Frankfurter Allgemeine Zeitung - 11.03.2020

(Greg DeLong) #1

D


ie Finanzmärktegehenfest da-
vonaus, dassdie Europäische
Zentralbank aus Sorge über die
wirtschaftlichenFolgen des Coronavi-
rusdie schon negativen Einlagenzinsen
weiter senken. Diese Erwartung lässt
sichaus denTerminkursen für dieKurz-
fristzinsen ableiten. Ein solcher Schritt
wäre kontraproduktiv,erwürde dieKon-
junktur im Euroraumkeineswegsstär-
ken, sondernüber negativeNebenwir-
kungen eher dämpfen. Die Mechanis-
men, über dieNegativzinsen auf die

Konjunktur wirken, sindkeinesfalls ein-
deutig undverlässlich. Zunächstbrin-
gennegativeEinlagenzinsen eineweite-
re erhebliche Belastung für die europäi-
schen Banken, die imWettbewerb mit
US-amerikanischen Häusernohnehin
immerweiter abgeschlagenwerden. Ge-
staffelteFreibeträgefür Strafzinsenkön-
nen die Belastungen abmildern, aber
nichtverhindern.Auch deswegen wird
sichdie Hoffnung derZentralbanken
kaum erfüllen, dassdie Banken durch
Strafzinsen veranlasst werden, mehr
Kredit zu günstigerenKonditionen zu
vergeben. Mögliche Engpässe für die
Kreditvergabe liegenweder im Zinsni-
veau nochinmangelnder Liquidität,
sondernwenn, dann im Bereichder Risi-
kotragfähigkeit und derKapitalausstat-
tung. Gäbe eskeine negativen Einlagen-
zinsen, hättedie Kapitalausstattung der
Banken in denvergangenen Jahren er-
heblichverbessertwerdenkönnen.
Auch auf dieKonsumnachfrageder
privaten Haushalte habenNegativzin-
sen nicht die erhofft positivenWirkun-
gen. Die Sparquote istinden letzten Jah-
renimDurchschnitt der Euroländer
weitgehendstabil, in Deutschland istsie
deutlichangestiegen. DieKonsumbereit-
schaftist also keineswegs sehr hoch; die
privaten Haushaltesindverunsichert

über die zukünftigen Erträgeihrer Er-
sparnisseund die Möglichkeiten,gesetz-
te Sparziele tatsächlichzuerreichen.
Dasveranlasst viele, mehr zu sparen
und ehervorsichtiger auszugeben. Da-
her istkeineswegs klar,dassdie Einkom-
mens- und Produktionsentwicklung
durch die Minuszinsengestärkt wurde.
Eher das Gegenteilkönnteder Fall sein.
KleinereVolkswirtschaften, wieetwa
die Schweiz,könnenNegativzinsen ein-
setzen, um allzustarke Währungsauf-
wertungen zu bekämpfen.Fürdie euro-
päische Zentralbank kann dies aber
kein Motiv sein, denn erste ns istder
Euroschon verhältnismäßig schwachbe-
wertet,und zweitens streitet die Noten-
bank es ab, eineWechselkurspolitik zu
betreiben, die derVolkswirtschaftpreis-
licheWettbewerbsvorteile gegenüberan-
deren bringen soll.
Ausall diesen Gründenwerden weite-
re Lockerungsbemühungen derEuropäi-
schenZentralbank nicht das Ziel errei-
chen, die absehbareKonjunkturverlang-
samung durchden Coronavirus zu neu-
tralisieren. Handlungsbedarfist gege-
ben, umUnternehmen, die in temporä-
re aberexistenzbedrohende Liquiditäts-
problemekommenkönnen, durch Liqui-
ditätshilfen,Steuerstundungen, wirksa-
me Instrumentewie dasKurzarbeiter-
geld und ähnliche Maßnahmen zu unter-
stützen.Um die Konsumnachfrageanzu-
regen, wärenSteuer-und Abgabenent-
lastungengeboten. DieRücknahme der
staatlichen Sonderbelastung durchden
Soli in Deutschland istabsolut überfäl-
lig. Man solltesie schnellstmöglichvoll-
ziehen und selbstverständlichauchUn-
ternehmenseinkommenvomSoli befrei-
en, die ja durch den Coronavirus in ers-
terLinie unter Druckgeraten. Die in
Deutschland geplanten Infrastruktur-
prog ramme sind schön und gut, aber sie
werden nichtsgegenden kurzfristigen
Konjunktureinbruchdurch die Folgen
des Coronavirus ausrichtenkönnen.Ra-
sche Maßnahmen sind erforderlich,
auchumdas Vertrauen derKonsumen-
tenund derUnternehmen so gut esgeht
zu stabilisieren.

