Süddeutsche Zeitung - 20.03.2020

(nextflipdebug5) #1
von georg mascolo

V


on der „Kost Kritis“ haben selbst vie-
le altgediente Beamte und Politiker
noch nie gehört, das sperrige Behör-
denkürzel steht für die „Koordinierungs-
stelle Kritische Infrastrukturen“. Hier sitzt
eine Gruppe von Experten aus Bund und
Ländern zusammen, die Geschäftsstelle
befindet sich im Berliner Innenministeri-
um. Bisher hatte die Truppe nicht sonder-
lich viel zu tun. Dann kam Corona.
Das Leben in Deutschland ist durch die
Pandemie in bisher nie gekannter Weise
eingeschränkt, das Land steht still. Clubs,
Schulen und Bars kann man schließen, in
vielen Bereichen ist Home-Office möglich



  • aber nur, solange die kritischen Infra-
    strukturen die zu Hause sitzenden oder er-
    krankten Menschen mit dem Lebensnot-
    wendigen versorgen. Die „Kost Kritis“
    trägt große Verantwortung dafür, dass
    eben nicht alles zum Stillstand kommt.
    Laut Definition umfassen die kritischen
    Infrastrukturen derzeit acht Sektoren und
    30 Branchen, es geht etwa um Strom, Was-
    ser, Heizung, auch dass Internet muss wei-
    ter funktionieren. Zu den Aufgaben von
    „Kost Kritis“ gehört auch, dass das Gesund-
    heitssystem der Herausforderung gewach-
    sen bleibt und die Versorgung mit Lebens-
    mitteln und Bargeld gewährleistet. Und na-
    türlich die öffentliche Sicherheit. Was als
    entscheidend eingestuft ist und was nicht,
    erfahren in diesen Tagen zahllose Eltern.
    Sind sie in keinem der kritischen Bereiche
    beschäftigt und erfüllen dort keine als un-
    verzichtbar eingestufte Arbeit, gibt es für
    ihre Kinder zumeist auch keine Betreuung.
    Eine Pandemie ist auch für die Funkti-
    onsfähigkeit der Kritis-Strukturen der
    größtmögliche Stresstest. Sie trifft nicht
    nur einen, sondern alle Teile des Landes,
    Personal kann also nicht etwa schnell aus
    Bayern nach Niedersachsen verlegt wer-
    den. Und die Pandemie ist kein zeitlich eng
    umrissenes Ereignis wie ein Erdbeben
    oder ein terroristischer Anschlag. Sie kann
    sich über viele Monate hinziehen. Da ist es
    gut, dass eben dieses Szenario in der Ver-
    gangenheit in Übungen durchgespielt wur-
    de – unter realen Bedingungen ist es aller-
    dings beispiellos in der Geschichte des Lan-
    des. Der Krisenstab der Bundesregierung
    hat inzwischen den Auftrag erteilt, in ei-
    nem Lagebild einen nun täglichen und
    möglichst lückenlosen Überblick anzuferti-
    gen, ob und mit welchen Ausfällen in den
    kritischen Bereichen zu rechnen sein könn-
    te. Landwirtschaftsministerin Julia Klöck-
    ner (CDU) erklärte, man verschaffe sich in
    ihrem Bereich jetzt einen „tagesaktuellen
    Überblick“ über die Versorgungslage.


Auch viele der Kritis-Unternehmen mel-
den sich inzwischen bei den Behörden. Zu
den am häufigsten gestellten Fragen ge-
hört, ob man sich schon jetzt um Passier-
scheine und Ausnahmegenehmigungen
bemühen sollte, falls es wie in Italien oder
in Frankreich doch noch zu einer Ausgangs-
sperre kommen sollte.
Bund und Länder sind auch hier gemein-
sam in der Verantwortung, das Bundesamt
für Bevölkerungsschutz und Katastrophen-
hilfe in Bonn hat die entscheidende fachli-
che Expertise. In diesen Zeiten werden Si-
mulationen und Stabsübungen aus frühe-
ren Jahren aus dem Archiv geholt und auf


