Berliner Zeitung - 20.03.2020

(Darren Dugan) #1

GeschlosseneGesellschaft:WieeinVirusBerlinverändert– Seite 3


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Freitag,20. März 2020 Nr.68HA-76. Jahrgang
Auswärts/D*: 1.70€–Berlin/Brandenburg: 1.60 €

Zeitweise Regen
Wetter Seite 2

6°/11°


Verbot:Razziagegen


ReichsbürgerinBerlin


Politik Seite 5, Meinung Seite 7


Auszeit:TimoBoll,


dasSuper-Auge


Sport Seite 9


Derdie Weltverzaubert:


FriedrichHölderlin


Feuilleton Seite 17


Milliardenfür


kleineund


großeFirmen


BundundBerlinerSenat
beschließenHilfspakete

B


undesregierung undNotenban-
kenwollensichinderCoronavi-
rus-KrisemitallerMachtgegeneine
drohendePleitewelle undVerwer-
fungenandenFinanzmärktenstem-
men. DieEuropäischeZentralbank
weitete ihr Anleihenkaufprogramm
drastischauf750Milliarden Eurobis
mindestensEnde2020aus–dashilft
StaatenwieUnternehmen.DieBun-
desregierung plant angesichtsvon
ExistenznötenbeiKleinstfirmenund
Solo-Selbstständigen einHilfspaket
vonmehrals40Milliarden Euro.
Viele Solo-Selbstständige,also
UnternehmerohneAngestellte,und
viele Kleinfirmen fürchten um ihre
Existenz –etwa Leute,die Sozial-
und Pflegedienste anbieten, die in
Weiterbildungen arbeiten oder
Künstler.Viele Geschäfte mussten
schließen,Messen,Veranstaltungen
undKonzertewurdenabgesagt.
Über zweiHilfsprogramme für
kleine Firmen hat am Donnerstag-
abend auch derBerliner Senat ent-
schieden. Es geht es um bis zu 600
MillionenEuro.Sos ollenFirmenmit
biszu250MitarbeiternleichterDar-
lehenbekommen.Dafürwir dderLi-
quiditätsfonds derInvestitionsbank
Berlin um 100Millionen Euro er-
höht. Sollten derKampf gegenCo-
rona länger dauern,werdeauf 200
MillionenEuroaufgestockt.
Einzweites Programm umfasst
100MillionenEuro.Esr ichtetsichan
diebesondershartvonderKrisebe-
troffeneFirmen mit maximal fünf
BeschäftigtensowieFreiberuflerund
Soloselbständige in denBereichen
Gesundheit,HandelundDienstleis-
tung, Jugend undBildung, Kultur,
SozialesundTourismus.WiederSe-
natam Abendmitteilte,könnteauch
das Programm auf 300 Millionen
Euroaufgestocktwerden. (BLZ, dpa)
Ta gesthemaSeite

M


ittwochabend im
Gleisdreieckparkin
Berlin-Kreuzberg:
Mehrer eGruppen
jungerMenschensindaufdenGrün-
flächen unterwegs.Der empfohlene
Corona-Abstand wirdselten einge-
halten. Unter dem U-Bahn-Viadukt
sitzt eineGruppe um eine mitge-
brachte Wasserpfeife.Ess ind wohl
sorglose Szenen wie diese,die am
Donnerstag gleich mehrereMinis-
terpräsidenten dazu gebracht ha-
ben, öffentlich über eineAusgangs-
sperreinD eutschlandzusprechen.
Denn der eindringliche Appell
vonKanzlerinAngelaMerkel(CDU)
zu mehrDisziplin hat bislang nicht
die erhoffte Wirkung erzielt. Am
SonntagwillMerkelmitdenLänder-
chefs in einerTelefonschalte über
einemöglicheAusgangssperrebera-
ten. Dassagte der baden-württem-
bergische RegierungschefWinfried
Kretschmann (Grüne). In seinem
Bundesland hat am Donnerstag-
abenddieStadtFreiburgeineeinge-
schränkteAusgangssperrevom 21.
Märzbis3. Aprilverhängt.DieStadt
sprach voneinem„Betretungsverbot
füröffentlicheOrte“.Mandürfeaber
weiterhin zur Arbeit oder zum Arzt
gehensowieLebensmittelkaufen.
Dernordrhein-westfälische Re-
gierungschef Armin Laschet (CDU)

mahnte:„JederEinzelnehatesinder
Hand zu verhindern, dass esAus-
gangssperrengibt.“Erhatunterden
Länderchefs das größte Corona-
Problem.InabsolutenZahlengibtes
mit 3033 Infizierten in NRWdie
meistenPatientenbundesweit.Eine
Steigerungvonimmer mehr als 600
Betroffenen innerhalb einesTages.
IndemLandgabesschonsechsTote.
AuchderbayerischeMinisterprä-
sident Markus Söder (CSU) nimmt
eine weitereEinschränkung derBe-
wegungsfreiheitindenBlick,sollten
sichdie MenschennichtandieEmp-
fehlungen halten: möglichstwenige
soziale Kontakte,ambesten zu

Hause bleiben. „Wenn sich viele
Menschennichtfreiwilligbeschrän-
ken, dann bleibt amEnde nur die
bayernweiteAusgangssperrealsein-
zigesInstrumentarium.Dasmussje-
dem klar sein“, sagte er im Landtag
inMünchen.DasoberpfälzischeMit-
terteichhatteamMittwocheineAus-
gangssperreverhängt,die erste bun-
desweit.Berufstätige dürfen zur Ar-
beit,anderezumEinkaufen,diePoli-
zeikontrolliert.BisMittwoch waren
im LandkreisTirschenreuth 47Co-
rona-Infizierteregistriert,allein25in
der 6500-Einwohner-StadtMittert-
eich.EinStarkbierfestkönntederVer-
breitungVorschubgeleistethaben.

