Berliner Zeitung - 21.03.2020

(Rick Simeone) #1

Sport


Berliner Zeitung·Nummer 69·21./22. März 2020 9 *·························································································································································································································································································

Bitte


um


Mithilfe


Füchse-ManagerHanning
schreibtHandballsaisonab

VonCarolinPaul

V


iel Optimismus strahlte Bob
Hanning nicht aus.Mit leicht
verschränkten Armen und ernstem
Blick informierte derGeschäftsfüh-
rerder Füchse amFreitag via Face-
book-Livestream über die aktuelle
Situation bei denBerliner Handbal-
lern–undmachtedabeikaumHoff-
nungfürdielaufendeSpielzeit.
„Wir können davon ausgehen,
dass die Saison keinesfallszu Ende
gespielt wird“, sagte der 52-Jährige
bestimmt. An den bisher angesetz-
ten Termin einerFortsetzung der
Handball-Bundesliga am 23.April
glaube er nicht. Ebenso unwahr-
scheinlichseidieAustragungderFi-
nals imEuropapokal (geplant am
23./24.Mai,Berlin)undimDHB-Po-
kal(verschobenaufden27./28.Juni,
Hamburg).Zu viele Spiele seien bis
dahin nachzuholen, zu groß sei die
Wahrscheinlichkeit, dass dieCoro-
nakrise länger anhalte als nur noch
einen Monat. Auch den Glauben an
dasauf JuniverlegteOlympia-Quali-
fikationsturnier inBerlin beurteilte
Hanning als unrealistisch.Daslässt
tief blicken.Denn nach derAbsage
der Fußball-EM in diesemJahr ist
eineVerschiebungderSpielein Tokio
nichtmehrunvorstellbar.


RücklagenfürdenKrisenfall

Wassich im Sinne derGesundheit
der Gesellschaft als naheliegender
Schritt erweist, birgt fürVerbände
undVereineindeseinebesonderefi-
nanzielleHerausforderung.Ticket-
verk äufe undSponsorengelder ent-
fallen ebenso wie eingeplanteFern-
seheinnahmen.DieFüchse betref-
fend ist derGeschäftsführer jedoch
zuversichtlich:„Wir haben den gro-
ßen Vorteil, dass wir nie unter dem
Motto,GierfrisstHirn’gearbeitetha-


Das Gesicht der Lage angemessen: Bob
Hanning sieht ernst aus. DPA


ben.“HanningzufolgeseienRückla-
gen angelegt worden und man sei
„grundsätzlich gesund aufgestellt“.
Um die momentane Krise bewälti-
genzukönnen,bedürfeesallerdings
der Unterstützung vonPartnern,
Sportlern, Staatund Fans.Schonvor
ein paarTagen hatteHanning im
Zugeder KonferenzderBundesliga-
Klubs betont, dass er einEntgegen-
kommen derSpieler erwarte,und
über einen möglichenGehaltsver-
zicht gesprochen. „Es geht nur mit
den Spielern“, bekräftigteHanning
diesenGedankennunundergänzte,
dass es diesbezüglich in der kom-
mendenWoche hoffentlich positive
Nachrichtengäbe.
Einegute NachrichtkonnteHan-
ningimmerhinvermelden.DieNati-
onalspielerSilvio Heinevetter,Paul
Drux und FabianWiede seien nicht
mitdemCoronavirusinfiziert.Nach
demDHB-LehrganginAschersleben
befanden sich die drei inQuaran-
täne,dader Mannheimer Jannik
Kohlbacher positiv auf SARS-CoV-
getestet worden war.Nachdem die
Rhein-NeckarLöwenseitherweitere
Krankheitsfälle bekunden mussten,
konnte bei denBerlinernkeine An-
steckung nachgewiesen werden.
ZumGesundheitszustandderande-
renFüchse-Spieler äußerte sich
Hanningnicht.