den neuesten Stand gebracht. Die entschei-
dende fand vor 13 Jahren statt, im Novem-
ber 2007, und liest sich heute in Teilen be-
unruhigend aktuell. 3000 Beamte aus sie-
ben Bundesministerien, dem Kanzleramt
und sieben Bundesländern simulierten im
Rahmen einer „Lükex“-Übung (das steht
für „Länder und ressortübergreifende Kri-
senmanagementübung“) eine landesweite
Epidemie. Ausgelöst wurde sie in diesem
Szenario durch einen neuartigen Erreger
aus Asien. Das Robert-Koch-Institut hatte
an dem Drehbuch für die zweitägige
Übung mitgeschrieben, die 14 Monate lang
vorbereitet worden war. Energieunterneh-
men wie RWE und EnBW sowie die Lebens-
mittelwirtschaft nahmen auch teil. Millio-
nen Menschen erkrankten und Zehntau-
sende starben in diesem Szenario. Für die
kritischen Infrastrukturen kam eine Aus-
wertung zum Ergebnis, dass die Lebens-
mittelversorgung selbst im Extremfall al-
les in allem gesichert werden könne, eben-
so wie andere lebenswichtige Bereiche.
Das Gesundheitssystem allerdings würde
einem solchen Szenario nicht standhalten.

Das war nur eine Übung. Und die da-
mals in diesem Szenario angenommene
Sterblichkeit lag mit zehn Prozent sehr
weit über der heute durch das Corona-Vi-
rus verursachten Letalität. Es ist also kei-
nesfalls ausgemacht, dass es so schlimm
kommt wie in der Übung. Und in der aktuel-
len Corona-Epidemie sind zudem in kei-
nem Bereich wesentliche Ausfälle erkenn-
bar. Am kritischsten ist es derzeit nach al-
len Einschätzungen für das Gesundheits-
system. Bund und Länder haben sich gera-
de auf den ehrgeizigen Plan geeinigt, die
Zahl der Betten in der Intensivmedizin zu
verdoppeln. Medizinstudenten werden ver-
pflichtet.
Eine Herausforderung ist allerdings,
dass die Übungen einer solchen Krise stets
vor der Hochzeit der sozialen Medien statt-
fanden. Mit getwitterten Fotos von leeren
Regalen und bewusst verbreiteten Falsch-
nachrichten hatte niemand gerechnet. Vi-
deos von einer einzigen Klopperei ums Klo-
papier können sich millionenfach verbrei-
ten. So kann schnell der Eindruck von Kri-
se entstehen, selbst wenn der Nachschub
schon eine Stunde später da ist. Panik
kann noch ansteckender sein als jedes Vi-
rus. Klöckner versicherte diese Woche:
„Die Supermärkte bleiben offen, alles an-
dere sind Falschmeldungen.“
Unnötige Anlaufschwierigkeiten aller-
dings werden schon jetzt erkennbar, weil
in zahlreichen Unternehmen Krisenpläne
entweder nicht vorhanden oder nicht auf
dem neuesten Stand waren. Dabei waren
Behörden und Industrie schon bei der Aus-
wertung der Pandemie-Übung im Jahr
2007 zu dem Schluss gekommen, dass „in
allen Unternehmensbereichen die Sicher-
stellung der personellen Besetzung von
Schlüsselfunktionen ein entscheidender
Faktor für die Funktionsfähigkeit in Kri-
senzeiten“ sei. So muss jetzt eilig nachgear-
beitet werden. Welches Personal ist für
den Betrieb unbedingt notwendig, wen
kann man nach Hause schicken? Wer
springt ein, wenn jemand ausfällt? Das Sys-
tem der Redundanz ist entscheidend,
wenn eine Krise lang andauert. Der örtli-
che Energieversorger „Alliander Netz
Heinsberg“ in der besonders früh und hart

