Der Standard - 20.03.2020

(Ann) #1

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Früher,liest man, gab es nurwenige Minuten

am TagInternetzugang, mittlerweile ist zumin-
dest in derLobbyfür schnellesGratis-WLAN ge-
sorgt.ImZimmerfind et sichein Zettel, auf dem


aber gebeten wird, zum Essen die Handys und
Tablets nicht mitzunehmen.Außerdem möge
man nicht in Sportkleidung beim Dinner auftau-


chen. So viel Stil muss sein.
Ansonsten hat das Bellevue des Alpes die rich-
tigeMischung ausLaisser-faire undService, die


wahrenLuxusausmacht.ManwirdinRuhegelas-
sen,fühltsichabertrotzdem,alswäremaneinFa-
milienmitglied in dem Hotel, das in der fünften


Generationvonder FamilievonAlmen geführt
wird. AndreaswarArchitekt,seineFrau Silvia
Konzertflötistin,1998 haben sie sichentschlos-


sen, das Erbe anzutreten. Das Hotel wurde liebe-
voll renoviert,aber so,dass man eskaum merkt.


Der1920er-Jahre-Retrocharmeziehtvorallem
im Winter Stammgäste an, die teilweise auch
schon mehrere Generationen langkommen. Das
Skigebiet ringsum istweitläufig, es gibt Pisten je-
denSchwierigkeitsgrads. Ein paar Hipster haben
sichverirrt,diei neinemDesignmagazinüberdas
legendäre Hotel gelesen haben, das inkeinem
Bergsteigerfilm über die Eiger-„Mordwand“, wie
sierespektvollgenannt wird,fehlen darf.Auch
nicht im deutschen FilmNordwand(2008) mit
BennoFürmannundUlrichTukur,dervomSchei-
ternvonvier Bergsteigern erzählt,die i mJuli
1936 voneinemWetterumschwung überrascht
werdenundalleumkommen.AndenWändendes
Hotels hängen historischeAufnahmenvonBerg-
steigerpionieren undvonHollywoodstarClint
Eastwood, der 1975 denActionstreifenThe Eiger
Sanctiondrehte.

Aufder Sonnenterrassekann man den ganzen
Taglang sitzen, die frische Luft genießen und le-
sen. DieKellner bringen diskret eineDecke, da-
mit es nichtkalt an den Beinen wird.Undsie wis-
sen, auswelcher Perspektive man das besteFoto
mitdemEigerimHintergrundschießt.Manfühlt
sich wie auf Thomas MannsZauberberg,der ja
auchinder Schweiz liegt,aber Davosist längst
nicht so malerisch.
Amschönstenistes,wennderAbendanbricht.
Die Tagesgästeverschwinden langsam, absolute
Ruhe kehrt ein.Vordem Essenwirdder Kamin
eingeheizt und der Billardtischaufgebaut,der
nachmittagsals Kuchenpräsentationstischzum
Einsatzkommt.Alleshathierseinenfestgelegten
Ablauf.Dazugehörtauchein Aperitif in der klei-
nen Bar,die i mStil eines britischen Herrenclubs
gehalten ist.Erst dann geht man in den holzver-

PerWählscheibe mit der
Vergangenheitverbunden:
In den Zimmern herrscht
Retrochic.

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