Baden-Württembergs Regie-
rungschef Kretschmann sagte im
Landtag, ob es einAusgangsverbot
gebe,hängevondenBü rgernab.„Es
kann nicht sein, dass jetzt junge
Leute zu Corona-Partys rennen.
WennnichtalleihrVerhaltengrund-
legend umstellen, kommen wir um
härter eMaßnahmen undSanktio-
nennichtherum.“
KanzlernMerke lhatteinihrerAn-
sprache zwar das Wort Ausgangs-
sperrenicht in denMund genom-
men,aberklargesagt,dassjederEin-
zelne aufgefordertist, sein Verhalten
sozuändern.Wenndasnichtgelingt,
werdeesw eitereMaßnahmengeben.
InEuropagelteninmehrerenLän-
dernAusgangssperren. In Italie n,
demL and mit dem meistenInfizier-
ten, wir ddie Ausgangssperrewohl
überden25.Märzhinausverlängert.
DieRegierunginRomerwägteinVer-
botallerFreizeitaktivitätenimFreien
–darun ter auchSpaziergänge und
Joggen.Auchin Frankreichbleibtdie
Bewe gungsfreiheit der Bürgerwei-
terhineingeschränkt.
UndinD eutsch landkommteszu
absurdenSzenen:IneinemG eschäft
inMannheimgabeseineSchlägerei,
weil ei nMann mehrerePacku ngen
Toilette npapie rkaufen wollte und
die Verkäuferihm dies nicht erlau-
benwollten. (tom./dpa, AFP)

Wie groß darf die Gruppe sein, wie nah dürfen die Menschen einanderkommen? Der MauerparkimPrenzlauer Berg GETTY IMAGES

LänderdrohenmitAusgangssperre

MinisterpräsidentenprangerndassorgloseVerhaltenzuvielerMenschenan


LEBEN MIT DEM CORONAVIRUS

Höchste Sterberate in Italien Seite 4

Entspannung in China Seite 5

Hilft ein Malariamittel? Seite 6

Grundrechte in Gefahr Seite 7

Der DFB willAmateurklubs helfen Seite 10

Entwarnung für Michael Müller Seite 11

Fitness durch Heimtraining Seite 12

S-Bahn legt drei Linien still Seite 14

Corona und die Clubkultur Seite 15

LogistikhilfevonStudenten Seite 16

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Postvertriebsstück A
Entgelt bezahlt
Der Herr
über die
Katastrophen

VonKatrin Bischoff
E
rwollte sich eigentlich um sei-
nen Garten kümmern, so wie es
sichein Rentnervornimmt,wenner
keine sozialenKontakte mehr pfle-
gensoll.DochdasVirushatAlbrecht
Broemme imRuhestand eingeholt.
In diesen Zeiten hält er es nicht für
angebracht, imGarten zu buddeln.
DennvorwenigenTagenbekamder
Berliner Rentner einen Anrufvon
Gesundheitsse-
natorin DilekKa-
layci.Obernicht
in Messehalle 26
ein Krisen-Kran-
kenhaus auf-
bauenwolle.Mit
1000 Betten. Er
sagtezu.
Broemme ist
66 Jahrealt, er
kennt Katastro-
phen. Er wurde
1992Feuerwehrchef vonBerlin–der
jüngstemit39Jahren –und2006 Prä-
sident desTechnischenHilfswerkes.
Er nennt drei wichtigeDaten in sei-
nem Leben:Nach der Wende hat er
die Feuerwehren ausOstund West
zusammengeführt, er hat 2015 die
Flüchtlingskrisemitgemanagt–und
nun bestimmt dieCorona-Pande-
mieseinDasein.
Beiden Berlinernhat Broemme
einenBonus,vielekennenihnnoch
heute.WeilersichalsFeuerwehrchef
bei vielenEinsätzen einenNamen
machte,etwabeidergrößtenGasex-
plosion derBerliner Nachkriegsge-
schichteinSteglitzmitsiebenToten.
NunbautAlbrechtBroemmedas
deutschlandweit größte Kranken-
hausfürCorona-Infizierteauf.Esist
ein„Überlaufkrankenhaus“für 1000
Patienten.DorthinsollenMenschen
kommen,dieinBerlinsKlinikenkei-
nenPlatzmehrfinden,aberbeatmet
undgut versorgt werdenmüssen.
„Ichbindabei,alleszuorganisie-
ren. Es wirdnicht einfach“, sagte
BroemmeamDonnerstag.ErhatBe-
atmungsgeräte bestellt, und er be-
nötigt Pfleger und Ärzte.Woher sie
kommen sollen,weiß er nicht.Er
sagt, dass er keinPersonal aus den
Krankenhäusernabziehen könne.
Deswegen sei jeder Arzt imRuhe-
stand willkommen.Auch Zahnärzte
oder Therapeuten, die vielleicht
nicht mehr so viel zu tun hätten.In
25Tagensollallesoffiziellfertigsein.
Broemmewillesfrüherschaffen.
Er sagt, er mache sich schonGe-
dankenwegendes Virus. Er hatzwei
Kinder.Aberammeistensorgtersich
um seineMutter.Sie wir dind iesem
Jahr100 Jahrealt.
Corona-Klinik
Albrecht Broemme,
Berlins oberster Helfer
ohne Ruhestand
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