Der Autorwar Chefvolkswirtder Allianz und
istheuteals Beratertätig.

Keineweiteren Zinssenkungen


VonMichael Heise

STANDPUNKT


sibi.FRANKFURT. Saudi-Arabien und
Russland liefernsicheinen Preiskrieg ums
Öl –aber gemeint istoffenbar auchein
Dritter:die Vereinigten StaatenvonAme-
rika.BeideStreitparteienkündigtenam
Dienstag an,künftig mehr Ölfördernzu
wollen, dieRede warsogarvoneiner „Öl-
Flut“. Der Ölpreisstieg nachdem Kollaps
vomMontag zwar wieder um gut4Pro-
zent auf mehr als 36 Dollar je Barrel (Fass
zu 159 Liter) für dieNordseesorte Brent.
Aber Öl scheint auf absehbareZeit außer-
gewöhnlichbilligzubleiben. Die amerika-
nische Investmentbank Goldman Sachs
brachte sogar die Möglichkeit ins Spiel,
dassder Preis bis auf 20 Dollar sinken
könnte. Zu den wichtigenFragen für den
globalen Ölmarktgehörtdabei, wie die
zumTeil hochverschuldeten amerikani-
schen Fracking-Unternehmen mit dem
niedrigen Ölpreis klarkommen–und in-
wieweit möglicheRating-Herabstufungen
oder Ausfälle auchAuswirkungen auf den
amerikanischen Markt für Hochzinsanlei-
hen und für starkimÖlgeschäftengagier-
te Banken habenkönnte.
Immerhin soll der amerikanische Präsi-
dent DonaldTrumpnachBerichten der
Nachrichtenagentur Bloombergmit dem
saudischen Kronprinzen Mohammed Bin
Salmantelefonierthaben, mit dem Ziel,
den Preiskrieg zu beenden–offenkundig
aberwohl ohne den erwünschten Erfolg.
Während Saudi-Arabien denVereinig-
tenStaatengegenüber eigentlichals wohl-
gesonnen gilt, der Kronprinz denKonflikt
aber offenkundig trotzdem nichtvermie-
den hat, scheint inRussland der Gedanke,
sichdurch den Preiskrieg an den Amerika-
nernfür die Sanktionen rächen zuwollen,
aucheine Rolle zu spielen. Saudi-Arabien
könnteunter anderem geärgert haben,
dassdas Land selbstzuletzt seine Ölförde-
rung gedrosselt hat, um den Preisstabil zu
halten, die amerikanischenFracking-Un-
ternehmen im Gegenzug ihren Marktan-
teil amWeltölgeschäftaber ausweiteten.

Voraussetzung dafür,dassdie beiden
Kontrahent en mit ihrem Preiskrieg Ameri-
ka tref fen, sind unterschiedlicheKosten-
strukturen bei der Ölförderung. Insbeson-
deredas Fracking in denVereinigtenStaa-
ten, also dieFörderungvonÖlmit unkon-
ventionellen Methoden aus Gesteins-
schichten,ist teurer als in vielenWüstenre-
gionen, in denen das Ölgleichsam nur so
aus dem Boden sprudelt.Frühergabesam
Ölmarkt die Auffassung, bei einem Öl-
preis unter 100 Dollar lohne sichdas Fra-
cking nicht. DieserWert wurde aber,wohl
auchaufgrund des technischen Fort-
schritts, immerweiter nachuntenkorri-
giert. Malwarvon 80 Dollar dieRede,
dannvon50Dollar.Aber manchekom-
men offenbar mit nochweniger aus.
Man müsse dabei zwischen Betriebskos-
tenund Investitionskosten unterscheiden,
meint Giovanni Staunovo,Ölanalyst der
Bank UBS. Die „Cash Costs“ lägen zwi-
schen3und 35 Dollar jeFass.„DieseKos-
tensind entscheidend, ob der Ölhahn of-

