Süddeutsche Zeitung - 20.03.2020

(nextflipdebug5) #1
Ein Wort für Altphilologen. Ein Wort für Ra-
diomenschen. Ein Wort für Medizinhistori-
ker. Für Hölderlin schlicht ein „schaffen-
des“, wie es einmal heißt – eines jener zwei-
silbigen Wörter, die er in seinen Gedichten
immer wieder verwendet. „Ister“, „Dich-
ter“, „Götter“, „Winter“, „Feuer“, „Täler“,
„Ufer“, „Seufzer“, „nimmer“, die Liste ließe
sich zeilenlang fortführen. „Vater Aether“
schreibt er mehrfach und: „die Stille des
Aethers“, wobei er das Wort für einige Zeit
gleichbedeutend mit „Himmel“ ge-
braucht, verstanden als Sphäre des Göttli-
chen, Euphorischen, das den Fluchtpunkt
seines Schreibens bildet.
Das freie Spiel der Vorstellungskräfte
war Hölderlin genauso wichtig wie ein
Wechsel poetischer Grundtöne und die Mu-
sik eines subkutanen Klangs, Wörter die
„von Zunge zu Zunge“ fliegen, auf dass das
Herz des Schreibenden (und das des Lesen-
den) zum durchsichtigen Körper wird: „Un-
trügbarer Kristall, an dem / Das Licht sich
prüfet“. Wenn man diesen Kristall nun als
Prisma deutet und seinerseits einen Blick
hineinwirft, oder genauer: das Wort „Aet-
her“ an ihn hält, splittert es sich auf in un-
terschiedliche Momente. Ähnlichkeit der
Laute, Ähnlichkeit des Klangs. Untergrün-
dige Beziehungen, die hörbar werden. Lose
Verwandtschaften, die jede Vorstellung ei-
ner festen Bedeutung unterlaufen. „Gehei-
me Affinitäten“, wie Walter Benjamin es
einmal nannte.
Der „Ätna“ zum Beispiel, Vulkan eines
göttlichen Feuers, in dessen Flammen sich
bei Hölderlin der Philosoph Empedokles
stürzt, weil er das Leben nicht in seiner in-
tensiven Ganzheit erfahren kann. Und der
Dichter würde ihm nachstürzen, „hielte
die Liebe mich nicht“, wie er schreibt.
„Athen“ leuchtet auf und „heiter“, ein ande-
res von Hölderlins „heiligen“ Wörtern,
klanglich nah an „aither“, der griechischen
Form des Wortes „Aether“. Womöglich
spannt sich sogar ein Bogen hin zum
„Ethos“ des Dichters, Mittler zwischen der
göttlichen Welt und den Menschen zu sein.
Nicht zu vergessen das schwäbische „edd“
oder „edda“, was so viel wie „nicht“ bedeu-
tet – dialektischer Hinweis auf das Nicht je-
den Seins? Vielleicht eher ein Abwehrzau-
ber gegen all die medizinischen Prozedu-
ren, denen Hölderlin in der Autenrieth-
schen Klinik unterzogen werden wird.
Im Frühjahr 1842, ein gutes Jahr vor sei-
nem Tod, fertigt Louise Keller in Tübingen
eine der letzten Skizzen von Hölderlin an,
der Dichter mit vom Leid gezeichnetem Ge-
sicht. Zur selben Zeit führt der junge Arzt
Crawford Williamson Long in Jefferson,
Georgia, die ersten Operationen unter An-
wendung von Diethylether durch. „Äther-
narkose“ wird von nun an den Gebrauch
des Wortes prägen. nico bleutge

Nico Bleutge lebt in Berlin. 2017 erschien
sein Gedichtband „nachts leuchten die schif-
fe“.