NACHRICHTEN


Virologe: Profifußball dieses
Jahr unrealistisch

FUSSBALL.DerVirologe Jonas
Schmidt-Chanasiterwartet,dass
wegender Corona-Pandemienicht
mehrindiesemJahrProfifußballge-
spieltwird.„Ichgehefestdavonaus,
dasseserstwiederimnächstenJahr
stattfindenkannindemUmfang“,
sagtederMedizinerdesBernhard-
Nocht-InstitutsfürTropenmedizin
inHamburgimN DR-Fernsehen.Die
DeutscheFußballLigahatdie1.und
2.Bundesligavorerstbiszum2.April
ausgesetzt.Gerechnetwirdaberda-
mit,dassfrühestensimMaidieSai-
sonmitSpielenohneZuschauer
fortgesetztwerdenkönnte.„Ich
glaube,esistnichtrealistisch,dass
dieSaisonzu Endegeführtwerden
kann“,sagteSchmidt-Chanasit.„Wir
sehenja,wiedieSituationistinEu-
ropaundwasunsnochbevorsteht.“

Eisbären verabschieden
fünfweitere Spieler

EISHOCKEY.NebenKapitänAndré
Rankelwerdenauchmindestens
fünfweitereSpielerdieEisbären Ber-
linnachderabgebrochenenSaison
inder DeutschenEishockeyLigaver-
lassen.Louis-MarcAubry,Florian
KettemersowiediedreiTorhüterSe-
bastianDahm,MarvinCüpperund
JustinPoggenehmenAbschied.PC
Labrie ,LandonFerrar o,JamesShep-
pardundVincentHesslerbesitzen
derzeitkeinenlaufendenVertrag,es
gibtabernochVerhandlungenmit
demQuartettübereineweitereZu-
sammenarbeit.

Goretzka und Kimmich
geben und sammeln Geld

Die Geste zur Aktion: Leon Goretzka sam-
melt Geld in der Coronakrise. DPA

FUSSBALL.DieNationalspieler
LeonGoretzkaundJoshuaKimmich
habenmiteinerEigenbeteiligung
voneinerMillionEuroeineInternet-
PlattformzurBewältigungderCoro-
nakriseinsLebengerufen.Mitder
Initiative„WeKickCorona“sollkari-
tativen,sozialenodermedizinischen
Einrichtungengeholfenwerden,die
aufgrundderPandemieaufsofortige
Hilfeangewiesensind.„Corona
schlagenwirnurimTeam“,teilteGo-
retzkamit,jetztseiSolidaritätim
KleinenwieimGroßennotwendig,
ergänzteKimmich.„AlsProfi-Fuß-
ballerführenwireingesundesund
privilegiertesLeben.Dahersehen
wirunsindieserschwierigenZeit
verpflichtet,Verantwortungzuüber-
nehmen.Gebenundgegenseitighel-
fenistdasGebotder Stunde“,teilten
diebeidenNationalspielermit.

Alba Berlin lässt Ausländer
im Team nach Hause reisen

BASKETBALL.BundesligistAlbaBer-
linhatseinenausländischenProfis
freigestellt,währendderCoronavi-
rus-KriseinihreHeimatzureisen.
„DankeAlba,dassihrmirundmei-
nerFamilieindieserZeiterlaubt,zu-
rückzukehren“,twittertederameri-
kanischeAufbauspielerPeytonSiva
ausdenUSA.Auchderisländische
ProfiMartinHermannssonreiste
vorerstinseinHeimatland.DieBas-
ketball-BundesligaderMännerhatte
ihren Spielbetriebwegender Coro-
navirus-Pandemievorguteiner Wo-
chebisaufWeiteresausgesetzt.Etli-
cheKlubssehensichdurchdieKrise
inihrer Existenzbedroht.

WirbelwindinPink


Die Geschichte(n)macher


DerSportistkeinPerpetuummobile,


dassichausSelbstzweckdreht.EinViruslehrtuns


das.NehmenwirunsalsodieZeit:FürGeschichten,


dieofthinterdemOffensichtlichenzurückstehen.


Serie,Teil5:MeganRapinoe


M


egan Rapinoe weiß
sich in Szene zu set-
zen.AufdemFußball-
feld führtdas meist
dazu, dass dieReporter lauter kom-
mentieren, schneller sprechen, un-
kontrollierter,umd ann, wenn die
FußballerinzumSchussansetzt,den
BallmitunglaublicherPräzisionzur
Mitspielerinpasst,ihnindenWinkel
knalltoderdenElfmeteranderTor-
frau vorbei ins Netz zirkelt, zu brül-
len:„Rapinoooe,whataWorldCup“,
wie im verg angenenSommer.Oder
einfach: „Rapinoooe,absolutely
wonderful!“
Megan Rapinoe,diese dünne,
drahtigeMiss F*ck you, fegte durch
die Fußball-Weltmeisterschaft in
Frankreich wie ein wild, nein, pink
gewordenerWirbelwind.IhrAuftritt
und alles,was darum herum pas-
sierte ,brachte der amerikanischen
Mittelfeldspielerin 2019 weltweit
wohl mehrAufmerksamkeit ein als
irgendeinemanderenAthleten.
FünfSpiele,sechsTore,WM-Titel
Nummerzwei.Die34-Jährigeerhielt
den Goldenen Ball als besteSpiele-
rin, den Goldenen Schuh als beste
WM-Torschützin, wurde Weltfuß-
ballerindesJahresundvomprestige-
trächtigenUS-MagazinSports Illust-
ratedals SportlerindesJahresausge-
zeichnet.

