Frankfurter Allgemeine Zeitung - 11.03.2020

(Greg DeLong) #1

Wennalle Landesparlamente zustim-
men, steht fest, dassderRundfunkbei-
trag2021 steigt.Wissen wir bis dahin
auch, ob und wie sich derAuftra gder öf-
fentlich-rechtlichen Sender ändert?
Wirsprechenrundfunkpolitisch überzwei
verschiedene Themen.Die Länder ent-
scheiden jetzt über eine Änderung des
Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrags. Die
GebührenkommissionKefhat empfohlen,
dass der Beitrag ab 1. Januar2021 um 86
Centauf 18,36 Eurosteigen soll.Der soge-
änderteStaatsvertrag mussvon allen Län-
dernund Landesparlamentengebilligtwer-
den.Die Landtagsabgeordneten haben zu-
letzt 2008 über eine Beitragserhöhung abge-
stimmt.Sie musstensich also in denvergan-
genenJahrenmit diesem Thema nicht in-
tensiv befassen.Weshalb mandieserDebat-
te auch eine angemesseneZeit einräumen
muss.Die Weiterentwicklungdes Auftrags
würden wir bei einerNovelledes Medien-
staatsvertrages berücksichtigen.Wir wer-
den dasaber kaum bis Ende desJahres
schaffen, weil vielerechtlicheFragestellun-
genzubeantwortensind, zum Beispiel, wie
der veränderteAuftrag mitder Rechtspre-
chung des Bundesverfassungsgerichts,aber
auchmit demEU-Beihilfekompromissin
Einklang zu bringen ist.


Haben Sie Sorge, dass nicht alle Landes-
parlamente zustimmen könnten?
Ichhabe keineSorge.Der Rundfunkbei-
trag wurde seit zwölf Jahren nicht mehr an-
gepasst,trotzdemweiß ich, auch alsehema-
ligeLandtagsabgeordnete,dasseseine
wichtigeEntscheidung ist. Ichbin zuver-
sichtlich, dassdas Verständnis in dergro-
ßen Mehrheitvorhanden ist, denn auchbei
den Rundfunkanstalten müssenTarifstei-
gerungen umgesetzt undKostenerhöhun-
genfür Lizenzverträge, übliche Preissteige-
rungen,Verträgemit den Produzenten ent-
sprechend den marktwirtschaftlichenBe-
dingungen berücksichtigtwerden. Es
spricht sehr viel dafür, diese Beitragserhö-
hung,die wir in derRundfunkkommission
als moderat erachten, umzusetzen. Ande-
renfallskönnten die Anstalten vonihrem
Klagerecht Gebrauchmachen und würden
wahrscheinlichrecht bekommen.


Die Kef hat den Beitrag für vier Jahre be-
rechnet. Angenommen, Sie einigen sich
vor 2024auf einenneuen Auftrag.Muss
danndie Kefneu rechnen?
Wenn wir uns im Länderkre is auf einen
neuenAuftrag verständigen würden, näh-
me das Gesetzgebungsverfahren einige
MonateinAnspruch.Üblicherweise wer-
den beiReformen auchÜbergangsfristen
eingebaut.Bei der Entscheidung über den
Startdes Jugendangebotes„funk“ haben
wir beispielsweiseÜbergangsfristenfür
die AbschaltungvonZDFkultur und Eins-
Plus beschlossen.Zudem erarbeitet die
Kefalle zwei Jahreeinen Zwischenbe-
richt–der nächste ist2022 fällig. Diesen
Zeitkorridor wollen wir einhalten, so
dassauchrelativ zeitnah eineÜberprü-
fung derBerechnung erfolgen würde. Soll-
te sichdarauseine neue Beurteilung erge-
ben, soverfügen wir über Möglichkeiten,
diese sachgerecht zuverrechnen,wie bei-
spielsweise bei der nächstenAnmeldung
oder der BildungvonRücklagen.


