Der Standard - 21.03.2020

(Ron) #1

Samstag, 21. März 2020 AlbumA7


D


ie internationale Be-
kanntheit Gustav Klimts
spiegelt sich bisweilen
auch in der Filmbranche.
Sei es über Raoúl Ruiz’ Filmpor-
trät (2006), in der Klimt (John Mal-
kovich) am Totenbett sein Leben
Revue passieren lässt. OderDie
Frau in Gold(2015) in der Regie
von Simon Curtis, ein Spielfilm,
der die Causa Bloch-Bauer und
den Kampf um die Rückgabe meh-
rerer Klimt-Gemälde skizziert.
Dass in diesen Filmen (reprodu-
zierte) Werke des Künstlers zu se-
hen sind, ist nachvollziehbar. Ver-
einzelt entdeckt man sie aber auch
unerwartet und ohne erkennbaren
Zusammenhang zudemjeweiligen
Film. Solche Auftritte sind symbo-
lischer Natur und währen nur we-
nige Sekunden: etwa inOcean’s
Twelve(2004) oder aktuell in einer
Folge der Amazon-SerieHunters.
FürOcean’s Twelve(Regie Ste-
ven Soderbergh) bedarf es zum
Verständnis einer Rückschau auf
den ersten Teil (Ocean’s Eleven,
2001), in dem Danny Ocean
(George Clooney) und sein Team
dem Kasinoeigner Terry Benedict
(Andy Garcia) in einem Coup 160
Millionen Dollar abknöpfen. In
der Fortsetzung hatte Benedict die
Identität der Täter herausgefun-
den und forderte die Rückzahlung
samt Zinsen, obwohl seine Versi-
cherung für den Schaden aufge-
kommen war.


Trophäe bei „Oceans Twelve“


Das Geld wird von Ocean und
Co über ein weiteres Husaren-
stück aufgetrieben. Im Epilog er-
hascht man im Moment der
Scheckübergabe (198.427.084,32
Dollar) an Benedict einen Blick
auf ein Kunstwerk im Hinter-
grund: Gustav Klimts legendäres
goldenes Bildnis der Industriel-
lengattin Adele Bloch-Bauer. As-
soziativ muss man eine Reproduk-
tion aufgrund des Vermögens des
Kasinobosses wohl ausschließen.
Eher dürfte er sich die Original-
Trophäe als Trost für all den Är-
ger gegönnt haben, finanziert über
Schadensersatz der Versicherung.
Bemerkenswert ist „Adeles“
Auftritt jedoch aus zeitlicher Per-
spektive. Denn der Film kam im
Dezember 2004 in die Kinos, als
das Porträt der 1925 Verstorbenen
noch im Belvedere hing. Es gehör-
te zu einer Gruppe von insgesamt
fünf Klimt-Gemälden, die einst
dem Zuckerindustriellen Ferdi-
nand Bloch-Bauer gehörten, des-
sen Sammlung in der NS-Zeit be-
schlagnahmt worden war. Eine
Rückgabe blieb seinen Erben Jahr-
zehnte verwehrt.
Zuletzt hatte sich der Kunst-
rückgabebeirat im Juni 1999 da-
gegen ausgesprochen. Die Causa
landete namens der Erben vor Ge-
richt, zuerst in Österreich und
später in den USA. 2004 lief der
Disput noch auf Hochtouren, ein
Ende war nicht absehbar. Ver-
gleichsverhandlungen scheiter-
ten, bis sich die Erben und die Re-
publik auf ein Schiedsverfahren
einigten. Im Jänner 2006 fiel das
Urteil zugunsten der Rückgabe.
DasimLaufedesVerfahrenszur
„Mona Lisa der Moderne“ stilisier-
te Porträt von 1907 verkauften die
Erben um 135 Millionen Dollar an
Ronald Lauder. Seither hält die
„Golden Lady“ in der „Neuen Ga-


Kunstmarkt AlbumA7


von einer Wand nimmt. Die Fik-
tion trifft dabei auf eine histori-
sche Realität. Das Gemälde wurde
1938, zusammen mit dem gesam-
ten Vermögen der damaligen
Eigentümerin, zur Deckung der
Reichsfluchtsteuer vom Finanz-
amt Innere Stadt per Exekution
eingezogen und 1941 vom Doro-
theum versteigert. Im Depot eines
Nazis befand sich das Bild jedoch
nie, wie die Provenienzgeschich-
te zeigt, die mit der Dargestellten
beginnt.

