Frankfurter Allgemeine Zeitung - 11.03.2020

(Greg DeLong) #1
SimpleAufstellung reicht
Vermietermüssen nacheinem nun
veröffentlichtenUrteil des Bundesge-
richtshofs(BGH) keine besonders
ausführliche Nebenkostenabrech-
nung erstellen.Für einewirksameAb-
rechnungsind dieZusammenstellung
der Gesamtkosten, der Verteiler-
schlüssel und Anteil des Mieters so-
wie schongeleistete Vorauszahlun-
genausreichend, entschied derAchte
Zivilsenat inKarlsruhe. Imkonkre-
tenFall stritten die Bewohner eines
Hauses in Dresden mit dem Eigentü-
mer überNebenkostenabrechnungen
aus den Jahren 2014 und 2015. Die
Vorinstanz hatteder Klagestattgege-
ben und moniert, dassder Vermieter
Gewerbeflächen und vermietete
Wohneinheiten nicht deutlichgenug
voneinander getrennt hatte. Dem
BGH zufolgesoll die „geordnete Zu-
sammenstellung der Einnahmen und
Ausgaben“ aber ausreichen. Mehr An-
gaben halten die Bundesrichter für
nicht erforderlic h(Az.: VIII ZR
244/18). mj.

Zu weit umgedreht
Wersichauf derAutobahn nachei-
nem 8-jährigen Kind auf derRück-
bank umdreht, handeltgrob fahrläs-
sig. So sieht es das Oberlandesgericht
Frankfurtineiner jetztveröffentlich-
tenEntscheidung. Das kosteteim
konkretenFall den Mietereines Fahr-
zeugs die Hälfteder vereinbarten Haf-
tungsfreistellung–ermussdaher ne-
ben der Selbstbeteiligung noch
Eurozahlen (Az.:2U43/19). hw.

Steuerberufebeliebter
Die Bundessteuerberaterkammerver-
zeichnetein leichtsteigendes Interes-
se an derAusbildung zumSteuerfach-
angestellten. Bundesweit seien im
vergangenen Jahr 18 103Nachwuchs-
kräf te ausgebildetworde n, das ent-
spricht einemZuwachsvon 1,2 Pro-
zent. hw.

BERLIN.ImMärzist das Fachkräf te-
einwanderungsgesetz (FEG) in Kraft
getreten. Vorallem die Bedürfnisse der
deutschenWirtschafthaben in Deutsch-
land die Erkenntniswachsen lassen,
dasseine umfangreicheZuwanderung
aus Drittstaaten notwendig ist, um das
wirtschaftlicheWachstum künftig auf-
rechtzuerhalten. DiegeschätztenZah-
len der bis zum Jahr 2060 jährlichbenö-
tigtenZuwanderer schwanken derzeit
zwischen 260 000 und 400 000.
Das FEG sendetein wichtiges innen-
politisches Signal:Denndurch denBe-
griff„Einwanderungsgesetz “bekennt
sic hdie Bundesrepublik nach Jahren
des Ringens offiziell zu derTatsache,
Einwanderungsland zu sein. Die neue
Gesetz eslagestelltdabeikeinen Sys-
temwechsel dar,sondernmodif iziert
lediglichbestehendegesetzlicheStruk-
turen. Andersals zunächst angedacht,
wurdekein Punktesystem eingeführt,
wieesaus anderenLändernwie Kana-
da bekannt ist. Der gesetzliche Begriff
der„Fachkraft“ist erweiter tund zu-
gleich vereinheitlicht. Er umfasst ne-
benHochschulabsolventinnenneuer-
dings auch Personen, dieeine i mBun-
desgebietanerkannt esowie qualifizier-
te Berufsausbildung erworbenhaben.
Dies emussallerdings in derRegel
zwei Jahregedauert haben.Obdiese
Ausbildung anerkannt wird, istschwie-
rigerzuüberprüfenals dieAnerken-
nung eines ausländischen Hochschul-
abschlusses.
Möchteein türkischer Altenpfleger
etwaeineStelle als Altenpfleger im
Land Berlin antreten, musserzunächst
ein Anerkennungsverfahren durchlau-
fen, um die Erlaubnis zu erhalten, sich
als „Altenpfleger“ bezeichnen zu dür-
fen. Denn beimreglementiertenBeruf
des Altenpflegerssetzt Paragr aph 1
AltPflG eineErlaubnis zum Führen die-
serBerufsbezeichnungvoraus.
In Berlin entscheidethierüber das
Landesamt für Gesundheit und Sozia-
les („LaGeSo“).Nach Einreichung aus-
sagekräftigerUnterlagen (etwaAusbil-
dungsnachweise im Heimatland,