In Weimar gondelt Goethe in seiner Lui-
Wuttong-Kutsche über den Frauenplan.
Am anderen Ende der Welt, in den Pyrenä-
en vielleicht, läuft Hölderlin sich die Füße
wund, auf dem Weg nach Bordeaux. Kein

Wunder, dass der Franz Beckenbauer der
deutschen Literaturgeschichte mit diesem
armen Kerl so wenig anzufangen weiß wie
ein Fifa-Funktionär mit den asiatischen
Wanderarbeitern, die ihm die VIP-Lounge
unter seinen Hintern zimmern. Er SIEHT
sie erst gar nicht. Hölderlin aber sieht viel.
Er sieht einfach zuviel. Zu meinem Glück.
Denn keiner kann Heu wie Hölderlin.
Andere können Kaninchenstreu oder mei-
netwegen Makramée oder Badezusatz
oder Wellnesstee, aber Heu, das kann ei-
gentlich nur Hölderlin. Und keiner kann
Luft wie Hölderlin, keiner kann Wasser
und Weinberg und Wolken und Felsen und


  • Susanne Stephan hat es gezeigt – Nelken
    wie Hölderlin. Mit ihm sitzt man nicht är-
    melschonend wohlig räsonierend mit ei-
    nem guten Glas Rotwein am CO2-freien Ka-
    minfeuer. Der Freiheitskampf im Ohren-
    sessel? Als Pantoffeldeutscher kommt
    man mit Hölderlin nicht weit. Macht
    nichts. Bleibt mal schön sitzen.
    Wenn man Hölderlin folgen will, muss
    man ihm bei Sonnenaufgang zwischen die
    Reben folgen, in schlechten Schuhen, weil
    man sonst den Boden unter den Füßen
    nicht spürt, und muss ihm zuhören, wie er
    beschreibt, was sich hier abspielt, im Wein-
    berg selbst, muss hören, wie er Schwär-
    mer, heute: Tschechenböller, wirft, damit
    die Trauben nicht von Starenschwärmen
    weggefressen werden, noch ehe es Mittag
    ist.
    Hölderlin mit seinen Schwielen. Hölder-
    lin mit seinen Schrunden, mit seinen Haut-
    rötungen, wie sie aufblühen, wenn man
    sich kopflos ins Heu fallen lässt. Wie man
    sich eben ins Heu fallen lassen muss.
    Wenn des Deutschen marmorweiße
    Griechen hüftsteife Motetten hören, dann
    hören Hölderlins sonnengebräunte Grie-
    chen Milva. Nein, sie hören rüde Rembeti-
    ka, Kiffergesänge, Feuermusik, herrliche
    Kaschemmenkunst. Und was macht Höl-
    derlin? Er gibt der Katze, an seinem eige-
    nen Geburtstag, gerne noch ein bisschen
    Heu. Aber Moment – da höre ich gerade,
    Hölderlin ist im türkisch-griechischen
    Grenzgebiet gesehen worden. Hölderlin,
    Elegien dichtend, im Tränengas.
    marcel beyer


Marcel Beyer lebt in Dresden. Im August er-
scheint sein neuer Gedichtband „Dämonen-
räumdienst“ im Suhrkamp Verlag.

Wenn es um Hölderlin geht, bin ich bei „Hy-
perion“. Und schon auf den ersten Seiten
dieses ungewöhnlichen, grandiosen Brief-
romans zeigt sich Hölderlin in seinem Hel-
den als der, der er ist: von Begeisterung, Na-
turliebe und der Sehnsucht nach Ver-
schmelzung mit ihr erfüllt, ein träumeri-
scher Emphatiker der ersten Stunde, dem
nur eines nicht gegeben ist: in kindlichem
Glück zu verharren. Stets kommt ein jähes
„aber“, als Erkenntnis, dass Einssein seit
der göttlichen Vertreibung aus dem Para-
dies nicht mehr gilt, dass Täuschung und
Trug keine Tröster sind, und – ach! – die
Wissenschaft, die scheinbar klärende, al-
les noch schlimmer macht. Konkret: Höl-
derlin entwirft sprachmächtig Naturkulis-
sen von überwältigender Schönheit, um
diese handkehrum zu dekonstruieren.
Eben noch „wallte da zwischen der herrli-
chen Wildnis des Helikon und Parnass (...)
der glänzende Meerbusen herein“, als die

