Der Spiegel - 21.03.2020

(Michael S) #1
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meinschaftliche Vergewaltigung in einem
besonders schweren Fall vor. Die Höchst-
strafe dafür beträgt 15 Jahre Gefängnis.
Das Verhalten der Polizisten wirft viele
Fragen auf. Selbst wenn es stimmt, dass
sie den Geschlechtsverkehr nicht einfor-
derten oder gar erzwangen, muss ihnen
klar gewesen sein, dass sie ihre Stellung
als Polizisten für sexuelle Gefälligkeiten
ausnutzten und so ihre Dienstpflicht ver-
letzten. Dass Maximilian O. dabei filmte
und diese Videos auch noch umgehend
einem Kollegen zeigte, spricht für fehlen-
des Unrechtsbewusstsein oder die Chuzpe,
man werde mit solch einem Verhalten
schon irgendwie davonkommen.
Maximilian O. und Gurjan J. sind nicht
vorbestraft. Aus dem Umfeld von Gurjan
J. heißt es, er sei sich der Schwere seines
Fehlers bewusst. Bis zu seiner Festnahme
galt er als Beleg gelungener Integration
Sein Vater ist ein Sikh, Anhänger einer
religiösen Reformbewegung aus Indien.
Er trägt einen auffälligen traditionellen
Turban.
Er ist auch Mitglied der Gewerkschaft
der Polizei (GdP) in Thüringen. Kai Christ,
der Landesvorsitzende der GdP, sieht für
die Beamten keine Zukunft im Polizei-
dienst. Selbst wenn die Frau ihr Einver-
ständnis zum Sex gegeben haben sollte,
sei das Verhalten unverzeihlich. »Beide
wussten, dass sie das nicht dürfen. Die
können nicht zurück in den Dienst.« Der
Vertrauensbruch sei zu groß, der Ruf der
Thüringer Polizei habe massiv gelitten.
Die Staatsanwaltschaft Mühlhausen
ermittelt gegen einen vierten Polizisten –
wegen Strafvereitelung im Amt. Er soll
Maximilian O. und Gurjan J. vor ihrer Fest-
nahme gewarnt haben. O. hatte daraufhin
offenbar versucht, sich abzusetzen.
Wenn nun die Hauptverhandlung be-
ginnt, haben die Beamten ihrem mut -
maßlichen Opfer gegenüber einen Vorteil:
Für sie gehören Befragungen vor Gericht
zu ihrem Berufsalltag. Polizisten sind dort
regelmäßig als Zeugen geladen. Sie wis-
sen, wie man widerspruchsfreie Aussagen
macht. Auch in ihren Vernehmungen
stimmten ihre Aussagen weitgehend über-
ein, beide schilderten etwa, die Frau habe
ihnen nach dem Geschlechtsakt bereit -
stehende Feuchttücher gereicht, damit sie
sich säubern konnten. Weil es so war?
Oder weil sie versuchten, die Frau wegen
ihrer Arbeit als Prostituierte zu diskredi-
tieren?
In Erfurt ist die Aussage des mutmaß -
lichen Opfers zentral. Die Frau tritt als
Nebenklägerin auf, es gibt aber die Be-
fürchtung, sie werde nicht erscheinen.
Dann will das Gericht alles daransetzen,
sie zu hören. Ihr Anwalt wollte sich vor
dem Prozess nicht äußern. Julia Jüttner


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Seit Samer Tannous mit seiner Familie aus Damaskus
ins beschauliche Städtchen Rotenburg an der Wümme zog,
versucht er, die Deutschen zu verstehen. Doch sei es beim
Arbeiten, Essen oder Feiern – die Missverständnisse
scheinen grenzenlos. Gemeinsam mit seinem Freund
Gerd Hachmöller hat er sich deswegen daran gemacht,
deutsche Schrullen und arabische Eigenarten zu erklären und
zu zeigen, wie das Zusammenleben über Kulturgrenzen
hinweg gelingen kann.

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