Der Spiegel - 21.03.2020

(Michael S) #1
Krisenpolitiker in den Ländern:
Die Konkurrenten
Seit Tagen treibt Markus Söder den Rest
der Republik vor sich her, indem er sein
Land mit Maßnahmen zuschnürt, Milliar-
denpakete für die Wirtschaft ankündigt und
den Katastrophenfall ausruft. Söder glaubt,
dass sich viele Menschen in unsicheren Zei-
ten nach Klarheit und Führung sehnen.
Also spielt er den starken Mann, der die
Krise im Alleingang angeht. Der bayerische
Ministerpräsident ist der König im Wett -
bewerb um die härteste Maßnahme.
Kaum ein Tag vergeht, an dem Söder,
53, nicht in den Abendnachrichten auf-
taucht, in einer Talkshow sitzt oder digi-
tale Botschaften streut. Kürzlich, im Kom-
munalwahlkampf, scherzte er: »Wenn ich
eine Idee habe, sind erst mal alle dagegen.
Und am nächsten Tag fragen sie sich, wa-
rum wir das nicht schon vorgestern ein -
geführt haben.« Ungefähr so läuft es in
der Coronakrise tatsächlich.
Worauf Söder derzeit allerdings aufpas-
sen muss: dass er sich den Spaß nicht an-

merken lässt, den es ihm bereitet, im Aus-
nahmezustand zu agieren. In einer Video-
botschaft vom Dienstag dieser Woche sagt
er: »Es kommen ganz spannende Zeiten
auf uns zu.« Dann korrigiert er sich rasch:
»schwierige Zeiten«.
Bundeskanzler wolle er ja nicht werden,
hat er treuherzig gesagt. Oder korrigiert
er sich da auch noch mal, falls sich heraus-
stellt, dass seine Forschheit richtig war?
Das wäre dann ein Problem von Armin
Laschet, der CDU-Vorsitzender und wohl
auch Bundeskanzler werden will. Er pfleg-
te schon immer einen anderen Politikstil
als Söder, weniger getrieben, dafür präsi-
dialer. In seinem Bestreben, besonnen zu
handeln, ähnelt er der Kanzlerin.
Aber in der Krise gilt mehr als sonst: Je
näher bei den Menschen, desto mehr wer-
den Taten erwartet, die richtigen Taten.
Ein Landesvater wird direkt für das, was
schlecht läuft, verantwortlich gemacht.
Als Ende Februar im Kreis Heinsberg
die ersten Corona-Fälle in Nordrhein-
Westfalen auftreten, reist Laschet nach
Israel. Im Corona-Gebiet fühlt man sich

alleingelassen. »Wir hatten den Eindruck,
dass man denkt: Okay, das ist ein Problem
des Kreises Heinsberg. Das hat schon weh-
getan«, sagt Landrat Stephan Pusch, selbst
Christdemokrat.
Pusch vermisst in der Staatskanzlei Ent-
schlossenheit. »Wir haben sofort Schulen
und Kitas geschlossen, und ich hätte mir
gewünscht, dass man über einen solchen
Schritt auch im Rest des Bundeslandes frü-
her nachdenkt.«
Laschet behauptet, die Maßnahmen, die
im Süden getroffen wurden, seien exakt
die gleichen wie jene im Westen. Richtig
ist aber auch, dass Bayern in den vergan-
genen Tagen so ziemlich jede wichtige Ent-
scheidung vor Nordrhein-Westfalen gefällt
hat. Das Verbot von Veranstaltungen mit
mehr als tausend Teilnehmern, die Schlie-
ßung von Schulen und Kitas, die Verschie-
bung des Semesterbeginns – erst machte
es Söder, danach auch Laschet.
Auch in der Wirtschaft wird geklagt. Die
Bauverbände fordern ein Soforthilfepro-
gramm. Als »Vorbild«, heißt es, könnten
»die Maßnahmen dienen, die der Freistaat
Bayern beschlossen hat«. Am Dienstag
schickte der nordrhein-westfälische Han-
delsverband einen Brandbrief nach Düs-
seldorf, um Laschet zu mehr Einsatz zu
treiben. Der Einzelhandel brauche drin-
gend Hilfe, schrieb Präsident Michael
Radau dem Ministerpräsidenten. Man wol-
le nun »nochmals für Ihre persönliche
Unterstützung« werben.
Dem SPIEGELsagte Radau: »Ich bin
nicht begeistert von der Krisenkommuni-
kation der Landesregierung. Es gab zuletzt
im Stundentakt Verunsicherung darüber,
ob der Einzelhandel nun offen bleibt oder
nicht. Natürlich sind wir in einer Extrem-
situation, aber ein Hin und Her können
wir uns nicht leisten.«
Am Mittwoch vergangener Woche muss
Laschet sich im Landtag zehn Minuten
lang verteidigen. Anlass ist eine Rede von
Oppositionsführer Thomas Kutschaty. Der
Sozialdemokrat hält der Landesregierung
vor, Warnungen des Robert Koch-Instituts
ignoriert und wochenlang versucht zu
haben, die Lage kleinzureden.
Laschet könnte Kutschatys Rede abtrop-
fen lassen. Tut er aber nicht. Er läuft rot
an, greift nach einem Ordner und knallt
ihn auf den Tisch. Spätestens da konnte
jeder sehen: Hier ist jemand hoch nervös.
Immerhin schnürt er am Donnerstag ein
Rettungspaket über 25 Milliarden Euro.
Doch Söder lässt keine Gelegenheit aus,
ihn vorzuführen. In seiner Regierungs -
erklärung am Donnerstag begründet er
Ausgangssperren für zwei Gemeinden im
Kreis Wunsiedel so: Er wolle »kein zweites
Heinsberg«.
Bayern wollte immer besser sein als der
Rest der Republik. Söder wollte immer
besser sein als alle anderen Politiker. Das

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SVEN HOPPE / DPA


Ministerpräsident Söder: Spannend? Nein, schwierig
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