Sprachkenntnisse, Arbeitszeugnisse) er-
geht seitens der Berliner Behörde meist
ein Defizitbescheid mit Informationen
darüber,was demKandidaten noch
fehlt.InBerlin dauertein solchesVer-
fahren oftein ganzes Jahr.
DieAmbitionen desBundesgesetzge-
berssind groß, doch in denLändern
fehlt vorallemPersonal. In denBehör-
denwerden teilskeine neuenStellen
geschaffen, um über die wichtigen Qua-
lifikationen in der Pflegeund im Ge-
sundheitswesen zu entscheiden. Selbst
wenn jedes Jahr noch10000 mehrBe-
werber ausdem Ausland im Jahrhinzu-
kommen–wenn nur eineHandvollPer-
sonen die entscheidenden Beurteilun-
genvornehmen, wird der Mangel in
der Pflegenicht überwundenwerden
können.
Daran ändertauchdas neue „be-
schleunigteVerfahren“ nichts, mit dem
Arbeitgeber gegeneine Zahlungvon
411 Euroüber die lokaleAusländerbe-
hörde dasVerfahren beschleunigenkön-
nen. Ob diestatsächlich passieren wird,
istmit Blickauf die erwähntePersonal-
politik der Bundesländer fraglich. Eben-
so fraglichist,obbeim meistnotwendi-
genVisumverfahren die Botschaften
oder Generalkonsulatetatsächlichge-
sonderte Termine vergeben,weil eine
regionaltätigeAusländerbehörde dies
wünscht.
Der Begriff der „Fachkraft“ trans-
portiertaber auchnocheine weitere
Kernaussagedes Gesetzes:Fachkräfte
sind erwünscht, unqualifizierte Ar-
beitskräfte nicht.Handwerk, Baubran-
cheoder Reinigungsgewerbe brau-
chen aber nicht nur die Ingenieure
und Hochqualifizierte.Essind kaum
nochMenschen zufinden,die gut und
gern körperliche Arbeiten überneh-
men wollen. DiesePersonengruppe
wirddurch das FEG ausgeblendet,
und dieFokussierung auf die „Fach-
kraft“ wirddamit wesentlichen Be-
dürfnissen des Wirtschaftsstandorts
Deutschland nichtgerecht.

Der AutoristFachanwalt für Migrations-
recht.

TOKIO.Viele Unternehmen fragen sich,
ob dieFolgen der Corona-Epidemie sie
oder ihreVertragspartnervonvertragli-
chen Pflichten befreien.Viele Verträge
werden Klauseln zu höherer Gewalt ent-
halten, im internationalenKontextforce
majeuregenannt. Diesenehmenoft nicht
ausdrücklichBezug auf Epidemien, son-
dernsprechenvonNaturkatastrophen,
Kriegen undvergleichbarenUrsachen au-
ßerhalb derKontrolle der betroffenen Ver-
tragspartei. Ob das Coronavirus hierun-
terfällt, hängtvonden Auslegungsrege-
lungen desRechts ab, dem derVertragun-
terliegt. Es spricht indes vieles dafür,dass
sichdie Folgen desVirusunter den Be-
griff„höhereGewalt “subsumieren las-
sen. Manche Klauseln beinhalten auch
Änderungen derRechtslage.Staatlichan-
geordneteReisebeschränkungen und Qua-
rantänemaßnahmenkönnten daher auch
unter den Anwendungsbereich der Klau-
sel fallen.
Enthält derVertrag keine Regelungen
zu höherer Gewalt, is tineinem zweiten
Schritt zu ermitteln, ob diegesetzlichen
Regelungenvon der Leistungspflicht (vor-
übergehend) befreien.Nachdeutschem
Rechtist der Anspruchauf dieVertrags-
leistung ausgeschlossen, soweit diese für
den Schuldner oder für jedermann un-
möglichist.Ist die Beeinträchtigung ei-
nes Unternehmens durch den Coronavi-
rusderar tstark,dasseine Lieferung
(etw aaufgrund der SchließungvonPro-
duktionsstätten) vollständig unmöglich
wird,kann sichdie zur Lieferungver-
pflichteteVertragsparteiauf diesegesetz-
liche Bestimmung berufen. In diesemFall
bestehenkeine Schadenersatzansprüche
des Vertragspartners, es sei denn, die zur
Lieferungverpflicht etePartei hat den Ein-
tritt des Leistungshindernisses selbstzu
vertreten(etwa,weil sie Schutzmaßnah-
men unterlassen hat).
Außerhalbder Anwendbarkeit des deut-
schenRechts kennenvorallemRechtsord-
nungen des Civil Law, etwaJapan, das
Konzeptder höheren Gewalt.Das Recht
der Volksrepublik China gibt darüber hin-
aus unterUms tänden dasRecht zur Ver-
tragsänderung odergar-beendigungbei
einer unvorhersehbarenVeränderung der