Es gabden Vorschlagfür ein Indexmo-
dell. Ichhabeden Eindruck, Sie halten
das für den falschen Weg.Warum?
Rheinland-Pfalz hat alsVorsitzland der
Rundfunkkommission das Expertenurteil
derKef immerwertgeschätzt.Die Kefist
im Ergebnis aus derRechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts entstanden,
undsie hat in ihren Empfehlungenimmer
sachgerecht und ausgewogenanalysiert,
aufwelchenFeldern die Anstalten Refor-
mendurchführen oderverstärkenmüssen.
Deshalbgabesvon unsnie einegrundsätz-
liche Kritik amKef-Verfahren,sondern wir
sindder Auffassung, dasssichdas Verfah-
renbewährthat,esinder Rechtsprechung
aner kanntund im EU-Beihilfeverfahren ak-
zeptiertworden ist. Ein neues Modell müss-
te alsobesse rseinals da sbisherige, und es
müsste alle Eventualitätenabbildenkön-
nen.Das warbeim Indexmodell nicht zu er-
kennen.Eswar unszudem wichtig,dass
die Landesparlamente weiterhin ihrepoliti-
scheVerantwortungwahrnehmenkönnen,
denn dieZustimmungzum Rundfunkbei-
trag is taucheine demokratische Legitima-
tionfür denöffentlich-rechtlichenRund-


funk .ZudemgabesauchVorbehaltenicht
nurvon Verfass ungsrechtlern, sondernbei-
spielsweise vomprivaten Rundfunk,die
wir nicht ignorieren können. Übri gens
bestandeninder Rundfunkkommission
durchaus Differenzenüber die Höhe des In-
dexesund die Artder Festsetzung.Wirwa-
renvon einer einvernehmlichen Einigung
über ein Indexmodellweit entfernt.Unser

Zielwar einemoderate Erhöhung desBei-
trags, undesist fraglich,obdas mitdemIn-
dexmodellzuerreichengew esenwäre: Hät-
te die Kefbei ihren Berechnungen die Infla-
tionsrate zugrundegelegt,wäre ihreEmp-
fehlung höherals 8 6Cent ausgefallen.

Der Hamburger Kultursenator Carsten
Brosdahat das Indexmodell mit dem
Verweis auf dieAfD und deren grund-
sätzlicheKritikamRundfunkbeitrag
verteidigt, weil so eine politikferneFi-
nanzierung sichergestelltwerden könne.
Wenn mansieht,wie in Großbritannien
die Regierung die BBCmarginalisieren
möchte,kann man sicherauch Überlegun-
genanstellen, wieweit man politischen Ein-
flussindiesemVerfahrenverringert.Aber
zum einenbin ic hdavon überzeugt, dass
die demokratischenKräfte in unseren
Landtagen die Bedeutung des öffentlich-
rechtlichen Rundfunks wertschätzen, und
zum anderenbrauchen wir aucheine gesell-
scha ftliche Akzeptanz für Bezahlmodelle
des Qualitätsjournalismus.Alle Qualitäts-
medienmüssentarifgerechteLöhne und
Gehälterzahlen. Dafürbenötigteine Zei-
tungAbonnenten, der privateRundfunk
Werbeeinnahmen, und der öffentlich-recht-
liche Rundfunkbenötigt eineAkzeptanz
für denBeitrag, unddafür können in einer
repräsentativen Demokratie am bestenPar-
lamentarier sorgen.

Ist es Naturgesetz,dass der Beitrag, abgese-
hen vom Ausnahmejahr 2015, steigt?
DerBeitragsteigt ja nicht immer. Zwölf
Jahr elang gabeskeineSteigerung, und
2015 wurde er sogargesenkt.2016emp-
fahl dieKommission eineweitere Sen-
kung, der die Länderaber im Interesse der
längerfristigen Beitragsstabilität nichtge-
folgtsind.Dank derRücklagen,der rigiden
Arbeit derKef undder Reformbemühun-
gender Anstaltenkönnen wir jetztüber ei-
nenmoderaten Anstiegentscheiden.