KonfrontationmitTrump
Dasmit der Aufmerksamkeit lag
nichtnuranRapinoesArt,TeamUSA
mitzureißen, zum Weltmeistertitel
zu führen und ihren pink gefärbten
Haaren,sondernauchandemtrotzi-
gen „F*ck you“, das sie Donald
Trump und allem, was sie für falsch
oder ungerecht hält, entgegen-
schleuderte.Strahlkraftbekamdiese
Mixtur mit demErfolg der US-Fuß-
ballerinnen inParis, wo sich Frank-
reichsPräsidentEmmanuelMacron
während derSiegerzeremonie mit
Rapinoebesondersengagiertunter-
hielt.
„AufvielerleiWeisewarsieunser
GesichtindiesemJahr“,sagteNatio-
nalmannschaftskolleginBecky Sau-
erbrunnüberihreTeamkollegin.„Sie
war schon immer einStar.Sohabe
ich sie schon immer gesehen.Und
2019 konnte jeder anderedas auch
sehen.Siehatnieetwasanderesge-
tanalsdas,woransieglaubt.“
WoranglaubtMeganRapinoeaus
Redding inKalifornien, aufgewach-
senmitfünfGeschwistern,darunter
Zwillingsschwester Rachael, am
nördlichen Ende des Sacramento
Valley als Tochter eines ehemaligen
Soldaten der US-Army,der zu den
Trump-Wählernzählt? AnSolidari-
tät. UndanP rotest. Dasmachte sie
deutlich,alssie2016vorSpielenmit

dem US-Nationalteam bei der
Hymneniederkniete.So,wiees Foot-
baller Colin Kaepernick zuvor getan
hatte,umg egendiePolizeigewaltge-
genSchwarzezudemonstrieren.Ei-
nenJobhatder Quarterbackseither
nirgendsmehrbekommen.Rapinoe
schweigt dagegen noch immer,
wenn die Hymne ihres Landes im
Stadiongespieltwird.BeiderWMin
Frankreichtatsiedasauch,trotzdem
sieihrLandliebt.
RapinoeglaubtanGleichberech-
tigung,gleicheChancen,gleicheBe-
zahlung. Also kämpft sie fürEqual
Pay. Deshalbverk lagtendieUS-Fuß-
ballerinnen ihren eigenenVerband,

am Weltfrauentag.DerFall wir dals
Sammelklageverhandelt. „Ich bin
mehr als eineFußballerin.DasGe-
fühl,etwasnichtzusagen,dasfalsch
läuft, ist für mich so viel schlechter
alsalles ,waspassierenkönnte,wenn
ichaufstehe“,sagtRapinoe.
SieistdieersteaktiveProfifußbal-
lerin in den USA, die sich bekennt,
lesbisch zu sein.Ihre Fre undin Sue
Bird,alsBasketballerineinederbes-
tenSpielmacherinnendernordame-
rikanischen Basketballliga WNBA,
gewann bislang vierGoldmedaillen
bei Olympia 2004, 2008, 2012 und


  1. Rapinoe wurde mit dem US-
    Team2012inLondonOlympiasiege-
    rin.„WirsinddiegrößtenFansvon-
    einander“, sagtRapinoe.Sie setzt
    sich seitJahren für die Lesben- und
    SchwulenbewegungindenUSAein,


Aus „Freude amTrotz“: So hat Fußball-Weltmeisterin Megan Rapinoe ihrePose genannt, dieweltweit berühmt geworden ist. IMAGO IMAGES/JOSE BRETON

VonKarin Bühler

auchsoeinThema,dasnichtdasvon
DonaldTrumpist.
Vorigen Sommer forderte sie,im
Grunde unbeabsichtigt,Trump di-
rektheraus.Ine inemInterviewsagte
Rapinoe auf einen möglichen WM-
TriumphundeineEhrungbeimPrä-
sidentenangesprochen:„I’mnotgo-
ingtothef*ckingWhiteHouse.“
nach ihrem erstenWM-Titel war sie
dortgewesen. BarackObamasEinla-
dungfolgtesiedamalssehrgerne.
SueBirderzählte,dass sie und
MegandaheimausallenWolkenfie-
len, als Trump sich offenbar ange-
piekst sah, eine Antwortzuz wit-
schern:Er sei ein großerFandes

„Sie war schon immer einStar.


