Der Standard - 20.03.2020

(Ann) #1

Kultur


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Ö1 Programmschwerpunkt»Aserbaidschan« |21.–29. März 2020


Nebenan


Erkundungen in EuropasNachbarschaft


Programm|Livestre am |Nachhören
oe1.Orf.at/nebenan

MartinSchläpfer,der neueLeiter des Staatsballetts, hebt


dieTrennung zwischen „klassisch“und„modern“auf.


TANZ

Gedanken über das


„nackte Leben“


MEINUNG

Seite 20 KOMMENTAR DER ANDEREN Seite 23

FR.,20.MÄRZ2 020 19


Kultur


Foto: APA/Gambarini


„Niemandwirdzurückgelassen“


KulturstaatssekretärinUlrikeLunacek(Grüne) schließt sich dem CredovonBundeskanzlerKurz (ÖVP) an:
Kostees, waseswolle–auchdenKunstschaffenden undKulturbetrieben soll lückenlosgeholfenwerden.

D


as Telefoninterview musste mehr-
fach verschoben werden. Auch Kul-
turstaatssekretärinUlrike Lunacek
findet in der Corona-Krise kaum eine freie
Minute. Ein Termin jagt den nächsten. Die
KulturbürokratieamWiener Concordia-
platz hat alle Hände voll zu tun, für so vie-
le Künstler und Kultureinrichtungen wie
möglich Lösungen zu finden, damit sie die
Krise möglichst unbeschadet überstehen
können. Aufder Websitewww.bmkoes.gv.at
bietet das Bundesministerium umfassende
Hilfe an, nebenbei organisiert man die Um-
stellungaufHeimarbeit.AuchLunacekpen-
delt zwischen Büro und Homeoffice, Ab-
stimmungen mit Ministern oder den Kultur-
referenten der Länder finden immer häufi-
ger mittels Videokonferenzen statt.

Standard:Als die harten Corona-Maßnah-
men erlassen wurden, waren Sie gerade auf
Bundesländertour, um sich mit der Kultur-
landschaft vertraut zu machen. Wurden Sie
überrumpelt, oder waren Sie vorbereitet?
Lunacek:Es war nicht ganz unerwartet. Wir
hatten innerhalb der Regierung schon be-
sprochen, dass es zu solchen Maßnahmen
kommen könnte. Der Abbruch der Bundes-
ländertour war schade, weil ich viele Mu-
seen und Theater besuchen wollte. Aber
das wird nachgeholt.

Standard:Eines Ihrer Ziele bei Amtsantritt
war eine Erhöhung des Kulturbudgets. Kann
man sich davon nun verabschieden?
Lunacek:Wir hatten verhandelt, dass es eine
kleine Erhöhung gibt, gerade für die pre-
kärst Beschäftigten und die kleinen Ein-
richtungen,beidenenesjahrelangkaumEr-
höhungen gab. Ich gehe davon aus, dass
zwei Millionen Euro plus für die freie Sze-
ne trotz Corona-Unsicherheit halten wer-
den. Anderes, das ich einleiten wollte, wie
der größere Prozess im Bereich „Fair Pay“,
wird derzeit auf Eis gelegt. Es geht jetzt um
Akuthilfe, wir müssen schauen, dass alle
gut über diese Krise drüberkommen.

Standard:Wie werden Sie den staatlichen
Kultureinrichtungen helfen? Die Bundesmu-
seen und -theater büßen Millionen ein.
Lunacek:Also da muss ich ganz ehrlich sa-
gen: Da ist der Staat ja Eigentümer, und da
muss er sich sowieso drum kümmern. Bei
den Bundestheatern können wir zum Bei-
spiel die Kurzarbeitsregelung umsetzen.
Mir geht es jetzt aber primär darum, denen
zu helfen, die große Existenzsorgen haben,
die nicht wissen, wie sie die Miete zahlen
sollen. Wir wollen nach dem Motto vorge-
hen: Niemand wird zurückgelassen.

Standard:Sie haben bereits einen Krisen-
gipfel mit Vertretern aus der gesamten Kul-
turbranche abgehalten. Es gab zwar erste
Hilfszusagen, aber keinen großen Wurf. Wird
der noch kommen?
Lunacek:Das, was wir heute im Parlament

vorlegen, zum Beispiel. Wir verzehnfachen
die Unterstützungsleistung des Künstlerso-
zialversicherungsfonds auffünf Millionen
Euro. Neu ist,dass auf das nun auch Kultur-
vermittler und Kulturvermittlerinnen An-
spruch haben werden,damit sind sehr viele
Menschen umfasst. Zudem wollen wir den
mit einer Milliarde dotierten Härtenotfall-
fondsbeschließen. Der kommt Kleinst-und
EinpersonenunternehmensowieNon-Profit-
Organisationenund freien Dienstnehmern
zugute.Das wird derKulturbranche zusam-
menmitvielenweiterenMaßnahmenhelfen.

