Süddeutsche Zeitung - 21.03.2020

(C. Jardin) #1
interview: ralf wiegand

E


s sollte die Saison von Werder
Bremen werden. Mit großem
finanziellen Risiko sind die Nord-
deutschen in die Fußballbundes-
liga gestartet, haben viel Geld
für Spieler ausgegeben, aber keines durch
Transfers eingenommen. Das Ziel: ein
Platz im europäischen Wettbewerb. Die
Realität: Platz 17. Schon ohne Covid-19 und
die drastischen Folgen für den Fußball
stünden die Bremer vor schwierigen Zei-
ten. Der pandemiebedingte Stillstand ver-
größert die Not, dazu kommt die Unsicher-
heit, was ein vorzeitiger Saisonabbruch be-
deuten würde. Die Geschäftsführer Klaus
Filbry, 53, und Hubertus Hess-Grunewald,
59, spielen derzeit alle erdenklichen Sze-
narien durch. Trotz vieler Unwägbarkeiten
sind sie sich sicher, dass der Verein die
Krise überstehen wird.


SZ: Die wichtigste Frage gleich vorneweg:
Sind alle gesund?
Klaus Filbry:Soweit wir wissen, ja.
Was tun Sie im Moment, dass das so
bleibt?
Hubertus Hess-Grunewald:Wir würden
nur auf eine Infektion testen, wenn je-
mand die Symptome zeigt, die bei Corona
bekannt sind – Fieber, trockener Husten,
grippeähnliche Anzeichen. Wir haben die
Geschäftsstelle geschlossen, einen Groß-
teil der Mitarbeiter ins mobile Arbeiten
geschickt und die Meeting-Kultur verän-
dert, mit besonderen Sitzordnungen und
weniger Leuten. Und wir verzichten schon
seit Wochen auf den bei uns obligatori-
schen Handschlag zur morgendlichen
Begrüßung.
Trainiert die Mannschaft?
Filbry:Sie hat am Dienstag und Mittwoch
Leistungstests gemacht und ist jetzt für
zehn Tage im Heimtrainingslager.
Wir sind ja formal noch in der Saison
2019/20. In welchen Zeiträumen planen
Sie?
Filbry:Es ist ja eine dynamische Situation,
da müssen wir in allen Bereichen flexibel
sein. Wir haben Bereiche, da steht viel an:
die Finanzabteilung, der Vertrieb, das
Ticketing. Und es gibt Bereiche, die sind
momentan unterbeschäftigt. Da überle-
gen wir von der Geschäftsleitung, wer
vielleicht Urlaub nehmen kann oder wer
andere Aufgaben übernehmen kann.
Was heißt das?
Filbry:Wir arbeiten jetzt im Hintergrund
auch an sozialen Themen, etwa, ob wir
über unsere Ressourcen im Stadion Essen
für Bedürftige kochen können. Die Initiati-
ve kommt von unserem Mannschaftskoch.
Wir machen uns viele Gedanken, um auch
in dieser Situation die Community in der
Stadt und der Region zu stärken. Und bei
der Mannschaft muss man eben von Tag
zu Tag denken.
Und von welchem Zeitraum gehen Sie da
konkret aus?
Filbry:Wir gehen davon aus, dass vor Mai
nicht gespielt wird. Das ist auch nur eine
Annahme, denn bisher sind ja nur der 26.
und 27. Spieltag ausgesetzt worden. Der
Trainer wird wahrscheinlich den April
noch mal als Vorbereitungszeit nutzen, um
dann die sehr intensive Phase angehen zu
können, von der wir annehmen, dass sie
kommen wird.


Wie könnte diese Phase dann aussehen?
Filbry:Wir glauben, dass dann im Drei-
Tages-Rhythmus gespielt wird.
Sie, Herr Filbry, waren am Montag mit Ih-
rem Sportchef Frank Baumann bei der
DFL-Sondersitzung in Frankfurt. Wie war
die Stimmung?
Filbry:Sehr kollegial, sehr vernünftig. Ich
glaube, Christian Seifert(Geschäftsführer
der DFL; d. Red.)hat das gut gemacht, in-
dem er auch noch mal Transparenz herge-
stellt hat und wir jetzt ein einheitliches Vor-
gehen haben. Das waren keine revolutionä-
ren Entscheidungen, aber es war wichtig,
allen klarzumachen: Die Situation ist dra-
matisch, es ist eine wirtschaftliche Heraus-
forderung für alle Vereine – auch für die
großen, wenn etwa die letzte Rate vom
Fernsehen nicht kommt.