Sammlung Jenny Steiner
Dabei handelt es sich um die
Tochter von Otto Primavesi, ein
Bankier, Industrieller und Mäzen
von Anton Hanak oder Gustav
Klimt. Das von ihm beauftragte
Bildnis seiner Tochter Gertrude,
genannt Mäda, ist nicht mit dem
1913 gemalten ihrer Mutter Euge-
nia, deren Spitzname ebenfalls
Mäda lautete, zu verwechseln.
Nach Ottos Tod 1926 trennten
sich die Wege der beiden Gemäl-
de. Jenes von Eugenia blieb im Be-
sitz der Familie und wurde 1987
über Sotheby’s für 3,85 Millionen
versteigert.
Jenes von Mäda und andere
Klimts der Primavesis übergab
man vorerst zur Verwahrung bei
einem Freund. Ab 1928 und im
zeitlichen Umfeld der damaligen
Gedächtnisausstellung des Künst-
lers in der „Neuen Galerie“ (Wien)
standen sie zum Verkauf. Das
Bildnis von Mäda gelangte in die
Sammlung von Jenny Steiner,
einer aus Budapest gebürtigen
und seit 1922 verwitweten Sei-
dentuchfabrikantin.
Wie auf Basis von Sophie Lillies
Recherchen beschrieben und in
ihrem Handbuch der enteigneten
Kunstsammlungen Wiens (Was
einmal war,Czernin Verlag 2003)
nachzulesen, hatten sich Jenny
Steiner nach dem Zweiten Welt-
kriegnichtnurum dieAuffindung
ihrer Kunstsammlung, sondern
auch um deren Rückgabe bemüht.
Bis zu ihrem Tod 1958 mit minde-
rem Erfolg.
Mäda Primavesi war bei der Do-
rotheums-Auktion 1941 von den
Städtischen Sammlungen für
2200 Reichsmark ersteigert wor-
den. Das Rückstellungsverfahren
verlief erfolglos, im Dezember
1948 lehnte das Oberlandesge-
richt Wien in letzter Instanz eine
Rückgabe ab. Dass das Gemälde
dennoch wieder in den Besitz der
Familie Steiner kam, ist–inder
Kurzfassung–einem Glück ge-
schuldet. Konkret dem von 1949
bis 1967 amtierenden Direktor des
„Historischen Museums“ Franz
Glück, der sich, quasi in informel-
ler Anerkennung der Ansprüche,
um eine Lösung bemüht hatte.
Vorerst gastiert das Gemälde als
Leihgabe im Museum, 1951 kehrt
es –gegen ein Vorkaufsrecht–zur
Familie zurück, erklärt Lillie.
1964 gelangt Mäda in den Bestand
des Metropolitan Museum of Art:
über eine Schenkung von André
und Clara Mertens, in Gedenken
an ihre Mutter Jenny Steiner. Wie
es zum Kurzauftritt beiHunters
kam, bleibt vorerst ungeklärt. An-
fragen an das Museum in New
York blieben unbeantwortet, und
die Verantwortlichen von Ama-
zon „können“ sich auf Nachfrage
„hierzu nicht äußern“.

KlimtsFilmsekunden


Gustav Klimts Bekanntheit blieb auch in derFilmbranchenichtunbemerkt. Den Ruhm nährten


Rekordergebnisseaufdem Kunstmarkt: vorallemfür in der NS-Zeit enteignete und später


restituierteWerke, die zum Teil unerwartetin„Nebenrollen“ zu sehensind.


lerie“ (New York) Hof. Der Kauf-
preis war damals der weltweit
höchste je für ein Kunstwerk be-
zahlte und hievte Klimt-Werke in
die Top-Liga des internationalen
Marktes.
Im Falle der jüngst angelaufe-
nen US-amerikanischen Serie
Huntersgibt in der vierten Folge
der ersten Staffel ein etwas weni-
ger bekanntes Gemälde von Gus-
tav Klimt sein Filmdebüt: das
1912/13 entstandene Porträt von
Mäda Primavesi aus dem Bestand
des Metropolitan Museums of Art
(New York).
Huntersspielt im New York des
Jahres 1977, wo eine Gruppe einst
vom NS-Regime Verfolgter Nazis

jagen, die sich der Bestrafung für
ihre Verbrechen entzogen haben.
Letztere infiltrieren sowohl Insti-
tutionen als auch die Regierung,
um ein „Viertes Reich“ zu errich-
ten.

Mädassymbolischer Auftritt
„Inspiriert von wahren Bege-
benheiten“, so Amazon. Die Idee
dazu hatte Schauspieler David
Weil,derdurchdieGeschichtesei-
ner Großmutter inspiriert wurde,
eine Überlebende der KZs Ausch-
witz-Birkenau und Bergen-Belsen.
TeilsschriebWeildieDrehbücher,
teils schriebenauch andereAuto-
ren daran. Jenes zur vierten Folge
Fromme Diebeschrieb Mark Bian-

culli. Darin geht es um einen fikti-
ven Schweizer Bankier namens
Frederic Hauser (John Noble), der
sein Imperium mit jüdischemHab
und Gut errichtete und noch im-
mermitNaziskooperiert.Beiihren
Nachforschungen stoßen die Nazi-
jäger rund um Mayer Offermann
(Al Pacino) im Keller der in New
York angesiedelten „Zürich inter-
national World Bank“ auf ein rie-
siges Depot von Antiquitäten, Ju-
welen und Kunstwerken,die einst
jüdischenBesitzern gestohlen
wurden.
Eine in dieser Sequenz einge-
spielte Rückblende zeigt den Mo-
ment, in dem ein Gestapo-Mann
das Porträt von Mäda Primavesi

Olga Kronsteiner

Bei „Hunters“ (2020) pflückenNazis Klimts Porträt Mäda Primavesis vonder Wand,bei „Ocean’s
Twelve“ (2004) konnte man einen Blick auf das legendäre Bildnis von AdeleBloch-Bauer erhaschen.

Fotos: Metropolitan Museum of Arts, Neue Galerie (New York), Screenshots „Hunters“ (Amazon Prime),

„Ocean’s Twelve“ (Warner Bros.)
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