Berliner Zeitung·Nummer 68·Freitag, 20. März 2020–Seite 10
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S p ort
RückgriffaufeingutesPolster
DerDeutscheFußball-BundwillangeschlagenenAmateurklubsinderCoronakrisehelfen.Verlusteausgleichenkannernicht,dochergibtÜberbrückungshilfen
VonFrank Hellmann, Frankfurt
N
otmachtbekanntlicher-
finderisch.Mitexistenz-
bedrohenden Szenarien
kenntsichimdeutschen
FußballkaumeinKlubsogutauswie
die OffenbacherKickers.Früher hat
unterzweigroßenFlutlichtstrahlern
einTorjägerwieErwinKosteddeso-
gardenFCBayerndasFürchtenge-
lehrtund später erwarbRudiVöller
genau hier seinenTorriecher .Vom
GlanzalterTageistderRegionalligist
weit entfernt, trotzdem kann er als
ein Paradebeispiel dafür gelten, wie
dieMenschenindiesenKrisenzeiten
zusammenstehen.
Weil das heimtückischeCorona-
virus denVerein direkt an denAb-
grund treibt,werden seit einerWo-
cheGeisterspielticketsabgesetzt,die
zwischen fünf und 190,10Euro (als
VIP-Ticket) kosten.Aufallen ist ein
Gespenstabgebildet,dasden„Geist
vomBieberer Berg “zeigt.Esdauerte
vierTage,daw ardie 1000.Eintritts-
karte verk auft. „DieBilanz ist in je-
dem Fall mehr als ermutigend.Und
vielleicht geht ja noch viel mehr in
diesen unglaublichenZeiten!“, wird
Kickers-PräsidentJoachim Wagner
aufder Vereinshomepagezitiert.
Dietreuen Anhänger sollen mal
wiederzuerstdafürsorgen,dassbei
denKickersnichtdieLichterausge-
hen. Denn wie so vieleVereine,die
sichoffiziellimAmateurlagerbefin-
den,aberinWahrheiteinenProfibe-
trieb unterhalten, fühlen sich auch
die Offenbacher vomDeutschen
Fußball-Bund (DFB) imStich gelas-
sen. „Die Regionalligisten werden
durch dieAufstiegsregel erst zum
Wettrüsten gezwungen, dann lässt
man sie imRegen stehen“, kritisiert
Wagner.Ihn stör tdie Untätigkeit
massiv.„Ichkann der zeit nicht sa-
gen,werunshelfenwird.Dabeiwäre
esdringendnötig.“
GenausolcheHilferufeerreichen
die ranghöchsten Funktionärein
den Regional- und Landesverbän-
den fast stündlich.Viele dringen di-
rekt zum DFB-VizepräsidentenRai-
nerKochvor, deralsAmateurvertre-
teraufderPräsidiumssitzungviaTe-
lefonschaltedieLagegeschilderthat.
„Wir bekommen AnrufevonVerei-
nen,derenSituationdramatischist“,
erzählte jetzt der DFB-DirektorOli-
verBierhoff, obwohl das gar nicht
sein Zuständigkeitsbereich ist.Im
Vergleich zu einigen Amateurklubs
scheinen mancheSorgen der Profi-
klubs fast noch einKinderspiel zu
sein.
DFB-Präsident Fritz Keller hat
zwar empfohlen, was alleFußballer
tunundnichttunsollten„Füßestill
halten,anderenLeuteinNothelfen,
nicht inVereinsheime gehen, keine
Partysfeiern“,hatderFreiburgerge-
sagt. Aber das Oberhaupt konnte
den25000VereinennochkeineZah-
len für einHilfsprogrammverkün-
den,obwohldieBasismitihrensie-
benMillionenMitgliedernimmerals
KernstückdesdeutschenFußballsti-
tuliertwird. Nungeht es nicht nur
um Unterstützung der Ehrenamtli-
chen, sonderntatsächlich auch um
den Arbeitsplatzvon250000 Voll-
zeitkräften–dassindübrigensmehr
als vierMalsow ie die Erste und
ZweiteBundesligaausweist.
Sie erreichen derzeit viele Hilferufe vonVereinen, deren Situation dramatisch ist: DFB-PräsidentFritz Keller und DFB-Direktor Oliver Bierhoff (r.). GETTY IMAGES
„WirhabendasProjektZukunftausgerufen–
das wir dman jetzt überarbeiten müssen.
