2020-04-08 Die Zeit

(Barré) #1

DIE ZEIT: Herr Seifert, man kann bei Ihren öf-
fentlichen Auftritten den Eindruck gewinnen, Sie
seien eine Art Christian Drosten des Fußballs ...
Christian Seifert: ... das kann nicht Ihr Ernst sein!
Herr Drosten ist ein renommierter Virologe und
Berater der Bundesregierung. Ich bin Geschäfts-
führer der DFL und kümmere mich gemeinsam
mit meinen Kollegen in Präsidium und Geschäfts-
leitung um die Bundesliga und Zweite Bundesliga.
Dabei konzentriere ich mich, wie viele andere, in
einer Phase der Unsicherheiten auf die Dinge, die
ich beeinflussen kann. Es gibt derzeit nicht den
einen Plan, den gibt es nicht mal in der Medizin,
in der Politik, in der Wirtschaft – und daher auch
nicht für den Profifußball.
ZEIT: Sie haben erst Ende März endgültig ent-
schieden, dass bis Ende April kein Bundesligaspiel
ausgetragen wird. Im März fanden noch Spiele
statt, als das Risiko schon offensichtlich war. Wa-
rum haben Sie und die Liga so lange gebraucht,
um auf die dramatische Lage zu reagieren?
Seifert: Meine Kollegen und ich sind weder stur
noch blind. Als es die Debatten gab, ob wir noch
spielen sollen oder nicht, haben uns die Gesund-
heitsämter an allen Standorten signalisiert, dass
noch Spiele ohne Stadionbesucher stattfinden
können. Die Behörden vor Ort – das sind die zu-
ständigen Stellen, auf die wir uns alle, auch als
Bürger, verlassen müssen. Mir bricht aber kein Za-
cken aus der Krone, wenn ich eine Entscheidung
auf Basis einer veränderten Lage revidiere. Und die
Dynamik der Virus-Verbreitung hat ja an man-
chen Tagen stündlich für neue Fakten gesorgt.
Wenn das dann als Rolle rückwärts bezeichnet
wird, kann ich es auch nicht ändern.
ZEIT: Es wäre besser nicht gespielt worden?
Seifert: Noch mal: Wir haben uns immer die Ein-
schätzungen und Vorgaben der zuständigen staat-
lichen Stellen vollumfänglich zu eigen gemacht.


ZEIT: Sie betonen stets, die Gesundheit aller Be-
teiligten stehe für Sie an erster Stelle, jetzt gibt es
schon Pläne für die Fortsetzung der Profiligen,
Start Anfang, spätestens Mitte Mai, letzter Spieltag
Ende Juni. Nehmen Sie nicht gerade Anlauf für
die nächste Rolle rückwärts?
Seifert: Das glaube ich nicht. Ob Lufthansa, Volks-
wagen, ein Warenhaus oder der Friseur um die
Ecke, alle bereiten sich so wie wir auch mit mehre-
ren Szenarien darauf vor, dass das öffentliche Le-
ben – und zu dem gehören Unternehmen genauso
wie Schulen – wieder anläuft. Ich halte die Aus-
gangsbeschränkungen bis mindestens 19. April für
nachvollziehbar. Ich habe großen Respekt vor den
Entscheidungsträgern in der Politik, die immer
neu die Balance finden müssen zwischen virologi-
schen Arbeitshypothesen sowie Auswirkungen auf
Gesellschaft und Wirtschaft. Rein technisch ge-
sehen würden bei der Wiederaufnahme des Spiel-


»Wir werden bereit sein!«


Christian Seifert, Chef der Deutschen Fußball Liga, will im Mai wieder Spiele stattfinden lassen. Wie soll das funktionieren?


Die Spieler von Bayern München halten sich derzeit beim Training in Kleingruppen fit

ZEIT: Wenn, wie es jetzt heißt, 13 der 36 Profi-
vereine bei Abbruch der Saison die Insolvenz droht,
ist das nicht vor allem ein Zeichen von eklatanter
Misswirtschaft?
Seifert: Sie meinen, dass das Thema wirtschaftliche
Stabilität – mit Rücklagen und einem funktionie-
renden Geschäftsmodell – doch wichtiger ist, als
einige bisher gedacht haben? Wenn das von dieser
Krise als Lehre für den Profifußball bliebe, dann
wäre eine Menge erreicht.

ZEIT: Bundestrainer Joachim Löw sagte, er habe
angesichts der Pandemie das Gefühl, »als ob sich die
Erde ein bisschen stemmt und wehrt gegen das Tun
des Menschen«. Sehen Sie das genauso?
Seifert: Ich mag Joachim Löw sehr gern, aber ich
kann mit dem Zitat nicht so viel anfangen. Ich
wünsche denen, die erkrankt oder betroffen sind,
dass sie gut durchkommen. Ich muss da jetzt nichts
konstruieren, um mal mächtig was übers Leben zu
lernen.

