Die Welt - 20.03.2020

(C. Jardin) #1

WR 6


20.03.20 Freitag,20.März2020


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Freitag,20.März2020

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20.03.2020.03.2020.03.20/1/1/1/1/ST6/ST6 BJUELCH 5% 25% 50% 75% 95%

6 MEDIZIN DER ZUKUNFT DIE WELT FREITAG,20.MÄRZ2020


P


arkinson ist eigentlich eine
Erkrankung des höheren Le-
bensalters. Rund ein Prozent
der 60-Jährigen und drei
Prozent der 80-Jährigen und
ÄÄÄlteren leiden darunter. Aber es gibtlteren leiden darunter. Aber es gibt
aaauch jüngere Betroffene, weiß Professoruch jüngere Betroffene, weiß Professor
AAAndrea Kühn, Leiterin der Sektion Bewe-ndrea Kühn, Leiterin der Sektion Bewe-
gggungsstörungen und Neuromodulationungsstörungen und Neuromodulation
an der Neurologischen Klinik der Cha-
rité: „Wir sehen bei uns häufiger junge

Parkinson-Patienten zwischen 30 und 50
Jahren, da wir als Zentrum für Tiefe
Hirnstimulation für diese Patienten eine
gggute Therapieoption anbieten können.ute Therapieoption anbieten können.
Patienten mit juvenilem Parkinsonsyn-
drom haben etwas häufiger eine geneti-
sche Prädisposition. In etwa fünf bis
zehn Prozent der Fälle werden geneti-
sche Mutationen bei diesen Patienten ge-
fffunden.“ Es gebe aber sogar Patienten,unden.“ Es gebe aber sogar Patienten,
die im Alter zwischen 18 und 20 Jahren
erkrankten.
In der Ambulanz für Bewegungsstö-
rungen (mit je einem Standort am Cam-
pus Mitte und im Virchow-Klinikum)
werden rund 1000 Patienten mit Parkin-
son-Syndromen und Dystonien jährlich
behandelt.
Parkinson-Patienten fehlt der Boten-
stoff Dopamin. Nervenzellen, die das Do-
pamin produzieren, sterben bei diesen
Menschen ab. Warum, dafür gibt es bis-
her keine Erklärung. Das Gehirn kann
den Dopamin-Verlust lange Zeit, zum
Teil einige Jahre, kompensieren, ohne
dass die Betroffenen etwas merken. Erst
dann beginnt ein leichtes Zittern, die
Feinmotorik lässt nach und die Bewe-
gggung wird auffallend langsamer. Hier istung wird auffallend langsamer. Hier ist
die Kommunikation zwischen den Basal-
ganglien und der Hirnrinde gestört. Die
Basalganglien sind Kerngebiete, die un-
terhalb der Hirnrinde lokalisiert sind, al-
so tief im Hirninnern, und unter ande-
rem für die Bewegung zuständig sind.
Gerade diese Störung der normalen Be-
wegungsabläufe macht diese Erkrankun-
gen oft stigmatisierend für die Betroffe-
nen. Aber auch nicht motorische Symp-
tome können vermehrt auftreten, zum
Beispiel Depressionen.
Zum Anfang der Erkrankung werden
die Patienten medikamentös eingestellt,
mit Wirkstoffen, die im Gehirn das Do-
pamin ersetzen. Dies führt zu einer fast
kompletten Besserung der Symptome in
der sogenannten Honeymoon-Phase zu
Beginn der Erkrankung. Manchmal gibt
es aber Nebenwirkungen, von Übelkeit
und Schwindel bis zu Spiel- oder Sex-
sucht. Im weiteren Verlauf, wenn die
Medikamente nicht mehr richtig wirken
beziehungsweise überschießende, zu
starke Reaktionen hervorrufen, kommt
es zur Überbeweglichkeit (unwillkürli-
chen Bewegungen), um dann in Interval-
len zu völliger Unbeweglichkeit zu kom-
men.
WWWenn solche Schwankungen über denenn solche Schwankungen über den
Tag auftreten, entscheiden sich viele Be-
troffene für eine Tiefe Hirnstimulation
(THS). Neurochirurgen setzen dann über
ein kleines Bohrloch im Schädel die Elek-
troden ein, die bis in das Zielgebiet ge-
ffführt werden. „Das Zielgebiet ist der Nu-ührt werden. „Das Zielgebiet ist der Nu-
cleus subthalamicus, ein sehr kleiner
KKKern der Basalganglien“, sagt Andreaern der Basalganglien“, sagt Andrea
KKKühn. „Dieser Knotenpunkt erhält Infor-ühn. „Dieser Knotenpunkt erhält Infor-
mationen aus verschiedenen Hirnregio-

