Berliner Zeitung - 20.03.2020

(Darren Dugan) #1
Berliner Zeitung·Nummer 68·Freitag, 20. März 2020–Seite 20
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P a norama


NACHRICHTEN


Weinsteininanderes
Gefängnisverlegt

DerwegenSexualverbrechenzu
Jahren Haftverurt eilteEx-Holly-
wood-Produzent Weinsteinistinein
GefängnisaußerhalbderStadtNew
Yorkverlegtworden.Erwurdenach
AngabenderJustizbehördenvonder
HaftanstaltRikersIslandindas
HochsicherheitsgefängnisWende
CorrectionalFacilitygebracht.Die
JustizvollzugsanstaltliegtimNord-
westendesBundesstaatesNewYork.
Weinstein,deramgestrigenDon-
nerstag 68 Jahrealtwurde,solldort
abervoraussichtlichnichtdauerhaft
untergebrachtwerden.Vielmehrsoll
erzunächstmedizinischundpsy-
chologischuntersuchtwerden,be-
vorentschiedenwird,woerseine
Haftstrafeabsitzenmuss. (AFP)

StarkesErdbebenauf
indonesischerInselBali

DieindonesischeInselBaliistinder
NachtzumDonnerstag(Ortszeit)
voneinemheftigenErdbebener-
schüttertworden. DerErdstoßhatte
dieStärke6,3,wiedieUS-Erdbeben-
warteUSGSmitteilte.EineTsunami-
Warnungwurdenichtausgegeben.
DasZentrumdesBebenslagdem-
nach255KilometersüdlichderStadt
NusaDuaine inerTiefevonzehnKi-
lometern.DasBebenwarvielerorts
aufderTouristeninselzuspüren.
ÜberVerletzteoderSchädenwurde
zunächstnichtsbekannt. (AFP)

Queenziehtsichfürmehrere
Wochenzurück

Im britischen Königshaus wurde das Pro-
gramm zusammengestrichen. DPA

ImKampf gegendieCoronavirus-
PandemiebleibenauchMonarchien
undKaiserhäuseraufAbstand.Nach
BeratungenmitdenRegierungen
beiderLänderhabeKöniginEliza-
bethII.zugestimmt,denfürdas
FrühjahrvorgesehenenStaatsbe-
suchdesjapanischenKaisersNaru-
hitoundseinerFrau„angesichtsder
derzeitigenUmstände“zuverschie-
ben,teiltederBuckingham-Palast
amDonnerstagmit.DieReisewerde
zueinemspäterenZeitpunktnach-
geholt.DieQueenwillsichfürmeh-
rere WochenaufSchlossWindsorim
WestenvonLondonzurückziehen.
Die93-Jährigehatmehrereöffentli-
cheAuftrittefürdiekommenden
Wochenabgesagt.Auchdie Garten-
Partysder Queenfallenaus. (AFP)

PolizeiinFreiburglöst
mehrere„Coronapartys“auf

Imbaden-württembergischenFrei-
burghatdie Polizeimehreresoge-
nannteCoronapartysaufgelöst.Die
Beamtenwurdenimgesamten
DienstbezirkmehrfachzuEinsätzen
gerufen,wiediePolizeimitteilte.Bei
denPartystrafendieEinsatzkräfte
vorallemauf JugendlicheundHer-
anwachsende,diesichbeispiels-
weiseauf Grill-und Spielplätzenver-
sammelthatten.DieGrößederMen-
schengruppenbewegtensichim
zwei-bisdreistelligenBereich.Teil-
weisereagiertendiejungenLeute
uneinsichtig,alsihreTreffenaufge-
löstwurden. (AFP)

LEUTE


ArnoldSchwarzeneggergibteinsehr
deutlichesBeispieldafür,wieinden
neuenCorona-Zeitendieallseitsver-
kündetenHygieneregelnmiteiner
neuenSittenstrengezusammenfin-
den.PerTwitterappelliertederHolly-
wood-Starjetztandieamerikani-
schenStudenten,inderSemester-
pauseaufdieüblichenausgelasse-
nen,sex-unddrogenprallenPartyszu
verzichten.„Bleibt.Zu.Hause.Damit
seidauchihrgemeint,SpringBrea-
kers.“AlsSpringBreakwerdeneben
jenewildenUni-Partysbezeichnet,
dieindenFrühjahrsferiengefeiert
werden.Spooky,dieserSchwarzeneg-
ger,ers cheintalleszusehen,denso-
zialenNetzwerkenseiDank:„Ichsehe
immernochFotosund Videos,ind e-
nenLeuteaufderganzenWeltdrau-
ßenin Caféssitzenundeineschöne
Zeithaben.Dasistnichtschlau,weil
ihrsodasVirusbekommt.“


