Der Spiegel - 21.03.2020

(Michael S) #1

20 DER SPIEGEL Nr. 13 / 21. 3. 2020


Parteienfinanzierung
Schwarze »Flügel«-Kasse

 Der rechtsextreme »Flügel« der AfD
nutzte zur Abwicklung von Spenden
offenbar eine schwarze Kasse. Das geht
aus einem Gutachten des Bundesamts für
Verfassungsschutz hervor. Konkret geht
es um ein Konto bei der Deutschen Kre-
ditbank, das nicht in der regulären Buch-
führung der Partei auftauchte. Kontoinha-
ber war laut Verfassungsschutz der AfD-
Bundestagsabgeordnete Frank Pasemann.
Auf dem Konto sollen von Juni 2018 bis
August 2019 Spenden für den »Flügel«
eingegangen sein. Die Erkenntnisse der
Verfassungsschützer stammen von der
Finanzermittlungseinheit »Financial Intel-
ligence Unit« des Zolls, die 69 Konto -
bewegungen gemeldet hat: Neben »diver-
sen Einzelspenden an den ›Flügel‹« habe
es auch Überweisungen von AfD-Politi-
kern wie Björn Höcke, Hans-Thomas Till-
schneider, Thorsten Weiß, Paul Traxl,
Christina Baum, Christian Blex und Oli-

ver Kirchner gegeben. Bei
allen Einzahlungen habe es
sich laut Verwendungszweck
um Spenden an den »Flügel«
gehandelt. Zudem seien bis-
weilen Mitgliedsnummern
angegeben worden (»Spende
Der Flügel Mitgliedsnr. 10«).
In einem Fall, so das Gutach-
ten, sei zusätzlich auf den
Verein »Konservativ!« ver-
wiesen worden. Pasemann
fungiert dort als Schatzmeis-
ter. Mutmaßlicher Geldgeber
des »Flügels« ist auch der
neurechte Verleger Götz
Kubitschek. Laut Verfas-
sungsschutz soll Pasemann 500 Euro auf
das Konto eingezahlt haben, mit dem
Betreff »Spende Gotz Kubitschek«.
Kubitschek ließ eine Anfrage zu der
Spende unbeantwortet, auch die im Gut-
achten genannten AfD-Politiker äußerten
sich nicht. Pasemanns An walt teilt mit,
dass über das Konto keine Spenden für
den »Flügel« gesammelt worden seien,
sondern nur Gelder für den »parteiunab-
hängigen Verein« Konservativ!. Deshalb
seien die Spenden auch nicht im AfD-
Rechenschaftsbericht erfasst. Pasemanns
Bankverbindung wurde allerdings über
Monate auf der Website des »Flügels« als
Spendenkonto angegeben. Die Gründe
dafür, so lässt Pasemann mitteilen, kenne
er nicht. Die Kassenführung des »Flügels«
kam die AfD schon einmal teuer zu ste-
hen: Im Zusammenhang mit der Finanzie-
rung eines »Flügel«-Treffens 2017 verhäng-
te die Bundestagsverwaltung eine Straf -
zahlung von rund 34 000 Euro. Zur Rolle
des Vereins Konservativ! hat die Behörde
Prüfungen eingeleitet. SMS, SRÖ, WOW

Mordfall Lübcke
Fund auf dem USB-Stick

 Der mutmaßliche Mörder des hessi-
schen CDU-Politikers Walter Lübcke
wird durch neue Indizien belastet. Auf
einem verschlüsselten USB-Stick, den
Ermittler bei dem tatverdächtigen Rechts-
extremisten Stephan Ernst fanden, war
eine Datei mit »Vorsichts-Regeln« gespei-
chert. Dabei handelte es sich um einge-
scannte handschriftliche Notizen, die
Ernst offenbar als Gedächtnisstütze ver-
fasst hatte. Unter anderem war dort zu
lesen, dass Textilspuren – also zum Bei-
spiel Fasern der Kleidung – sowie DNA-
Spuren am Tatort vermieden werden
müssten. Außerdem wurde die Wichtig-
keit guter Ortskenntnisse betont.
Die »planvolle Vorgehensweise« bei der
Tötung Lübckes wird laut Bundes -

gerichtshof (BGH) auch durch Aussagen
von Ernst deutlich, wonach auf der Auto-
fahrt zum Wohnhaus des Opfers »Tarn-
kennzeichen« benutzt worden seien, die
über den echten Kennzeichen befestigt
und später wieder entfernt wurden. Der
von Ernst behaupteten Version, er und
sein rechtsextremer Komplize Markus H.
hätten Lübcke lediglich einschüchtern
wollen, folgt der BGH nicht: Trotz aller
Anstrengungen, Spuren zu vermeiden,
seien Ernst und H. dem Regierungspräsi-
denten Lübcke unmaskiert gegenüber -
getreten – und hätten sich so, anders als
bei einer »geplanten Tötung«, der
»Gefahr einer Identifizierung durch das
Tatopfer« ausgesetzt. Ernsts Verteidiger
erklärte auf Anfrage, dass die Datei auf
dem USB-Stick aus der Zeit vor 2010
stamme und keinen Bezug zum Fall Lüb-
cke habe. SRÖ, STW

So gesehen


Homeoffice


Die heimeligen Seiten des


Ausnahmezustands


So, kommt ihr mal, Jonas, leg doch
bitte mal kurz das Handy weg ... Nein,
Meike, du kannst dich jetzt nicht mit
deinen Freundinnen treffen. Nein, mor-
gen auch nicht. Ihr solltet doch eure
Aufgaben ... Welches Buch? Du hast
das Mathebuch in der Schule verges-
sen? Na, das geht ja schon gut los.
Nein, Mathe ist wichtig. Also, jeden-
falls wollte ich sagen ...
Moment, das ist das Büro, da muss
ich kurz ... Ja? Ja, bekommen Sie, kein
Problem ... Ich warte nur noch auf die
Unterlagen von ... Ach so ... Moment ...
Jonas, ich kümmere mich später um
den Router. So, Entschuldigung, das
war mein Sohn ... ja, haha, schulfrei.
Moment, bitte. Meike, hast du dir
eigentlich die Hände gewaschen? Nicht
vor einer Stunde, sondern jetzt! Wie
oft soll ich euch das noch sagen! So, da
bin ich wieder, ja, später Videokonfe-
renz. Bin ich dabei. Bis dann, bleiben
Sie gesund, haha.
So, Kinder. Also, was ich euch sagen
wollte: Wir sind ja jetzt in der nächsten
Zeit alle zusammen
daheim, und das ...
Was sagst du? Was
weiß ich, warum der
Router blinkt. Du
wirst schon ein paar
Minuten ohne Inter-
net auskommen.
Jetzt mach nicht so
ein Gesicht.
Nein, Mama ist
beim Einkaufen, ihr
müsst ihr ganz viel
Glück wünschen, wir haben nur noch
acht Kisten Wasser ... Was? Ihr wisst
doch, Frau Koslic kommt jetzt erst mal
nicht. Was wir dann machen? Na eben
mal selbst das Klo putzen. Ja, auch ihr!
Was soll das Gemaule? Jetzt seid doch
endlich mal still! Ich will euch etwas
sagen!
So, Kinder, also: Ist das nicht schön,
dass wir jetzt etwas mehr Zeit
füreinander haben? Stefan Kuzmany


Wir haben


nur noch


acht Kisten


Wasser.


Mama kauft


ein,


wünscht ihr


Glück!


CLEMENS BILAN / EPA-EFE / SHUTTERSTOCK

»Flügel«-Funktionäre Andreas Kalbitz, Höcke
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