
ziert als erster Archäologe den Fund. 1914
beschreibt er, wie die Direktoren des Mes-
singwerkes auf leerem Tisch goldene Ge-
genstände platzieren: „Binnen weniger
Minuten war der ganze Tisch vor uns be-
deckt mit Gold. Ich hatte es in solcher Mas-
se nicht mehr gesehen nach den Schlie-
manschen Schätzen von Mykene.“ Schuch-
hardt registriert 81 Stücke und ein Gesamt-
gewicht von 2,59 Kilo, er schätzt den Wert
des Schatzes auf 20000 Goldmark.
Laut Gesetz gehört der Fund zur Hälfte
den Arbeitern, die ihn fanden, und zur an-
deren Hälfte dem Grundstückseigner.
Der Inhaber des Messingwerkes Aron
Hirsch zahlte an den Maurerpolier
6000 Mark, weitere 3000 Mark an den
ihm Nächststehenden und weitere
1000 Mark an die restlichen Arbeiter der
Kolonne. Damit gehörte der Schatz ihm.
Hirsch gilt als Philantrop, er möchte, dass
„dieser reiche Goldschatz der deutschen
Allgemeinheit erhalten bleibt“: Ein
Wunsch, der sich nur für einige Jahre er-
füllen wird.
Kaiser Wilhelm II. hat ein Faible für Ar-
chäologie, schon bald nach dem Fund
lässt er sich den Schatz von Aron Hirsch
vorführen und sich von ihm, kraft kaiserli-
chen Macht, beschenken. Der Schatz wird
im Juni 1913 im Berliner Stadtschloss aus-
gestellt, bis Archäologe Schuchhardt ihn
für die Forschung ins Völkerkundemuse-
um überführen lässt. Es beginnt ein büro-

kratisches Ringen zwischen Forschern
und kaiserlicher Verwaltung. Als der Erste
Weltkrieg ausbricht, gibt es andere Priori-
täten, die Frage wird vertagt.
Nach Abdankung des Kaisers wird der
Goldfund 1918 den Staatlichen Museen
übertragen und von 1922 an in der Dauer-
ausstellung des Völkerkundemuseums
im Martin-Gropius-Bau präsentiert. Zum
Schutz vor Kriegsschäden lagert man den
zu Beginn des Zweiten Weltkrieges als „un-
ersetzlich“ deklarierten Schatz zunächst
in der Preußischen Staatsbank und ab No-
vember 1941 im Flakturm Zoo ein.
1945 übergibt Museumsdirektor Wil-
helm Unverzagt zwangsweise den Gold-
schatz mit anderen Kulturgütern an die
Rote Armee – darunter auch den von Hein-
rich Schliemann in Troja entdeckten
„Schatz des Priamos“. Zwar gibt die So-
wjetunion zwischen 1956 und 1958 etliche
Stücke zurück, doch hüllt man sich beim
Eberswalder Goldfund wie beim Schatz
des Priamos in Schweigen. Beide gelten
als verschollen oder zerstört, über Jahr-

zehnte gibt es keine Spur. Einige Repliken
kann man bis heute ansehen, etwa im
Eberswalder Stadtmuseum oder im Neu-
en Museum auf der Museumsinsel.
Im September 1987 kommt wieder Be-
wegung in den Fall, als ein Mitarbeiter des
russischen Kulturministeriums Akten fin-
det, die den Schatz des Priamos im Mos-
kauer Puschkin-Museum verorten. Von öf-
fentlicher Seite wird die Existenz in russi-
schen Depots zunächst bestritten. 1994
führt man den Priamos-Schatz doch eini-
gen Museumsleuten aus Berlin vor, er
wird später Teil der ständigen Sammlung
des Puschkin-Museums. Die folgende Zu-
sammenarbeit von russischen und deut-
schen Forschern ist geprägt von den politi-
schen Beziehungen zwischen den beiden
Ländern und daher sehr wechselhaft; die
deutsche Forderung nach einer Rückgabe
zielt ins Leere. Im Zuge der Kooperation
werden 2004 einem deutschen Fernseh-
team einige Stücke des Eberswalder Fun-
des vorgeführt, erst jetzt gilt seine Exis-
tenz in Moskau als verbürgt. 2013 in St.Pe-