KumailNanjiani(42)ruftzur Beson-
nenheitinderCorona-Kriseauf.Auf
TwitterlegteunsderUS-Komiker
jetztnahe,unsaufdasWesentliche
zukonzentrieren,anstattdenFrust
anChinaauszulassen:„Bitte
schlucktnichtdenKöderoffensicht-
lichkoordinierterBemühungen,die
SchuldfürdasVirusaufsein Her-
kunftslandzuverschieben.“Das
zielteganzoffenbaraufdenPräsi-
dentenDonaldTrump,dessenNei-
gungzurLügeundzurHetzeind en
letztenWochenjanichtnachgelas-
senhat. Wieauchimmer,Nanjiani
schlägtvor,mansollesichdarauf
konzentrieren,mehrCorona-
Testszubekommenunddas
US-Gesundheitssystemzu
verbessern.


NinaBott(41)versucht
sichebenfallsbeider
Corona-Aufklärung
undschicktaufInsta-
gramdafürihrevier-
jährige TochterLunains
Rennen.Diegibtunsin
einemdrolligenVideo
guteRatschläge:Immer
dieHändewaschen,nicht
insGesichtfassen,nicht
inder Nasebohrenundden
Popelnichtessen.Naalso,
gehtdoch. (schl.)


Schauspielerin Nina Bott hat
eine klugeTochter. IMAGO IMAGES


TIERE


BeidenFeldhasenherrschtdieser
TageregeBetriebsamkeit.DerNach-
wuchserblicktdasLichtderWelt–
undgleichzeitiglauernüberall Ge-
fahren. Autos,wilderndeHundeund
KatzenlassenmanchesHasenbaby
zumWaisenwerden.Dannsindhel-
fendeMenschenhändegefragt,etwa
inder WildtierstationKleinOffen-
seth-Sparrieshoop(Schleswig-Hol-
stein).JedesJahrwollenbiszu
Jungtiereaufgezogenwerden–ein
schwierigesUnterfangen.MitEr-
satzmilchausdemFläschchenistes
nichtgetan.Wieind erfreienNatur
gehörenauchKräuteraufdenSpei-
seplan.Alsowirdaufderstationsei-
genenWieseVogelmiere,Saueramp-
ferund Spitzwegerichgepflückt.Der
Haseweiß,wasschmeckt! (avo.)


Schön austrinken! Und zum Nach-
tisch gibt’sKräuter. DPA

MitKekseninsCockpit


PilotinnensindimsüdlichenAfrikadieAusnahme.MancheFrauenkämpfenhartnäckigumihrenTraumberuf


VonRalf E. Krüger,Pretoria

K


einGeld,keinKredit,aber
hochfliegende Pläne: Bei
ihrem GriffnachdenSter-
nenkämpftdieSüdafrika-
nerin TshepangRalehoko gegen
Widrigkeiten aller Art. „Ichwerde
Verkehrspilotin“, sagt sie imBrust-
ton der Überzeugung. Zwischen
70000 und 100000Euro kostet so
eineAusbildungfürihrenTraumbe-
ruf–Geld, das die 23-Jährige nicht
hat. Dennoch steht sie jetzt bereits
kurzvorder VollendungihrerAusbil-
dung alsPrivatpilotin–dank einer
beispiellosenAktion,dieihrlandes-
weitAufmerksamkeiteinbrachte.