Dasist die Aufgabe jedesMitgliedsi mDFB,
dass er auf seineBudgets schaut
und bewertet, was wirklich notwendig ist.“
Oliver Bierhoffschwörtals DFB-Direktor die Mitglieder desVerbandes darauf ein, dass
sie den Gürtel nun enger schnallen müssen.
DasDFB-Präsidium hat sich darauf
geeinigt, dieRegional- und Landes-
verbände„strukturell und finanziell
zu unterstützen“, wie Keller sagt.
VomehemaligenPräsidentendesSC
Freiburg,dermitunglücklichenAus-
sagen undInterpretationen zu den
Fanprotesten einiges anVertrauen
eingebüßt hat, wirdkonkrete Hilfs-
bereitschaft erwartet. „Der DFB hat
gut daran getan, Rücklagen zu
bauen. Wirkönnen auf ein kleines,
abergutesPolsterzurückgreifen,das
wir jetzt auch abgeben“,versprach
Keller.Ess eienabernichtnurkleine
Vereine gefährdet, sondernauch
Bundesligavereine,„esgeht vonganz
obenbiszurKreisliga“.
Allerdings wies derVerband dar-
auf hin, dass er keineVerluste aus-
gleichen kann,weshalb es nur um
gezielte Überbrückungshilfen in
Notfällen gehen kann. Tatsächlich
darfder DFB satzungsgemäß gar
keine Finanzspritzen direkt in die
Kassen der Klubs leiten. Klamm ist
derVerbandnicht,wiederletzteGe-
schäftsbericht imSommer 2019 be-
legte:DieBilanzsummedesDFBbe-
trug 329Millionen Euro,das Eigen-
kapital belief sich auf 150Millionen
Euro.Die Eigenkapitalquote lag bei
45Proz ent.
Doch vieles davon istverplant:
etwa für den bereits begonnenen
Bauder Akademie auf der ehemali-
gen Frankfurter Galopprennbahn,
der bis zu 150Millionen verschlin-
genwird.Darankannkaumnochge-
rüttelt werden, wohl aber an ande-
renMaßnahmen, wieBierhoff ein-
räumte:„Wir haben dasProjekt Zu-
kunft ausgerufen–das wir dman
jetzt auch noch mal überarbeiten
müssen.Dasist die Aufgabe jedes
Mitglieds im DFB,dass er auf seine
Budgets schaut und bewertet, was
wirklich notwendig ist.Wirwerden
sicher den Gürtel enger schnallen
müssen.“Aberwer,woundwann?
Daswirdüber die DFB-Zentrale,
deren 500 Mitarbeiter fast aus-
schließlichnurnochimHomeoffice
arbeiten, noch etlicheSkype-Schal-
tenerforderlichmachen.ObdieLö-
sungendannauchdieNachbarstadt
Offenbach erreichen, ist ungewiss.
Da bringt derAbsatz vonKarten für
Spiele,diegarnichtstattfinden,ver-
mutlichvorerstmehr.
InDüsseldorfgereift
MathiasNiederberger,derinderSaison2014/2015schonmaldasEishockey-TorinBerlingehütethat,kehrtzurückzudenEisbären
VonBenediktPaetzholdt
E
swäreeine brisantePartie im
Play-off-Viertelfinale gewesen:
DieEisbärengegendieDüsseldorfer
EG.Oderbessergesagt:DieBerliner
Offensivegegen SchlussmannMa-
thiasNiederberger,27.InderHaupt-
runde,über die es ja bekanntlich
nichthinausging,entnervtederTor-
wartdieEHC-Stürmerregelrecht.
DasDuell der Traditionsklubs
wäreaber auch deshalb so beson-
ders geworden,weil schon länger
darüber spekuliertwurde ,dass Nie-
derbergerinderkommendenSaison
wieder dasEisbärentrikot trägt. Am
Donnerstag wurde es nun offiziell:
DerTorwar tkehrtzurück nachBer-
lin,woerinderSaison2014/2015be-
reits elfmal dasTorgehütet hatte,
abernochimSchattenvonPetriVe-
hanen stand.Er wirdmit der Rü-
ckennummer 35 auflaufen, die die
Eisbärensicherheitshalberreserviert
hatten.
