Der Standard - 21.03.2020

(Ron) #1
Februar 2020(vorCorona,Anm.)

Es ist vollbracht, ich erobere Gorilla-Guerilla-
mäßigdiese Stadt, die auch nur viele Dörfer ist.
Von Greenwich bis zur Bronx wird eins nach
dem anderen durchschritten. Und auch der
Bauernroman, der tatsächlich hier zu entstehen
scheint, blüht und gedeiht prächtig.
Provinz ist, wo ich bin, würde ich mal sagen.
Es grüßt aus der Ferne

Daniela Emminger

Daniela Emmingerist 1975 geboren und war mit „Gemischter
Satz“ (Czernin, 2016) auf der Longlist des Österreichischen
Buchpreises. Zuletzt erschien ihr Roman „Kafka mit Flügeln“
(Czernin 2018).

Wien,21.März2021–HeutezuMit-
tag haben Bundeskanzler Sebas-
tian Kurz (ÖVP), Wirtschaftsmi-
nisterin Margarete Schramböck
(ÖVP) und die grüne Umweltmi-
nisterin und CO 2 -Ausschuss-Vor-
sitzende Leonore Gewessler in
einer kurzfristig einberufenen
Pressekonferenz die Klimaschutz-
notverordnung 2021 (KliNo) be-
kanntgegeben, die am 1. April
2021 in Krafttreten soll. Das Pa-
ket der türkis-grünen Regierung
gehtmitallernötigenKonsequenz
gegen die fortschreitende globale
Klimakrise vor und erinnert mit
seinen zum Teilharten Maßnah-
men, die von Bund, Land, Ge-
meinde,Baupolizei, Klimamiliz
und CO 2 -Ausschussrigor os um-
gesetzt werden sollen, an das tem-
poräre „Corona-Gesetz“,das vor
genau einem Jahr als Reaktionauf
die sichausbreitende Krankheit
Covid-19 vom Nationalrat verab-
schiedet wurde.
NebendiversenKonsumkontin-
gentierungen von nicht täglich be-
nötigten Gebrauchsgütern pro
Kopf, drastischen Einschränkun-
gen im privaten und beruflichen
Luftverkehr sowie verschärften
Vorschriften für Industrie und Lo-
gistik, die anhand eines 24-mona-
tigen Stufenplans mithilfe von
EU-Geldern aus dem kürzlich be-
schlossenen Förderpaket „Pro-
ClimActive“ Schritt für Schritt
umgesetzt werden, betrifft eine
ganze Reihe von Maßnahmen den
Wohn- und Bausektor.
Vorbild für das Maßnahmenpa-
ket ist unter anderem die soge-
nannte 2000-Watt-Gesellschaft –
ein interdisziplinäres, energie-
politisches Modell der ETH Zü-
rich, das in der Schweiz bereits
seit mehreren Jahren Anwendung
findet und das den Lebensstil und
die durchschnittliche Pro-Kopf-
Leistungbis2050vonderzeit2500
Watt (globaler Mittelwert) bzw.
6000 Watt (EU-Durchschnitt) auf


2000 Watt reduzieren soll. Hier
die wichtigsten branchenbezoge-
nen Punkte der KliNo 2021 im
Überblick: –

WIRTSCHAFTSUMBAU
Die Umstellung der österreichi-
schen Betriebe der Baubranche
auf Klimaneutralität verlangt eine
umfassende Adaptierung von Sor-
timenten, Lieferketten, Produk-
tionsprozessen, Arbeitsabläufen
und eine alternative Schwer-
punktsetzung bei den zu bewälti-
genden Bauaufgaben. Die Bundes-
regierung unterstützt diese Um-
stellung mit einer Milliarde Euro,
die zusätzlich zu den Geldern aus
dem EU-Fonds ProClimActive zur
Verfügung gestellt werden.

MEMORANDUM FÜR
BAULANDWIDMUNG
Mit sofortiger Wirkungwerden in
den nächsten zehn Jahren keine
Baulandwidmungen mehr vorge-
nommen. Die Versiegelung in be-
stehenden Siedlungsgebieten ist
auf das absolut notwendige Mini-
mumzu reduzieren. Siedlungs-
grenzen sind einzuhalten.Über
Widmungen entscheidet ab sofort
nicht mehrdie bürgermeisterli-
che Instanz, sondern Bundund
Land.

VERSIEGELUNGSSTOPP
Sofortiger Versiegelungsstopp im
ländlichen Raumund in städti-
schen Grünzonen. Systemerhal-
tend notwendige Versiegelungen
dürfen nur nochmit einerent-
sprechenden Ersatz-Entsiegelung
in zumindest gleichem Flächen-
ausmaß vorgenommen werden.
Zur Bewertung von Ver- und Ent-
siegelungsansuchen wird ein un-
abhängiger Flächenbeirat einge-
richtet.

SANIERUNG UNDRÜCKBAU
Brachliegende Immobilien sind
vom Grundeigentümer entweder

zu
bringe
entsiege
bau- und
sen bei Plan
Verkauf tran
ziert und in d
berechnung ohne
einbezogen werden.

