Berliner Zeitung - 21.03.2020

(Rick Simeone) #1

Ländererlassen


Ausgangsverbote


W


ährend amFreitag in
anderen Bundeslän-
dernweitereAus-
gangsbeschränkun-
genverhängtwurden,appelliertBer-
linnochandieVernunftseinerBür-
ger.Bayer nverkündete amFreitag
weitgreifende Ausgangsbeschrän-
kungen.Dieeigene Wohnung darf
nur noch bei „Vorliegen triftiger
Gründe“verlassenwerden,teiltedas
bayerischeGesundheitsministerium
mit. Dazu zählen etwa derWegzur
Arbeit, notwendigeEinkäufe,Arzt-
besuche oder dasTreffen vonLe-
benspartnern.Baumärkte ,Friseure,
Restaurants undGaststätten muss-
ten seit 0Uhr Sonnabendnacht ge-
schlossen bleiben.Sportund Spa-
ziergänge imFreien sind nur noch
alleine oder mitMenschen erlaubt,
mitdenenmanzusammenlebt.
„Wir wollen das Land nicht ein-
sperren“, sagte Ministerpräsident
MarkusSöder(CSU),„aberwirmüs-
sen das öffentliche Leben herunter-
fahren.“DieAppelleandieBevölke-
rung, freiwillig aufGruppenbildung
zuverzichten,hättennichtinausrei-
chendemMaße gewirkt.Bayern ist
neben Nordrhein-Westfalen das
vomCoronavirus am stärksten be-
troffeneBundesland.In Freiburg,in
Hessen, imSaarland und in Rhein-
land-Pfalz gab man ebenfallsver-
schärfte Regelungenbekannt.
Auchin Berlindiskutiertederrot-
rot-grüneSenat auf Initiativevon
GesundheitssenatorinDilek Kalayci
(SPD) eine so weitreichende Be-
schränkung. „SenatorinKalayci hat
dem Senat eine Ausgangssperre
empfohlen, die abgelehnt wurde“,
teilte Lena Högemann,Sprecherin
der Senatsverwaltung fürGesund-
heit,derBerlinerZeitungamFreitag
mit.NachInformationendieserZei-
tung unterstützt SPD-Fraktionschef
RaedSalehKalaycis Kurs.
DerRegierende Bürgermeister
Michael Müller (SPD) lehnte eine
AusgangssperreamF reitagnochab–

VonTanja Brandes,AndreasKopietz undAnnika Leister

53 Menschen sind bislang gestor-
ben.
Beider Frage,wie sinnvoll eine
generelleAusgangssperrewäre, ge-
hen dieMeinungen in derPolitik
auseinander.Die SPD-Vorsitzende
SaskiaEskenistskeptisch.„Ichfinde
die Idee problematisch,weil dann
womöglich der Lagerkoller droht –
vorallem,wennKindermitimSpiel
sind“, sagte sie demHandelsblatt.
DerSPD-GesundheitspolitikerKarl
Lauterbach hält Ausgangssperren
hingegenkaumnochfürabwendbar.
„Ich befürchte,dass wir an Aus-
gangssperren nichtvorbeikommen,
die wir auch länger durchhalten
müssen“, sagte er derAugsburger
Allgemeinen.
Konstantin Kuhle,innenpoliti-
scherSprecherde rFDP-Bundestags-
fraktion,hältes„ineinemKrisenmo-
duswiejetzt“fürangezeigt,die Frei-
heit desEinzelnen einzuschränken.
Allerdings dürften keine Maßnah-
mengetroffenwerden,dieüberden
Krisenmodus hinauswiesen, etwa
beimDatenschutz.
Irene Mihalic, innenpolitische
Sprecherin der Grünen im Bundes-
tag,sagte,Entscheidungenübereine
AusgangssperresollteninjedemFall
lokal und nachBeurte ilung derSi-
tuation vorOrt getroffenwerden.
„Vorher sollten alle milderenMaß-
nahmenausgeschöpftsein,etwadie
SchließungvonCafés.“ Wenn sich
die Virusaus breitung damit nicht
eindämmenlasse,könntenaberbe-
fristete Ausgangsver bote sinnvoll
sein.
Am Sonntagabend will sichBun-
deskanzlerin AngelaMerkel (CDU)
mit den Ministerpräsidenten der
LänderüberweiterenötigeM aßnah-
men austauschen.Regierungsspre-
cher Steffen Seibertsagte,esw erde
eine „schonungslose Analyse“ des-
sengeben,wasdiebereitsgeltenden
Einschränkungen im Land bewirkt
hätten.
PolitikSeite5,LeitartikelSeite

ebensowieGrüneundLinke.Siever-
weisenaufdiesozialenFolgen,wenn
dieBerliner,möglicherweisefür Mo-
nate,sok onsequentinihreWohnun-
geneingesperrtwürden.„Esistnicht
Sorgevorei nerEntscheidung“,sagte
Müller amFreitagabend in der RBB
Abendschau.„EsistSorgevorso zia-
lenFolgen.“
Neue Beschränkungen bereitet
der Senat vor–darunter die kom-
plette SchließungvonRestaurants
und Gaststätte n, sagte Müller.Sie
dürfenseitMittwochnurvon6bis
Uhrgeöffnet haben.Bald soll nur
noch Abholen und Liefernerlaubt
sein. Auch die Größe der erlaubten
Veranstaltungensollweiterherunter
geschraubtwerden.Dürfensichjetzt
noch bis zu 50Menschen treffen,
diskutiertder Senat nun über viel
kleinereGruppengrößen. Ob6oder
10–dasbeschließemanvermutlich
amWochenende ,hießesausderSe-
natskanzlei.

