Berliner Zeitung - 21.03.2020

(Rick Simeone) #1

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In vielenWohnungseigentümergemeinschaf-
ten (WEGs) stehen in der nächsten Zeit die
jährlichen Eigentümerversammlungen an,
während aufgrund der Coronavirus-Pande-
mie das tägliche Leben immer stärker ein-
geschränkt wird.WieWohnungseigentümer
mit der Situation umgehen können,dazu
hatder VerbraucherschutzverbandWohnen
im Eigentum (WiE)Vorschläge.

Ausfallen lassengeht nicht.Nach demWoh-
nungseigentumsgesetz besteht grundsätzlich
die Pflicht, mindestens einmal jährlich eine
Eigentümerversammlung einzuberufen–es
sei denn, in der Gemeinschaftsordnung ei-
ner WEG ist etwas anderes geregelt (zum
Beispiel, dass die Eigentümerversammlung
nur alle zwei Jahre stattfinden muss). Da die
Eigentümerversammlung das oberste Be-
schlussorgan der Eigentümergemeinschaft
ist und über die wichtigsten Maßnahmen
des kommenden Jahres, den Wirtschafts-
plan und die Abrechnung beschließt, ist dies
die wichtigsteVeranstaltung derWohnungs-
eigentümergemeinschaften. Ausfallen lassen
geht nicht.

Vollmacht erteilen.Weraufgrund der Angst
vor einer Ansteckung nicht persönlich an
der Eigentümerversammlung teilnehmen
möchte,kanninder Regel Miteigentümern,
Beiräten oder (nur im Notfall) demVerwal-
ter oder derVerwalterin eine schriftliche
Vollmacht zur Ausübung seines Stimm-
rechts erteilen.Wohnungseigentümer schau-
en am besten in dieTeilungserklärung oder
Gemeinschaftsordnung ihrer WEG, denn

in ihnen kann es Regeln zur Stimmrechts-
übertragung geben. Vonder Möglichkeit,
das Stimmrecht zu übertragen, sollten ins-
besondere diejenigen Eigentümer,die Er-
kältungssymptome haben oder zu einer Ri-
sikogruppe gehören, Gebrauch machen, rät
der VerbraucherschutzverbandWohnen im
Eigentum (WiE). „In dem Zusammenhang
solltenWohnungseigentümer dem oder der
Bevollmächtigten immer auch konkreteWei-
sung en zum Abstimmungsverhalten geben“,
rät Gabriele Heinrich,Vorstand vonWiE.
„Das ist wichtig!“ So könnenWohnungsei-
gentümer sicher gehen,dasszuden einzel-
nen Anträgen in ihrem Sinne abgestimmt
wird. Über welche Tagesordnungspunkte
abgestimmt werden soll, erfahren sie in der
Einladung zur Eigentümerversammlung.

Verordnungen undErlasse beachten.Da sich
die Vorschriften angesichts der Coronavi-
rus-Krise derzeit täglich ändern, sollten sich
Wohnungseigentümer vor der Eigentümer-
versammlung informieren, ob es zwischen-
zeitlich neueVerfügungen ihrer Kommune
beziehungsweiseVerordnungen oder Erlasse
der Behörden für das Zustandekommen von
Veranstaltungen und Versammlungen gibt
und gegebenenfalls umgehend denVerwalter
und den Beirat auf solche hinweisen.

Sicherheitsvorkehrungen treffen.Am sichers-
ten ist es angesichts der aktuellen Lage,die
Versammlung zu verschieben. Geschieht
dies nicht, solltenWohnungseigentümer im
Vorfeld Vorsichtsmaßnahmen treffen, um
die Ansteckungsgefahr möglichst gering zu

halten. Sie solltenVerwalter und Beirat da-
rum bitten, auf ausreichend freien Platz im
Veranstaltungsraum zu achten,damit der
empfohlene Sicherheitsabstand zwischen
den Anwesenden gewährleistet werden
kann. Um das Ansteckungsrisiko während
der Versammlung zu minimieren, empfiehlt
es sich, Desinfektionsmittel zurVerfügung
zu stellen und auf dessen Benutzung vor Be-
treten des Raumes hinzuweisen.

Online-Versammlung nicht immer möglich.
Eine Online-Eigentümerversammlung
–ausschließlich mithilfe von Telekom-
munikationsmitteln–abzuhalten, ist nur
möglich, wenn dies in der Gemeinschafts-
ordnung vereinbart worden ist. Dies gilt
auch für die Online-Teilnahme einzelner
Wohnungseigentümer an der Eigentümer-
versammlung durch Zuschaltung überVi-
deotelefonie oder Ähnliches.

Beschlüsse möglicherweise anfechtbar.Fin-
detEigentümerversammlung unterVerstoß
gegen behördliche Anordnungen statt,dann
stellt sich die Frage,ob di edort getroffenen
Beschlüsse gerichtlich angefochten werden
können oder gar nichtig, das heißtd ungül-
tig, sind.WiEorakelt hierzu: Gegebenen-
falls sind Beschlüsse dann anfechtbar.Ins-
besondere dann, wenn sie aufgrund einer
anderen Situation oderTeilnehmerzahl mit
anderen Stimmrechtsverhältnissen anders
ausgefallen wären.Allerdings ist aufgrund
der total neuen Situation keine verlässliche
Prognose möglich, wie die Rechtsprechung
solche Fälle bewerten wird. (gkl)

VERSAMMLUNG SCHIEBEN


InZeitenvon Corona: DerVerbraucherschutzverbandWohnen im EigentumhatVorschläge,


wasWohnungseigentümer bei ihrer wichtigstenVeranstaltung des Jahresbeachten sollten


Bild:gettyimages/bernardbodo


Diese Eigentümer wären sich
noch viel zu nah–das birgt ein
Infektionsrisiko.
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