tersburg und ein Jahr später in Moskau
wird der Schatz in der Ausstellung „Bron-
zezeit – Europa ohne Grenzen“ erstmals
seit 1945 wieder öffentlich präsentiert. In
Deutschland ist die Schau nicht zu sehen:
Russland befürchtet, dass durch Klagen ei-
ne Rückkehr der Artefakte verhindert wer-
den könnte.
Ungeachtet der politischen Querelen
untersuchen Forscher beider Nationen in-
terdisziplinär mit modernen Methoden
den Schatz für eine große Monografie. Ei-
nem Vorbericht ist zu entnehmen, dass
die Wissenschaftler wegen der ähnlichen
Verfertigung von einer Serienproduktion
ausgehen. Die größte Überraschung: Ein
Barren ist aus Messing, nicht aus Gold, er
wurde anscheinend später beigefügt. Der
Eberswalder Goldschatz besteht also nur
aus 80 statt 81 Stücken. Doch bleiben viele
Fragezeichen: Ob es sich um das Depot ei-
nes Kaufmanns, Opfergaben oder das
Schmuckkästchen einer einst wichtigen
Persönlichkeit handelt, bleibt wohl ewig
im Glanz des Goldes verborgen.

2134 87
345 8769
32 89 56
2134 687
564271398
786 5243
45 76 21
6798 123
98 3542

65
2
1
9

98 12 65
675 1234
87965 34
65 34 21
786 43512
453 67
12 465 89
213 76958
342 78

3

7
9
2

6

64752 1398
3219 78465
895346127
718654239
564293871
932187546
189732654
256419783
473865912

...UND VOM WOCHENENDE


LÖSUNGEN VOM FREITAG ...


STR8TS: SO GEHT’S


Quartett leichtDie vier gezeigten Ausschnitte
entstammten den Logos ehemaliger Supermarkt-
ketten:Minimal,Plus,TengelmannundCo op
betreiben heute keine Läden mehr in Deutschland.
SchwerDargestellt waren einBungalow(nämlich
der Kanzlerbungalow in Bonn), einPyjama,
ChutneyundShampoo– alle vier Wörter stammen
aus dem Hindi und gelangten über das Englische
in andere Sprachen.Aller Anfang„Und jedem
Anfang wohnt ein Zauber inne“ (Hermann Hesse)

Nachbildungen des spektakulären Fundes bei einer Ausstellung 2004. FOTO: IMAGO IMAGES

DEM GEHEIMNIS AUF DER SPUR

Glanz einer fernen Zeit


1913 wurde der bedeutendste Goldfund der Spätbronzezeit


in Mitteleuropa entdeckt: der Eberswalder Schatz


163574289
584219673
729386451
418695732
9367285 14
257143968
345862197
89145 7326
6729 31845

34 RÄTSEL Samstag/Sonntag, 21./22. März 2020, Nr. 68 DEFGH


STR8TSmittelschwer


SCHACH


Rasante Revanche

FOTOS: IMAGO (4), DPA/PA, F.X. SCHMID, REO, NATIONAL LIBRARY OF NEW ZEALAND;WEITERER BILDNACHWEIS VOM 14.3.: CO OP

QUARTETT


Vier Bilder, eine Gemeinsamkeit – welche?