Standard:Imalten Epidemiegesetz war
festgelegt, dass der Staat für Veranstaltungs-
absagen entschädigt. Das wurde mit dem
neuen Corona-Gesetz gestrichen. Haben Sie
das ohne Widerspruch mitgetragen?
Lunacek:Wir haben uns das schon sehr ge-
nau überlegt. Das Epidemiegesetz war mitt-
lerweile veraltet und sah vor, dass Entschä-
digungen nur für einzelne Branchen geleis-
tet werden können. Jetzt ist es aber so, dass
so gut wie alles betroffen ist. Daher brau-
chen wir ein Gesetz, das konkreter greift.

Standard:Das Streichen dieses Passus ist
also kein Eingeständnis, dass es Leute geben
wird, die durch die Finger schauen werden?
Lunacek:Nein.DashabendieRegierung,der
Finanzminister und der Bundeskanzler
klargemacht:alles,wasesbraucht.Kostees,
was es wolle. Das gilt auch für die Kultur.

Standard:Stimmen Sie sich auch europä-
isch ab? Wird es EU-Hilfen geben?
Lunacek:Ich bin mit der Kulturkommissa-
rin der EU in Kontakt. Dort ist man gerade
dabei, sicherzustellen, dass in dem ange-
kündigten 25-Milliarden-Euro-Hilfspaket
der EU auch für die Kultur etwas drin ist.
Anfang April wird zudem auf meine Initia-
tive hin ein EU-Kulturministerrat zur bes-
seren Abstimmung stattfinden.

Standard:Frankreich schüttet für die Kul-
tur 22 Millionen Euro aus und spricht von
einem ersten Hilfspaket. Vorbildlich?
Lunacek:Da sind wir gut dabei. Im Verhält-
nis zur Bevölkerungszahl schüttet Öster-
reich wahrscheinlich sogar mehr aus.

Standard:Drohen nachden Hilfspaketen
jahrelange Sparprogramme?
Lunacek:Wir als Grüne werden uns dafür
einsetzen, dass das gerade in der Kultur
nicht passiert. Denn da gibt es seit vielen
Jahren strukturell enorm prekäre Bedin-
gungen, die die jetzige Krise verschärfen. Es
sollte hier auf keinen Fall zu Kürzungen
kommen. Im Gegenteil: Man sollte die Feh-
ler beheben. Gerade für große Häuser ist es
wichtig, dass auch kleine gut arbeiten kön-
nen, weil man einander braucht.

Standard:Gibt es etwas, das Sie trotz
allem optimistisch stimmt?
Lunacek:Was mir beim Krisengipfel mit den
Kulturvertretern imponiert hat, ist, dass
enorm viel Solidarität spürbar war. Man
will sich nicht gegeneinander ausspielen
lassen, und das ist gut. Meine Hoffnung ist,
dass sich durch diese Krise in der Gesell-
schaft das Bewusstsein durchsetzt, dass wir
ohne Kunst und Kultur sehr arm dran wä-
ren. Das merken wir ja gerade. Und dass das
auch die Bereitschaft erhöht, künftig mehr
für Kultur auszugeben: Da meine ich die
einzelnen Bürger genauso wie den Staat.

ULRIKE LUNACEK(62) istseit Jänner 2020 Kultur-
Staatssekretärin im Bundesministerium von Vize-
kanzler Werner Kogler. Sie war von 2009 bis 2017
Europaabgeordnete der Grünen und gescheiterte
Spitzenkandidatin für die Nationalratswahl 2017.

INTERVIEW:Stefan Weiss

„Es wird jetzt primär darum gehen, denen zu helfen, die große Existenzsorgen
haben, die nicht wissen, wie sie die Miete zahlen sollen“, sagt Ulrike Lunacek.

Foto: APA

/H

ans Klaus Techt

KURZGEMELDET


Crossing Europe und
Donaufestivalabgesagt
Linz/Krems–Das Crossing Europe Filmfes-
tival in Linz, das für 21. bis 26. April anbe-
raumt war, kann aufgrund der Corona-Pan-
demie nicht stattfinden. Geprüft werde in-
des noch, ob einzelne Programme, wie etwa
das Special über die Künstlerin Valie Ex-
port oder die Arbeitswelten-Schiene, nach-
geholt werden können. Auch das Donaufes-
tival in Krems hat seine diesjährige Ausga-
be, die von 24. April bis 2. Mai gelaufen
wäre, nun abgesagt. (red)

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