Crowdfunding als Chance
Mitihrer Mutter backte sie eimer-
weiseKekse,diesie vorWeihnachten
zur Finanzierung ihrerAusbildung
anFirmenund Privatleuteverk aufte.
EineBäckereiimTownshipbotHilfe
an und unterstützte sie dabei.Zu-
dem kamen Spenden über ein
Crowd funding-Projekt in den sozia-
lenMedienrein.„Esistwichtig,offen
zu kommunizieren, dass manHilfe
braucht. Mansollte sich nicht
scheuen,darüberzureden“,sagtsie
heute.ÜberTwittervernetztesiesich
nicht nur „mit denrichtigen Leu-
ten“, wie sie sagt, sondernwurde
auch schnell zur Inspiration für
jungeFrauenmitähnlichenTräu-
menundProblemen.
Dieentschlossen auftretende
FrauausdemTownshipAtteridge-
villebeiPretoriastehtbeispielhaft
fürdiejungeGenerationdes
Kontinents;siesuchtzuneh-
mendihrenPlatzganzvorne–
undentdecktaufdemWegda-
hinauchdieChancenderDi-
gitalisierung. „Aufgeben ist
keineOption“,lautetdasLe-
bensmottovonTshepangRa-
lehoko.BishergabihrdasLe-
benrecht:DiePrivatpilotenli-
zenz ist immerhin die erste
StufeihrerAusbildungaufdem
Wegind en Pilotensitz einesVer-
kehrsjets.
WieTshepangRalehoko finden
in Südafrika immer mehr junge
FrauenihrenWeginsCockpit–und
kämpfendabeimitausgesprochener
Hartnäckigkeit. ZumBeispiel Re-
filweLedwaba, die 2005 als erste
schwarzePilotinbeiderPolizeiihres
LandesHelikopterflogundheuteals
Ausbilderintätigist.

RefilweLedwabastecktauchhin-
terderimJahr 2010 gegründeten
GFPA-Stiftung(dieAbkürzungsteht
fürGirlsFlyProgrammeinAfrica),
diejungenAfrikanerinnendenWeg
inLuftfahrtberufeebnenwillundak-
tivdafürindenSchulenderdiversen
Länder derRegion wirbt. „Vor die-
sem Hintergrund hat dasInteresse
junger Frauen in denvergangenen
Jahren spürbar zugenommen“, be-
stätigt Nandi Zama vonder GFPA-
Stiftung.
WieTshepang Ralehoko wuchs
auch RefilweLedwaba in einem
Township auf–ein Jobals Stewar-
dess zurFinanzierung ihresMedi-
zinstudiumsbrachtesieaufdenGe-
schmack, eineKarrier eind er Luft-
fahrtzus uchen.EsisteineBranche,
die nicht nur in Südafrika überwie-
gend nochweiß und männlich do-
miniertist.DieInternationalSociety
ofWomen Airline Pilots geht davon
aus,dass bei den großen Airlines
gerade mal fünfProz ent der Flug-
zeugführer heute Frauen sind –
und nur 1,4Proz ent als Bordkom-
mandant.

SteinigerWeg
„WirmüsseneinfachdieVorstellung
ändern, dass Luftfahrtberufe nur
Männernvorbehalten sind“, meint
TshepangRalehoko,dieim Rahmen
eines Schulprojektes als Teenager
erstmalsimCockpiteinesAirbus-Si-
mulators saß. „Ich hatte bis dahin
immernurweißeMännerinPiloten-
uniformen gesehen und gedacht,
dassFrauendasnichtdürfen“,erin-
nertsie sich. Erst Vorbilder wieRe-
filweLedwaba änderten dieseSicht
und inspirierten Schülerinnen wie
Tshepang.
AuchsiehatbereitsEinladungen
zuVorträgenvonmehrerenSchulen
erhalten, zögertaber noch. „Wenn
ich junge Schülerinnen inspirieren
will,dannmöchteichkeinefalschen
Hoffnungen nähren, sondernauch
Lösungen anbieten können“, sagt
die 23-Jährige.Sow eit sieht sie sich
abernochnicht–daskommespäter,
wenn die kommerzielle Pilotenli-
zenzabgehaktist.
DennfürdieWelleder Unterstüt-
zung, die sie auf dem steinigenWeg
in ihrenTraumberuf erhält, möchte
sie sich einesTages malrevanchie-
ren.„EinsmeinerLebenszieleistes,
später malzehn jungenFrauen den
Wegins Cockpit zu ebnen“, sagt
TshepangRalehoko.

LUFT NACH OBEN

Fünf Prozent:Frauen sind
weltweit eher selten im Cock-
pit anzutreffen. Nur etwa fünf
Prozent aller Flugzeugführer
sind Frauen–jeder 20. Pilot
ist demnachweiblich.

Airlines:In einem Ranking
von19Airlines, die 2018 die
meisten FlügeinDeutsch-
land anboten, liegen Flybe
und Luxair mit einem Frauen-
anteilvonzehn Prozentvorn.