Dazu muss man wissen, dassdas TV-Hono-
rar in vier Tranchen ausgezahlt wird, die
letzte wäre im Mai fällig. Bei Werder geht
es da um 16 Millionen Euro.
Filbry:Wir haben diese Ungewissheit, mit
der wir umgehen müssen. Die Gesundheit
steht im Vordergrund, aber wir müssen
eben auch anerkennen, dass wir ein Wirt-
schaftsunternehmen sind. Und wenn es
die Gesundheit wieder ermöglicht, müs-
sen wir Spiele dann eben ohne Zuschauer
auch wieder austragen dürfen, um den ver-
traglichen Verpflichtungen nachkommen


zu können und die wirtschaftliche Basis
für alle Vereine wiederherzustellen.
Der Sport hat viele Vertragspartner, das
Fernsehen, die Zuschauer mit Dauer-
karten, die Sponsoren, Businesslogen-
Mieter. Inwieweit sind die in die Abläufe
schon einbezogen?
Filbry:Christian Seifert führt jetzt schon
Gespräche mit Sky, das ist auch seine Auf-
gabe, um verschiedene Szenarien durch-
zusprechen. Da werden wir hoffentlich bei
der nächsten Mitgliederversammlung in-
formiert. Wir sprechen natürlich auch mit
unseren Vertragspartnern, wir können ak-
tuell noch keine konkreten Lösungen an-
bieten. Es ist eher ein Austarieren der
Interessen in dieser Krisensituation. Wir
müssen sehen, ob gespielt wird oder nicht.
Wenn gespielt wird, können wir für die
meisten Sponsoren die vertraglichen Leis-
tungen abarbeiten. Bei den Ticketeinnah-
men ist es anders, da muss man mit den
Dauerkartenabnehmern prozentual pro
Spieltag diskutieren. Und mit den Tages-
karten muss man auch eine Rückerstat-
tung machen, sofern die Käufer es denn
wollen.

Es wollen nicht alle?
Filbry:Wir haben viele Fans, die sagen, sie
möchten das gar nicht, weil sie solidarisch
sein wollen. Es gibt auch Fans, die fragen,
ob sie für Spiele ohne Zuschauer symbo-
lisch Karten kaufen können. Da entsteht
was Schönes, das Thema Gemeinwohl
rückt wieder in den Vordergrund. Alle ver-
stehen, dass wir gemeinsam in dem Boot
sitzen und uns gegenseitig helfen müssen.
Der Geschäftsführer von Borussia Dort-
mund, Hans-Joachim Watzke, sagte am
Sonntag, man sei halt auch Wettbe-
werber, und die Vereine, die sich ein
Polster erwirtschaftet haben, müssten
denen nicht helfen, die das versäumt hät-
ten. War das tags darauf ein Thema bei
der DFL-Sitzung?
Filbry:Das Thema Solidargemeinschaft
ist angesprochen worden, und es waren
alle einig, dass wir das jetzt auch leben müs-
sen – ohne schon konkrete Aussagen dar-
über zu treffen, wie. Die Aussagen von
Watzke sind nicht thematisiert worden.
Hess-Grunewald:Wir sehen ja jetzt,
welche öffentliche Reaktionen Aki Watzke
hervorgerufen hat. Da wird ein Dilemma
deutlich. Denn natürlich sind die Bundes-
ligisten auch Konkurrenten, und der Bun-
desliga-Wettbewerb ist auch gnadenlos.
Am Ende steigen normalerweise eben zwei
Klubs ab, obwohl sie alle professionell ar-
beiten. Es sind ja häufig nur Nuancen, die
darüber entscheiden, wer drin bleibt und
wer nicht. Nun muss man sehen, wie in
dieser Realität Solidarität funktionieren
kann. Das Modell, dass diejenigen etwas
abgeben, denen es besser geht, ist ja noch
gar nicht auf dem Schirm. Watzke hat da so-
zusagen proaktiv schon mal einen Pflock
eingeschlagen.
In Hintergrundgesprächen mit Szeneken-
nern über die Zukunft der Bundesliga
nach Corona werden fast immer zwei Ver-
eine als große Sorgenkinder der aktuel-
len Krise genannt – Werder und Schalke.
Filbry:Es sind für alle Vereine wirtschaftli-
che Herausforderungen von nie da gewese-
nem Ausmaß. Auch wir haben die. Aber ich
glaube auch, dass sie lösbar sind.
Wie?
Filbry:Man braucht gute Partner an sei-
ner Seite, etwa Banken, die bereit sind, in
dieser Phase Liquidität zur Verfügung zu
stellen. Das meiste haben wir gelöst, aber
es sind noch Aufgaben übrig. Es ist extrem
schwierig, das zu prognostizieren, weil so
viele Bälle in der Luft sind. Zum Beispiel
die TV-Rate: Wird sie ausgezahlt, und
wenn, wird sie auf einmal ausgezahlt oder
anteilig, je nachdem, wie viele Spiele noch
gemacht werden können? Der Stand ist,
dass sie anteilig ausgezahlt wird, wenn wie-
der gespielt wird.
Noch ist auch ein Saisonabbruch möglich.
Filbry:Wenn abgebrochen wird, haben
wir das Problem mit Sponsoring-Leistun-
gen, die nicht erbracht wurden, mit Ticke-
ting-Leistungen, die nicht erbracht wur-
den. Wir wissen heute noch nicht, wann
wir in den Dauerkartenverkauf für die
nächste Saison gehen können. Kann über-
haupt gespielt werden? Auch das ist ein
Thema, das die Liquidität belastet. Und wir
wissen heute auch noch nicht, ob Sponso-
ren selbst Liquiditätsprobleme haben und
ihre Zahlungen an uns vielleicht nicht leis-
ten können. Das sind Herausforderungen,
die alle haben.
Kann ein Verein wie Werder, ohne Inves-
tor, ohne Konzern im Rücken, ohne
Mäzen, das wirklich überstehen?
Filbry:Wenn man gute Hausbanken an
seiner Seite hat, kann man diese Probleme
lösen, aber sie dürfen auch nicht zu lange