In Schönebergund Tiergarten
waren in denverg angenenTagen
zahlreicheCafés,Imbisse undRes-
taurantsgeöffnet und gut besucht.
Im gesamtenStadtgebiet seien 91
Verstöße gegen das Infektions-
schutzgesetz festgestellt worden,
sagteeinePolizeisprecherin.„Einige
haben noch immer nichtverstan-
den,inwasfüreinerKrisensituation
wir sind, so dass wir zu härteren
Maßnahmen kommen müssen“,
sagteMüller.
Für Berlin meldete dieGesund-
heitsverwaltungamFreitagdeners-
ten Corona-Toten:Ein95-jähriger
Infizierter mit schwerenGrunder-
krankungen sei gestorben. 868Infi-
ziertegebeesmitStandvomFreitag-
nachmittag,44Personendavonwür-
denimKrankenhausbehandeltund
davonwiederum18intensivmedizi-
nisch betreut.In Deutsc hland sind
inzwischenmehrals18400Infektio-
nen mit demCoronavirus bekannt,

GespenstischeStille:BeobachtungeninNewYork– Seiten2und 3


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Sonnabend/Sonntag,21./22. März 2020
Nr.69HA-76. Jahrgang
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Wetter Seite 2

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Abschiedvonder


Lindenstraße


FeuilletonSeite 16

ImMagazin:


Unorthodox
MariaSchraderverfilmtDeborahFeldman
Seiten2und 3

BlühendeLandschaften
WerFarbeimGartenwill,mussjetztsäen
Seite 4

MytheninTüten
PlastiktaschenalsDesign-Artefakte
Seite 10

Supermärkteim


Stresstest


BerlinSeite 11

Tbc-Impfstoff


wirdgegen


Coronaeingesetzt


GroßeStudieandeutschen
Klinikenbeginnt

M


it einemImpfstoff gegen das
Coronavirus wirdfrühestens
in einemJahr ger echnet. Doch jetzt
wollen Mediziner an deutschen Kli-
niken einenTuberkulose-Impfstoff
testen, um besondersGefährdeten
zu helfen und dasGesundheitssys-
tem zu entlasten, bis einCorona-
Impfstoff zurVerfügung steht.Dies
hat die Max-Planck-Gesellschaft
(MPG)amFreitagmitgeteilt.
DerImpfstoffheißtVPM1002und
wurde vonForscherndes Berliner
Max-Planck-Instituts fürInfektions-
biologieentwickelt–aufder Grund-
lage einesVorläufer-Impfstoffs ge-
gen Tbc .Studien zeigten, dass der
Impfstoff auchvorVirusinfektionen
der Atemwege schützen könne,
heißtesausderMPG.EineImpfung
aktiviereoffenbardasImmunsystem
gegeneineVirusinfektion,verringere
die Gefahr schwerer Krankheitsver-
läufeundsenkedieTodesrate.
Derneu entwickelte Impfstoff
wurdebereitsanMenschenerprobt.
Er sei sicher und wirksam, heißt es.
In einer großangelegtenStudie soll
nun an mehreren Kliniken in
Deutschland getestetwerden, ob er
auchgegenCovid-19wirkt.Vorallem
Ältereund Beschäftigte imGesund-
heitswesensollengeimpftwerden.
DieMax-Planck-Gesellschaft
hatteeigenenAussagenzufolge
die Lizenz für denImpfstoff an das
UnternehmenVakzine Projekt Ma-
nagement(VPM)in Hannoververge-
ben. Ab 2012 entwickelte dieFirma
den Impfstoff zusammen mit dem
SerumInstituteofIndiaweiter.(har.)

AfDfordert


Auflösungdes


„Flügels“


VorstandsetztFristbis
EndeApril

D


er AfD-Vorstand fordertvom
rechtsextremen „Flügel“ die
Selbstauflösung bisEnde April. Mit
breiter Mehrheit beschloss derPar-
teivorstandamFreitagin Berlin,von
dem fürSonnabend anstehenden
„Flügel“-Treffen werdeeine Erklä-
rungerwartet,dasssichdieGruppie-
rung bis zum 30.Aprilauflöst. Das
bestätigte ein Parteisprecher der
Nachrichtenagentur AFP.Zuvor
hatte das ARD-Hauptstadtstudio
darüberberichtet.
Demnach stimmten für dieBe-
schlussvorlage elfVorstandsmitglie-
der,esg ab eineNein-Stimme und
eine Enthaltung. Laut ARD-Bericht
stimmte„Flügel“-Chefstratege And-
reas Kalbitz gegen denBeschluss,
der Bundestagsabgeordnete und
„Flügel“-AnhängerStephan Brand-
ner enthielt sich.Nach mehrstündi-
gen Beratungen sei dieVorlage von
den Parteichefs JörgMeuthen und
TinoChrupallasowiedenVorstands-
mitgliedernAliceWeidel,Beatrix von
Storch undCarsten Hütter einge-
brachtworden.
Auszahlreichen westdeutschen
AfD-Landesverbänden war in den
verg angenenTagen dieForderung
gekommen, der Bundesvorstand
müsseMaßnahmengegenden„Flü-
gel“ ergreifen.VergangeneWoche
war die Gruppierung um den Thü-
ringer AfD-Landeschef BjörnHöcke
und Kalbitz vomVerfassungsschutz
als rechtsextrem eingestuft worden.
Damit ist der „Flügel“ Beobach-
tungsobjekt.(AFP)
PolitikSeite 5


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Müller:„SorgevorsozialenFolgen“.


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