Der Standard - 20.03.2020

(Ann) #1

Wirtschaft


Wenn dieCorona-Krise überwunden ist, werden wir über


Sparprogrammeredenmüssen,sagt der ÖkonomGabrielFelbermayr.


VOLKSWIRTSCHAFT

Seite 14

FR.,20.MÄRZ2 020 13


Wirtschaft


Foto:AFP/Schwarz


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Notlandung


Austrian Airlines haben denregulären Flugbetrieb eingestellt–AUA-ChefvonHoensbroech glaubtandas Überleben der Fluglinie


Regina Bruckner

G


ute Nachrichten sind in
Zeiten der Corona-Krise
rar. Eine davon, vielleicht
die einzige für die AUA, wie Vor-
standschef Alexis von Hoens-
broech bei der kurzerhand in den
virtuellen Raum verlegten Bilanz-
pressekonferenz am Donnerstag
sagte: Die AUA hat 2019 wider
Erwarten einen kleinen Gewinn
geschrieben. Das bereinigte Be-
triebsergebnis (Adjusted Ebit) lag
bei19MillionenEuro.Dasistzwar
ein Einbruch um 77 Prozent –
doch immerhin kein Verlust. Von
einem solchen war angesichts des
heftigen Preiskampfes in Wien zu-
mindest noch im November des
Vorjahres auszugehen.

Mittlerweile ist bekanntlich
alles anders. Der Flugbetrieb steht
weitgehend still. Donnerstagfrüh
istderletztereguläreFlugausChi-
cago in Wien-Schwechat gelandet
–mit immerhin 132 Passagieren
an Bord. „Heute, wir schreiben
den 19. März, setzen wir den regu-
lären Betrieb auf null“, beschreibt
von Hoensbroech den Shutdown
bei der Fluggesellschaft in Wien.
„Wir haben alle Crews und alle
Maschinen zu Hause. Ein denk-
würdiger und trauriger Tag“, sagt
von Hoensbroech.
Vollständig still stehe die Air-
line dennoch nicht, so der Mana-
ger. Noch müssen jede Menge Ös-
terreicher aus aller Herren Län-
dern im Auftrag des Außenminis-
teriums zurückgeholt werden.

AuchimHintergrundisteiniges
zu tun. Immer noch wird an den
Details rund um das großflächig
angelegte Kurzarbeitsprogramm
gefeilt. Die AUA will–wie berich-
tet –einen Großteil der rund 7000
Mitarbeiter in Kurzarbeit schi-
cken, möglichst viele von ihnen in
möglichst großem Umfang.

Lufthansa kämpft ebenfalls
Auch der Vorstand wolle seine
Gagen reduziere. Die Führungs-
ebene verzichte auf einen zwei-
stelligen Prozentsatz des Grund-
gehalts, „aus Solidarität gegen-
über den Mitarbeitern in Kurz-
arbeit“.DasimHerbstaufdenWeg
gebrachte Sparprogramm –bis
Ende 2021 soll jede zehnte Stelle
gestrichen werden–behalte zwar

seine Gültigkeit, derzeit beschäfti-
ge man sich aber mit anderen
Dingen, sagt von Hoensbroech.
„Unser Unternehmen ist eine
Fluggesellschaft und keine Steh-
gesellschaft.“ Will heißen: Man
bereite sich auf den TagXvor. Der
Flugbetrieb stehe, aber nicht für
immer. Die Dauer sei aber nicht
absehbar. Man habe sich „einge-
wintert“.
Kann die AUA auf Finanzsprit-
zen durch die Mutter Lufthansa
hoffen? Jetzt müsse einmal jede
der Auslandstöchter–neben der
AUA sind das Swiss, Brussels und
Air Dolomiti–auf sich schauen,
sagt von Hoensbroech. Wohl wis-
send, dass die Lufthansa, die in
Deutschland in Gesprächen um
Staatshilfe ist, selbst um Stabili-

sierung kämpft. Auch bei der Mut-
ter sind ab kommender Woche 95
Prozent der Passagierflüge gestri-
chen, sagt Lufthansa-Chef Carsten
Spohr. Rund 700 der 763 Flugzeu-
ge der Flotte stünden am Boden.
Fallen Mitte April die Rückhol-
flüge weg, tendiere der Flugplan
gegen null. Spohr geht davon aus,
dass der Konzern trotz drastischer
Kostenreduktion heuer rote Zah-
len schreiben werde.
Zehntausende Beschäftigte der
Lufthansa gehen demnächst in
Kurzarbeit. Ob hierzulande neben
der Kurzarbeit weitere Staatshil-
fen nötig würden, hänge von der
Dauer der Krise ab, sagt AUA-Chef
von Hoensbroech, der davon aus-
geht, dass die AUA zu den Über-
lebenden der Krise gehört.

DieKurzarbeitverschafft großen Handelsketten eineAtempause.
Auch Drogerien wie DM melden sie an. Kleine Betriebe sehen sie
als zu teuer.Über den wirtschaftlichen Alltag im Schlafmodus.