dauern. Wir müssen hier nicht morgen zu-
schließen.
Woher der Optimismus?
Filbry:Es gibt zum Beispiel bereits Kreditli-
nien, es gibt auch andere Ideen, etwa um an-
fallende Kosten um eine gewisse Zeit auf-
zuschieben und auf den Worst Case vorbe-
reitet zu sein. Dass wir hier morgen die Lich-
ter ausknipsen, würde ich so nicht sehen.
Sie haben vorhin ein Zeitfenster bis Mai
genannt – bis dahin können Sie also sicher
planen?
Filbry:Auch darüber hinaus. Es gibt Worst-
Case-Szenarien, an denen wir arbeiten.
Sie müssen zu allem Überfluss als Tabel-
len-Siebzehnter auch noch zweigleisig
planen, die Lizenzunterlagen für die erste
und zweite Bundesliga abgeben.
Filbry:Für die erste Liga sind sie schon ab-
gegeben. Wir gehen davon aus, dass es da
nichts zu beanstanden gibt. Und für die
zweite Bundesliga ist Abgabetermin Ende
März.
Die DFL will großzügiger sein beim Lizen-
zierungsverfahren. Wissen Sie schon, was
das bedeutet?
Hess-Grunewald:Bei den Problemen, die
der Corona-Krise zuzuschreiben sind,
wird die DFL Spielraum gewähren. Etwa
bei der Frage, wann die TV-Gelder kom-
men. Wenn es aber ein auffälliges Miss-
management gibt, wird da nicht drüber
weggeschaut.
Ligaweit liegt der Faktor der Personalkos-
ten etwa bei 50 Prozent, wenn wir über
die Etats von Bundesligisten reden.
Müssen die Profis jetzt nicht als Teil der
Lösung auf Gehalt verzichten?
Filbry:Wir haben mit den Spielern noch
nicht darüber gesprochen, und wenn es so
weit ist, dann werden wir das intern thema-
tisieren. Unsere Spieler haben extrem leis-
tungsbezogene Verträge und würden im
Worst Case auch deshalb schon ihren Teil
schultern. Für alle weiteren Gespräche in
diese Richtung sind nach wie vor zu viele

Fragen offen. Je nach Szenario wissen wir,
wie wir mit der Mannschaft sprechen wür-
den, aber erst mal müssen wir unsere Haus-
aufgaben machen. Die Spieler haben Ver-
träge. Und wir brauchen sie fokussiert auf
die extreme sportliche Herausforderung,
die vielleicht im Mai auf der Agenda steht.
Also werden sie ganz normal weiterbe-
zahlt?
Filbry:Wie alle anderen Arbeitnehmer
auch. Wenn es wirklich zum Super-GAU
kommt, dann müssen wir alle Solidarität

