Der Spiegel - 21.03.2020

(Michael S) #1
sucht und ihn in der Beziehung zu einem
Mann gefunden hat, den sie vielleicht nie
in Freiheit treffen wird.

Curpen: Diese Beziehung ist eine große
Verantwortung. Ich versuche, viele Pro-
bleme zu lösen, Dinge zu verändern. Peter
hat eine Autobiografie geschrieben, dafür
suche ich gerade einen Verlag.
SPIEGEL: Hat er sich durch Sie verändert?
Curpen: Ja, sehr stark. Bevor er mich
kannte, dachte er über Selbstmord nach.
Das ist jetzt vom Tisch.

Früher kämpfte Curpen gegen den Staat,
nun kämpft sie für Madsen. Es ist jetzt
ihre Aufgabe, die ihr Leben mit Sinn füllt.
Dass er ein Mörder ist, passt zu Curpen,

die Konventionen ablehnt und sich selbst
als Rebellin sieht. Madsen gibt ihrem
Leben die Aufregung zurück, die ihr in
den vergangenen Jahren gefehlt zu haben
scheint.
Curpen kümmert sich um Madsens
Bücher, sie baut ihn auf, wenn er Sorgen
hat. Während des Gesprächs klingelt ihr
Mobiltelefon: Es ist Madsen, der sie aus
dem Gefängnis anrufen darf. Sie spricht
lange mit ihm, ihre Gesichtszüge werden
dabei sanfter, entspannter. Offenbar bere-
den sie Formalitäten, die Curpen für ihn
erledigt. Sie deutet an, dass sie mit den
dänischen Behörden über Madsens Haft-
bedingungen streitet.
Wie oft und unter welchen Umständen
sie sich sehen – darüber, sagt Curpen, kön-

ne sie nicht reden. Es scheint, als wollte
sie das ohnehin angespannte Verhältnis zu
Madsens Gefängnisleitung nicht zusätzlich
belasten.

SPIEGEL: Hat Peter Madsen mit Ihnen je
über den Mord an Kim Wall gesprochen?
Curpen: Nein, und ich habe ihn nie danach
gefragt. Wenn er es für nötig hält, wird er
selbst anfangen, darüber zu reden.
SPIEGEL: Aber Sie wissen, was die Staats-
anwälte Ihrem Mann vorwerfen? Sie ken-
nen die Vorwürfe, dass er Kim Wall vor
ihrem Tod gefoltert haben soll?
Curpen: Ich habe das alles gelesen, und es
besteht kein Zweifel daran, dass er sie
getötet hat. Was den Rest angeht: Das
Gericht konnte nicht einmal mit Sicherheit
sagen, woran Kim gestorben ist. Ich bin
überzeugt davon, dass ein Großteil der
Details nicht stimmt. Das ändert nichts an
der Tatsache, dass ein Mensch tot ist, und
das ist furchtbar.
SPIEGEL: Wie können Sie einen Mann hei-
raten, der eine andere Frau getötet hat?
Curpen: Peter hatte große Probleme. 2014
hat er Copenhagen Suborbitals im Streit
verlassen. Damit fing alles an. Es war sein
Lebenswerk, das zusammenbrach. Peter
hat sich keine Hilfe gesucht, er war sich
seines Zustands nicht bewusst. Er ist schul-
dig, aber es gab ein Gerichtsverfahren, und
er wurde bestraft.
SPIEGEL: Haben Sie keine Angst vor ihm?
Curpen: Nein.
SPIEGEL: Woher wissen Sie, dass er Ihnen
nichts antun wird?
Curpen:Man kann nichts ausschließen.
Aber ich bleibe ja auch nicht zu Hause,
nur weil mich vielleicht ein Bus überfährt.
SPIEGEL: Aber man kann das Risiko mini-
mieren. Die Ehe mit einem Mörder ist das
Gegenteil.
Curpen: Ich will das Risiko nicht minimie-
ren. Ich will nicht ewig leben. Und viele
Menschen, die mich kritisieren, machen
viel gefährlichere Dinge. Sie springen mit
dem Fallschirm ab oder nehmen Drogen.
Ich habe nur geheiratet.

Curpen und Madsen ließen sich am 19. De-
zember 2019 im Gefängnis nahe Kopen-
hagen trauen. Bei ihrer Hochzeit, erzählt
Curpen, trugen sie identische Piloten -
overalls. Sie hätten damit ihre Verbunden-
heit ausdrücken wollen, ihre Abgrenzung
vom System. »Wir sind zwei Armeen auf
einem Schlachtfeld«, sagt sie.
Alle 14 Tage fliegt Curpen nun nach
Dänemark, um Madsen zu treffen. Sie
wohnt in günstigen Hotels, die sie jedes
Mal wechselt. Curpen sagt, sie lebe von
Jobs als Grafikerin, ansonsten aber von
der Unterstützung des finnischen Staates.
Ihr zweites Kind hat sie Peter genannt,
nach ihrem neuen Ehemann.

DER SPIEGEL Nr. 13 / 21. 3. 2020 89

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U-Boot »UC3 Nautilus«, Tüftler Madsen 2015 in Kopenhagen:»Er ist schuldig und wurde bestraft«
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