Umstände. Das setzt allerdingsvoraus,
dassdie Veränderung nicht ein allgemei-
nes wirtschaftliches Risikoverwirklicht,
sondernvielmehr dasFesthalten amVer-
trag für einePartei offensichtlichunfair
wäre.
In den sogenannten Common-law-
Rechtsordnungen, alsoetwain denVerei-
nigenStaaten und demVereinigtenKönig-
reich, befreit im Zweifel die sogenannte
Frustration, die sichamehestenmit der
Unmöglichkeit nachdeutschemRechtver-
gleichen lässt,von der Leistungspflicht.
Sie setztvoraus, dassdie konkreten Fol-
gendes Virusdie Erfüllung dervertragli-
chen Pflichten tatsächlichoder wirtschaft-
lichunmöglichmachen.
Istimerstenoder zweiten Schrittfestge-
stellt worden, dassdie Auswirkungen des
Coronavirus dievertraglichen Pflichten
modifizieren odergaraufheben,ist diean-
dereVertragsparteiunverzüglichund
sorgfältig über den Eintritt des Ereignis-
ses höhereGewalt zu unterrichten–ande-
renfalls sind dieVertragsänderungsrechte

womöglichverwirkt. Umfangund Zeit-
punkt der Mitteilungrichten sich dabei
wiederum nachden vertraglichen undge-
setzlichenRegelungen.Ratsam istesi nje-
demFall, die Mitteilung schnellstmöglich
zu machen und dabei dieFolgen desVi-
rus, die die Leistungspflichtverändern,
möglichstkonkret zu bezeichnen. Bestrei-
tetdemgegenüber der Empfänger einer
solchen Mitteilung dasVorliegenvonhö-
herer Gewalt, musserdas unverzüglich
geltend machen, um sichnicht spätervor-
halten lassen zu müssen, er habe dieAuf-
fassung desVertragspartnersstillschwei-
gend akzeptiert.
In jedemFall solltenVertragsparteien
den Dialog suchen. Denn im Zweifel be-
freien dieFolgen des Coronavirus nicht
vollständigvonden vertraglichen Pflich-
ten, sondernverlangen vielmehr zu-
nächstein Bemühen um eine alternative
oderteilweise Leistungserbringung.

Der AutoristRechtsanwalt undPartner bei
Freshfields Bruckhaus Deringer.