fenbleibt oder nicht“, sagtStaunovo.Die
höchsten Cash-Kostenhätten Produzen-
teninKanada. „Die aktuellen Preisewer-
den aber dennochnicht zur unmittelbaren
Reduktion der Produktion führen“, meint
der Analyst.Schließlichwürden Produk-
tionsschließungenauchKostenverursa-
chen. „Nurwenn die Preise mehrereMona-
te bei30Dollar oder tiefer bleiben,wer-
den Felder geschlossen“, meintStaunovo.
Fürdie VereinigtenStaaten entschei-
dender seien die Investitionskosten.Fra-
cking habe ein anderes „Produktionspro-
fil“, verglichen mitkonventioneller Ölför-
derung: Die Ölmengesteigeein bis zwei
Monate, danachgehe sie zurück. Deshalb
müssten dieFrackerständig bohren, um
die Produktionstabilzuhalten. „Bohrun-
gensind attraktiv bei Preisen im Durch-
schnitt um die 50 Dollar jeFass für die
amerikanische SorteWTI“, sagteStauno-
vo.„Aktuell sind die Preise mit gut 30 Dol-
lar zu tief,umBohrungenrentabel durch-
zuführen.“Wenn die Preise längereZeit

tief blieben,werdedie Fracking-Branche
ihreProduktion reduzieren, da sieweniger
starkbohre. InRussland und Saudi-Ara-
bien dagegen lägen dieFörderkosten un-
terdem aktuellen Preis. Allerdings brau-
cheSaudi-Arabien einen Ölpreisvon70
bis 80 Dollar,umseine Staatsausgaben zu
decken, Russlandetwa 50 Dollar jeFass.
Heikel ist, dassviele auchder kleineren
amerikanischen Ölunternehmen und Zu-
lieferer hochverschuldetsind und diverse
Hochzinsanleihen ausstehen haben. „Die
Spreadsvonamerikanischen Hochzinsan-
leihen haben sichinden vergangenenTa-
gendeutlichausgeweitet auf ein Niveau,
das zuletzt Anfang 2016 erreicht wurde“,
schreibenGlennVoyles,Matt Feyund Bry-
ant Dieffenbacher,Anleihen-Spezialisten
der FondsgesellschaftFranklinTempleton
in einer Studie. Die Ausbreitung des Coro-
navirus habe dieAbwärtsrisiken für den
amerikanischen „HighYield“ (Hochzins-)
Markt ohnehin erhöht.Der Einbruchder
Ölpreisekommeerschwerend hinzu. „Soll-
tendie derzeitigen Ölpreise beibehalten
werden, könntedie Mehrheit der Emitten-
teninden Bereichen Exploration und Pro-
duktion und Energiedienstleistungen auf
längereSicht vomAusfall bedroht sein.“
Der Energiesektor sei mit einem Anteil
vonetwa11,5 Prozent am High-Yield-In-
dexder Bank of America dergrößteSek-
torauf dem amerikanischen Hochzins-
markt.Mit Blickauf den Energiesektor sei
ein Anstieg derZahlungsausfälle wahr-
scheinlich. Auchdie Deutsche Bank
schreibt in einer Analyse, im Gegensatz
zum amerikanischen AktienindexS&P sei
das Gewicht der Ölunternehmen am
Markt für Hochzinsanleihen hoch. Dieser
Sektor sei schon seit einigerZeit unter
Str ess. Im Jahresausblicksei man nochda-
vonausgegangen, dassindiesem Bereich
die Ausfallratebis auf 15 Prozent anstei-
genwerde, schreibt die Bank: „Die jüngs-
tenEreignisse erhöhen das Risiko, dass
wir deutlichdarüber landenwerden.“