Können Siesich vorstellen, dass der Bei-
traginvier Jahrenwieder steigt?
Die jetzigeEmpfehlung derKefbeinhal-
tetdie Forderung, dassdie Anstalten ih-
renReformkursmit allerKonsequenz
fortsetzen, um dieKosten zureduzieren.
Es müssenweiterhinPersonal eingespart
als auchdie digitaleTransformation be-
schleunigtfortgeführtwerden. Daswol-
len wir mit der Anpassung desAuftrags
maßgeblichunter stützen. Diesen Prozess
mussdie Kefbewerten. Aber Medienun-
ternehmen müssen die Kostenentwick-
lunggenauso abbilden wie alle anderen
Unternehmen. Qualitätsjournalismus er-
forderteine angemessene Entlohnung.

Die Kef hat die Gehälter derSender ge-
genüber dem öffentlichen Sektor als zu
hoch eingeschätzt. Müssen die Gehälter
nicht gesenkt werden?
Das entsprechende Gutachten liegt der
Rundfunkkommission leider nichtvor. Ich
kenne also nur die Pressemeldungen dazu.
Nach Darstellung derKefliegenwohl eini-
ge Anstalten über den Gehälterndes öf-
fentlichen Dienstes, aber in unterschiedli-
chem Umfang. Bei der betrieblichen Al-
tersversorgung wirdlaut Kefder Beitrags-
tarifvertrag des MDR alsVorbildempfoh-
len, und auch die Gehälter beim MDR sol-
len unterhalb des Durchschnitts liegen.
Die Kefhat angekündigt, die Entwicklung
in diesem Bereichzuüberprüfen.

WiebeimMDR-Modell gibt die Kef in
ihren Berichten Empfehlungen an die
Anstalten zum Sparen. Sollten diese
„Empfehlungen“ verbindlichineinem
Staatsvertrag festgeschrieben werden?
Es existiertinDeutschland einestaatsfer-
ne Aufsicht des öffentlich-rechtlichen
Rundfunks. Die Länder definieren nur den
Rechtsrahmen. Die Haushaltshoheit liegt

bei denRundfunk-und Fernsehräten bezie-
hungsweise bei den Verwaltungsräten.
Wirgehen aber davonaus, dassdie Anstal-
teninAuswertung desKef-Berichtsgegen-
überden Länderndarstellen werden, wie
sieden Reformkurs fortsetzen. Bereits
2017 haben ARD, ZDF und Deutschlandra-
dioauf Bittender Länder ihreReformüber-
legungen in Berichten dokumentiert.Wir
haben deutlichgemacht, dasswir er war-
ten, dassentsprechend derKef-Empfeh-
lung dieser Prozessweiter geht.

Das heißt, Sie erwartenein neuesPapier
der öffentlich-rechtlichenSender?
Es wäre sicher auchfür die Entscheidung
der Parlamentevon Vorteil.

Hätten Siegedacht, dass es so schwierig
ist, den Auftrag der öffentlich-rechtli-
chen Sender anzupassen?
Ja. Betrachten Sie malden Entscheidungs-
prozess zu „funk“. Bis zumStart2016 er-
stre ckte sichdie Debatteüber fünfJahre.
Die Länder diskutieren beider Neufassung
des Auftrags vorallemüber den§11 des
Rundfunkstaatsvertrags. Dageht es darum,
welche Angebote nochbeauftragtwerden
müssen und überwelche die Sender selbst
entscheidenkönnen.Wirsind jetztgemein-
sam der Auffassung, dasswir ZDFNeo,
ZD Finfo, tagesschau24 oder Onenicht
mehrlinear beauftragenmüssen. Gerade
tagesschau24ist ein zunehmend alsStrea-
ming oder in derMediathekgenutztes An-
gebot, wasfür ZDFinfoähnlichgilt.Diffe-
renzen bestehen mit einerBeauftragung
vonPhoenix unddem KiKA.Diese Debat-
te istnicht trivial, denn hiergeht es um
grundsätzlicheFragen, wiedie Grundver-
sorgungdesöffentlich-rechtlichenRund-
funksgewährleiste twerdenkann. Ich bin
dezidiertder Auffassung, dassein Kinder-
programm linearausgestrahlt werden
muss. Ichkann mir nichtvorstellen, dass
sichKinder allein über mobile GeräteInhal-
te suchen. Einlineares P rogramm trägt in
Familien zurStrukturierung desTagesab-
laufsbei, etwa nachdem „Sandmännchen“
insBett. Phoenixist ein nachhaltiges media-
les Angebot, für das als Ereigniskanal die li-
near eNutzunggroße Bedeutung hat, und
deshalb sollte man dasweiterfestschrei-
ben.Wirmüssen alsoüber diesekonkrete
Ausgestaltung desAuftrags auchmit den
Anstalten weiter eGespräche führen.