RECHTUND STEUERN


N

achAnsicht der Energiewirt-
schafttut die Bundesregierung
zu wenig, um die Energiewen-
de voranzutreiben. Der Bun-
desverbandderEnergie-undWasserwirt-
schaft(BDEW) appelliertdaher an die
Bundesländer,ihren EinflussinBerlin zu
nutzen und denAusbauvonerneuerba-
renEnergienstärkervoranzutreiben.Zu
diesem Ziel müssten sichdie Regierungs-
chefsauf ihremTreffenamDonnerstag in
Berlin bekennen. „Die Ministerpräsiden-
ten-Konferenzfindetzueinemganz ent-
scheidendenZeitpunktstatt. Die Bundes-
länder haben die Chance,etwasgegen
denStillstand beim Erneuerbaren-Aus-
bau zu tun“, sagteBDEW-Hauptgeschäfts-
führerin Kerstin Andreae der F.A.Z.
„Nachdem die Bundesregierung den Kno-
tenbei Wind an Land und Photovoltaik
immer nochnicht durchschlagenkonnte,
sind jetzt die Länder amZug: Sie müssen
Druckmachen, damit es nicht zu einem
Fadenrissbeim Erneuerbaren-Ausbau
kommt.“
Andreae präzisierte,andersals ange-
kündigt habe die Bundesregierung die Be-
grenzung des Solarstromausbaus (Photo-
voltaik-Deckel) nicht beseitigt.Auchdie
WindkraftanLandkomme nichtvoran,
„stattdessenverhakt man sichbeim The-
ma Abstandsregeln“. Die DebatteinBer-
lin werde„kleinmütig“geführtund folge
vorallem parteipolitischen Interessen. So
diene der Photovoltaik-Deckelals „Ver-
handlungsmasse zwischen denKoalitions-
parteien“. DerAusbau derregenerativen
Stromerzeugung droheregelrecht einzu-
brechen,wassichfür die Energiewende
und für den Klimaschutz als „fatal“ erwei-
sen könnte,warnte die Verbandschefin.
Auch die wirtschaftlichenFolgen hält sie
für gravierend: „Dawerden besonderszu-
kunftsträchtigeBranchen abgewürgt, die
für Zehntausende innovativeArbeitsplät-
ze stehen.“
Auch Andreaeweiß, dassnicht nur die
Politik bremst, sondernauchdie Öffent-

lichkeit.InvielenRegionen gibt esWider-
ständegegenneue Windräder oder Hoch-
spannungsleitungen. Die Diplom-Volks-
wirtin und ehemaligeGrünen-Abgeordne-
te will deshalbverstärktfür die Chancen
der Energiewende werben. Dabei setzt sie
auf einen prominenten Mitstreiter,den
Bundeswirtschaftsminister: „Ichhabe Pe-
terAltmaier eine Energie-Tour durch
Deutschland unter dem Motto ,Orte der
Energiewende‘vorgeschlagen.“ Die Idee
sei, gemeinsam innovativeEnergiewen-
de-Projektezubesuchen, um dasPotenti-
al der neuenTechniken zu würdigen.
Gleichwohl gibt es auchDifferenzen zu
Altmaier.Das jüngstinersterLesung im
BundestagbehandelteKohleausstiegsge-
setz hält der Energieverband für „ener-
gie- und klimapolitischunzureichend“.
Der Entwurfsteht amFreitag auf derTa-
gesordnung im Bundesrat.Der BDEW be-
mängelt unter anderem, dassder Aufbau
gasbetriebener Anlagen der Kraft-Wär-
me-Kopplung als Ersatz für bisherige
Kohlekraftwerke im Gesetz viel zugering
gefördertwerde. „Niemand istbereit,
neue Gaskraftwerke zu bauen,wenn die-

se in ZukunftihreInvestitionskosten
nicht mehr einspielenkönnen“, sagteAn-
dreae.Auchmüsseder Entwurfden Aus-
bau alternativer Energienstärkerinden
Blicknehmen:„Aus demKohleausstiegs-
gesetz mussein Energiewende-Ermögli-
chungs-Gesetzwerden.“
AltmaiersPlänen zufolgewerden bis
Ende 2022rund 22 Gigawatt angesicher-
terLeistung ausKohlemeilernvom Netz
genommen. Insgesamt bedeutet der Koh-
leausstieg dieStilllegungvonrund 130
Kraftwerken. Andreae hält dasVorhaben
für „machbar,aber ambitioniert“. Esge-
lingenur,wenn mangleichzeitig fürVer-
sorgungssicherheit und bezahlbareStrom-
preise sorge.Die Entwicklung des Kraft-
werksparks müsseregelmäßig im Detail
überprüftwerden, nötig seien auch
„Stresstests“, um die Belastbarkeit des
Stromversorgungssystems zugewährleis-
ten.
Bei der Energiewende will sichder
BDEW nicht auf denStromimportaus an-
deren Ländernverlassen. Eine seiner
Analysen hat ergeben, dassnicht nur in
Deutschland, sondernüberall in Europa