REDUKTION VON NEUBAU
Neubau ist auf das nach
Notwendige zu beschränken.
potenzielle Gebäudemindestn
zungsdauer von 100 Jahren sow
ein flexibles Nachnutzungskon-
zept sind nachzuweisen. Zuguns-
ten künftiger Sanierungszyklen
sind Gebäudestruktur, Fassade,
Haustechnik und Interieur modu-
lar bzw. voneinander leicht trenn-
bar auszuführen.

VERBOT VON
VERBUNDBAUSTOFFEN
Sofern materielleund technische
Alternativen am Markt verfügbar
sind,istderEinsatzvonnichttrenn-
baren und nichtrecyclingfähigen
Verbundbaustoffen im Hochbau
verboten.Lokalen und ökologi-
schen Baustoffenmit regionaler
Wertschöpfungskette und leichter
Demontage sowie Rezyklierbarkeit
ist der Vorrang zu geben.

VEREINHEITLICHUNG
DER BAUORDNUNG
Zugunsten der Praktikabilität der
Umsetzung werden alle neun Lan-
desbauordnungen–mit Ausnah-
me von boden-, wind- und nieder-
schlagsrelevanten Faktoren–zu
einer österreichischen Bauord-
nung (ÖBO) zusammengeführt.

NOVELLE STELLPLATZNACHWEIS
Die Notwendigkeit der Errichtung
eines Pkw-Stellplatzes ist nachzu-
weisen. Ohne entsprechenden
Nachweis dürfen nur noch Stell-
plätze für einspurige Fahrzeuge
und/oder Elektrofahrzeuge samt

Je
gebe
mecha ß-
nahmen ende
Gebäude ekom-
mender Sa aßnahmen
nachgerüstet en.Bei grün-
derzeitlichen nd denkmalge-
schützten Bauten ist ein Schat-
tengutachtenbezüglichder Er-
haltungswürdeunddesVerschat-
tungsbedarfsnachzuweisen.

HEIZEN UND KÜHLEN
Der gesamte Wärme-, Kühl- und
Lüftungsbedarf für die Nutzung
von Wohnen, Büro und Gewerbe
ist im Niedertemperaturbereich
bzw. verbrennungsfrei zu decken.
Der elektrische Energiebedarf für
diese Nutzungen ist erneuerbar
undnachMöglichkeitlokalherzu-
stellen.

SMART GRIDS
Um Bedarfsspitzen abzudecken
und die Netze zu entlasten, wird
die Errichtung von Smart Grids
mit Mitteln von ProClimActive
gefördert. Heterogene Nutzungs-
zusammenschlüsse aus unter-
schiedlichen Assetklassen (Woh-
nung, Büro, Hotel, Gastgewerbe,
Bildungsbau, Industrie, Infra-
struktur) sind aus Effizienzgrün-
den zu bevorzugen. Öffentliche

d
llig
taffelte
ubaumaß-
zierten und/
rgiequellen, bei
esetzten Maximal-
gehenden Energiever-
engen sowie im Erwerb
er Bewohnen von neu er-
ten Einfamilienhäusern.

ENERGIEVERBRAUCH
Der jährliche Normenergiever-
brauch wird abhängig von Haus-
haltsgröße, Warmwasseraufberei-
tung und Heiz- und Kühlbedarf
auf einen entsprechenden Maxi-
malwert festgesetzt. Darüber hi-
nausgehende Verbrauchsmengen
werden CO 2 -besteuert. Bis Jahres-
ende müssen alle Haushalte und
sonstige Miet- und Eigentumsver-
bände mit Smart Metern ausge-
stattet werden.

MIET- UNDEIGENTUMSRECHT
Die Mietzinsrücklagenbildung
umfasst ab sofort auch Maßnah-
men zur thermischenund klima-
gerechten Sanierung. Eine qualifi-
zierte Mehrheit an Gemeinschafts-
eigentümern reicht aus, um Ver-
besserungsmaßnahmen im Sinne
des Klimaschutzes umzusetzen.
Bei langfristigem Leerstand im
Mietwohnbau (ab sechs Monaten)
undlokalemWohnbedarffällteine
Leerstandsabgabe in der Höhe von
20ProzentdermarktüblichenMie-
tean.DieLeerstandsabgabeerhöht
sich allesechs Monate um weitere
20 Prozent.

DerAutor hat sich beimVerfassender
fiktiven Klimaschutznotverordnungvon
Expertinnenund Experten beraten lassen. Illustration: Czaja

Die rigorosen Maßnahmen gegen die Corona-Kri


beweisen, dass wir in der Lage sind, unser


Verhalten zu ändern. Was wäre, wenn sich die


Bundesregierung der Klimakrise mit der gleiche


Konsequenz entgegenstellte wie dem Coronaviru


Was, wenn eines Tages ähnliche Maßnahmen i


Bauen und Wohnen getroffen würden?


Ein Bericht aus der Zukunft.


Klimaschutz


VISION:Wojciech Czaja

New York City


Von Daniela Emminger

LG


AUS
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