nen, ist vor allem für Bewegungsabläufe
verantwortlich, spielt aber auch bei ko-
gnitiven und emotionalen Prozessen, wie
dem Treffen von Entscheidungen oder
der Reaktionsfähigkeit, eine wichtige
Rolle.“
AAAn die Elektroden wird dann ein dün-n die Elektroden wird dann ein dün-
nes Kabel angeschlossen, welches zu ei-
nem Stimulator führt, der unterhalb des
Schlüsselbeins unter der Haut implan-
tiert ist. Mit Stromimpulsen von 130
Herz werden die Basalganglien nun zu ei-

ner gleichmäßigen Tätigkeit animiert. So
können Patienten die Tabletten meist
um die Hälfte reduzieren und haben eine
gggleichmäßigere Beweglichkeit über denleichmäßigere Beweglichkeit über den
Tag – ohne die großen Ausschläge nach
oben und unten.
„„„Wir erreichen damit eine Verände-Wir erreichen damit eine Verände-
rung der Nervenzellaktivität“, erklärt die
Wissenschaftlerin. „Die abnormen Signa-
le in der Kommunikation zwischen Hirn-
rinde und Basalganglien werden nun
üüüberschrieben. Dadurch ist den Betroffe-berschrieben. Dadurch ist den Betroffe-

nen das Laufen wieder möglich.“ Doch
aaauch die Tiefe Hirnstimulation hat ihreuch die Tiefe Hirnstimulation hat ihre
Nebenwirkungen. Schon wenn eine Elek-
trode nicht optimal, zum Beispiel nur
zzzwei Millimeter zu weit vorn oder hintenwei Millimeter zu weit vorn oder hinten
sitzt, spüren die Patienten ein Kribbeln,
es kann Sprechstörungen geben oder
aaauch eine vermehrte Reizbarkeit. Grunduch eine vermehrte Reizbarkeit. Grund
dafür, so Andrea Kühn, sei, dass dann
nicht die motorischen, sondern andere
Nervenbahnen erregt werden. Der Vor-
teil der THS liegt jedoch darin, dass man