betroffenen Region Heinsberg in Nord-
rhein-Westfalen etwa reagierte schnell. Er
bildete einen Krisenstab, schickte einen
Teil der 80 Mitarbeiter nach Hause, unter-
sagte Dienstreisen und verteilte Desinfek-
tionsmittel. Inzwischen melden sich Unter-
nehmen aus dem ganzen Land bei dem Be-
trieb, fragen nach deren Erfahrungen.
Auch neue Entscheidungen müssen ge-
troffen werden. Hamilton, ein Schweizer
Hersteller von Beatmungsgeräten, erklär-
te diese Woche, es sei sehr schwer, die zahl-
reichen neue Aufträge abzuarbeiten, wenn
die Hälfte der Mitarbeiter zuhause Kinder
habe, die betreut werden müssten. Da
müssten „wir, beziehungsweise die Poli-
tik“, schnell eine Lösung finden. Auch die
deutsche Abfallwirtschaft spielt schon Sze-
narien durch. Wenn es mit dem Personal
eng wird, sollen zunächst Ballungsräume
bedient werden, auch medizinischer Ab-
fall hat Priorität. Sperrmüll oder Biomüll

können warten. Es ist Luft in jedem Sys-
tem, zieht es sich auf seine Kernbereiche
zurück, werden Kapazitäten frei. In vielen
Unternehmen, aber auch Behörden, wird
in diesen Tagen allerdings selbstkritisch
eingeräumt, dass man diese Überlegungen
besser früher angestellt hätte. Anderer-
seits ist ermutigend zu sehen, wie schnell
vielerorts inzwischen Entscheidungen ge-
troffen werden. Digitales Arbeiten von zu-
hause wird jetzt innerhalb von Stunden an-
geordnet, ohne lange Diskussionen und de-
tailliertere Betriebsvereinbarungen.
In eben solcher Geschwindigkeit entste-
hen im Krisenstab in Berlin und in den Län-
dern auch neue und ausgefeiltere Simulati-
onen zu den Auswirkungen einer womög-
lich lang anhaltenden Pandemie. Schließ-
lich tragen auch am Arbeitsplatz nicht alle
Menschen das gleiche Risiko. Im Leitstand
eines Kraftwerks gibt es wenige Kontakte,
zudem können Urlaube und Fortbildun-

gen verschoben werden. Verstöße gegen
Arbeitszeitgesetze werden künftig wohl in
Kauf genommen. Ähnlich ist es bereits bei
den Lenkzeiten für Lastwagenfahrer, dem
Sonntagsfahrverbot oder den Öffnungszei-
ten für Supermärkte. Flexibilität ver-
schafft Luft.
Von entscheidender Bedeutung für die
Lieferketten ist auch die Versorgung auf
dem Seeweg. Zur Ansteckungsgefahr hier
heißt es, dass die Besatzung eines Hochsee-
schiffs weniger Risiko trägt als ein Binnen-
schiffer. Denn sie laufen seltener in einen
Hafen ein. Am höchsten ist das Risiko für
diejenigen, die im Gesundheitssystem ar-
beiten oder etwa in Supermärkten.
Zu den kritischen Infrastrukturen gehö-
ren übrigens qua Definition auch die Medi-
en. Sie gelten als entscheidend, um die Bür-
ger in solchen Zeiten mit dem zu versor-
gen, was ebenfalls von entscheidender Be-
deutung ist: Verlässliche Nachrichten.

