Der Spiegel - 21.03.2020

(Michael S) #1
auseinander, warum er es nicht für sinnvoll
halte, die Schulen landesweit zu schließen.
Sachsen-Anhalt hat keine Außengrenzen.
Die Entscheidung in Halle erklärt Hase -
loff damit, dass der dortige Oberbürger-
meister vom Virologen Alexander Kekulé
beraten werde. Der hat schon lange Schul-
schließungen gefordert. Noch ein Akteur.
Bund, Länder, Kommunen, Experten.
In der bayerischen Landesvertretung ist
die Stimmung angespannt. Malu Dreyer,
(SPD), Ministerpräsidentin in Rheinland-
Pfalz mahnt ihre Kollegen immer wieder,
man müsse unbedingt eine einheitliche
Linie finden. Aber das gelingt nicht. Die
Unsicherheit regiert.
»Wir sind in dieser Runde auch nur Men-
schen mit Ängsten und Sorgen. Und wir
reagieren mit dem Wissen, was wir gerade
haben«, beschreibt der Ministerpräsident
von Thüringen, Bodo Ramelow (Linke),

Was einige der Anwesenden verwun-
dert: Armin Laschet (CDU) regiert ein
Grenzland, Nordrhein-Westfalen, in dem
auch noch der Kreis Heinsberg liegt, so
etwas wie das deutsche Epizentrum der
Coronakrise. Trotzdem schlägt sich La-
schet nicht auf die Seite der Dichtmacher.
Er argumentiert allerdings auch nicht
dagegen, sondern nimmt eine Position ein,
die irgendwo dazwischen liegt. Was es
noch komplizierter macht: nicht zwei Posi -
tionen, sondern irgendwie zweieinhalb.
Dann platzt eine Eilmeldung in die Run-
de. Die Stadt Halle an der Saale schließe
Schulen und Kitas. Ein weiterer Akteur
der Krisenpolitik hat sich zu Wort gemel-
det. Bund, Länder, Kommunen. Noch
komplizierter.
Halle liegt in Sachsen-Anhalt, doch Mi-
nisterpräsident Reiner Haseloff (CDU) setzt
den anderen Regierungschefs erst einmal


DER SPIEGEL Nr. 13 / 21. 3. 2020 23


die Atmosphäre. Wissen hat derzeit ein
rasches Verfallsdatum. Morgen gilt schon
was anderes.
Ohne Beschluss fahren die Länderchefs
zum Kanzleramt, treffen dort Angela Mer-
kel und mehrere Mitglieder ihres Kabinetts
im Internationalen Konferenzsaal.
Zunächst haben drei Experten das Wort,
unter ihnen der Virologe Christian Drosten
von der Berliner Charité. Anders als Keku -
lé hat sich Drosten bislang skeptisch über
Schul- und Kitaschließungen geäußert –
unter anderem mit dem Argument, dass
dann die Kinder etwa von Ärztinnen und
Ärzten nicht mehr betreut würden.
Beim Treffen der Ministerpräsidenten
spielte das eine wichtige Rolle, weil einige
diese Linie übernommen und damit ihre
ablehnende Haltung begründet hatten.
Drosten spricht und berichtet von einer
US-Studie, die er mittlerweile gelesen

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