Der Standard - 20.03.2020

(Ann) #1

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Würden Sie mit ihm tauschen


wollen?IchhabeSachs um vieles
beneidet.Erkannheute an der
Côte d’Azur und morgen in


Manhattan sein.Undich
bewundere ihn für seineKunst,
besuchen Sie mal seinAtelier in


London!Aber erkann nicht aus
seiner Haut: „Das ist dochnur der
Sohn desVaters“, sagen dieLeute.


VieleReiche, die ichtreffen durfte,
litten unterTraumata.Derfrühe
Toddes Vaters, die schwere Zeit


im Internat,die gerade noch
abgewendete Insolvenz. Etwas saß
ihnen imFleisch, das sie quälte


und gleichzeitig zu großen
Leistungen trieb.
Siewaren auchauf einem


Charity-Event mit Beavon
Auersperg.„Wenn Sie einmal
wahren Luxus erlebenwollen“,


sagte die Prinzessin amTelefon,
„dann setzen Sie sichinden
nächstenFlieger.“ Bald fand ich


michauf einer großen Gala an der
Costa delSolwieder, in Marbella,
umringtvonKasinobesitzern,


Baulöwen, Mannequins, Gunilla
vonBismarckund der Exvon
DolphLundgren, derenNamen ich


leidervergessen habe.Dresscode:
„T heGreat Gatsby“.
Die Prinzessin hat Sie offenbar


ohneweiteres in ihren Inner
Circle eingeführt.Wieso?
Vielleicht amüsierte ichsie.


Vielleichtwarichihr Maskottchen
an diesemAbend, jemand, dem
man nochetwas über Stil,


Benehmen und dieKunst des
Smalltalks beibringenkonnte. Das
Tischgesprächwechseltefli eßend


vonDeutschauf Englischauf
Französischauf Italienischauf
Spanisch. Einkosmopolitisches


Gewirr aus herrlichoberflächli-
chemNonsens, begleitetvon
Hollywoodpalmen, Meeresrau-


schen und leichtemJazz.
Können Sie die Prinzessin ein
wenig beschreiben?Witweeines


österreichischenGroßwildjägers.
Residiert angeblichineiner Finca
mitMata-Hari-Touch.Echtes


Löwenfell auf demweißen
Marmorboden, undwenn die


Gerüchte stimmen, umranken
ihrenKamin die Stoßzähne eines
Elefantenbullen.
UndGunilla Gräfinvon
Bismarck, die auchanwesend
war?EinKunstwerk. An diesem
Abend wirkte sie in ihrem Paillet-
tenkleid wie ein menschlicher
Kronleuchter.Dazutrug sie ein
purpurnes Bolerojäckchen aus
Nerz und eine Handtasche, die
früher einKugelfischgewesensein
muss. Damit wir uns nicht falsch
verstehen: Beide Damenvon
Stande hatten große Klasse.
Auchwenn manche ihreRetro-
Glamourwelt „morbid“nannten.
Ist das der alteAdel?Das ist der
alteJetset-Adel.Dekadenz mit Stil.

Ichweißnoch, wie eine Dame aus
unsererRunde in derTombola
gewann. Siekehrte mit einer
malvenfarbenen Handtasche aus
Leguanhaut an den Tischzurück.
DerWert: eintausendsechshundert
Euro.„Wassollichdenn damit
machen?“,fragte sie echauffiert.
Undeineandereantwortete:„Ja
gib’s halt der Haushälterin, die
freut sichüber sowas!“ Ein
Influencerwäre mit derTasche
schon längst über alle Berge
gewesen.
WelcheVerhaltenscodes gibt es
in solchen Kreisen?DerDame
ungefragt nachschenken, sobald
sichdas Glas leert.SichamTisch
erheben,wenn Madame sichkurz

entschuldigt.Konversation in
sieben Sprachen, selbstwenn man
keine der Sprachen beherrscht.In
jeder Stadt derWelt ein Lieblings-
restaurant haben.Undbei aller
Feinschmeckerei niemals den
Teller leer essen, sonst bist du ein
Bauer.DiesenCodekannte ich
damals nicht,undFrauvon
Bismarckfragte: „Na, willst du
mein’s auchnoch?“
Wasunterscheidet diese Clique
vonanderen Reichen?Beavon
Auerspergzog eine deutliche Linie
zwischen altem und neuem Geld.
Wernicht adelig ist,nicht
sonderlichvermögendund aus
dem falschen Geschirr speist,
gehört einfachnicht dazu.„Weißt

du,wasichdamit meine?“,sagte
dievonAuersperg. „Bei mir zu
Hause möchte ichimTodkeine
Versace-Teller haben!“ Daran
erkenne man den Geldadel.
Braucht man immer einen
Türöffner,umüberhaupt
angehört zuwerden?Natürlich
hilft es, sichinKreisen zu
bewegen. „Spielen Sie Golf“, riet
mireineBaronesse,„und alles
geht seinen Gang, babapi
babapam.“
Siewaren auchauf einerButler-
Schule.Wasmüssen diese
können, um heute zu bestehen?
Butlern ist eine hoheKunst.Und
dieSeele dieserKunst besteht,ob
man nun in britischenAdelshäu-

sern oder aufchinesischen Super-
yachten dient.Ein guter Butler
macht sichunsichtbar.Er
verschwindet.Ein Raum muss mit
einem Butler leerer sein alsohne
ihn. Bewege dichlautlos, auf
Teppich, auf Marmor,auf Parkett.
Seiein Sorgenlöser.Ein Butler
fragt nicht,was gewünscht ist.Er
weiß es. Nicht reden, handeln!
IstSyltwirklichnochso
exklusiv?Ichlebe in Hamburg
undhoffevonjeher,dassmichein
Wiener adoptiert.Den gemeinen
Hamburger zeichnen zwei Dinge
aus: derRegen und dieSehnsucht
nachSylt. Ichkonnte das nie
verstehen. Sicher,der Strandhat
Stil.Undinder ÄraGunterSachs
magSylt nochmondängewesen
sein. Aber ohne einen echten
Sachs ist St.Moritz nur ein
Bergdorf undSylt nur eine Insel.
Werwar eigentlichder Glamou-
röseste, den Sie getroffen
haben?Wer hatSie wirklich
beeindruckt?DasmagRoland
Paxino gewesen sein, ein
ehemaliger Immobilienjongleur.
Er saß angeblichmonatelangim
Knast,weilinDubai ein Hundert-
Millionen-Dollar-Scheckgeplatzt
ist.Die Zelle will er sichmit einem
Menschenfresser geteilt haben.
Paxinowarein brillanter
Geschichtenerzähler.Und ein
Gourmet.
Hat sichIhr Bildvonden
Reichen dennverändert?Es ist
einWunderland, in dem ich
manchmal eine bedrückende
Langeweileverspürte.Werbraucht
vergoldete Mikrowellen oder eine
Superyacht imFluss hinter dem
Haus, die nur zum Shoppen
gedacht ist?Vielleicht sind unver-
mögende Menschen tatsächlich
glücklicher,weilsie nochTräume
haben. Mankönnte auchsagen:
Sieerleben nochWunder. R

Interview


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Dennis Gastmann
(41) ist deutscher
Schriftsteller.2014
erschien seinbissiger
Reichtumsbericht
„Geschlossene
Gesellschaft“.

Gräfinvon Bismarck 1990 mit demLeiter des Golfplatzes „SanRoque“.
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