nach einigem Austesten alles sehr gut an-
passen kann. Jede Elektrode hat mehrere
KKKontakte. Und wenn alles richtig einge-ontakte. Und wenn alles richtig einge-
stellt ist, verschwinden auch sofort die
Nebenwirkungen wieder, ohne dass es ei-
nen bleibenden Schaden gibt.
In den aktuell laufenden Studien sind
die Wissenschaftler nun schon einige
Schritte weiter. Neue Forschungsergeb-
nisse zeigen, dass in Zukunft die Tiefe
Hirnstimulation dem einzelnen Patien-
ten ohne vieles Austesten in Echtzeit an-
gepasst werden kann. Mediziner und Bio-
logen können nämlich über die Elektro-
den die Nervenzellaktivität nicht nur be-
einflussen, sondern auch messen. Durch
die implantierten Elektroden erhalten
Wissenschaftler Einblicke in die neuro-
nalen Funktionen der Basalganglien und
deren Nervenbahnen.
So können sie nun vergleichen, in wel-
cher Form das Muster eines Parkinson-
Patienten anders aussieht als bei gesun-
den Menschen. Oder auch wie die Muster
sich unterscheiden in der Phase, in wel-
cher der Patient sich bewegen kann, ge-
genüber der Phase, wo er dazu nicht fä-
hig ist.
„„„Wir haben herausgefunden, dass derWir haben herausgefunden, dass der
RRRhythmus der Nervenzellen bei Parkin-hythmus der Nervenzellen bei Parkin-
son-Patienten übermäßig stark bei 20
Hertz über das sogenannte Beta-Band
läuft“, erklärt die Neurologie-Professo-
rin. „Umso mehr Beta-Aktivität in den
Basalganglien auftritt, desto schlechter
kann sich der Patient bewegen.
Die Idee ist jetzt, nicht bei jedem Pa-
tienten kontinuierlich mit 130 Hertz über
die Elektroden zu stimulieren, sondern
kontinuierlich die Aktivität der Nerven-
zellen zu überprüfen. Danach können wir
angepasst an die Schwankungen der ab-
normen Beta-Aktivität stimulieren, und
zzzwar nur dann, wenn es notwendig ist.war nur dann, wenn es notwendig ist.
Dies ist ein wichtiger Schritt zur Ent-
wwwicklung einer intelligenten, individuali-icklung einer intelligenten, individuali-
sierten und bedarfsgerechten Therapie.“
„Notwendig“ hieße aber nicht erst
dann, wenn es dem Patienten schlecht
gehe, so die Neurologin. Vielmehr wollen
die Wissenschaftler den Marker entwi-
ckeln, an dem man vorher an der Aktivi-
tät der Nervenzellen absehen kann, wann
wwwieder eine Stimulation in welcher Höheieder eine Stimulation in welcher Höhe
nötig wird. In die Stimulationsgeräte soll
dann ein Algorithmus eingebaut werden,
der die Aktivität dauerhaft misst und die
Stimulation anpasst.
Unter Laborbedingungen ist dies
schon gelungen. Jetzt muss diese Art der
individualisierten Tiefen Hirnstimulati-
on im Alltag getestet werden: wenn der
Betroffene damit herumläuft, arbeitet,
spricht.
Andrea Kühn leitete von 2010 bis 2018
die von der Deutschen Forschungsge-
meinschaft geförderte „Klinische For-
schergruppe 247“ zur Tiefen Hirnstimu-
lation an der Klinik für Neurologie der
Charité. Neue Verbundprojekte sind
jetzt geplant. „Eine bedarfsgerechte Sti-
mulation ohne Nebenwirkungen und
fffast ohne Einschränkungen der Betrof-ast ohne Einschränkungen der Betrof-
fffenen ist das große Ziel unserer For-enen ist das große Ziel unserer For-
schung“, so die Professorin.
KKKühns Arbeit wird auch vom Exzel-ühns Arbeit wird auch vom Exzel-
lenzcluster Neurocure unterstützt, des-
sen Vorstand sie angehört. Eine von ihr
fffür Europa geleitete Studie dazu mit denür Europa geleitete Studie dazu mit den
ersten Patienten wird demnächst vorlie-
gen. In weniger als fünf Jahren könnten
die entsprechenden Geräte für Parkin-
son-Erkrankte zur Verfügung stehen.

Areale von Gehirnaktivitäten in einer computergenerierten Darstellung

GETTY IMAGES

/SCIENCE PHOTO LIBRARY - SCIEPRO

Im RHYTHMUS


der Nervenzellen


Wenn bei Parkinson Medikamente nicht mehr helfen, setzen


Mediziner auf Tiefe Hirnstimulation. Dieser neurochirurgische


Eingriff wird durch individuelle Anpassung immer effektiver


VON KATRIN REISINGER

M


eine Vision ist, dass die Be-
handlung einer Gehirnerkran-
kung in Zukunft an einem digi-
talen Doppelgänger im Computer ge-
plant werden kann“, sagt Professor Dr.
Petra Ritter. Die Direktorin der Sektion
fffür Gehirnstimulation der Neurologie anür Gehirnstimulation der Neurologie an
der Charité ist gleichzeitig am Berlin In-
stitute of Health (BIH) tätig.

