Der Standard - 20.03.2020

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DERSTANDARD Wirtschaft FREITAG,20.MÄRZ2 02 0| 15


Foto: Imago

Die Regierung liegt mit ihrem angekündigten Corona-Hilfspaket fürBetriebe und Arbeitnehmer imVolumen
von38Milliarden EuroiminternationalenTrend. Ein Überblick über die wichtigsten Maßnahmen.

Retter in der Not


A


uf den Einschlag des Coronavirus in die
Weltwirtschaft folgt eine Hilfsaktion, wie
sie bisher einzigartig ist. Vor allem in den
IndustriestaatendernördlichenHemisphäre–von
den USA über Europa bis Asien–wird versucht,
mit Geldern der öffentlichen Hand und der Noten-
banken den Schaden für die Wirtschaft einigerma-
ßen zu begrenzen. Die Lage wird mittlerweile
ziemlich dramatisch. In Deutschland befürchtet
das Institut für Wirtschaftsforschung (IfW) für
heuer einen Einbruch des Bruttoinlandsprodukts
von neun Prozent. Das entspräche in etwa einer
doppelt so tiefen Rezession wie 2009, als die Fi-
nanzkrise ihre tiefen Spuren durch die Realwirt-
schaft und an den Arbeitsmärkten zog.
Um das zu verhindern, werden gewaltige Pake-
te geschnürt. Deutschland will unlimitierte Hilfe
leisten. Die USA versprachen, umgerechnet 900
Milliarden Euro in die Belebung der Wirtschaft zu
pumpen. Großbritannien will mehr als 360 Mil-
liarden Euro bereitstellen. Österreich steht da
nicht nach. Die Regierung hat am Donnerstag im

Ministerrat–wie berichtet–Unterstützungen im
Volumen von 38 Milliarden Euro beschlossen. Das
Gros soll für Notfallhilfe fließen, um die am stärks-
ten betroffenen Branchen vor dem Kollaps zu be-
wahren. Dazu kommen umfangreiche Steuerstun-
dungen und Liquiditätsspritzen. Auch die Kurz-
arbeit wurde so attraktiv gestaltet, dass möglichst
viele Unternehmen auf Kündigungen verzichten
und das Instrument in Anspruch nehmen. Bun-
deskanzler Sebastian Kurz hat zudem angekün-
digt, noch tiefer in die Tasche greifen zu wollen,
sollte das notwendig werden.
Die38MilliardenEuroentsprecheninetwadem
Dreifachen der Geldspritzen, die der heimischen
Wirtschaft 2008 und 2009 verabreicht wurden. Al-
lerdings: Damals wurde auch ein Bankenrettungs-
schirm in Höhe von 100 Milliarden Euro aufge-
spannt. Der war in erster Linie dazu da, die Spa-
rer zu beruhigen, allerdings mussten tatsächlich
einige Banken wie die Hypo Alpe Adria verstaat-
licht werden. Wifo-Budgetexpertin Margit Schrat-
zenstaller sagte imÖ1-Morgenjournal,es sei nicht

unwahrscheinlich, dass Österreich wegen der
Injektionen die Drei-Prozent-Latte der EU für die
Neuverschuldung einreißen werde. Allerdings
sind die Stützungsmaßnahmen aus ihrer Sicht al-
ternativlos. Die Sorgen der Budgetwächter sind
auch deshalb überschaubar, weil die Verschul-
dung in den letzten Jahren unter die Marke von
70 Prozent des Bruttoinlandsprodukts gesunken
ist. Eine Steigerung um zehn Prozentpunkte wäre
nach Ansicht der meisten Experten verkraftbar –
wenn nicht eine längere Rezession die Schulden-
last weiter nach oben treibt.
Das Ausfallrisiko bei Krediten schätzte die Ex-
pertin auf einen zweistelligen Prozentbereich:
Dies werde sich über die Zeit verteilen und nicht
sofort schlagend werden. Die angekündigten
Steuerstundungen würden sofort wirksam. Die
Sozialversicherungsbeitragszahlungen dagegen
würdenerstausfallen,wenndieUnternehmentat-
sächlich nicht mehr zahlen können. Das habe des-
wegen nur teilweise Auswirkungen auf das dies-
jährige Budget. (red)

Bei Sperrenmuss Lohn


weiterbezahltwerden


E


swar ein folgenschwerer Ein-
griff in die bisherige Gesetzes-
lage: Der Nationalrat hat vergan-
genen Sonntag einen Entwurf der Re-
gierung abgesegnet, mit dem ein wich-
tiger Teil des Epidemiegesetzes von
1950 außer Kraft gesetzt wurde: Darin
istgeregelt,dassdieRepublikbeieiner
Sperre eines Betriebs den Verdienst-
entgang und die Lohnkosten beglei-
chen muss. Dass diese Absicherung
für Unternehmen und Mitarbeiter still
und leise entsorgt wurde, zog einen
Rattenschwanz an Folgen nach sich,
denn: Viele Rechtsexperten argumen-
tierten, dass die Löhne nun ausgesetzt
werden können, da die Arbeitsleis-
tung wegen „höherer Gewalt“ nicht er-
bracht werden könne.
Andere Experten wiesen das zurück
und erklärten, dass es sich nicht um
Betriebsschließungen, sondern um
ein Betretungsverbot handle. Zudem
sei die Aussetzung der Lohnzahlung
nicht zu argumentieren, weil Kurz-
arbeit und Krisenfonds die Verluste
großteils abdeckten. Jedenfalls ist die
Unsicherheit groß: Regierung und So-
zialpartner haben laut Arbeiterkam-
mer eine Regelung paktiert, nach der
die Löhne weiterbezahlt werden. (as)