von alex rühle

E


s gab da in München Ende der achtzi-
ger Jahre diesen Kommilitonen, der
tagein, tagaus, vor den späten Ele-
gien Hölderlins saß. Wichtig ist dabei, dass
er die Ausgaben von Sattler vor sich aufge-
schlagen hatte. Seinerzeit tobte ein mit
fast schon religiöser Inbrunst ausgetrage-
ner Krieg über die richtige Les- und Publi-
kationsart der Hölderlinschen Texte. Diet-
rich Eberhard Sattler, ein Autodidakt, hat-
te 1972 begonnen, die Werke jeweils in all
ihren Varianten und Umschriften zu veröf-
fentlichen. Keine Vereindeutigung, keine
philologische Gewalt, stattdessen der wild
wuchernde Urwald der immer neuen Ver-
suche, Skizzen, Anläufe, so das Sattlersche
Credo. Möge sich daraus jeder seinen eige-
nen Hölderlin zusammensetzen!
Dieser Kommilitone, ein Langzeitstu-
dent, saß fremd unter uns Derridadilettan-
ten und Schlaubischlümpfen. Er wirkte
wie ein fernes Echo einer anderen Zeit, ihm
war Hölderlin noch so etwas wie ein Schutz-
heiliger, der ihm geholfen hatte, in der blei-
ernen Zeit nach dem Radikalenerlass zu
überwintern. Ging es um irgendein Bezie-
hungskuddelmuddel, konnte es sein, dass


er plötzlich den „Hyperion“ zitierte: „Ja! ei-
ne Sonne ist der Mensch, allsehend, allver-
klärend, wenn er liebt, und liebt er nicht, so
ist er eine dunkle Wohnung, wo ein rau-
chend Lämpchen brennt.“ Sagte einer von
uns etwas Harmloses über den ja doch an-
genehm warmen Frühling, kam von ihm et-
was wie: „In lieblicher Bläue blühet / mit
dem metallenen Dache der Kirchthurm.
Den umschwebet /Geschrei der Schwal-
ben, den umgiebt die rührendste Bläue.“
Dann verschwand er wieder im Irrgarten
der faksimilierten Handschriften. Er wirk-
te dabei nicht wahnsinnig, sondern ganz
und gar durchdrungen und erfüllt. Er war
nur tief verzweifelt, weil er für seine eigene
Arbeit nie die eine, die richtige Lesart fand.
Heute wäre man froh, wenn es um Lesar-
ten ginge. Hölderlin ist nahezu verschwun-
den. Zu sperrig, heißt es fast reflexhaft. Zu
komplex. Der Germanist Kurt Oesterle
schimpft in seiner soeben erschienenen
Biografie „Wir & Hölderlin“ (Klöpfer, Narr
Verlag, Tübingen 2020. 177 S., 22 Euro),
sein Werke diene in der Germanistik nur
noch als „Eiger-Nordwand für Extremphi-
lologen“. Wie groß die Angst vor Hölderlins
Texten zu sein scheint, wird ersichtlich in
all den Ausstellungen, die jetzt eigentlich
beginnen sollten. Die Gedenkorte, die sich
eilends herausgeputzt haben, versuchen al-
les, um Hölderlins Texte spür- und nahbar
zu machen. In seinem Geburtshaus in Lauf-
fen will man „den Menschen Hölderlin“ zei-
gen, den treuen Freund, den tragischen
Liebhaber, den unglücklichen Sohn – Le-


bensaspekte plus jeweils ein paar Zeilen da-
zu. Im frisch renovierten Tübinger Turm,
in dem er nach seinem Zusammenbruch
36 Jahre lebte, in der Obhut der so beein-
druckend freundlichen Schreinerfamilie
Zimmer, kann man mit Silben und Versen
experimentieren, und im angrenzenden
Garten gibt es, eine sogenannte Gedicht-
laufstrecke, weil er ja selbst stets im Gehen
den Rhythmus seiner Gedichte entwickelt
haben soll. Man kriegt einen Audioguide,
auf dem ein Schauspieler das Gedicht
„Sommer“ in drei Geschwindigkeiten rezi-
tiert, und wird gebeten, selbst in drei Ge-
schwindigkeiten im Gras herumzurennen.
Zuletzt noch das Literaturarchiv Mar-
bach (DLM), wo an diesem Freitag die Aus-
stellung „Hölderlin, Celan und die Poesie“
hätte eröffnen sollen und in der ebenfalls
ein so großes Augenmerk auf die Gemacht-
heit der Gedichte gelegt wird - „Hölderlin
mit den Fingern lesen“ heißt eine der Stati-
onen –, dass man den Eindruck hat, das
ganze Land wird zur Hölderlinwerkstatt.
Die nun wegen Corona geschlossen ist –
was auch wieder passt zu diesem biografi-
schen Tragiker, da hat man einmal Ge-
burtstag, da wird endlich versucht, mit
300 Veranstaltungen den großen Unbe-
kannten der deutschen Klassik unters
Volk zu bringen (online unter hoelder-
lin2020.de), und dann kommt die Seuche.
Was aber bleibet, stiften die Bücher. Viel-
leicht kann man solch einen Gedenktext
jetzt, da wir alle in Klausur gehen statt
nach Tübingen, Lauffen oder auch ins Klos-
ter Maulbronn zu fahren, wo er ins kerker-
ähnliche Internat ging und wo eine raffi-
nierte Dauerausstellung frühe Jahre, frü-
hes Leid und erste programmatische Lyrik
zeigt, vielleicht kann man seine Bedeu-
tung stattdessen über einige der Biogra-
fien wenigstens anskizzieren, die anläss-
lich des großen Geburtstags aktuell er-
scheinen. Rüdiger Safranskis große Biogra-
fie wird dabei nur deshalb außen vorgelas-
sen, weil sie bereits im Herbst allerorten
hymnisch gefeiert wurde.
Der schon erwähnte Kurt Oesterle ver-
zahnt kunstvoll Leben und Werk, wandert
permanent von den Texten in die Biografie
und zurück: Hölderlin, der bereits im Alter
von neun Jahren Vater und Stiefvater verlo-

