Der Standard - 20.03.2020

(Ann) #1

6 |FREITAG,20.MÄRZ 2020 THEMA:ThemaCoronavirus-Krise DERSTANDARD


92 Prozent der österreichischenWahlberechtigten halten die
Maßnahmengegendas Coronavirus fürgerechtfertigt, ebenso viele
bekunden, dass sie ihrVerhaltengeändert haben.

DieMehrheit glaubt, dass


es noch schlimmer wird
D


as Schlimmste kommt
noch. Davon sind 68 Pro-
zent der österreichischen
Bevölkerung überzeugt. Das geht
aus einer von Montag bis Mitt-
wochdurchgeführtenGallup-Um-
frage unter 1000 repräsentativ
ausgewählten Personen zwischen
16 und 65 Jahren hervor. Dieser
Wert ist seit der Vorwoche massiv
gestiegen. Noch Mitte voriger
Woche meinten 44 Prozent, dass
die Situation gleich bleiben wer-
de, weitere elf Prozent, das
Schlimmste sei vorbei.
Heute meinen nur noch fünf
Prozent, dass der Höhepunkt der
Krise überwunden sei, 27 Prozent
sagen, es werde gleich bleiben.
Am weitesten verbreitet ist die Be-
fürchtung, dass sich die Situation
verschlechtern werde, in der
Steiermark und Kärnten.
Gleichzeitig mit Gallup war
auch das Linzer Market-Institut
im Feld, es hat ebenfalls etwas
über 1000 Wahlberechtigte be-
fragt und kam bei einigen Fragen
zu ganz ähnlichen Ergebnissen.
Bei Gallup schlossen sich 88 Pro-
zent mehr oder weniger deutlich
der Aussage „Ich denke, dass die
österreichische Regierung mit der
Coronakrise richtig umgeht“an.
Market erhob auf einer fünfstu-
figen (Schul-)Notenskala–daga-
ben 52 Prozent der Bundesregie-
rung ein Sehr gut, 28 Prozent ein
Gut, 14 Prozent einen Dreier und
vier Prozent einen Vierer. Nur
fünf Prozent gaben ein Nicht ge-
nügend.


Skeptische Freiheitliche


Als besonders kritisch erwiesen
sichinderMarket-Umfragediebe-
kennenden Wähler der FPÖ. Von
ihnen gaben sieben Prozent der
Regierung einen Fünfer, weitere
17 Prozent einen Vierer–und nur
21 Prozent ein Sehr gut. Umge-
kehrt istauffallend, dass diehöher
gebildeten Befragten deutlich
eher geneigt sind, der Regierung
eine Topnote zu geben, als die bil-
dungsfernen Schichten.
Ein ganz ähnliches Muster zeigt
sich übrigens, wenn man nach
dem Krisenmanagement durch
Bundeskanzler Sebastian Kurz


(ÖVP) und jenes durch Gesund-
heitsminister Rudolf Anschober
(Grüne) fragt.
Market-Chef Werner Beutel-
meyer: „Anschober ist derzeit der
Star der österreichischen Politik,
er bekommt auch deutlich besse-
re Noten als Vizekanzler Werner
Kogler. Unsere Zahlen belegen,
dass die Beurteilung von Anscho-
ber durch ältere Befragte noch
deutlich besser ist als im Durch-
schnitt der Bevölkerung. Befragte
über 60, die traditionell Fans von
Sebastian Kurz sind, geben An-
schober sogar bessere Noten als
dem Kanzler.“
Neben Kanzler und Gesund-
heitsminister haben andere Ak-
teure einen schweren Stand.
„NachSchulnotenwirdkaumeine
Institution negativ bewertet, aber
wenn es um die Wirtschaft geht,
gibt es eben eine Häufung von
Zweiern und Dreiern, da schlägt
die Verunsicherung über die wirt-
schaftliche Entwicklung durch“,
sagt Beutelmeyer.