Die Länder könnten das ohneIndexmo-
dell beschließen.Einigemeinen, das
müsseein „Gesamtpaket“ sein.
Ja, selbstverständli ch.Wir haben inder
Rundfunkkommissionüber vier Themen-
be reiche diskutiert: 1. DieKonkretisie rung
des Auftrages, indem der öffentlich-rechtli-
cheRundfunk imVergleic hzum privaten
Rundfunkunverwechselbar seinund alle
Generationen erreichen muss.2.Das Pro-
grammangebotsolleigen verantwortlich
flexiblergestaltet werden können. 3.Eine
Budgetierung des Haushalts sollvorgenom-
menwerden. 4. Indexfinanzierung oder bis-
herigesFinanzierungsmodell.Die ersten
drei Punktekönnensichnatürlichzusam-
men oderauchgetrenntineinemkünfti-
genStaatsvertrag wiederfinden.

Sollte eine Plattform von ARD und ZDF
im neuen Auftrag verankert werden?
Ministerpräsidentin MaluDreyer, die Vor-
sitzende derRundfunkkommission der Län-
der undviele andere halten die Ent-
wi cklung einergemeinsamenPlattform für
den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in
Deutschland für dringend notwendig. Eine
wichtigeVoraussetzung dafür,dassdie digi-
talen Angebote genutztwerden können, ist
die schnelleAuffindbarkeit.Deshalbist es
wichtig, dassdie ersten Schritteerfolgt
sind und die ARD alle Mediathekenangebo-
te undApps derAnstalten untereinem
Dachgebündelt und dieVernetzung der
Mediathekenvon ARD undZDF begonnen
hat.Bevor wirübereineeuropäischePlatt-
form verhandeln, solltenwir inDeutsch-
landvorangehen undeine Plattformder öf-
fentlich-rechtlichen Sender anbieten. Viel-
leicht sind hier auchKooperationen mit na-
tionalenprivatenPartnernmögli ch.Wir
hoffen, dassuns ARDund ZDF ihrgemein-
samesKonzept sehr schnellvorstellen.

Das GesprächführteHelmutHartung.

Helmut HartungistChefredakteur des Blogs
medienpolitik.net.

Mystizismus
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MORGEN


IM REISEBLATT


Heufer-Umlauf zerknirscht
Der ModeratorKlaas Heufer-Umlauf
hat sichinseiner Pro-Sieben-Show
„LateNight Berlin“ zu denFake-An-
schuldigungengeäußert, die dasYou-
tube-Format „STRG_F“,das die „Pa-
norama“-Redaktion des NDR für das
Online-Angebot„funk“vonARD und
ZDF produziert,gegenihn und seinen
Kollegen JokoWinterscheidt erhoben
hat.Die Recherchen hatten ergeben,
dass Heufer-Umlauf und Winter-
scheidt in ihren Sendungen „Duellum
die Welt“ und „LateNight Berlin“ als
spontanund authentisch erscheinen-
deEinspielfilmeinszenierthaben.In
einzelnenFällen sei man über das Ziel
hinausgeschossen, sagteHeufer-Um-
lauf.Zwarsollteden Zuschauernklar
sein, dassbeim Fernsehe nvielesinsze-
niertsei. DochräumteHeufer-Umlauf
ein, besondersbei dem Einspielfilm
„FahrraddiebRache“ in der Sendung
„LateNight Berlin“getrickst zu ha-
ben. Dervermeintliche Dieb, der un-
verhofft Teil eines absurden Schau-
spiels wurde (mit einemFeuerspu-
cker,einer Stelzenfrauund dem Musi-
kerAdel Tawil),warein Laiendarstel-
ler.Erkönne jedenverstehen, der dar-
über enttäuscht sei, sagteHeufer-Um-
lauf.Dafürwolle er sich„erns tge-
meintund ohne jede Ironie entschuldi-
gen. DaswarohneWenn undAber
ein Fehler und wirdsoauchnicht
mehrvorkommen.“ akur.