ren hat und in dessen Werk dann eine
„maskuline Überlast“ auffällt, alles voller
Heroen, Halbgötter, „Männerjubel“, „Män-
nerkraft“. Der mit seinen Tübinger Kommi-
litonen Hegel und Schelling um 1796 auf
zwei Seiten Geistesgeschichte schreibt,
das „Älteste Systemprogramm des Idealis-
mus“, in dem sie fordern, dass Philosophie
zu Ethik und konkreter Handlungsanlei-
tung werde; der Staat abgeschafft gehört
und die Poesie die Menschen zu freien We-
sen machen soll, ja die Dichtung zur
menschheitsformenden, ja -rettenden
Kraft wird. Der so überzeugt davon war,
zur einfachen Bevölkerung sprechen zu
können, dass er erwog, auf Bücher zu ver-
zichten und stattdessen seine komplexen
Gedichte auf den Marktplätzen mittels
Flugblättern zu verteilen. Schöne Vorstel-
lung, die Mägde am Markttag, in der einen
Hand den Korb mit Einkäufen, in der ande-
ren „Mnemosyne“: „ferne von dir spielen
zerreißend bald / Auf den Saiten des Her-
zens / Alle Geister des Todes mir.“
Oesterle zeigt, dass Hölderlin just in dem
Moment seine eigentliche Odenform fand,
als ihm „die Weltanschauung des Idealis-
mus zusammengebrochen“ und die Hoff-
nung auf politische Befreiung ebenfalls ab-
handen gekommen war. Was dann dazu
führte, dass er die ja so strenge Oden-Form
radikal modernisierte, raus mit allem blu-
mig Wohligen der Empfindsamkeit, statt-
dessen Stakkato, Zeilenbrüche, Zerrisse-
nes, Lebensnot, eine einzige intensive
Suchbewegung, die oft an kein Ziel mehr

kommt. Dazu passend weist Oesterle dar-
auf hin, was für ein wilder, ruheloser Wan-
derer Hölderlin war, der oft 50 Kilometer
am Tag – auch quer durchs Gebirge – lief
und in dessen Texten immerzu in eine „viel-
versprechende Ferne“, „fernende Erinne-
rung“ oder „heilige Fremde“ gezogen wird.
Wobei das Heilige, so Oesterle, Synonym
für das Unbekannte, Unverständliche ist,
„das wir unbedingt achten sollten. Wie
man überhaupt die machtvollste Tendenz