Bereits seit rund zehn Jahren arbeiten
Wissenschaftler der Charité in mehreren
geförderten Projekten an der virtuellen
Hirnforschung. Sie haben die Simulati-
onsplattform „The Virtual Brain“ entwi-
ckelt, auf der echte Patientenmessdaten
einbezogen werden. Das internationale
Projekt „The Virtual Brain“ leitet Petra
Ritter zusammen mit zwei Kollegen aus
Toronto und Marseille. Eine Art Haube
zeichnet die messbaren elektrischen Ge-
hirnsignale von der Kopfoberfläche eines
Patienten als Elektroenzephalogramm
(EEG) auf. Diese Signale werden ebenso
wie Bilder aus dem MRT als Daten auf-
bereitet und mit einer eigens entwickel-
ten Software verarbeitet. Danach wer-
den die Daten in das Computermodell
integriert – das so personalisiert wird.
So werden ganze künstliche, virtuelle
Gehirne, sogenannte Avatare, per mo-
derner IT geschaffen, um Erkrankungen
und deren Verlauf am Computer zu si-
mulieren. Durch die personalisierten Da-
ten ergeben sich auf den jeweiligen Pa-
tienten zugeschnittene Modelle, die zu

einem besseren Verständnis von Krank-
heitsprozessen im Gehirn beitragen und
neue Therapieansätze ermöglichen.
Die Plattform wird inzwischen welt-
weit für die Forschung genutzt. Im Euro-
päischen „Human Brain Projekt“, das
seit 2013 gefördert wird, spielt zuneh-
mend „The Virtual Brain“ eine zentrale
Rolle. Über 750 Wissenschaftler aus
mehr als 100 Institutionen und 20 Län-
dern sind bereits beteiligt. Sie sammeln
und verbreiten neurowissenschaftliche
Daten, simulieren Gehirne und entwi-
ckeln das sogenannte „Brain Inspired
Computing“. Dafür werden immer kom-
plexere Supercomputer gebaut, die auf
Architekturen beruhen, die dem Gehirn

ääähnlich sind. Ritter: „Die Herausforde-hnlich sind. Ritter: „Die Herausforde-
rung ist nun einerseits, Standards fest-
zulegen, und andererseits die digitale In-
fffrastruktur zu schaffen, die eine Zusam-rastruktur zu schaffen, die eine Zusam-
menarbeit der Wissenschaftler und Da-
tenintegration ermöglicht.“ Derzeit ste-
hen fünf große Super-Computing-Zen-
tren hinter dem „Human Brain Project“.
Dadurch ist es den Wissenschaftlern
etwa möglich zu erforschen, wie sich die
Funktionsweise gesunder und kranker
Gehirne unterscheidet. Viele rechtliche
und ethische Fragen müssen dabei im-
mer wieder neu diskutiert werden und
Eingang in die komplizierte Informatik-
Infrastruktur finden. Je mehr Daten die
Wissenschaftler auf den Plattformen in-
tegrieren, desto präziser werden die Mo-
delle. Auf diese Weise können Struktur
und Funktion von Gehirnen genauestens
analysiert werden. Zum Beispiel von Epi-
lepsie-Patienten, erklärt die Professorin:
„Bei 30 Prozent der Betroffenen schla-
gen Medikamente nicht an. Sie müssen
sich einer Operation unterziehen. Doch
der Neurochirurg muss dann genau wis-
sen, in welchem Areal die Erkrankung
entsteht und wie sie sich ausbreitet.“
Ein weiteres wichtiges Projekt ist die
Erforschung von Alzheimer, einer beson-
ders häufigen Form der Demenz. Bis
heute sind die genauen Vorgänge und
Mechanismen dieser Erkrankung nicht
bekannt. Deshalb gibt es auch keine The-
rapien, die den Verlauf verzögern oder
sogar heilen könnten. Lebensqualität ga-
rantieren soll, ist eine große Herausfor-
derung. Unzählige Medikamenten-Studi-