So habe ich sie schon immer gesehen.


Und2019 konnte jeder andere


das auch sehen.“


Becky Sauerbrunnwusste offenbar schon eineganze Weile, was sie im US-Team und
auch sonst an ihrer Mitspielerin Megan Rapinoe hat.

amerikanischenTeams,aber „Me-
gan sollte zuerst GEWINNEN bevor
sieREDET!BeendedeinenJob!“
SueBirdschriebineinemlangen
Text für „ThePlayer ’s Tribune“ vor
demHalbfinalevondemDruck,un-
ter dem ihreFreundin während der
WM stand.Unter demDruck, Leis-
tungzubringenunterderBeobach-
tung der Anhänger,der Gegner,der
Bewunderer,derHasser.
Rapinoeseisensibel,empfindlich
wie andereauch, „aber sie macht
ihreSachen in ihrem eigenenver-
dammten Rhythmus und sie wird
sich bei genau NIEMANDEM dafür
entschuldigen.“BirdsText trug die
Überschrift: „Sothe president
F*cking Hates My Girlfriend“.Rapi-
noe gab ihreAntwort, mit ihrenTo-
ren, mit demTitel, mit einerGeste:

Kari nBühler
übtdie GestevonMegan
Rapinoe noch.

Während des Halbfinalspiels der
WM gegen dieGastgeberinnen aus
Frankreich erfand sie einePose,die
um die Welt ging, die Eindruck
machte,diskutiertwurde .Sieschoss
beideTore beim2:1-SiegderAmeri-
kanerinnen, und nach jedem ihrer
Treffer lief sie strahlend und stolz
übers Feld, Kinn nach hinten,Brust
heraus ,denrechtenArmseitlichge-
reckt, den linken schrag nach oben
gebreitet. Arme wieFlügel, frei, wie
ein Vogel am Horizont, eineFrau,
stolzdarauf,MeganRapinoezusein.

„Wirmüssenmehrlieben“
DieGesteundallerTrotz,alle Aufleh-
nung, die in ihr mitschwingt, ist ge-
blieben, weltweit. Fußballerinnen
aus Collegeteams wie dem derBur-
lington High School machten die
Gestenach,währendsieT-Shirtsmit
derBotschaft#EqualPaytrugen.
Schon vordieserWM war sie ein
gerngeladenerGastinTalkshows ,oft
fotografiertauf TitelseitenvonMa-
gazinen.Danach wurde sie anders
gehört.„DieWMgabdenLeutenei-
nen Anstoß“, sagtRapinoe.Bei der
Siegesfeier lautete ihreBotschaft:
„Wir müssen besser sein.Wirmüs-
senmehrlieben undweniger has-
sen. Dasist die Verantwortungvon
jedermann.“
Rapinoe provoziertweiter.Sie
trägteinegoldeneRolex,diesiesich
als Belohnung für denWM-Titel ge-
kauft hat.Sieredet absichtlich über
Geld,sowieesmancheMännertun.
Siesei nicht arm, sagt sie.Aber sie
verdienenochimmerwenigeralsdie
männlichenFußballer,die weitaus
wenigererfolgreichsind,inderMa-
jorLeagueSoccer vonweitausmehr
Sponsoren unterstützt werden als
dieFrauenderUS-Liga.
RapinoebleibtRapinoe.AufTwit-
ter teilte sie zuletzt eine Liste der
Aussag en vonDonald Trumpüber
das Coronavirus ,die der frühere
NBC-KorrespondentGeoffBenne tt
chronologisch zusammenstellte.
DerThrea dbeginnt imJanuar mit
demSatz:„Wirhabenallestotalun-
ter Kontrolle.“Er endet mit Donald
Trumps Aussage: Er habe schon
langebevorvoneinerPandemiedie
Rede war ,gefühlt, dass es um eine
Pandemiegehe.RapinoesKommen-
tar:„Dasist ei nsehrwichtiger und
schrecklicher Thread.Holt dich das
Lebenein?“

Lesen Sie inTeil 6:Raheem Sterling kämpft als
engagierter Fußballprofigegen Rassismus.
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