Es gibt den Mythos, Deutschland sei beson-
ders engmaschig durchreguliert. Das wird
normalerweise beklagt, aber in der Krise
könnte das doch endlich mal von Vorteil
sein. Stimmt das? Und vor allem: Trifft das
auch für die „kritischen Infrastrukturen“
zu, also die systemrelevanten Branchen,
deren Ausfall dramatische Folgen für das
Gemeinwesen hätte? Die Ernährungswirt-
schaft ist so eine „kritische Infrastruktur“.
Aber wer in diesen Tagen in Supermärkten
einkauft, der trifft auf Kassiererinnen, an
denen täglich Hunderte Kunden in Armlän-
ge vorbeiziehen. Handschuhe, Mund-
schutz, gar eine Plexiglaswand? Mal ja,
mal nein. Noch vor zwei Tagen war bei Lidl
in Karlsruhe davon nichts zu sehen.
Ob und wie die Lebensmittelketten ihr
Personal schützen – also das Rückgrat der
Ernährungswirtschaft –, das bleibt ihnen
selbst überlassen. Zwar gibt es ein wuchtig
klingendes „Ernährungssicherstellungs-
und -vorsorgegesetz“, aber da steht nichts
über den Gesundheitsschutz für Kassiere-
rinnen – obwohl deren massenhafter Aus-
fall weitaus gravierendere Engpässe verur-
sachen würde als nur den Mangel an Toilet-
tenpapier. Rechtlich könnten hier allen-
falls die Ministerien der Länder mit eiligen
Verordnungen intervenieren. Ansonsten
hofft man auf die Umsicht der Betriebe.

Klar ist immerhin eines: Wer für einen
dieser systemrelevanten Sektoren arbei-
tet, der wird einen Passierschein erhalten,
sollte demnächst doch noch eine allgemei-
ne Ausgangssperre verhängt werden. Wel-
che Arbeiten freilich auch in der Krise un-
verzichtbar sind, darüber wird es Streit ge-
ben. Denn die Liste der „kritischen“ Bran-
chen ist lang (siehe nebenstehenden Arti-
kel). Unter der Überschrift „Transport und
Verkehr“ findet sich beispielsweise der
Punkt „Logistik“ – der indes nicht jedem
Zulieferer freie Fahrt in Krisenzeiten ge-
währen wird. Für Nahrungsmittel oder Me-
dizintechnik ist der Fall klar. Aber schon
jetzt, so ist aus dem Bundesamt für Bevöl-
kerungsschutz und Katastrophenhilfe zu
hören, geht das Gerangel los: Muss ein Zu-
lieferer für Nutzfahrzeugaufbauten den
Freifahrschein bekommen, nur weil er
auch für Feuerwehrfahrzeuge liefert? In ei-
ner Pandemie, wohlgemerkt, nicht in ei-
nem Gluthitzesommer?
Ein heikler Punkt sind auch die Corona-
tests. Ob Mitarbeiter relevanter Organisati-
onen hier Vorfahrt haben, ist nicht bundes-
einheitlich geregelt. Eine Gerichtspräsi-
dentin aus Norddeutschland, die über Co-
ronasymptome klagt, wurde hier abschlä-
gig beschieden, weil sie nicht die Kriterien
für einen Test erfüllte – obwohl auch die
Justiz eine kritische Infrastruktur ist.
Weitreichende Befugnisse kann sich ein
Bundesland durch die Ausrufung des Ka-
tastrophenfalls verschaffen. Dann könn-
ten notfalls sogar Mitbürger dazu herange-
zogen werden, Personallücken in wichti-
gen Arbeitsfeldern zu schließen. Denkbar
ist zudem, Spediteure in Anspruch zu neh-
men, wenn Transportkapazitäten nötig
sind. Auch die Bundeswehr kann um Amts-
hilfe ersucht werden, beispielsweise, um
mit Sanitätssoldaten und Bundeswehr-
krankenhäusern auszuhelfen. Wobei: Die
Notfallkapazitäten im Gesundheitssektor
waren schon einmal besser aufgestellt. Zu
Zeiten des Kalten Krieges gab es 220 Hilfs-
krankenhäuser, oft unter Schulen einge-
richtet. Heute gibt es für das Gesundheits-
wesen nicht einmal ein bundeseinheitli-
ches Vorsorgegesetz für den Vorhalt von
Ressourcen. wolfgang janisch

Großer Plan und


größere Wirklichkeit


Staat und Unternehmen simulierten eine Pandemie
durch einen Erreger aus Asien, doch das ist 13 Jahre her.
Nun gilt es, das Konzept anzupassen – und zu improvisieren