Zukunftssorgen
Market hat dazu gefragt: „Wie
schätzen Sie die wirtschaftlichen
Folgen in Österreich ein? Wird
sich die Wirtschaft nach Corona
wieder rasch erholen, oder be-
fürchten Sie eine länger andau-
ernde Wirtschaftskrise in Öster-
reich?“ Darauf sagten nur 36 Pro-
zent, dass sie mit einer raschen Er-
holung rechnen, 64 Prozent–hier
besonders die höher Gebildeten –
glauben an eine länger Krise.
Wielange?Marketfragtedanur,
wie lange die Einschränkungen
dauern werden. 49 Prozent rech-
nen mit weiteren drei Wochen bis
einem Monat, nur acht Prozent
glauben, dass es schneller geht, 26
Prozent glauben an zwei, acht an
drei Monate und neun Prozent an
eine noch längere Dauer.
92 Prozent halten die bisher ge-
setzten Maßnahmen für gerecht-
fertigt, nur acht Prozent für über-
trieben. Unter denen, die eine
Übertreibung annehmen, sind
wiederum die FPÖ-Wähler beson-
ders stark vertreten, auch Neos-
Wähler sind besonders kritisch
eingestellt.

ConradSeidl

Quelle: Dokumentation: Market Eigenforschung|Online-Interviews|n=1066 |repräsentativ für die wahlberechtigte österreichische Bevölkerung |
Erhebungszeitraum: 16.–18. März 2020|Prozentzahlen (kaufm.gerundet)|DERSTANDARD

Frage:Wiegut geht diePolitik mit demThema Corona-Virus um?BewertenSienach Schulnoten diefolgenden
Verantwortungsträger und Institutionen.

Das Zeugnis für den Umgang mit demCorona-Virus

Bundeskanzler SebastianKurz

Gesundheitsminister RudolfAnschober

Bundesregierung

Bundespräsident AlexanderVander Bellen

InnenministerKarl Nehammer

VizekanzlerWerner Kogler

Arbeiterkammer

Wirtschaftskammer

Gewerkschaft

Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck

Oppositionsparteien

Industriellenvereinigung

Nichtgenügend Note 4 Note 3 Gut Sehr gut

3 % 3 % 14 % 22 % 58 %

3 % 3 % 14 % 24 % 56 %

2 % 4 % 14 % 28 % 53 %

7 % 9 % 17 % 26 % 41 %

3 % 6 % 20 %^32 %^40 %

4 % 5 % 19 %^33 %^39 %

2 % 5 % 23 %^38 %^31 %

4 % 7 % 25 %^37 %^27 %

3 % 3 % 14 %^39 %^23 %

4 % 5 % 34 % 36 % 21 %

5 % 8 % 31 % 37 % 19 %

7 % 9 % 34 %^33 % 16 %

Rest auf 100%=weiß nicht|k.A.

Flüchtlingsquartier wirdzur Quarantänestation


Für120 Geflüchtete ging esvomRückkehrzentrum Schwechatnach Traiskirchen


Irene Brickner
Jan Michael Marchart

D


ie Ausbreitung des Corona-
virussorgt für Aufregung
und Ängste in Betreuungs-
einrichtungen für Flüchtlinge, die
dem Innenministerium unterste-
hen. Im Erstaufnahmezentrum
Traiskirchen sind seit Mittwoch
120 Menschen ausdem Rückkehr-
zentrum Schwechat unterge-
brac ht,lautSchilderung von
Unterstützern mehrere Personen
in großen Zimmern oderSälen –
eine Information, die ein Sprecher
des Innenministeriums demen-
tiert.Die Betroffenen fürchten sich
vor einer Ansteckung.
Im Rückkehrzentrum, einem
Containerdorf unweit des Flugha-
fens, sollten die rechtskräftig nega-
tiv beschiedenen Asylsuchenden
auf ihre Ausreisevorbereitet und
dazu gedrängt werden.


Es kamzuProtesten


Am Mittwochgab es im Rück-
kehrzentrum einenPolizeieinsatz:
Angesichts der Coronavirus-Be-
drohunghattedieBetreuungsfirma
ORS beschlossen, einender Con-
tainer zur Quarantänefür Virus-
verdachtsfälleumzufunktionie-
ren. Die Insassen allerdings protes-
tierten dagegen.
Der Quarantänecontainer befin-
de sich direkt oberhalbeines Es-
sens- und Aufenthaltsraums, in


der Enge der Unterkunft werde das
zu weiteren Infektionenführen,
berichtete einimZentrumleben-
der Mann. Aufdem Gelände kam
es zu lautstarken Auseinanderset-
zungen mit Betreuern. Dieseriefen
die Polizei; demStandardliegen
Aufnahmen des Einsatzes vor. Ein
Mann wurde vorübergehendfest-
genommen.
Mittwochabend dann fuhren vor
dem Rückkehrzentrum Busse vor:

SämtlicheInsassen wurden nach
Traiskirchen übersiedelt. Das bis-
herige Rückkehrzentrum wird laut
dem Innenministeriumssprecher
zu einer Quarantäneeinrichtung
für Fluggäste umfunktioniert, die
in Wienstranden–und die 14 Tage
langinQuarantänekommen sol-
len.
Von der in den Bundesasylein-
richtungen tätigen Betreuungsfir-
ma ORS hieß es auf Nachfrage des
STANDARD,dass es im Erstaufnah-
mezentrumTraiskirchen „dreimal
sovielPlatzinmehrerenGebäuden
gibtwie aktuellbenötigt“. Dadurch
„lassen sich Personen leichter ver-
teilen beziehungsweiseisolieren“.
Schon vor der jüngsten Übersiede-
lungsollenimLagerrund500Men-
schen gelebt haben. ORS schrieb
jüngst auf seiner Homepage auch,
dassinden Quartieren generell
„viele Menschen aufengemRaum
leben“.
Am Mittwoch wurde in einem
Asylquartier von ORS im Salzbur-
gerBergheim dannein Covid-19-
Fall bestätigt. DasQuartier, in dem
162 Bewohnerwohnen,wurde
unterQuarantäne gestellt.
Überdies gabenJustizministerin
Alma Zadićund Europaministerin
Karoline Edtstadler bekannt, dass
der Fristenlauf für Rechtsmittelbei
negativbeschiedenen Asylverfah-
ren ausgesetzt wird.Damit soll
etwa der Andrang bei Rechtsbera-
tungen gestoppt werden.

WegenQuarantäne-Plänen
mussten die Insassen weichen.
Foto:APA/HansPunz

QAnschober hält Sprechstunden abGesundheitsminister Ru-
dolf Anschober (Grüne) hält seit Donnerstag per Social-Me-
dia-Livestream „Videosprechstunden“ für Bürger ab: Er will
dabei über die aktuelle Corona-Lage informieren, Nachbar-
schaftsinitiativen vorstellen und praktische Tipps geben. In-
teressierte Bürger können Fragen via E-Mail(sprechstunde@
sozialministerium.at)einsenden, die zu Themenbündeln zu-
sammengefasst und beantwortet werden.
QNetflix drosselt DatenmengenUm die Netze in der Krise zu
entlasten, drosselt der Streamingdienst Netflix die Daten-
übermittlung in Europa um rund ein Viertel, zunächst für 30
Tage. Die EU-Kommission hatte darum gebeten. Die Video-
qualität werde dennoch hoch bleiben, sagt der US-Konzern.
QInnsbrucker Flughafen stellt Betrieb einDer Flughafen Inns-
bruck wird ab Montag bis auf weiteres seine Pforten schlie-
ßen. Aufgrund der aktuellen Situation habe sich die Ge-
schäftsführung in Absprache mit den Eigentümern dazu ent-
schlossen, vorläufig den Betrieb einzustellen, teilte der Flug-
hafen am Donnerstag mit. Für Notfälle sei man aber jeder-
zeit einsatzbereit, wurde betont.
QDeutscher Schutzausrüstungsausfuhrstopp aufgehoben Die
von Deutschland in der Corona-Krise Anfang März verhäng-
te Ausfuhrsperre für Schutzausrüstung ist am Mittwoch um
15 Uhr ganz gefallen.
QLivestream-Messe für Christen auf Arabischer Halbinsel1,7 Mil-
lionen katholische Christen auf der Arabischen Halbinsel
können ab sofort keine Gottesdienste mehr besuchen, teilte
Kathpress mit–alle öffentlichen religiösen Feiern sind ver-
boten. Der zuständige Bischof kündigte an, im Internet einen
Livestream einzurichten.
QTiertransporter stecken im StauAufgrund der immer mehr
werdenden Grenzkontrollen bilden sich kilometerlange
Staus. Mittendrin sind auch Tiertransporte. Kritik kommt
von Tierschützern, der Verein gegen Tierfabriken fordert
einen sofortigen Exportstopp. (red)

SPLITTER


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