Der Standard - 20.03.2020

(Ann) #1

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DasältesteStück


DieserSweaterbegleitetmichbereits
seit1980.Ich habe dasJahr gleich


nachder Maturaals Austausch-
studentin an derUnivon Santa Bar-
bara inKalifornienverbracht.Ob-


wohl ichdafürauchnochden High-
school-Abschluss machen musste,
wareseineherrlicheZeit.


Fast jeder in denUSAhatte da-
mals so einen Pulli an–als Zeichen
der Zugehörigkeit zu seinerUni.


Alsokaufte ichmir aucheinen und
zog ihn bei jeder Gelegenheit an.


NachdemichdenSweatervorvielen
JahrendasletzteMalgetragenhatte
–ich weiß gar nicht mehr,wann das
genauwar–,wuschund bügelte ich
ihn.Danachkamerabernichtinden
Kleiderkasten,sondernaneinenpro-
minentenOrtbei mir zu Hause. Im-
merwenn ichdaranvorbeigehe,
zaubert er ein Lächeln in mein Ge-
sicht,und das California-Feelingvon
damalskommt automatisch.
Ichwürde dennochnicht soweit
gehen, ihn wie einKunstwerk zu in-

IhrenUni-SweaterausSanta Barbara trägt SabineHaag seitJahren nichtmehr. Dennoch


bügeltihn dieKunsthistorikerin undverteidigt dasgute Stück sogar gegen ihreSöhne.



szenieren oder aufzuhängen–esist
ja kein StrickpullivonErwinWurm.
Aber ichwillihn um michhaben.
Daichmichberuflic haneinemder
schönstenOrte des Sammelns auf-
halte,habeich privathäufigdas Be-
dürfnis auszumisten.Dieses senti-
mentale Stück hab eich allerdings
vorallenAusmistaktionen bewah-
renkönnen. Ichmusste denSweater
auchschon öfter gegenüber meinen
Söhnenverteidigen. Diefinden ihn
nämlichgarnichtsohübsch.“saum

Sabine Haagist seit 2009
Generaldirektorin des
Kunsthistorischen Museums
in Wien.Seit 2018 ist sie auch
Präsidentin der Österreichi-
schen Unesco-Kommission.

„Das California-Feeling kommt automatisch“

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