seines Werks die Wiederverheiligung des
Lebens nennen könnte.“ Schon wegen Neo-
logismen wie dieser „Wiederverheiligung“
ist diese Biografie ein Lesegenuss.
Seltsam an Hölderlins Nachleben ist ja,
dass er zunächst nur untergründig weiter-
wirkte, von Einzelnen gelesen, um dann
im zwanzigsten Jahrhundert zum wirk-
mächtigsten Autor der deutschen Litera-
tur zu avancieren. Die Hälfte des Katalogs
zur Marbacher Ausstellung (den man trotz
Verschiebung der Eröffnung bereits im di-
gitalen Shop des Deutschen Literaturar-
chivs bestellen kann) nehmen literarische
Reminiszenzen, Zitate, Liebeserklärungen
ein. Es ist faszinierend bis rätselhaft, dass
sich so weltanschaulich unterschiedliche
Autoren wie Döblin, George, Carl Schmitt
und Celan auf ihn berufen. Oesterle sagt
denn auch, die Geschichte der Hölderlin-
Rezeption ließe sich nacherzählen „wie ein
Abenteuerroman“.
Den erzählt in gewisser Weise Karl-
Heinz Ott in „Hölderlins Geister“ (Hanser,
München 2019. 240 S., 22 Euro). So ge-
konnt wie witzig skizziert er das „weltan-
schauliche Gegrabsche“, mit dem sich
Heidegger, Lukács, Peter Weiss bei ihm be-
dienen, indem sie vieldeutige Textpassa-
gen in ihr eigenes Weltbildpuzzle pressen.
Ott zeigt zum einen, dass Hölderlin sich ge-
rade durch seine widersprüchlichen Ge-
schichtsmythen und all das, was Celan „die
kompakten Stellen“, Adorno den Rätselcha-
rakter der Kunst nennt, dazu eignet, im-
mer neu, immer anders gelesen zu werden.
Vor allem aber verteidigt er Hölderlin ge-
gen all die faschistischen, marxistischen,
antipsychiatrischen und sonstigen Verein-
nahmungsversuche, allein durch die Fra-
ge: „Warum hat Hölderlin eigentlich Ge-
dichte geschrieben, wenn seine Botschaft
sich auch in klarer Prosa fassen lässt?“
Oskar Pastior schrieb mal: „Hölderlin ist
eine dem Deutschen verwandte Sprache.“
Wer es jetzt mal probieren will mit dieser
so einmalig schönen, dunklen, wilden,
„mutatmenden“ Sprache, aber keine Lust
hat auf den Kauf eines Gesamtwerks:
Navid Kermani hat eine Anthologie heraus-
gegeben, in der von den frühen Gedichten
über biografisch erhellende Briefe, Hyperi-
on-Ausschnitte und Teile des Dramas „Em-
pedokles“ bis zu den späten Oden und klei-
nen Gedichten aus den Jahren der Umnach-
tung alles versammelt ist (Friedrich Hölder-
lin: Bald sind wir aber Gesang. C.H. Beck,
München 2020. 256 S., 20 Euro).
Was diese zweite Hälfte seines Lebens,
die 36 Jahre im Tübinger Turm und die Fra-
ge angeht, welche psychiatrische Diagnose
man Hölderlin ausstellen müsste, sei nur
sein Pflegevater, der so überaus noble
Schreinermeister Zimmer, zitiert: „Hölder-
lin hat keine fixe Idee, er mag seine Fanta-
sie auf Kosten des Verstandes bereichert
haben.“ Hölderlin starb am 7. Juni 1843. We-
der Schelling noch sonst einer seiner alten
Freunde kam zur Beerdigung. Im Tübin-
ger Bestattungsbuch wurde er als „Hölder-
lin Studios“ eingetragen.

Auf den Saiten


des Herzens


Wie gegenwärtig ist Friedrich Hölderlin


den Deutschen an seinem 250. Geburtstag?
Ein Streifzug durch Gedenkorte, geschlossene

Ausstellungen und jüngst erschienene Biografien


Hölderlin,


Heu


Aether,


zum Beispiel


„Hölderlin ist
eine dem Deutschen
verwandte Sprache.“

Friedrich Hölderlin im Turm über dem Neckar in Tübingen. Gezeichnet von dem Maler und späteren Vorkämpfer
der Pressefreihet Rudolf Lohbauer.FOTO: DLA MARBACH

Von „aber“


zu „ach“


Die Werke dienen vor allem als


„Eiger-Nordwand


für Extremphilologen“


(^12) FEUILLETON Freitag, 20. März 2020, Nr. 67 DEFGH
Friedrich Hölderlin schreibt
am 18. September 1797 an
Friedrich Schiller und unter-
zeichnet mit seinem Geburts-
namen: Hölderlin.
FOTO: DLA MARBACH


250. Geburtstag Friedrich Hölderlin heute – Dichter
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