en mussten in den letzten Jahren man-
gels Ergebnis beendet werden.
Nun kommen die „IT-Neurologen“
ins Spiel. Petra Ritter erklärt: „Wir be-
treiben Ursachen-Forschung, indem wir
das komplexe Zusammenspiel des Ge-
hirns und der Nervenzellen erforschen.
Sogar Interaktionen zwischen Nerven-
zellen, die am Menschen nicht direkt
messbar sind, können wir nachvollzie-
hen. Darunter gibt es noch molekulare
Ebenen mit Genen, Botenstoffen und
Rezeptoren. Um sie zu erforschen, brau-
chen wir mathematisches Handwerks-
zeug.“ Auf diese Weise ziehen die Wis-
senschaftler Rückschlüsse, wie die neu-
ronalen Schaltkreise des Gehirns mitei-
nander interagieren. Zum Beispiel simu-
lieren sie, wie das Protein Beta-Amyloid,
welches sich im Gehirn von Alzheimer-
Betroffenen verstärkt einlagert und
dann verklumpt, die Funktion bestimm-
ter Nervenzellen beeinflusst und so die
AAAktivität der Netzwerke verändert, ausktivität der Netzwerke verändert, aus
denen Kognition (Wahrnehmung, Den-
ken und Wissensverarbeitung) entsteht.
„Unsere Aufgabe ist es nun zu erfor-
schen, welche Prozesse im Gehirn sich
verändern, wann diese Veränderungen
beginnen und welchen Einfluss sie auf
die verschiedenen Gehirn-Aktivitäten
haben“, so die Neurologin der Charité.
WWWährend mit kleinen Gruppen von 15 Pa-ährend mit kleinen Gruppen von 15 Pa-
tienten begonnen wurde, können im
neuen, von Petra Ritter geleiteten „Vir-
tual Brain Cloud Projekt“ mit 17 europäi-
schen Partnern mehrere Hundert bis
Tausend Patienten analysiert werden.

Ritters Team untersuchten 2000 Pa-
tienten, die ohne Symptome in einer
Studie mit Hunderttausenden Teilneh-
mern begonnen hatten und dann er-
krankten. Die Forscher können mit die-
sen Daten erkennen, wie die Gehirn-
strukturen vorher aussahen, ob es be-
reits frühe Anzeichen für die Erkrankung
gab, bevor Symptome auftraten. Ritter
sagt: „Um den Verlauf von Alzheimer
vorherzusagen, brauchen wir einen frü-
hen Marker – und dem sind wir mit der
Gehirn-Simulation auf der Spur.“
Fast ebenso wichtig ist die Erfor-
schung von Schlaganfällen. Durch den
plötzlichen Gefäßverschluss hat man
„eine Lücke im Gehirn“, schildert die
Neurologin bildlich. Noch immer könne
man meist nicht vorhersagen, ob und
wann die volle Funktion, zum Beispiel
nach Sprach- und Gehstörungen, wie-
derhergestellt werden kann. Auch nicht,
welches Potenzial, welche Prognose die
Patienten haben. Auch hier gibt es erste
Hinweise, dass die Simulation hilft und
mehr aussagt als nur MRT-Bilder. Cleve-
re IT-Programme erkennen potenzielle
Mechanismen, die dazu führen, dass sich
die gestörte Funktion erholen kann. Da-
zu zählt etwa das gestörte Verhältnis von
Erregung und Hemmung in verschiede-
nen Strukturen des Gehirns. Daraus
können die Wissenschaftler dann mögli-
cherweise die beste Therapie ableiten.
Das kann künftig Ärzten bei Entschei-
dungen helfen, ob und welche Medika-
mente sie einsetzen müssen oder ob eine
Hirnstimulation größere Erfolge bringt.

Hoffnung


auf digitales


Double


Simulationsplattform


eröffnet neue, vielfältige


Möglichkeiten bei der


Behandlung von


Alzheimer, Schlaganfall


und Epilepsie


VON KATRIN REISINGER

H


usten, Atemnot und immer
wiederkehrende Infektionen
der Atemwege prägen das Le-
ben eines Kranken mit Mukoviszidose,
auch zystische Fibrose genannt. Etwa
8 000 Menschen leiden in Deutschland
unter der angeborenen Erkrankung.
Sie ist damit die häufigste Erbkrank-
heit in Deutschland.