Das Interview fand per Skype statt.
Die Fragen stellten Cathrin Gilbert
und Moritz Müller-Wirth

betriebs rund 300 Erwerbstätige pro Spiel an
ihren Arbeitsplatz im Stadion zurückkehren,
Fußballspieler, Physiotherapeuten oder Kame-
ramänner. Wir werden bereit sein! Unser Ziel
ist es, bis 30. Juni die Saison zu Ende zu spie-
len. Wir haben es aber nicht in der Hand.
ZEIT: Im Fußball ist körperlicher Kontakt un-
vermeidbar, ja geradezu Unternehmenszweck.
Hinkt der Vergleich mit anderen Branchen
oder Schulen nicht ein wenig?
Seifert: Jede Branche hat ihre Besonderheiten,
da haben Sie recht. Deshalb machen wir uns ja
so viele Gedanken. Wir gehen im Übrigen da-
von aus, dass sich sowohl die Testverfahren als
auch der Umgang mit wie auch immer ge-
arteten Quarantänekonzepten im Wochen-
rhythmus weiterentwickeln. Darauf hofft ganz
Deutschland.
ZEIT: Im Augenblick herrscht ein eklatanter
Mangel an Tests, zumal an Schnelltests. Haben
nicht andere Berufsgruppen wie Pflegekräfte
oder Kassiererinnen ein höheres Anrecht auf
diese Tests als der Profifußball?
Seifert: Ich verstehe die Frage – und halte sie
trotzdem, mit Verlaub, für nicht angemessen:
Natürlich darf nicht der Eindruck entstehen,
der Fußball ignoriere in seiner Selbstbezogen-
heit die Realität. Jeder Mensch ist gleich viel
wert.
ZEIT: Wir stellen die Fragen, Sie antworten.
Sie führen als einen Grund für eine baldige
Wiederaufnahme des Spielbetriebs die Sehn-
sucht der Zuschauer an, weisen auf die 20 Mil-
lionen Fans hin, die bisher an den Wo chen-
enden Fußball am Fernseher verfolgten.
Nimmt sich der Profifußball zu ernst? Glauben
Sie, die Bundesliga ist das, was die Menschen
jetzt vorrangig beschäftigt?
Seifert: Natürlich nicht. 80 Millionen Deut-
sche haben zurzeit diese Pandemie im Kopf.
Das verändert uns alle, die Gesellschaft, die In-
stitutionen. Wir merken jetzt schon, wie dieser
Zustand auch emotional viele Menschen ex-
trem belastet. Ich wäre niemals so anmaßend
zu sagen, Profifußball kann das heilen. Dieser
Sport bedeutet aber vielen Menschen sehr viel.
Das kann man verstehen, darüber kann man
sich lustig machen, das kann man kritisieren,
oder man kann es einfach als Gegebenheit neh-
men. Wenn wir also wieder spielen dürfen,
können Sie davon ausgehen, dass sehr viele
Menschen zuschauen.
ZEIT: Es heißt immer, die Profifußballer sollen
Vorbild sein. Wie wollen Sie den Millionen
Fans und Freizeitkickern, besonders den Kin-
dern, erklären, dass sie sich weiter disziplinieren
müssen?
Seifert: Mir ist bewusst, dass dies Fragezeichen
auslösen kann. Es ist einerseits dieselbe Sport-
art, andererseits hat der Profibetrieb aber völlig
andere Rahmenbedingungen als der Freizeit-
bereich. Bei uns geht es wie in anderen Unter-
nehmen um ein Produkt, das von Erwerbstäti-
gen auf und neben dem Platz hergestellt wird.
Und wenn nicht produziert werden kann, ist
das existenzgefährdend mit Konsequenzen für
Arbeitsplätze. Von daher müssen Proficlubs
rechtlich wie Unternehmen behandelt werden.
ZEIT: Sie bezeichnen einen Abbruch der Saison
als lebensbedrohlich für einige Vereine. Sollte
man angesichts der vielen zu erwartenden Co-
rona-Toten das wirtschaftliche Überleben von
Fußballproficlubs in die Waagschale werfen?
Seifert: Ist das Ihr Ernst, wer würde das tun?
Die ZEIT, die Bundesliga, die Deutsche Bank,
Adidas – kann irgendetwas relevanter sein als
ein Menschenleben? Niemals! Sie sollten nie-
mandem etwas anderes unterstellen.
ZEIT: Nichts läge uns ferner.
Seifert: Trotzdem bleibt richtig: Diejenigen, die
Verantwortung tragen, dürfen nicht nur, sie
müssen die Zeit danach bedenken, ohne mora-
lische Vorhaltungen gemacht zu bekommen.
Jens Spahn hat in diesem Zusammenhang in
der ZEIT zu Recht von richtigen Zeitpunkten
für Bremsen und Beschleunigung gesprochen.

Fotos (Ausschnitte): M. Donato/FC Bayern/Getty Images; Moritz Müller/imago (r.)

Christian Seifert, 50, ist seit 2005
DFL-Chef. Zuvor war er bei der
Pro7-Gruppe, Viacom und Vorstand
der KarstadtQuelle New Media AG

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