Der Standard - 20.03.2020

(Ann) #1

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Woche esse ich Eier-
nockerln, meine Haus-
hälterinSofia kocht die
sehr gut.Auch diese
Speise erinnert mich an
meine Kindheit.Inder
Nachkriegszeit war
niemand allergisch.
Laktose und Gluten
warenjedemegal. Man
warfroh, wennman was
zumEssenhatte.Heute
wirdsoviel Tamtam ums
Essen gemacht.Mit allzu
feinerKüche, kleinen
Häuferln auf demTeller,
verziert mit einer Blume
undbeträufelt mit
Trüffelöl,kann man mich
jagen. Ich esse gerne
einfach!

DerOrt
Am liebstenesseich bei
mirzu Hause hier in
Döblingoderineinem
derGasthäuser in meiner
Umgebung.Wasich

überhauptnich tmag,
sind Buffetsund Essen
an Stehtischen.Wenn ich
schon auswärtsesse,
dann will ich bitte sitzen
und dasEssensoll mir an
den Tisch gebracht
werden.

DieGästeliste
Ichbevorzuge kleine
Runden mitFreunden.
Am liebsten maximalzu
sechst.Wenn wir
auswärtsessen, und
dann wirdnur über die
Speisen geredet,
bekomm ich einen
Schreikrampf.Das
gemeinsameEssen ist
für mich zwar die
Grundlage des
Beisammenseins,
soll aber nicht dauernd
Gesprächsthema sein.
Diese übermäßige
Konzentration aufs
Essen lehne ich ab.

Die Erinnerung
Ich bin 1939 geboren.
Im Krieg und auch in der
Nachkriegszeit war
meine Mutter froh, wenn
sie uns überhaupt
ernährenkonnte.Siehat
Brennnesselspinatfris ch
vomGartenzubereitet
und erzählteauch, dass
ich wie ein Tier in der
Wiese stand undSauer-
ampfer gegessen habe.
Beides ganz gesund.
Fleisch gab esmaximal
einmal in derWoche.
Ansonsten aßen wir oft
dickeSuppen, Eintöpfe,
Kartoffeln.Zum
Frühstückbekamich
Haferflocken mit einer
dicken Milchhaut
darüber undZucker.
Dashabeich geliebt.
Spätererkrankteich an
Anorexie. Es wareine
Ablehnung desHinein-
wachsens in das

damaligeFrauenbild.
ZumGlück habeich die
Essstörung in jungen
Jahren überwunden und
konntenahtlos dazu
übergehen, daszu essen,
wasich essen will. Etwas
ist mir abervonder
Magersucht geblieben:
Ich hab nie gelerntzu
kochen.

DasMenü
Ich lassmir nicht gern
vorschreiben,wasich
tunoderessen darf und
wasnich t. Ichverwende
Zucker undSalz,trinke
jeden Abend eine halbe
FlascheRotwein und bin
trotzdem81 geworden.
So schlimmkann das
also nicht sein. Wichtig
ist halt,Maß zu hal ten,
aber sich dabei nichtzu
kasteien.Dasist gar
nicht soeinfach.
Mindestens einmal in der

ErikaPluhar


Dieösterreichische Schauspielerin, Sängerin und Schriftstellerin über Lieblingsspeisen


in derNachkriegszeit, ihreüberwundene Essstörung und dieAbneigung gegenfeineKüche.


Mahl-ZeitProtokoll: MichaelSteingruber


Foto:Katharina

Gossow
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