Selbst die deutsche
Abfallwirtschaft spielt
nun Szenarien durch

Sieben Ministerien, Kanzleramt


und sieben Bundesländer übten


damals den Seuchen-Ernstfall


Eigentlich hätte hier im Schatten des Funk-
turms bis zur vergangenen Woche die welt-
größte Reisemesse, die ITB, stattfinden sol-
len. Doch dann kam das Coronavirus dazwi-
schen und es herrscht jetzt eine bleierne
Ruhe auf dem Messegelände in Berlin-
Charlottenburg. Nur ein paar Mitarbeiter
eines Speditionsunternehmens direkt ne-
ben dem Gelände rauchen vor der Bürotür
eine Zigarette – schwer vorzustellen, dass
hier demnächst eines der größten Co-
vid-19-Krankenhäuser der Republik eröff-
nen soll.
An diesem Mittwoch hatte Gesundheits-
senatorin Dilek Kalayci (SPD) erklärt, dass
der Senat gemeinsam mit den Berliner
Krankenhäusern, der Bundeswehr und an-
deren Partnern an dieser Stelle 1000 zu-
sätzliche Betten für die Infizierten der
Hauptstadt einrichten will. Die Messe Ber-
lin hat dafür dem Land die Halle 26 abgetre-
ten, ein recht tristes Gebäude aus weißem
Wellblech. Aber offenbar der Ort in Berlin,
an dem „das am schnellsten machbar sein
dürfte“, wie Projektleiter Albrecht Broem-
me sagt.
Bis zum Beginn der Corona-Epidemie
gab es in Berlin rund 1000 Plätze mit Beat-
mungstechnik. Da Covid-19 zu schweren
Lungenleiden führen kann, sollen in den
vorhandenen Kliniken der Stadt 1000 wei-


tere solcher Plätze geschaffen werden.
Auch die Betten am Messegelände könn-
ten möglicherweise mit der Technik ausge-
stattet werden. Vorerst ist die neue Klinik
jedoch nicht als Intensivstation konzipiert,
vielmehr sollen ältere alleinstehende Men-
schen hier versorgt werden.

Die sogenannte Ad-hoc-Klinik ist Teil
des Notfallplans für die Krankenhäuser,
auf den sich Bund und Länder Mitte der
Woche geeinigt haben. Dazu gehört, dass
größere Hallen und Reha-Einrichtungen
so umgerüstet werden sollen, dass dort Pa-
tienten mit leichteren Erkrankungen auf-
genommen werden können. Auch Hoteli-
ers, deren Häuser wegen der Corona-Krise
leer stehen, haben sich schon angeboten.
Zusätzlich soll die Zahl der Betten in den In-
tensivstationen der Kliniken verdoppelt
werden. Nach Auskunft von Bundesge-
sundheitsminister Jens Spahn (CDU) gibt
es in Deutschland derzeit 28 000 Plätze für
Intensivpatienten, 25 000 davon mit der
Möglichkeit, Erkrankte künstlich zu beat-
men. Im föderalen System Deutschlands

sind die Bundesländer für die Krankenhäu-
ser zuständig.
Die Halle 26 auf dem Berliner Messege-
lände war schon einmal im Notfalleinsatz:
2015 wurde hier eine erste Anlaufstelle für

Flüchtlinge eingerichtet. Bevor jetzt rich-
tig an der neuen Klinik gearbeitet werden
kann, müssten erst mal die Partner koordi-
niert und Kosten berechnet werden, sagt
Projektleiter Broemme. Bis Montag will er

den Plan dafür fertig haben. Ähnlich dem
Messegelände ist auch der 66-Jährige reak-
tiviert worden. Broemme hat mehr als 20
Jahre die Berliner Feuerwehr geleitet,
2006 wurde er zum Chef des Technischen
Hilfswerks berufen, seit Anfang des Jahres
ist er eigentlich in Pension. Nun hilft er als
One-Dollar-Man. „Ich mache das ehren-
amtlich, als engagierter Pensionär“, sagte
er in einem Interview mit dem Sender rbb.