AfD gegen EU-Plan
Die AfD hältden EU-Aktionsplange-
genDesinformationfür bedrohlich.
Deshalbfordertsie die Bundesregie-
rung in einem Antrag auf,den Planzu-
rückzuweisen. Das Papierwill die
AfD-Fraktiondiese Woche im Bundes-
tag zur Diskussion stellen. In demAn-
trag heißt es,ess ei „schlichtweg auszu-
schließen, dass es ir gendeine Instanz
geben könnte, die unabhängigNach-
richteningewaltigemUmfang darauf-
hin überprüfenkann, ob sierichtig
oderfals ch sind“. Vielmehrsei der
Ende2018 vonder EU-Kommission
vorgelegteAktionsplandazugeeignet,
die Meinungsfreiheitzubeschneiden
und „den Diskurszusteuern“, sagte
der AfD-Abgeordn eteThomasEhr-
horn. Die meistenBürgerseiensehr
wohl in der Lage, Manipulationsversu-
chewie etwa die VerbreitungvonFake
News undfalsche Social-Media-Ac-
counts, hinterdenenkeine Menschen
stehen,selbstzuerkennen.Auchden
vonder großenKoalition eingebrach-
tenEntwurffür ein Gesetzzur Be-
kämpfung desRechtsext remismusund
der Hasskriminalität, über denvoraus-
sichtlich am Donnerstag erstmalsbera-
tenwird, lehntdie AfD-Fraktion ab.
Der EU-Aktionsplansoll Wählermani-
pulation und ausländische Einflussnah-
me durchVerbreitungvonFakeNews
unterbinden. Es soll sichergestelltwer-
den, dasspolitische Werbung transpa-
rent ist.Fakeaccounts sollengeschlos-
sen undsolche, dieNachrichtendurch
Bots verbreiten,kenntlichgemacht
werden. dpa/F.A.Z.

Feldhoff Bundespressechef
Der ZDF-JournalistMathisFeldhoff
istneuerVorsitzender der Bundespres-
sekonferenz. Die Mitgliederversamm-
lungwählteden Korrespondenten am
Montagabend bei ihrem jährlichen
TreffeninBerlin. Er löst den langjäh-
rigenVorsitzenden Gregor Mayntz
ab, der seinenRückzug angekündigt
hatte. In denVorstand wiedergewählt
wurdenStephan Detjen (Deutschland-
radio),Tim Szent-Iványi („Redakti-
onsnetzwerkDeutschland“), Angela
Wefers („Börsen-Zeitung“), die freie
Journalistin UteWelty und Corinna
Buschow(Evangelischer Presse-
dienst).Neugewählt wurde JanaWolf
vonder „MittelbayerischenZeitung“.
Im Verein der Bundespressekonfe-
renz sind mehr als 900 Journalisten
Mitglied. DerVereinveranstaltet Pres-
sekonferenzen.Unteranderemstel-
len sichdie Sprecher der Bundeskanz-
lerin und der Ministerien denFragen
der JournalistenimHaus der Bundes-
pressekonferenz. epd/F.A.Z.

