Der Spiegel - 21.03.2020

(Michael S) #1

D


er SC Freiburg ist ein Vorzeige-
klub der Bundesliga. Seit acht
Jahren hat der Verein mit Chris-
tian Streich denselben Trainer.
Sportvorstand Jochen Saier verzichtet auf
Harakiri-Transfers, setzt stattdessen auf
solide Nachwuchsarbeit. Sie hatten sich
etwas aufgebaut im Südwesten des Landes,
am Rand des tosenden, oft überdrehten
Kommerzfußballs.
Doch dann kam Corona.
Seit vergangenem Montag ruht auch
beim Bundesligisten aus dem Schwarz-
wald der Betrieb. Um die Ausbreitung
des Virus einzudämmen, trainieren die
Spieler zu Hause. Der Verein stellte
Trimmräder, damit sie sich fit halten kön-
nen. Der Fanshop im Stadion hat geschlos-
sen. Aktuell wird das Trikot des SC online
als Schnäppchen angeboten – wer weiß,


ob es in dieser Saison überhaupt noch
gebraucht wird.
»Wir fahren hier auf Sicht«, sagt Sport-
vorstand Saier am Telefon. Im Hinter-
grund zwitschern die Vögel, seine Stimme
klingt gelassen, denn sein Verein steht wirt-
schaftlich auf soliden Füßen – noch. Selbst
bei den bodenständigen Badenern steht
jetzt das Geschäftsmodell auf dem Spiel.
Der deutsche Profifußball befindet sich
in einem Ausnahmezustand, wie es ihn in
der Geschichte der Bundesliga nie zuvor
gegeben hat. Zwei Spieltage wurden abge-
sagt. Schon jetzt ist klar: Auch danach wird
es viele Wochen lang nicht weitergehen.
Gut möglich, dass am Ende die gesamte
Spielzeit wegen der Coronakrise ausfällt.
Der Wille der Klubs ist groß, dass der
Ball schnellstmöglich wieder rollt. Sie sind
sich einig darin, Partien auch ohne Zu-

schauer auszutragen, einfach um die Meis-
terschaft zu Ende zu bringen. Doch das
hat nichts mit sportlichem Ehrgeiz zu tun –
es geht schlicht ums Geld, für manche
Klubs ums nackte Überleben. Einige wer-
den schon bald am Abgrund stehen. »Wir
könnten vor der Kernschmelze des deut-
schen Fußballs stehen«, sagt ein Manager.
Bisher lebten die Profiklubs in Deutsch-
land wie im Schlaraffenland. Die Erlöse
aus der TV-Vermarktung spülten ihnen
Millionen in die Kassen. Niemand war auf
eine Flaute eingestellt, weil das Fußball-
business seit fast 20 Jahren boomt.
Doch jetzt ist der Strom, der unermüd-
lich Geld in die Branche pumpte, abrupt
abgerissen. Im Mai sollte eigentlich die
nächste Tranche der TV-Lizenznehmer an
die Vereine der ersten beiden Ligen gehen:
gut 380 Millionen Euro, zwischen rund

96


Dann kam Corona


FußballEinigen Profiklubs droht in der Krise die


Insolvenz. Der Bundesliga hilft nur noch Solidarität, um Pleiten abzuwenden.


DER SPIEGEL Nr. 13 / 21. 3. 2020

MIKA VOLKMANN / IMAGO IMAGES
Bundesligapartie ohne Publikum am 11. März in Mönchengladbach: »Wir fahren auf Sicht«
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