Arbeitswelt
Rehabilitierte Netzwerke und Suchmaschinen
Sind soziale Netzwerke und Such-
maschinen zu Unrecht auf der An-
klagebank gelandet, weil man ihnen die
Bildung vonFilterblasen unterstellt?
Sind sie verantwortlich für fragwürdige
Echokammern im Internetunddamit
denTunnelblick? Der Massenkonsum
digitaler Medien bei der Nachrichten-
beschaffung beeinflusst selbstverständ-
lich dieMeinungsbildung. Häufig wird
denn auch angenommen, die extensive
Nutzung sozialer Netzwerke und Such-
maschinen wirke sich negativ auf die
Vielfalt derkonsumierten Nachrichten
aus. Denn oft herrscht die Befürchtung,
dass die algorithmischenFilter Nutze-
rinnen und Nutzern nur jene Informa-
tionen anzeigen, die ihremWeltbild,
ihren Interessen und Neigungen ent-
sprechen. Ein solches Selektionsverfah-
ren, dies die Insinuation, provoziere den
befürchtetenTunnelblick und richte da-
mit nicht nur im privaten Bereich Scha-
denan, sondern beeinträchtige auch
das berufliche Urteilsvermögen und da-
mit die Qualifikation am Arbeitsmarkt;
diese basiertim Big-Data-Zeitalter stär-
ker denn je auf kritischerRezeption der
anschwellendenInformationsflut und
breit abgestütztemWissen.
FalscherAlarm
Doch nun gebenWissenschafter Ent-
warnung, denn gemäss einer neuen Stu-
die handelt es sich um einenFehlalarm.
Forscher derJohannes-Gutenberg-Uni-
versität Mainz (JGU), der Universi-
tät Hohenheim und von Gesis – Leib-
niz-Institut für Sozialwissenschaften in
Köln belegen anhand einer breit ange-
legtenFeldstudie, dass die Nutzung von
Facebook,Twitter, Google oderPorta-
len wie GMX mit mehr Besuchen von
Nachrichtenseiten und einer grösseren
Vielfalt besuchter Nachrichtenseiten
korreliert.Dazu wurde dasWeb-Brow-
sing-Verhalten von über 50 00 deutschen
Internetnutzern gemessen undkontext-
ualisiert. Und siehe da: Das gängigeVor-
urteil entbehrt jeder Grundlage.
Mehr noch: Intermediäre Platt-
formen scheinen den Blick gar zu wei-
ten und eine differenziertere Sicht zu
begünstigen.«WerFacebook oder Goo-
gle besucht,kommt mit einer grösse-
ren Wahrscheinlichkeit mit Nachrichten
inKontakt. Die Nutzung dieser Inter-
mediäreist daher ein wichtiger Mecha-
nismus für denKonsum von Nachrich-
ten im Internet», kommentiertFrank
Mangold von der Universität Hohen-
heim. Er und dasForscherteam begrün-
den und erklären dies mit demKonzept
der zufälligenRezeption von Nachrich-
ten. Denn in traditionellen Medien wie
Zeitungen undFernsehen werden oft
nurjene Nachrichten betrachtet, die
man bewusst auswählt.Auf intermediä-
ren Plattformen hingegenkommen die
Menschen auch zufällig und ungewollt
mit News in Berührung, wenn ihreKon-
takte Nachrichteninhalte teilen oder
wenn beim Abrufen von Mails interes-
sante Artikel erscheinen.
Die Studienergebnisse dürften be-
deutsamepolitische und gesellschaft-
liche Implikationen zeitigen, denn sie
widersprechen der vorherrschenden
Meinung über die Bildung vonFilter-
blasen und Echokammern. Bisherige
Debatten hätten sich in vielerlei Hin-
sicht um die Befürchtung gedreht, dass
Online-Medien zur Entstehung neuer
Mauern inder Gesellschaft führten,
so kommentiert der JGU-Professor
Michael Scharkow dieVerhaltensana-
lyse. Doch die Ergebnisse zeigten dem-
gegenüber dasPotenzial zur Überwin-
dung bestehender Mauern. Bisherige
Studien – insbesonderejene der Univer-
sität Oxford – belegten, dass der Zugang
zu denNachrichtenquellen zumTeil zu-
fällig, zumTeil aber auch durchaus be-
wusst passiert. Manche Nutzerinnenund
Nutzer besuchten ebenFacebook, Twit-
terund Co. mit dem Ziel, dort Nachrich-
ten zukonsumieren.
Dieses Abgrenzungsproblem wurde
dadurch gelöst, dassdie Forscher ein
statistisches Modell über die erwar-
tete Nachrichtennutzung proTag er-
rechneten; so liess sich der zufällige
beziehungsweise ungeplante Kon-
takt mit Nachrichten isolieren.Dabei
zeigte sich unabhängig davon, obein
Nutzer normalerweise viel oder wenig
Online-Nachrichten konsumiert, fol-
gendesResultat: AnTagen,andenen
jemand mehr auf Facebook,Twitter
oder Google unterwegs ist, bekommt
er auch mehr Nachrichten und solche
aus mehr Quellen zu sehen als sonst,
wie dasForscherteamresümiert. Und
es schiebt nach, dass weitere vertiefte
Studien und exaktere Einblickein die
Algorithmen von Intermediären not-
wendig seien, um genauer zu verstehen,
wie diese den unbeabsichtigten Nach-
richtenkonsum fördern.
Informationsfluss imFokus
Möglicherweise liesse sich mit Algo-
rithmen die sogenannte Kantendetek-
tion auch im übertragenen Sinn an-
wenden, nämlich bezüglich Netzwerk-
und Suchmaschinen-Partizipation bei
der Informationsvermittlung. Was für
die Segmentierung von Elementen
in der Bildverarbeitung funktioniert,
könnte ja auch dienlich sein bei der Ab-
grenzung bzw. Quantifizierung des In-
formationsflusses. Was entfällt tatsäch-
lich auf Netzwerke und Suchmaschi-
nen?Lässt sich überhaupt ein Grenz-
verlauf nachweisen? Die Unmengen
unstrukturierter und halb strukturier-
terDaten, die von Intermediären wie
von Medienkonsumenten als Endver-
brauchern gesammelt, gespeichert, ana-
lysiertund ausgewertet werden, sind
wissenschaftlich exakt zu erfassen. Erst
wenn dieKontextualisierung gelingt
und befriedigende Antworten liefert,
löst sich der Nebel um die unter Gene-
ralverdacht geratenen intermediären
Plattformen auf.
Werner Knecht
Samstag, 22.Februar 2020 6
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