Wieder Handelohneeinen


D EuroUmsatz überlebt


er Möbelkonzern Lutz ist schla-
fend gestellt. Die Zentrale in Wels
ist geschlossen, die Filialen sind
abgeriegelt. Das Lohnbüro arbeitet im
Homeoffice, 8000 Mitarbeiter sind in der
Kurzarbeit. Nur Haustechniker sehen in
den mehr als 140 Standorten in Öster-
reich nach dem Rechten. Untereinander
treffen sich die Manager des Einrich-
tungsriesen täglich um acht Früh: In
Videokonferenzenarbeitensiediejüngs-
ten Entwicklungen rund um Corona auf.
Lustig ist das nicht, sagt Konzernspre-
cher Thomas Saliger, „für so eine Situa-
tion hat ja keiner einen Krisenplan in der
Schublade, es wird Unternehmer eine
Lawine Geld kosten.“ Dennoch sieht er
Lutz mit einem blauen Auge davonkom-
men–dank des von der Regierung neu
geschnürten Pakets für Kurzarbeit. Ein
Vorzeigemodell nennt es Saliger, „Öster-
reich ist eine Insel der Seligen“.
Das Familienunternehmen, das noch
nie als ein Freund von Betriebsräten galt,
spart nicht mit Lob für die Gewerkschaft.
AufgrunddervondenSozialpartnernge-
troffenen Regelung werde XXXLutz den
Stand der Mitarbeiter halten, verspricht
Saliger. Die auf drei Monate vereinbarte
Kurzarbeit ermögliche es dem Handels-
riesen, nach der Krise quasi über Nacht
wieder in den Normalbetrieb zurückzu-
kehren. Wobei von normal keine Rede
seinwerde:DerbisOsternverpassteUm-
satz lasse sich nicht wettmachen.

Mitarbeiter als Rückgrat
Ernst Mayr, Eigentümer und Chef der
Modekette Fussl, hat Mitte der Woche
1200 Briefe mit Einzelvereinbarungen
an seine Mitarbeiter verschickt. Auch er
bietet ihnen Kurzarbeit an. Zumal sich
seine Familie stets darüber einig gewe-
sen sei, dass Fussl aufgrund der Corona-
Krise keinen kündigen werde, „die Leu-
te sind unser Rückgrat“. Mit Nachzieh-
käufen in einigen Monaten rechnet Mayr
nicht. „Die Leute haben dann anderes im
Sinn, als Mode einzukaufen.“
Das neue Modell der Kurzarbeit dient
als Rettungsanker, zu dem viele große
Händler greifen. Selbst jene, die vor kur-
zem noch als Gewinner der Krise gese-
hen wurden. DM etwa bereitet eine An-
meldung für Teile der Belegschaft vor,
bestätigt Konzernsprecher Stefan Ornig.
Jüngst von Kunden gestürmt, füllt die
Drogeriekette diese Woche leergeräumte
Lager auf. Seit Montag verzeichnet DM
herbe Umsatzeinbußen. Kunden sind
nach Hamsterkäufen gut versorgt, der
Bedarf an Mitarbeitern sinkt.

Vereinzelt dürften von der Kurzarbeit
auch Unternehmen Gebrauch machen,
die nicht darauf angewiesen sind. Von
unerwünschten Mitnahmeeffekten ist in
der Branche die Rede, die vorerst ge-
schlucktwerdenmüssten.Zugroßistdie
Angst vor einem Heer an Arbeitslosen.
Intersport-Chef Thorsten Schmitz hat
für seine Zentrale Kurzarbeit beantragt,
in den Filialen hält er sie aufgrund des
Saisonbetriebsnurfüranwendbar,wenn
ihr Start ohne vorherigen Abbau von
Zeitguthaben und alten Urlauben ge-
währleistet ist. Die Regierung bereitet
eine entsprechende Regelung vor. Im
Buchhandel satteln Morawa und Thalia
auf Kurzarbeit um. Für kleine Betriebe
hält Erwin Riedesser, Chef der Buch-
handlung Leporello und des Buchhänd-
lerverbands, das Paket der Regierung
aber für unattraktiv. Zwar kommen auch
LehrlingeinKurzarbeit,Urlaubemüssen
nicht mehr abgebaut wer-
den, und staatliche Mittel
dafür werden erhöht.
„Unterm Strich bleiben die
Kosten für Kleine aber zu
hoch“, resümiert Riedesser.
Er fürchtet, dass seine Bran-
che längerfristig um Kündi-
gungennichtherumkommt.
Der Chocolatier Walter
Heindl dürfte seine 31 Filia-
len eigentlich offenhalten. „Aber wel-
chen Sinn hat das, wenn kein Mensch
auf der Straße ist?“ Also fuhr er die Roll-
balken herunter. Seine 300 Mitarbeiter
sind auf Kurzarbeit, die Produktion steht
bis auf eine Anlage still. „Wir wollen alle
Jobs halten, wir vertrauen auf die Hilfe
des Staates und darauf, dass der Spuk
bald vorbei ist.“ Seine finanzielle Situa-
tion beschönigt er nicht. „Ohne einen
Euro Umsatz ist das Horror pur.“
Kompliziertwird die Beantragung von
Kurzarbeit ohne Betriebsrat. Es braucht
Vereinbarungen mit jedem Mitarbeiter,
sagt Salamander-Chef Klaus Magele.
Geld gibt es für Unternehmen zeitverzö-
gertimNachhinein,wasohneUmsatzdie
Liquidität stark belaste. Magele hält das
Modell für seine 500 Mitarbeiter den-
noch für sehr vernünftig. Der Schuh-
händler bietet Mitarbeitern, die nicht bis
zu 20 Prozent des Einkommens verlieren
wollen, darüber hinaus an, kurzzeitig für
Konzerne wie Rewe im Lebensmittelhan-
del zu arbeiten. Ihr Dienstverhältnis mit
Salamander bleibt aufrecht. Rewe über-
weist im Rahmen einer Arbeitskräfte-
überlassung die Gehälterandie Schuh-
kette, die sie ihren Leuten ausbezahlt.

Österreichs Händler müssen bis auf wenige Ausnahmen diese Woche geschlossen
halten. Die Branche stellt sich auf eine weit längere Durststrecke ein.

Foto:APA

Verena Kainrath

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