Der Spiegel - 21.03.2020

(Michael S) #1
sieren zwei Dinge gleichzeitig: Einerseits
ist die Entwicklung großartig, weil so viel
Zeug jetzt hergestellt wird. Andererseits
mache ich mir große Sorgen um das Kino-
erlebnis.« Er macht eine Pause. »Jetzt guckt
jeder nur noch zu Hause im Bett.« Das pas-
se gut in die Zeit. »Wir werden immer mehr
eine insulare, abgeschottete Gesellschaft.
Dazu trägt das Streamen natürlich bei.«
Die künstlerische Seite des Wandels hat
auch eine ökonomische Erklärung. Netflix
gab für seine Serie »The Crown« pro Film-
minute rund 100 000 Euro aus. Eine »Tat-
ort«-Minute, mit das Teuerste, was deut-
sches Fernsehen üblicherweise zu bieten
hat, kostet gerade mal ein Fünftel. Und
eine übliche TV-Schmonzette oft noch we-
niger. Bei Filmen galt schon immer das
Motto: viel hilft viel. Vor allem: viel Geld.


  1. Das Geschäft


»Nostalgie ist ein Gefühl der Sicherheit,
des Wohlbefindens. Es ist ein sehr positi-
ves Gefühl. Man empfindet es zum Bei-
spiel, wenn man an gemeinsames Essen
am Familientisch oder einen Besuch in Dis-
neyland denkt. Wir wollen den Menschen
das Gefühl geben, sich geborgen zu füh-
len.«, sagt Agnes Chu, Content-Chefin bei
Disney+. Das ist, natürlich, Marketing.

Dahinter steht das Geschäft, und das
beschreibt Scott Galloway besser. Er
spricht nüchtern von der »größten Kapi-
talneuverteilung in der Verbraucherwelt«.
Der Professor für Marketing an der Stern
School of Business ist eine Art Punk-Öko-
nom mit Hang zu launigen Auftritten und
seit Jahren einer der lautesten und gefrag-
testen Kommentatoren der Digitalwirt-
schaft.
Sein Glatze-plus-Brille-Gesicht ist zum
Markenzeichen geworden, in seinem Pod-
cast »The Prof G Show«, diversen Video-
formaten auf YouTube und Online -
webinars für zahlende Zuhörer.
Für 40 Dollar pro Teilnehmer erklärt
»Prof G« in seinem One-Man-Streaming-
dienst etwa die Strategien der Industrie
als Ganzes. 1000 Leute sehen zu, zahlen –
und beweisen ganz nebenbei, dass das Ge-
schäftsmodell funktioniert.
Galloway zieht erst über Netflix’ hem-
mungsloses Geldausgeben für immer teu-
rere Inhalte her, um dann zu zeigen, dass
es auf Inhalte eigentlich nicht ankomme.
Denn obwohl es um Unterhaltung gehe,
würden die Streamingkriege auf anderen
Schlachtplätzen gewonnen. Viel wichtiger
als Inhalte, meint er, seien auf lange Sicht
zwei andere Dinge: »der Flywheel-Effekt
und die Distribution«.

Flywheel heißt Schwungrad, und Gallo-
way meint damit die Fähigkeit eines Misch-
konzerns wie Amazon, den »Schwung«
eines Geschäftsfelds auf andere Bereiche
zu übertragen. Amazon ist das Paradebei-
spiel eines Unternehmens mit mächtigen,
in einander verzahnten Schwungrädern.
Strea ming bringt mehr Prime-Kunden
bringt mehr Onlinehandel bringt mehr
Streaming und so weiter.
Während für Netflix, wo es nichts an-
deres zu kaufen gibt als Filme, der Strea-
mingkrieg zum Existenzkampf wird, geht
es für die Tech-Riesen Amazon und Apple
eher um weitere Diversifizierung. Sie er-
schließen sich ein neues Geschäftsfeld –
die Filmindustrie wird zum Bestandteil der
Tech-Industrie. Streaming ist für Amazon
auch ein Mittel, mehr Windeln, Bücher
oder Speicherplatz zu verkaufen. Für
Apple: mehr iPhones und MacBooks. Die
Tech-Firmen gewinnen selbst dann, wenn
ihre Streamingangebote keinen Profit ab-
werfen sollten. »Diese Möglichkeit haben
alle anderen nicht«, sagt Galloway.
Die zweite wichtige Frage im Streaming-
kampf ist laut Galloway diese: Wer verfügt
über die beste Distributionsstruktur, um
den Zugang zu möglichst vielen Zuschau-
ern zu erreichen und zu kontrollieren?
Auch hier ist Netflix verletzlich. Netflix ist

91 % verlieren gerne ihr Herz.


Aber nicht ihr Geld.


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DekaBank Deutsche Girozentrale. Quelle Statistik: Onlinebefragung Institut Kantar im Auftrag der DekaBank, Oktober 2019.
Quellen Auszeichnungen: * Capital-Heft 03/2020; ** http://www.scope-awards.de/awards-2020/zertifi kate-awards

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