Notfallhilfe,Garantien


undKreditegeplant


D


as Paket ist umfassend, aber
noch nicht detailliert: Selbst
am heutigen Freitag wird man
noch nicht wissen, wer in welchem
Ausmaß über welche Förderstelle Hil-
fen erwarten kann, sind die konkreten
Unterstützungsmaßnahmen doch von
Verordnungen und Richtlinien ab-
hängig. Lediglich die Eckdaten sind
bekannt: 15 Milliarden Euro sollen als
Notfallhilfe an Branchen gehen, die
von der Coronavirus-Krise besonders
hart getroffen wurden. Hier wurden
immer wieder direkte Unterstüt-
zungsleistungen angekündigt –auf
Neudeutsch: „cash on the hand“.
Im Unterschied zu Stundungen und
Krediten wäre das insbesondere für
kleinere Betriebe die am stärksten er-
sehnte Hilfe. Neun Milliarden Euro
hat die Regierung für Kredithaftungen
und Überbrückungskredite veran-
schlagt. Bereits auf Hochtouren
springt die Förderbank Austria Wirt-
schaftsservice (AWS) ein, deren Rah-
men deutlich erhöht wird. Auch die
Abbag, die gestrandete Ex-Banken wie
die frühere Hypo Alpe Adria, Heta, ab-
wickelt, soll einspringen. Sie soll
wichtige Unternehmen vor Zahlungs-
schwierigkeiten bewahren. (as)

StundungvonSteuern


und Sozialbeiträgen


A


lles, was die Liquidität schont,
hilft den Betrieben. Ein Pflock
im Maßnahmenpaket der Regie-
rung, das am Mittwoch angekündigt
wurde: zehn Milliarden Euro an
Steuerstundungen.ImUnterschiedzu
bisher kann auch die Herabsetzung
der Verzinsung der offenen Steuer-
zahlung beantragt werden. In An-
spruch nehmen können die Stundung
alle Betriebe–und zwar unabhängig
davon, ob es sich um Einkommen-
oder Körperschaftsteuer handelt. Vo-
raussetzung dafür ist, dass es sich um
eine Notlage wegen Covid-19 handelt.
Zudem kann die Herabsetzung der
Steuervorauszahlungen beantragt
werden. Die voraussichtliche Minde-
rung der Bemessungsgrundlage muss
dabei beim Finanzamt glaubhaft ge-
macht werden, wie es auf der Website
des Finanzministeriums heißt. Das
Ganze kann über Finanz Online oder
via Musterformular erfolgen.
Ähnlich sieht es bei den Sozialbei-
trägen aus, deren Herabsetzung oder
Stundung bei der Sozialversicherung
der Selbstständigen beantragt werden
kann. Die Wirtschaftskammer wiede-
rum hat die Vorschreibung der Grund-
umlage ausgesetzt. (as)

Rasches Geld für


Hoteliers


Ö


sterreichs Hoteliers sind ver-
zweifelt, weiß Wolfgang Klee-
mann, Chef der Österreichi-
schen Hotelier- und Tourismusbank
(ÖHT). Dort läuft eine Förderaktion,
damit von der Corona-Krise betroffe-
ne Betriebe rasch an Liquidität von
ihrer Hausbank kommen. Garantiert
werden Kredite bis zu 500.000 Euro.
Und: Die Branche greift zu, bis dato
wurden 3200 Förderanträge gestellt.
DieHoteliersmüssennursagen,wie
viel Geld sie brauchen und eine Bestä-
tigung ihrer Bank beibringen, wonach
die zur Kreditvergabe bereit ist. Bisher
wurden rund 200 Millionen Euro be-
antragt, gemäß neuem KMU-Förde-
rungsgesetz kann der Rahmen für Haf-
tungsübernahmen der ÖHT von der-
zeit 375 Millionen Euro mittels Ver-
ordnung „adäquat“ erhöht werden.
Der ÖHT-Chef hofft, dass der Rahmen
auf eine Milliarde Euro steigt.
Das Prozedere: Die ÖHT holt die Zu-
stimmung der Republik und stellt –
ohne Sicherheiten zu verlangen–Haf-
tungserklärungen über 80 Prozent der
Kreditsumme aus. Gefördert werden
Betriebe mit bis zu 250 Mitarbeitern
(Vollzeitäquivalent), nach drei Jahren
soll das Geld zurückbezahlt sein. (gra)
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