zeigen, denn dann geht’s wirklich ums
Überleben. Da gehören dann die Spieler
auch dazu.
Jetzt müssen wir mal konkret ran an den
Worst Case, an den Super-GAU. Das wäre
der Saisonabbruch?
Filbry:Genau. An dem Punkt sind wir aber
noch nicht.
Hess-Grunewald:Wir sollten diese Dis-
kussion auch nicht als Neiddebatte führen.
Man sollte niemand an den Pranger stellen.
Allerdings können die Spieler ja morgen
nicht alle Eishockey spielen oder ins Büro
gehen. Es geht um den Erhalt der Arbeits-
welt hoch privilegierter Spieler.
Filbry: Wir diskutieren aktuell intern
Szenarien. Wenn sie eintreten, dann sind
wir vorbereitet.
Spüren Sie das Problembewusstsein bei
den Profis?
Filbry:Wir haben sehr empathische Spie-
ler. Die sind schon besorgt: Geht’s mit dem
Verein weiter? Die Angst können wir ihnen
nehmen. Aber sie haben auch Sorgen um
ihre Familien, um die Eltern, die ja meis-
tens im Risikoalter sind. Das sind dann Sor-
gen, die wir haben, die Sie haben, die der
Bäcker an der Ecke hat. Da sind sie ganz
normale Menschen.
Das magische Datum, die Worst-Case-
Deadline, ist der 30. Juni. Da enden fast al-
le Vereinbarungen mit Spielernund Spon-
soren. Das ist nicht mehr so lange hin.
Filbry:Eine dreistellige Anzahl von Verträ-
gen in der ersten und zweiten Liga laufen
zu diesem Datum aus. Es ist daher nicht
realistisch, eine Saison bis in den Juli hin-
ein zu planen. Entweder wir schaffen es bis
zum 30. Juni, mit allen erdenklichen Maß-
nahmen, oder wir haben eine Saison, die
abgebrochen wird.
Ist diese Saison für Werder, das mit Euro-
pacup-Ambitionen gestartet war und
nach vielen mageren Jahren den Turn-
around schaffen wollte, nicht ein einziger
Albtraum?

Hess-Grunewald: Ein unserem Verein
sehr nahestehender populärer Schauspie-
ler hat mir geschrieben: Es fühlt sich an
wie eine Heimsuchung.
Ich nehme an, Sie reden von Matthias
Brandt.
Hess-Grunewald:Ein sehr angenehmer,
reflektierter Mensch.
Filbry:Und immer positiv denkend, der
uns konstruktiv unterstützt.
Das Abbruchszenario könnte wie aus-
sehen?
Filbry: Darüber wurde richtigerweise
noch nicht geredet. Wenn die Kinder wie-
der in die Schule gehen und dadurch etwas
Normalität eintritt, ermöglicht uns das
hoffentlich, unseren Betrieb Fußball wie-
der anzubieten – wenn auch ohne Zuschau-
er. Das muss jetzt das Ziel sein, um die
55000, 56000 Arbeitsplätze im Profifuß-
ball zu sichern.
Wie viele sind es bei Werder?
Hess-Grunewald:180 in den Büros und
auf den Plätzen und weit mehr bei Zuliefer-
firmen und Dienstleistern drumherum.
Die Akzeptanz für sogenannte Geister-
spiele dürfte schon heute weitaus größer
sein als noch vor einer Woche.
Filbry:Im Nachhinein hätten wir uns den
Freitag sparen können ...
...da hatte die DFL noch die Absicht,
mitten in die Krise hinein den Spieltag
durchzuziehen...
Filbry:... aber im Nachhinein wurde alles
richtig entschieden. Wenn sich die Lage
wieder beruhigt, werden das keine Events
werden mit 100 oder 200 Leuten im Stadi-
on, sondern da produzieren wir unser
Angebot Fußball – so kühl sich das anhört


  • nur mit dem Personal, das absolut not-
    wendig ist. Wir müssen auch mit der Poli-
    tik zusammen das Verständnis dafür erzeu-
    gen, dass das möglich sein muss.