gesicherteKapazitäten zur Elektrizitätser-
zeugung abgeschaltet werden. Auchseien
die Tageszeiten hoherStromnachfragein
Mitteleuropa nahezugleich, so dassnicht
immer überschüssigeEnergie zurVerfü-
gungstehe.
„DieStrompreise sind in Deutschland
zu hoch, und dieUrsache dafür istdie
hohe Staatslast“, konstatiertAndreae.
Seit 2010 sei die Belastung fürStromkun-
den durch Steuern,Abgaben undUmla-
genum70Prozent gestiegen. Grüner
Strom werdesolangenicht konkurrenzfä-
hig sein, wie erteurer sei alsfossile Ener-
gieträger.Andreae hält die Pläne derRe-
gierung fürrichtig, dieUmlageaus dem
Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) zu
senken.Zusätzlichmüsse aber auchdie
Stromsteuer auf das europarechtlichzuläs-
sigeMinimumreduziertwerden: „Das
wäre immerhin eine zusätzliche Entlas-
tung um2Cent je Kilowattstunde.“ An-
dreae schlug außerdemvor, dassdie Be-
freiungstromintensiver und im internatio-
nalenWettbewerb stehenderUnterneh-
menvonder EEG-Umlagekünftig aus
Steuermittelnfinanziertwerdenkönnte.

mas.BERLIN. Das Optionsrecht für
Personengesellschaften, sichwie Kapi-
talgesellschaftenbesteuernzulassen,
istein alter Wiedergänger .Aktuell
taucht dieAbsicht, dieseWahlmöglich-
keit einzuführen, in dem Beschlusspa-
pier auf, das die SpitzenvonUnion und
SPD in derNachtzum Montagverab-
schiedethaben. Allerdingsfällt diePas-
sagedazu denkbar knapp aus: „Mit der
Einführung einer Option zurKörper-
schaftsteuer wirdesPersonengesell-
schaftenermöglicht, steuerlichwie
eineKapitalgesellschaftbehandelt zu
werden.“ Die unterschiedlichen Be-
steuerungsformenkönnten heutezuei-
ner höherenSteuer fürPersonenunter-
nehmer führen. „Dies sollenPersonen-
unternehmen durch die neue ,Veranla-
gungsoption‘ zukünftigvermeidenkön-
nen.“
Das istinhaltlichziemlichdünn, zu-
mal der Gesetzentwurfsogut wiefertig
sein soll. Im Wirtschaftsministerium
hatteman schon imvergangenen Jahr
mit derVorlagevon Bundesfinanzminis-
terOlaf Scholz (SPD)gerechnet. Doch
der zögerte den Startder Gesetzgebung
immer wieder hinaus. Dabeigabesin
den vergangenen Jahrzehnten schon ei-
nige Anläufefür ein solches Optionsmo-
dell: zunächstinden neunziger Jahren
in der Spätphase der schwarz-gelben
Koalition,wasimBundesrat an der Blo-
ckade scheiterte,die der damaligeSPD-
Vorsitzende Oskar Lafontaine anführ-
te,wenig später in derKommission zur
Reform der Unternehmensbesteuerung
(Brühler Empfehlungen) und schließ-
lichmit derNeuregelung, die unterFi-
nanzministerPeer Steinbrück(SPD) an-
gepackt wurde. Dawarsogar eine Opti-
onspflichtgeplant.Dochdas scheiterte
am Widerstand Bayerns, das um seine
Handwerkerund anderekleinereUnter-
nehmen fürchtete.
Wasist eigentlichdas Problem, das
mit dem Optionsmodellgelöstwerden
soll?KapitalgesellschaftenzahlenKör-
perschaftsteuer,Solidaritätszuschlag
und Gewerbesteuer.Inder Summe sind
das je nachStandort etwasüber oder un-
ter30Prozent.Die genaue Lasthängt
vonden jeweiligenKommunen ab, in
denen die Betriebestehen. Denn die
Kommunen entscheiden über die Höhe
der ihnen zustehenden Gewerbesteuer.
AusgeschütteteGewinnewerden noch-
mals mit derAbgeltungsteuer belastet.
Für voll ausgeschütteteGewinne
kommt man so auf eine Gesamtbelas-
tungvongut 48 Prozent.
Personengesellschaftenwerden dage-
gen„transparent“ besteuert. Das heißt,
die Gewinnewerden den Gesellschaf-
tern zugeordnet, so dassbei ihnen die