NiederbergersVerpflichtung ist
ein Coup.„Mathias ist ein absoluter
Topgoalie in der DEL“, sagtEisbä-
ren-SportdirektorStéphane Richer.
„Erhatsichindenverg angenenfünf
Jahren stetigweiterentwickelt und
warindieserSaisonnichtnurstatis-
tisch der besteTorwartder Liga.“In
der abgelaufenen Spielzeit über-
zeugteermiteinemGegentorschnitt
von2,05 in 46Partien und einer
Fangquotevon93P roze nt aller auf
ihnabgefeuertenSchüsse.
MitNiederbergersVerpflichtung
haben dieEisbären zum erstenMal
seit zweiJahren, alsVehanen seine
Karrier ebeendete,wiedereineklare
Hierarchie imTor. In der Saison
2018/2019setztemanzuBeginnauf
das junge deutsche DuoMarvin
Cüpper undMaximilianFranzreb.
Weil sich Cüpperverletzte,musste
MitwelchemKeeperdie Eisbären
alsBackupplanen,istnochnichtbe-
kannt. ZurAuswahl stehenDahm,
Cüpper,der zurück imTraining ist,
und Tobias Ancicka.Der19-Jährige
gehörtzur Organisation, sammelt
derzeitaberinderfinnischenNach-
wuchsliga Erfahrung, seinMentor
dortist PetriVehanen. Es könnte
sein, dass er nach Berlin zurück-
kehrt.Eskönnteaberauchsein,dass
esihnnachNordamerikazieht.
NationalkeeperNiederbergerließ
die Anhängerschaft jedenfalls wis-
sen,dassersichfreut,wiederinBer-
linzusein.„DieEisbärenhabenfrüh
deutlichesInteressegezeigtundmir
damit ein gutesGefühl gegeben“,
sagt er .„Ichhabe tolleErfahrungen
gemacht, als ich das ersteMalbei
denEisbärenwar.Ichbin vollerVor-
freudeundbingespanntdarauf,was
dieZukunftin Berlinfürmichbereit-
hält.“
während derSaison Kevin Poulin
nachverpflichtetwerden, der zwi-
schen den Pfosten überzeugte,aber
inder KabinecharakterlicheSchwä-
chenoffenbarte.
FürdieseSaisonholtendieEHC-
VerantwortlichenSebastian Dahm
vonden Iserlohn Roosters in die
Hauptstadt.Mitder Hoffnung, dass
ersichmitCüppereinenZweikampf
um denPlatz im Torliefernwürde.
DochdannverletztesichCüpperer-
neut,FranzrebwurdedieDEL-Taug-
lichkeitabgesprochenundnachBad
Tölzentlassen.KurzvordemJahres-
wechsel kamJustin Pogge,der sich
nach anfänglichen Schwierigkeiten
zu einer Verstärkung entwickelte.
MitNiederbergerhabendieEisbären
jetztdiebestmöglicheEntscheidung
auf dieser so wichtigenPosition ge-
troffen. Er ist ein Rückhalt, den es
braucht,umeineguteSaisonin Zu-
kunftmalwiederkrönenzukönnen.
So langsam nimmt der neueKa-
der Konturen an. Richer,der aktuell
inHamburgimH omeofficearbeitet,
weil die Geschäftsstelle gegenüber
derArenageschlossenist,sagt:„Wir
haben eine guteMannschaft, wir
wollennichtsovielverändern.“Mit
Stürmer MarkZe ngerleundVerteidi-
gerStefanEspeland,beide30,sollen
zwei Profis,die in der abgelaufenen
Saison für Bremerhaven spielten,
nachBerlinkommen.
EinenKommentarwollteerdazu
nicht abgeben.Auch gab es noch
keine Auskünfte darüber,wer außer
TorwartJustinPoggeundAndréRan-
kel,dernach17Jahrenkeinenneuen
Vertragmehr bei denEisbären er-
hält,denVereinverlässt.GuteNach-
richten an die Anhänger zuverkün-
den, die in der eishockeyfreienZeit
nachInformationenlechzen,istoh-
nehin der angenehmereTeil der Ar-
Wieder Eisbär:Niederberger.IMAGO/NORDPHOTO beit.