Pfar rer in zu Flüchtlingskrise
Die evangelischePfarrerin Annette
Behnken hat sichgegen Kritik an ih-
rem„Wort zum Sonntag“inder ARD
verteidigt.Wo „Grundwerte in Gefahr
scheinen, müssen wir dasals Christen
lautsagen“,sagte Behnken.Sie erhielt
nachihremWort zu Flüchtlingen ei-
nen Ansturmvon kritischen Mails und
ReaktionenimNetz. Die AfDwarf ihr
vor, zur Gewalt aufgerufen zu haben.
„Wir müssendie Parlamente stürmen,
indenenNeofaschisten sitzenund uns
in Schreckstarreverfallen lassengenau-
so wie das Coronavirus“, hatte die
Theologin in ihrerFernsehansprache
erklärt. Zu rKritik sagte sienachAnga-
ben der Rundfunkarbeit im Gemein-
scha ftswerk der Evangelischen Publi-
zisti k(GEP):„Als Europäerin und
Christin bin ichvon derparlamentari-
sche nDemokratie überzeugt und habe
in meinemWort zum Sonntag an die
höchstenWerte europäischer Demo-
kratie appelliert,anMenschlichkeit,
an Mitgefühl undauch–wegender
christlichenWurzeln Europas –andie
Barmherzigkeit.“ Stephan Born, ARD-
Beauftragter derRundfunkarbeit im
GEP,sagte, dieReaktionenauf Face-
book undTwitterseien überwiegend
positivgewesen. epd/F.A.Z.

DerÖsterreicher JuergenMaurergehört zu
den Schauspielern, die man zwar seitJah-
renimFernsehen sieht, aber meistensin
Nebenrollen.Inder letzten Zeit allerdings
ist derehemaligeBurgschauspielerauchals
Hauptdarsteller in denVorde rgrund ge-
rückt.In„Südpol“ spieltereinen entlasse-
nen Manager im mittlerenAlter derartfa-
mos, dass mansichfür einenMoment über
die Zukunftder ehemaligenTV-Königsdis-
ziplin, denneunzigminütigenFernsehfilm
mit abgeschlossenerDramaturgie,keine
Sorgenmehrmacht .Juergen Maurerträgt
diesenFilm nicht nur–nebenKollegen wie
CarolinePeters und OliverStokowski–,er
stellt die Sprachlosigkeit seinerFigur Hans
Wallentin dar,als gingeesums Überleben.
Darumgeht es in „Südpol“ in derTat.
Der Laubbläser,der morgens imverlasse-
nen „Böhmischen Prater“ in Wien die
Überrestedes Amüsements mit abgefalle-
nen Blätternzusammenschiebt, siehtge-
nauso viel wie der Zuschauer: einen
Mann, dereine jungeFraumit vorgehalte-
ner Pistole in ein Lokal zurückdrängt.
Der Arbeiterkann kaum Deutsch, aber


die Szene spricht für sich. Eine bewaffne-
te Geiselnahmefindetstatt. Polizei rückt
an, nimmtAufstellung, bereitet Verhand-
lungenvor. Dieser Mann jedochspricht
nicht, suchtkeinenKontakt, will nichts.
Der Freund derKellnerin Ella (LilyEpp-
ly), der Geisel,verlangt, dassdie Polizei
etwasunternimmt.Inzwischen istauchEl-
lis Mutter (FranziskaWeisz)vorOrt.Die
Polizistenwarnen: Niemand istsogefähr-
lichwie einTäterohne Sprache.
Kein Gespräch, nur einenKündigungs-
briefgabesfür HansWallentin (Juergen
Maurer) nachneunzehn JahrenKarriere
als VorzeigemanagerineinemWienerVor-
zeigeunternehmen. Kollegen sind von
jetzt aufgleichEx-Freunde, die ihm nichts
mehr zu sagen haben.Wallentin ist seit
Wochen schon raus. Morgens verlässt er
die brutalistische Architektur seinerVilla
undseine Charity-engagierte Frau (Caroli-
ne Peters), wie immer.Erbringt den Sohn
in derNobelkarosse zur Schule,geht in
den Park,setzt denKopfhörer auf und–ist
weg, für Stunden. Oder er isst im „Südpol“
im kleinenAbleger des Praters, dessen
nostalgischeFahrgeschäfte mit ihren ab-