Einkommensteuer und der Solidaritäts-
zuschlagrelevant sind.Inder Spitze lan-
detman damit bei 47,5 Prozent.Dabei
istzunächstegal, ob das Geld imUnter-
nehmengelassen oder für den privaten
Konsumverwandt wird.
Damit ein Mittelständler in dieser
Rechtsfor mnicht schlechter behandelt
wirdals eine internationaleKapitalge-
sellschaft, wurde unterFinanzminister
Steinbrückdie sogenannte Thesaurie-
rungsrücklagegeschaffen. Gewinne,
die imUnternehmen behaltenwerden,
werden dann einschließlichSolidaritäts-
zuschlag mit 29,8 Prozent besteuert.
Dochdas klingt besser,als es ist. Die
wenigstenGesellschafterdürften diese
Steuer aus ihren persönlichenReserven
zahlenkönnen.Wenn das Geld zum Be-
gleichen derSteuerschuld jedochaus
Betriebsmittelnstammt, gilt dies als
eineEntnahme.Und die wirdder indivi-
duellen Einkommensteuer unterwor-
fen. Faktischkommt man damit auf
eineSteuerlastvon 36 Prozent–undda-
mit einer Benachteiligung gegenüber
Kapitalgesellschaften.
Eine Gleichbehandlung ließe sich
auf zwei Wegenerreichen: Erstens
durch eine gesetzliche Klarstellung,
dassdie Steuerzahlung auf den begüns-
tigt besteuertenGewinn nicht länger
als Entnahme der individuellen Ein-
kommensteuer unterworfen wird. Das
fordertdie KölnerSteuerrechtlerin Jo-
hanna Heyineinem Gutachten für die
Stiftung Familienunternehmer.Zwei-
tens kann man den Personengesell-
schaftendas Rechtzuges tehen, für er-
tragsteuerliche ZweckeeinenRechts-
formwechsel zufingieren. Das schlägt
das Institut derWirtschaftsprüfervor.
DemVernehmen nachsollen dieÜber-
legungen im Bundesfinanzministerium
in diese Richtunggehen.
Ein heikler Punkt in diesem Options-
modell sind Gegenstände, die Eigentü-
mer der Gesellschaftzur Nutzung über-
lassen. Heutekann das dazu führen,
dassein GesellschafterAnlagegüter ein-
gebracht hat undwegendarauffälliger
Abschreibungen einenVerlustmacht.
Andere, die nur mit Geld beteiligt sind,
machen jedochGewinne. Das lässt
erahnen, dass es in vielenFällen schwie-
rigwerden dürfte, dieverschiedenenIn-
teressen unter einen Hut zu bringen.
Wenn das Sondervermögen im Options-
fall in das Gesamtvermögen der Gesell-
schaftübertragen wird, schlagen die
Wirtschaftsprüfer vor, es einfachzu
Buchwertenfortzuführen. Andernfalls
gelteesals entnommen, damit würden
die stillenReservenrealisiert. Für die-
sen Fall regendie Wirtschaftsprüfer
eine zinsloseStundung der damitver-
bundenenSteuerlastan.

Dank Corona befreit


In manchenKonstellationenkönnte das Virus sichauf vertragliche Pflichten


auswirken. Vertragsparteien sollten jetzt das Gesprächsuchen.VonJochen Ellrott


Ein Covid-19-Patient in Südkorea FotoEPA

Macht Druck:EnergielobbyistinKerstin Andreae FotoImago

Arbeit fürMigranten


DasFachkräfteeinwanderungsgesetz istinKraft –


kann es sichbewähren?VonMartin Manzel


Länder sollen Bund Beinemachen


BeimAusbauvon


grünemStromsetzt der


Energieverband aufdie


Ministerpräsidenten–


undeine Werbetourmit


PeterAltmaier.


VonChristian Geinitz,


Berlin


Der Mittelstand wartet auf das


versprocheneSteuerwahlrecht


Koalition brütet über Option fürUnternehmen


SEITE 16·MITTWOCH,11. MÄRZ2020·NR.60 Wirtschaft FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG

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