Broemme will sich nicht auf einen fixen
Termin festlegen, an dem das Kranken-
haus eröffnet werden soll. In China hätten
sie dafür zwei Wochen benötigt. „Das ist
ein wahnsinniger Ansporn“, sagt er. „Das
Ganze soll nicht irgendwann fertig sein,
sondern ich stehe unter einem hohen Er-
wartungsdruck.“ Er zeigt sich optimis-
tisch, das neue Krankenhaus innerhalb we-
niger Tage aufbauen zu können. „Die
Kunst wird sein, viele Dinge zusammenzu-
bringen, die nicht zueinander passen“,
meint Broemme. Da ist zum Beispiel die ge-
naue Rolle der zahlreichen Unternehmen,
die ihre Unterstützung anbieten. Hinzu

kommt die Bundeswehr, der Senat hat das
Militär um Amtshilfe gebeten. „Know-how
brauchen wir“, sagt Broemme. „Und das
medizinische Personal können wir nicht
von Praxen und Krankenhäusern abzie-
hen.“ Eine Sprecherin des Verteidigungsmi-
nisteriums erklärte, dass die Bundeswehr
bereitstehe, um das zivile Gesundheitssys-
tem zu stützen. So liefert das Militär Kran-
kenhäusern in Rheinland-Pfalz bereits
400 Feldbetten. Generell könne die Bun-
deswehr aber vor allem durch Einsätze
„von helfenden Händen“ unterstützen.
Bei der Suche nach Ärzten und Pflegern
für die Klinik setzt der Senat auch auf die
Solidarität der Berliner. Dafür sollen Ruhe-
ständler sowie Studenten gewonnen wer-
den. Am Donnerstag richtete auch die Berli-
ner Krankenhausgesellschaft einen drin-
genden Appell an die Einwohner. „Wir ru-
fen alle Berlinerinnen und Berliner mit ei-
ner medizinischen Ausbildung auf, sich an
Einrichtungen, die zu ihrem Qualifikati-
onsprofil passen, zu wenden“, schreibt die
Gesellschaft. Gesundheitssenatorin Kalay-
ci glaubt, dass sich die Berliner solidarisch
zeigen werden. Schon jetzt würden „sich
viele pensionierte Ärztinnen und Ärzte,
Pflegekräfte und Studierende melden und
sagen, wir würden bei einem solchen Pro-
jekt mithelfen“. jan heidtmann

Das Gerangel, wer nun
Vorrechte hat, geht bereits los,
heißt es aus dem Bundesamt

2 HF2 (^) THEMA DES TAGES Freitag, 20. März 2020, Nr. 67 DEFGH
Sind Sie
systemrelevant?
Welche Mitarbeiter unabdingbar
sind, ist oft schwer zu entscheiden
Die Ruhe vor dem Aufbau: In der Messe Berlin soll demnächst eines der größten
Covid-19-Krankenhäuser der Republik eröffnen. FOTO: TOBIAS SCHWARZ/AFP
Wird passend gemacht
In Berlin will man in wenigen Tagen eine 1000-Betten-Klinik in einer Messehalle aufbauen. Das Projekt zeigt, welche Schwierigkeiten sich da auftun
Bis Montag will
der Projektleiter den Plan
für das Hospital fertig haben
Bei der Suche nach Personal
setzt man auf
die Solidarität der Berliner
Das zählt zur sogenannten kritischen Infrastruktur:
Das Lager einer Supermarktkette in Sachsen (oben), Polizisten, die einen Park
in Frankfurt räumen (unten).FOTOS: KAI PFAFFENBACH/REUTERS, SEBASTIAN KAHNERT/DPA
Was hilft durch die Corona-Krise?Betriebe werden geschlossen, Ersatzteile sind nicht lieferbar, Beschäftigte bleiben zu Hause, um Kinder
zu betreuen. Die Pandemie legt Teile der Wirtschaft lahm. Umso wichtiger wird die Frage, welche Unternehmen und Einrichtungen
weiterarbeiten müssen und welche Mitarbeiter unverzichtbar sind, um alle versorgen zu können – mit Essen, Strom oder Medizin

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