Die Bremer Politik ist gerade nicht Ihr
dickster Freund. Der Innensenator hatte
das Spiel gegen Leverkusen ja auch schon
abgesagt, bevor die DFL den Spieltag
gecancelt hatte.
Hess-Grunewald:Da gab es aber tatsäch-
lich eine Erkenntnislage von Polizei, Innen-
behörde uns unseren Leuten, dass man
mit 2000 bis 3000 Leuten vor dem Stadion
rechnen musste. Vor dem Gedanken des In-
fektionsschutzes war diese Entscheidung
in Ordnung. Ich glaube aber, dass bei Fans
und Schaulustigen inzwischen eine andere
Sensibilität da ist und man es mit guter
Kommunikation hinbekäme, dass ein
Spiel in einigen Wochen nicht abgesagt
werden müsste.
Würde Werder, ein mittelständischer
Betrieb in Not, Staatshilfen in Anspruch
nehmen?
Hess-Grunewald:Die Bremer Politik sagt,
es gibt Sofortmaßnahmen, um Liquiditäts-
engpässe zu überbrücken, etwa durch Bürg-
schaften über die Aufbaubank. Wenn sich
Banken schwertun sollten, Kreditlinien zu
erweitern, würde ihnen das mit solchen
Bürgschaften leichter fallen. Insofern ist
Werder ein mittelständiges Unternehmen
wie jedes andere – es wäre absolut legitim,
diese Möglichkeit als eine von verschiede-
nen Optionen in Betracht zu ziehen.
Filbry:Ich würde es so formulieren:
Volkswagen hat im letzten Jahr sechs Milli-
arden Euro als Gewinn ausgewiesen und
hat auch kein Problem, das Kurzarbeiter-
geld zu beantragen. Die Bundesliga kann
nicht über Nacht 500 Millionen Euro her-
zaubern. Momentan sollen die Vereine an
lokalen Lösungen arbeiten, und wenn das
alles ausgeschöpft ist, setzt man sich noch
mal zusammen: Wo sind die Härtefälle? Wo
sind die existenziellen Notlagen, die nicht
mehr lokal gelöst werden können? Da muss
dann die Solidargemeinschaft greifen.
Ein Saisonabbruch könnte bedeuten, dass
Werder Bremen in der Bundesliga bleibt,
aber wirtschaftlich großen Schaden
nimmt. Weiterspielen kann bedeuten,
dass der Schaden kleiner ist, aber Werder
absteigt. Wie hätten Sie’s denn gerne?
Hess-Grunewald: Die Kumulation von
Saisonabbruch und Abstieg wäre der
schlimmste Fall.
Filbry:Und auch dann wird es uns noch
geben. Aber wir denken positiv, wir zerflei-
schen uns nicht selbst, das hat diesen
Standort immer ausgezeichnet. Diese Stär-
ke haben wir, und aus dieser Stärke ziehen
wir unsere Zuversicht. Wir wollen uns
sportlich in der Liga halten, das ist unser
Anspruch als Sportler. Den Saisonabbruch
will keiner.
Wann erleben wir wieder den Fußball,
den wir kennen?
Hess-Grunewald:Das kann im Moment
keiner sagen.
Filbry:Aber wenn wir wieder Fußball in
einem Stadion mit Zuschauern spielen,
dann wissen wir alle: Wir haben es geschafft.

„Watzke hat da sozusagen
schon mal proaktiv
einen Pflock eingeschlagen“

„Die Situation ist dramatisch,
eine Herausforderung für alle
Vereine – auch für die großen“

„Die Bundesliga kann
nicht über Nacht
500 Millionen herzaubern“

Werder Bremenist der Verein mit der
längsten Zugehörigkeit zur Fußball-
bundesliga, bis auf die Saison 1980/81
waren die Hanseaten stets dabei. In
der ewigen Tabelle sind sie Dritter hin-
ter Bayern und Dortmund.
Hubertus Hess-Grunewald(links), 59,
Rechtsanwalt, ist Präsident des Gesamt-
vereins SV Werder Bremen und Mitglied
der Geschäftsführung in der Profiabtei-
lung, der SV Werder Bremen GmbH &
Co KGaA. Im August feiert er seine
50-jährige Vereinsmitgliedschaft.
Klaus Filbry, 53, ist vor zehn Jahren von
Adidas zu Werder Bremen gekommen
und ist Vorsitzender der Geschäfts-
führung. Er ist der Herr über alles
Kaufmännische. FOTO: IMAGO

FUSSBALLGÖTTER


„Wir müssen hier nicht


morgen zuschließen“


Werder Bremen gehört zu den Vereinen, die von der Corona-Krise
besonders hart getroffen sind. Ein Gespräch über Kreditlinien,
Gehaltsverzicht, Worst-Case-Szenarien – und warum der Klub es für
ausgeschlossen hält, die Saison über den 30. Juni hinaus zu verlängern

DEFGH Nr. 68, Samstag/Sonntag, 21./22. März 2020 HF2 SPORT 37


Werder Bremen


Einer der charakteristischen Bremer Flutlichtmasten beleuchtet des Rasen des Weserstadions. Wann der SV Werder
hier wieder vor Publikum Fußball spielen kann, ist noch völlig unklar. FOTO: ULMER / IMAGO
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