von oliver rezec

mittelschwer


SUDOKUschwer


SCHWEDENRÄTSELSchleswig-Holstein


a 8 7 6 5 4 3 2 1
bcdef gh

Position nach 34...Dc5

Gorjatschkina – Ju, Wenjun
(Semi-Tarrasch-Verteidigung)
Die dritte Etappe des Grand Prix der Da-
men in Lausanne endete mit einem Sieg
der georgischen Großmeisterin Nana Dzag-
nidze. Sie distanzierte die russische Vize-
weltmeisterin Alexandra Gorjatschkina
nach Zweitwertung knapp. In schlechter
Form präsentierte sich chinesische Welt-
meisterin Ju Wenjun, die nachfolgend ge-
gen ihre letzte Herausforderin eine klare
Niederlage quittieren muss. Diese
schwungvolle Partie wird Gorjatschkina
ein wenig über ihre denkbar knappe Nie-
derlage nach einem 6:6 im Tiebreak bei der
Weltmeisterschaft hinwegtrösten:
1.d4 Sf6 2.c4 e6 3.Sc3 d5 4.cxd5 5.e4
Sxc3 6.bxc3 c5 7.Sf3 cxd4 8.cxd4 Lb4+
9.Ld2 Lxd2+ 10.Dxd2 0–0 11.Lc4 Sd7
12.0–0 b6 13.Tad1 Lb7 14.Tfe1 Tc8 15.Lb3
Te8 16.h3h6 17.Te3 Sf6(mit plausiblen Zü-
gen bemühen sich beide Seiten, ihre Figu-
ren für den kommenden Zusammenprall
bestmöglich aufzustellen. Objektiv befin-
det sich die Position im Gleichgewicht)



  1. De2 Tc7 19.d5 exd5 20.e5(mit diesem


typischen Bauernopfer eröffnet die junge
Russin die Kampfhandlungen. In der Folge
erhält die Weiße gute Angriffschancen ge-
gen den schwarzen König)20...Sh5 21.Td4
g6 22.Dd2 De7 23.Sh2 Dc5 24.Te1 Dc3(be-
achtlich war hier 24...Sf6, was nach der
scharfen Folge 25.Th4 Dc3 26.Dxh6 Dxe1+
27.Sf1 Sh5 28.Txh5 gxh5 29.Dg5+ Kf8 30.
Dh6+ Kg8 zum Remis durch Dauerschach
führen kann)25.Dd1 Tec8 26.e6 Sf6
27.Sg4 Sxg4 28.Txg4 Kg7 29.exf7 Txf7
30.Te6 g5(meidet die Falle 30...Tf6 31.
Te7+ Tf7 32.Txg6+ Kxg6 33.Dg4+ Kf6 34.
Te6 Matt. Bisher halten sich Angriff und
Verteidigung die Waage)31.Kh2 Dc7+ 32.
Tg3 Tcf8 33.Dd4+ Tf6 34.h4 Dc5(wohl in
Zeitnot der entscheidende Fehler. Nach
34...Df4 35.Dxf4 Txf4 36.hxg5 hxg5 37.
Txg5+ Kf7 bleibt der Ausgang offen)Dia-
gramm 35.De5(einfach und stark, plötz-
lich bricht die schwarze Position zusam-
men)35...d4 36.hxg5 Kh8(denn auf 36...
Dxe5 folgt 37.gxf6+ Kf7 38.Txe5+ Schwarz
gibt gleichzeitig auf, eine Folge wie 37.Txf6
Dxe5 38.Txf8+ Kg7 39.Tg8+ Kh7 40.g6
führt zum Matt). stefan kindermann

schwer


2


75


6


53


9


8


9


4


1


2


6


4 1 8


4 2


2 8 6


2 8 1 5 9


3


9 5 3


7 2 5 9


1 9 3


5 6


ALLER ANFANG


„W·· n····· z· v········


h··, i·· n·····“


Wer seine privaten Daten freigiebig in Googles und Facebooks gierige
Schlünde gießt, dem antwortet Shoshana Zuboff dies. Wie lautet das Zitat?

Die Geschichte dieses Schatzes
spiegelt auch die deutsche
Geschichte im 20. Jahrhundert
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