Ziele:Bei der Lufthansa liegt
der Frauenanteil aktuell bei
sieben Prozent. Mehr Frauen
ins Cockpit zu bekommen,
sei ein zentrales Unterneh-
mensziel, heißt es.

Kekse backen hilft: Tshepang Ralehokoauf dem FlugplatzWonderboom. DPA

DerletzteAkt


DerFallJyotiSingherschüttertedieWelt.JetztsollenvierVergewaltigerderStudentinausNeu-Delhihingerichtetwerden


M


ehr als siebenJahrenach der
brutalen Gruppenvergewalti-
gung einerStudentin in der indi-
schenHauptstadtNeu-Delhisolldie
Hinrichtungvonvier zum Tode ver-
urteilten TäternamFreitag voll-
streckt werden –wenn sie nicht er-
neut verschoben wird.DasVerbre-
chenhatteinIndienundinternatio-
nal für Entsetzen gesorgt.DerFall
warfüberdieseinSchlaglichtaufdie
weit verbreitete Gewalt gegen
Frauen in der größtenDemokratie
derWelt.
Am16. Dezember2012wurdedie
23-jährigeJyotiSinghüberfallen,als
siemiteinemFreundnachdemKino
in einem privatenBusnach Hause
fahrenwollte.DerFreundwurdevon
sechs Angreifernzusammenge-
schlagen und beraubt,Singh verg e-
waltigt und mit einerEisenstange
schwer misshandelt.Nach mehr als
einerStundewarfendieMännerihre
OpferaneinerHauptstraßeausdem
Busund versuchten sogar noch, sie

zu überfahren.Singh starb fast zwei
Wochen später an schwersten inne-
renVerletzungenineinemKranken-
hausin Singapur.
DiePolizei spürte am nächsten
Tagden mutmaßlichenFahrer auf.
Sitzeund Vorhänge desBusses wa-
rengereinigt worden, doch dieBe-
amtenfandenHaarevonJyotiSingh
undeinigerVerdächtiger.EinigeTage
späterkamensechsMännerinHaft.
Im Januar 2013 wurde der Anführer
der Gruppe nach einem mutmaßli-
chen Suizid tot in seinerGefängnis-
zelle gefunden.EinBeteiligter war
zur Tatzeit 17Jahrealt und wurde
deshalb zu dreiJahren Haft verur-
teilt.Erkambereits2015wiederfrei.
DierestlichenvierAngeklagtenwur-
den im September 2013 zumTode
verurt eilt, ihr eHinrichtung seither
immerwiederverschoben.
JyotiSinghhatteaneinerprivaten
Hochschule fürPhysiotherapie eine
Ausbildung gemacht.Ihre Familie
war auf derSuche nach Arbeit aus

demländlichgeprägtenBundesstaat
Uttar Pradesh in dieHauptstadt ge-
zogen,ihr Vaterverdienteumgerech-
net 183 Euro im Monat als Gepäck-
abfertigeramFlughafen.JyotiSingh
selbstunterrichteteSchulkinderund
arbeitete bei einerZeitarbeitsfirma,
umdie Familiezuunterstützen.Die
TäterwarenSchulabbrecher,Fahrer,

DieFrauvonAkshayThakur,einemderTä-
ter,weint vor dem Gerichtssaal. AFP

Putzleute,ObsthändlerundHelferin
einem Fitnessstudio.Sie lebten im
Slum Ravi Dass Camp im Süden
Neu-Delhis,einem Labyrinth aus
engen Gassen, offenerKanalisation
undLehmziegelhäusern.
SexuelleGewaltistinIndienweit
verbreitet. 2017 wurden mehr als
33000 Vergewaltigungengemeldet–
dochdieDunkelzifferistMenschen-
rechtsaktivisten zufolge hoch.Ende
2017stecktenfast150000Fällenoch
im kompliziertenRechtssystem des
Landesfest.ImFallSinghhattenPo-
litikerundreligiöseFührerzunächst
die Studentin selbst für ihrenTod
verantwortlich gemacht.Auch einer
derTätergabihrdieSchuld,weilsie
noch spät nachts unterwegs gewe-
sensei. AusEntrüstungüberdieTat
kam es in ganzIndien zu Demons-
trationen.DieMassenprotesteführ-
ten letztlich zu härterenStrafen für
Vergewaltiger,gegen Wiederho-
lungstäter kann seitdem dieTodes-
strafe verhängtwerden. (AFP)
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