Der Spiegel - 21.03.2020

(Michael S) #1
ge der Solidarität und fügte dann etwas
hinzu, was viele in den Vereinsspitzen auf-
schreckte: »Ehrlicherweise« müsse man
sagen, dass »wir auch Konkurrenten« sind.
»Am Ende können nicht die Klubs, die ein
bisschen Polster angesetzt haben«, die be-
lohnen, die das »nicht gemacht haben«.
Plötzlich stand der sonst so hochge-
schätzte Manager im Mittelpunkt der Kri-
tik von Kollegen, die jetzt ums wirtschaft-
liche Überleben kämpfen. Er habe doch
die Wahrheit gesagt, wehrte sich Watzke
gegenüber dem SPIEGEL: »Auch wenn es
mal schonungslos ist, ein Stück unempa-

8 Millionen für den FC Paderborn und fast
35 Millionen für Bayern München. Ohne
weitere Spiele ist das Geld verloren.
Mit der dramatischen Schnelligkeit des
wirtschaftlichen Einbruchs durch das Virus
muss die Bundesliga zurechtkommen wie
viele andere Branchen – aber die Vereine
trifft es besonders hart, weil sie hohe Ver-
pflichtungen eingegangen sind. Nur ganz
wenige Klubs haben die fetten Jahre ge-
nutzt, um ordentliche Rücklagen zu bilden.
Ein großes Wort geht deshalb derzeit
um: Solidarität. Funktionäre, Manager,
Klubpräsidenten, Trainer und Spieler, alle
beschwören den großen Zusammenhalt
der Fußballgemeinde.
Am 30. März wollen sich die Bundes -
ligamanager zu einer Krisensitzung in der
Zentrale der Deutschen Fußball Liga (DFL)
treffen. Bei einer ersten Zusammenkunft
am vorigen Montag in Frankfurt am Main
bekamen die Klubvertreter eine Art Refe-
rat von DFL-Chef Christian Seifert zu
hören, der den Vertretern der ersten und
zweiten Liga den Ernst der Lage verdeut-
lichte und den Vereinsmanagern am Ende
eine Hausaufgabe mit auf den Weg gab.
Sie sollten schleunigst und schonungslos
die wirtschaftliche Lage ihrer Klubs analy-
sieren, um herauszufinden, welche Vereine
am meisten von der Krise bedroht sind.
Bei der Zusammenkunft am übernächs-
ten Montag wird es vermutlich um kon-
krete Maßnahmen gehen, wie den Notlei-
denden zu helfen ist. Braucht man einen
Solidarfonds? Müssen die Topklubs abge-
ben? Bayern München und Borussia Dort-
mund bekommen gemeinsam mehr Mil-
lionen aus der TV-Vermarktung als die Ver-
eine der zweiten Liga zusammen – kann
man so in Zukunft noch weitermachen?
Dass es mit der beschworenen Solidari-
tät schwierig werden dürfte, zeigten irri-
tierende Auftritte verschiedener Vereins-
bosse in den vergangenen Tagen. Einen
lieferte der Geschäftsführer von Borussia
Dortmund, Hans-Joachim Watzke. In der
ARD-»Sportschau« sprach er zunächst
über die lebensbedrohliche Krise, die Fra-


  • Christian Seifert (DFL-Chef), Peter Görlich (TSG
    Hoffenheim), Karl-Heinz Rummenigge (Bayern Mün-
    chen), Hans-Joachim Watzke (Borussia Dortmund),
    Bernd Hoffmann (Hamburger SV), Friedrich Curtius
    (DFB-Generalsekretär), Fritz Keller (DFB-Präsident)


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Coronakrise

thisch rüberkommt oder wehtut, werde
ich immer das sagen, was ich empfinde.«
Er persönlich habe viel Rückendeckung
von Fachleuten der Liga bekommen.
Worauf Watzke unter anderem abzielte,
war das Missmanagement einiger Klubs
und deren abenteuerliche Finanzierungs-
modelle. Profiklubs setzen etwa auf die
sogenannte Forfaitierung. Das heißt, es
werden Rechte auf Einkünfte verkauft, die
in der Zukunft liegen. »Einige Klubs haben
sie bereits für die nächsten zehn Jahre ver-
geben«, sagt ein DFL-Mann.
Der Hamburger SV etwa hat seine Ver-
marktungsrechte langfristig an eine Agen-
tur verscherbelt. Die Investmentfirma
Quattrex hat Union Berlin Geld gegen
künftige TV-Erlöse verliehen. Und es gibt
Banken, die Klubs zukünftige Einnahmen
aus Spielertransfers abkauften.
In normalen Zeiten war das kein Pro-
blem – es war ja immer reichlich Geld vor-
handen. Und es fiel kaum auf. Um den
Spielbetrieb abzusichern, vergibt die DFL
jedes Jahr Lizenzen an die Klubs der höchs-
ten Ligen. Geprüft wird dafür vor allem die
Liquidität. Auf welcher Grundlage die
Geschäfte stehen, wird kaum hinterfragt.
So blieb meist im Verborgenen, wie es um
die Vereine wirklich bestellt ist. Am Diens-
tag kam heraus, dass der FC Schalke 04
das vergangene Geschäftsjahr mit einem
Minus von 26 Millionen Euro abgeschlos-
sen hat. Trainerwechsel, hohe Investitionen
in Spieler und ausbleibender Erfolg hatten
den Etat belastet. Auch hier: Kein Problem,
dachte man, es ist noch immer gut gegan-
gen. Bis das Virus kam. Jetzt dürfte Schalke
einer der ersten Vereine sein, der nach
Unterstützung rufen wird.
Verschärfend kommt hinzu, dass nie-
mand absehen kann, wann der eingestellte
Spielbetrieb wieder aufgenommen werden
kann. Im DFL-Präsidium kursieren drei
mögliche Szenarien. Das erste: Die laufen-
de Saison wird in leeren Stadien zu Ende
gespielt, ab der kommenden Spielzeit nor-
maler Spielbetrieb. Nummer zwei: Ab-
bruch der aktuellen Spielzeit, 2020/21 dann
aber wieder Spiele mit Zuschauern und
mehr Vereinen in den höchsten Ligen. Num-
mer drei: Abbruch der Saison und Geister-
spiele in der Hinrunde der nächsten Spiel-
zeit. Die Verschiebung der Europameister-

THOMAS LOHNES / GETTY IMAGES REUTERS ARNE DEDERT / DPA REUTERS
Funktionäre vor Krisensitzung am vergangenen Montag in Frankfurt am Main*: Vor der Kernschmelze des Fußballs

Spielausfall
Vereinserlöse der Ersten und
Zweiten Bundesliga nach Bereichen,
Angaben in Prozent

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Erlöse gesamt:
4 Mrd. €
Saison 2018/19

Erlöse gesamt:
782 Mio. €
Saison 2018/19

* alle Wettbewerbe

12,9%

16,8%

20,2

32,0

12,3

4,9

13,8

21,0

36,9

16,8

4,4

8,0

Quelle: DFL

ELMAR KREMSER / SVEN SIMON
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