blätternden DekorsKindheitserinnerun-
genwie Gesprächsbedarfheraufbeschwö-
ren(KameraHermann Dunzendorfer).
Wallentin zieht es mit Gewalt Richtung
Abgrund und Selbstauslöschung. Erver-
lässt seineFrau, überschreibt ihr sämtli-
chen Besitz, randaliertimHotel und
kehrtimmer wiederins „Südpol“ zurück.
In den Ohren Johann Sebastian Bach. Er
hörtdas Allegro des fürViolinegeschrie-
benen Cembalokonzerts in d-mollBWV


  1. Mit dieser musikalischen Sprache
    der Transzendenz, zufällig entdeckt,
    kennt er sichnicht aus.Aber sie führtihn
    zu sichselbstzurück. Undzum Wunsch
    der Mitteilung–zuElla, mit Pistole.
    DreiästhetischgleichwertigeTeil ehat
    dieservonNikolausLeytnergeschriebene
    und inszenierteFilm über denVerlustdes
    Selbstbilds einesMannes, der zumNeuan-
    fang werden könnte –wenndas SEKihn
    ni chtvorhe rerschießt .Der dritte Teil wi rd
    zum herausragendenKammerspielzwi-
    schen Maurer und LiliEpply. DieErzählsi-
    tuationdes Films istauf Anfang gestellt.
    DerZuschauer ist Zaungast im „Südpol“.
    Wird Zeugevon Sprachnotund Ins-Ge-


sprä ch-Kommen,vonpersönlicherRech-
nungslegung,die auch Ellas mehr ange-
tupfteLebensgeschicht eumfasst.Dabeilie-
geninLeytner skunstvolldurchdachterAr-
beitdas Erhabene unddas Lachlust Erzeu-
gendenah beieinander.Im„Südpol“ hält
ein überlebensgroßer Pinguin, derandie
Steifheit WienerCaféhauskellner alten
Schlags erinnert, an der TürWache.
Manchsymbolisches Bild mag es sehr deut-
lich, etwa wenn MaurersFigu rinder Lokal-
küchemit demSpiegelgleichzeitigsein
Spiegelbildzersplittert.Subtilgelungen ist
aberdie Behandlung der erzähltenZeit
und LeytnersSchauspielerführung gran-
dios. Nichtzuletztvermeidetdie Geschich-
te denanschwellenden „Ein Mann sieht
rot“-Berserkerton.Leytner siehtseine Ex-
Managerfastwie einemKind beimSprach-
erwerbzu. Mit derErinnerung an den
Kindheitsort„BöhmischerPrater“ findet
Wallentindie Wortewieder.Wenigstens
für deneinenMomentvor dempolizeili-
chen Zugriff, der hier neunzig atemberau-
bende Minutendauer t. HEIKEHUPERTZ

Südpol,um20.15 Uhr im Ersten.

Ein paarvernünftigeVorschlägevon den Sendernselbstwären hilfreich. So darfman HeikeRaab verstehen. Fotodpa

KurzeMeldungen


Dafür hat er keine Wortemehr


In „Südpol“ spielt JuergenMaurer einen Mann, der jeden Haltverliertund verstummt, das macht ihn für sichselbstund anderegefährlich


Sieht er nocheinen Ausweg? Juergen
Maurer in „Südpol“ FotoBR/ORF

Die Reform kommt schon


DenRundfunkbeitragzuerhöhen,dari nsindsichdie Länder einig. Dochsie


wollen auchden Auftragvon ARDundZDF neu formulieren–seit Jahr und


Tag. HeikeRaab, Medienstaatssekr etärin inMainz, erklärt,woraneshakt.


FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG Medien MITTWOCH, 11.MÄRZ 2020·NR.60·SEITE 13

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