„Die Mutation im sogenannten
CTFR-Gen führt zu einem defekten
Chloridkanal in der Oberfläche be-
stimmter Körperzellen“, erläutert Pro-
fffessor essor Marcus Mall, Direktor der Kli-
nik für Pädiatrie und des Mukoviszido-
se-Zentrums an der Charité Berlin.
„Diese Zellen können dadurch nicht
mehr genug Salz und Wasser an die
Oberfläche von Schleimhäuten trans-
portieren. In der Lunge entsteht da-
durch zäher Schleim, der die Atemwe-
ge verstopft und einen Nährboden für
Bakterien bildet. Das führt zu einer
chronischen Infektion und Entzün-
dung der Atemwege mit fortschreiten-
der Verschlechterung der Lungenfunk-
tion.“ Da diese Zellen unter anderem
auch in der Bauchspeicheldrüse, der
Galle, der Leber oder dem Darm vor-
handen sind, leiden die Patienten oft
unter zahlreichen anderen Beschwer-
den wie Bauchschmerzen oder Verdau-
ungsstörungen.
Mehr als 2000 Mutationen kennt
man heute, die zu der erblich beding-
ten Krankheit führen. Die häufigste
betrifft die sogenannte F508del-Verän-
derung des CFTR-Gens. Da in jeder
menschlichen Zelle die Gene jeweils
paarweise vorkommen, kann dieser
Defekt auf einem oder auf beiden Ge-
nen auftreten. „Bei etwa 90 Prozent
der Mukoviszidose-Patienten liegt ei-
ne F508del-Mutation auf zumindest
einem CFTR-Gen gemeinsam mit ei-
ner der etwa 2000 anderen Genverän-
derungen auf dem zweiten Gen vor, et-
wa 50 Prozent tragen den F508del-De-
fffekt auf beiden“, so Mall.ekt auf beiden“, so Mall.
Vielversprechende Perspektiven für
eine effektivere Behandlung eröffnen
die Ergebnisse einer jüngst vorgestell-
ten klinischen Studie, an deren Pla-
nung und Durchführung Marcus Mall
von der Charité und dem Berlin Insti-
tute of Health (BIH) beteiligt war.
Rund 400 Patienten mit einer F508del-
Mutation wurden während der sechs-
monatigen Laufzeit mit einer neuen
Kombination von drei Wirkstoffen, so-
genannten CFTR-Modulatoren, thera-
piert.
„Bei Mukoviszidose-Patienten mit
der F508del-Mutation liegen verein-
fffacht ausgedrückt zwei unterschiedli-acht ausgedrückt zwei unterschiedli-
che Fehler in der Faltung des betroffe-
nen CFTR-Eiweißmoleküles vor. Beide
müssen behoben werden“, erklärt
Mall. „Bei der neuen Dreifachtherapie
korrigieren die beiden Wirkstoffe Ele-
xacaftor und Tezacaftor diese beiden
Fehler. Der dritte Wirkstoff Ivacaftor
sorgt dafür, dass sich der dann wieder
gebildete CFTR-Chloridkanal besser
öffnet und die Zellen wieder Salz und
WWWasser transportieren können.“ Dasasser transportieren können.“ Das
neue Verfahren hat somit nicht die
Symptome der Krankheit im Blick,
sondern packt erstmals den molekula-
ren Proteindefekt und die Fehlfunkti-
on an der Wurzel.
Die Studienergebnisse belegen eine
deutliche Verbesserung bei Mukoviszi-
dose-Patienten mit nur einer F508del-
Mutation. Je früher dabei die Behand-
lung zukünftig ansetzt, desto erfolg-
versprechender ist sie. „Mukoviszido-
se ist heute schon kurz nach der Ge-
burt diagnostizierbar. Wir gehen da-
von aus, dass mit einem frühen Einsatz
dieser neuen Behandlung die Entste-
hung der Lungenerkrankung bei Kin-
dern mit Mukoviszidose in Zukunft
deutlich verzögert oder sogar verhin-
dert werden kann. Auch bei erwachse-
nen Patienten, deren Lungenfunktion
schon eingeschränkt war, haben wir im
Studienverlauf eine deutliche Verbes-
serung der Lungenfunktion und Stabi-
lisierung des Gesundheitszustands
fffestgestellt. Die Patienten nahmen un-estgestellt. Die Patienten nahmen un-
ter der Behandlung auch an Gewicht
zu und hatten wieder deutlich mehr
Lebensqualität“, erläutert Mall.
In den USA ist die neue Dreifachthe-
rapie für Patienten ab 12 Jahren bereits
zugelassen. In Europa ist der Antrag
auf Zulassung gestellt.

TTTrotzrotz


Erbkrankheit


endlich freier


aaatmen könnentmen können


Mehr Lebensqualität
für Patienten mit

Mukoviszidose


VON GABRIELE BRÄHLER

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