D

er Absturzanden Aktienmärk-
tenund die jüngste Zinssen-
kung der amerikanischenNo-
tenbankFederalReserve (Fed)
könnte indirekt auchdie Schweizerische
Nationalbank (SNB) inZugzwang brin-
gen. Undzwardann,wenn die Europäi-
scheZentralbank (EZB) an diesem Don-
nerstag ihrerseits meint,auf dieAusbrei-
tung des Coronavirus und dessen wirt-
schaftlicheFolgenreagieren und die Zin-
sen senken zu müssen. DanielKalt, Chef-
ökonom der UBS Schweiz, erwartet,dass
die EZB den Einlagenzinssatz um mindes-
tens 10 Basispunktesenkt, alsovonmi-
nus 0,5 Prozent auf minus 0,6 Prozent.„In
der Folgewird die SNB nachziehen müs-
sen“, sagteKalt derF.A.Z. Der Ökonom
erinnertdaran, dassdie SchweizerNoten-
bank nachder Zinssenkung der EZB im
vergangenen September dieFüßestillge-
halten und den Zinssatz bei minus 0,75
Prozent unverändertbelassen hatte. Da-
mit hat sichdie Zinsdifferenz zur Eurozo-

ne bereitsverkleinert. Nachallgemeiner
Lesart der SNB braucht es aber eine aus-
reichend große Zinsdifferenz, um die
Flucht der Investoren in den Schweizer
Franken zu bremsen.
Die Schweizer Währung gilt als siche-
rerHafen in unsicherenZeiten. Dies er-
klärt,warumder Franken unter dem Ein-
druc kder sichzuspitzenden Corona-Kri-
se gegenüber dem Euroauf den höchsten
Stand seit fünf Jahrengestiegen ist. Ein
Eurokostete am Dienstagetwasweniger
als 1,06Franken. Die SchweizerNoten-
bankstemmt sichdem Aufwertungsdruck
mit milliardenschweren Devisenkäufen
entgegen. Denn ein allzustarkerFranken
schadetder wichtigen Schweizer Export-
wirtschaft,weil deren ProdukteimAus-
land dadurch teurerwerden. GroßeTeile
der Industrie, deren Exportezumehr als
der Hälfte in den Euroraumgehen, haben
sichzwarinden vergangenen Jahren an
den bretthartenFranken angepasst. Aber
eine so abrupte und schnelleAufwertung,
wie sie nunstattgefunden hat,stellt viele
UnternehmenvorProbleme. Sie müssen
Preisnachlässegewähren und damit er-
hebliche Margenverluste in Kauf neh-
men. InKombination mit den Geschäfts-
einbußen infolgeder Corona-Krise droht
dies nun so mancheFirmaaus derKurve
zu tragen.
Die Einschätzungen darüber,wie die
SNB daraufreagieren wird, sind unter-
schiedlich. Angesichts der im internatio-
nalenVergleichrekordniedrigen Zinsen
in der Schweiz istder geldpolitische Spiel-
raum der SNB eingeschränkt.Trotzdem
rechnet Janwillem Acket, Chefökonom
der Zürcher Privatbank Julius Bär,durch-
aus damit, dassdie Notenbank die Zinsen
nochweiter senkenkönnte:„Wenn die

Hiobsbotschaftenrund um Corona in Eu-
ropa zunehmen und der EuroinRichtung
1,05Frankenrutscht, wirddie SNBreagie-
ren.“ Auch Acket erwartet in diesemFall
einen beherzten Zinsschritt nachunten
um 25 Basispunkteauf minus1Prozent.
Um den damitverbundenen Schaden für
die Banken zu begrenzen, die schon auf
dem aktuellenNiveau schwer unter den
Negativzinsen leiden,könntedie SNB die
Freigrenzen nochweiter erhöhen. Schon
jetzt denkengroßeVermögensverwalter
wie die UBS darüber nach, die Schwelle
zu senken, ab der sie Bargeldbestände ih-
rerKunden mit Minuszinsen belegen.
Auch Maxime Botteron,Währungsspe-
zialistbei der Credit Suisse, meint, dass
sichdie SNB derglobalengeldpolitischen
Lockerungswelle nicht entziehenkann.
Er rechnet ebenfalls mit einer Zinssen-
kung auf minus1Prozent, allerdings erst
im Verlauf des zweiten Quartals 2020.
ThomasStucki hingegen, Anlage-Chef
der St.GallerKantonalbank,ist der An-
sicht, dassdie SchweizerNotenbank auf
eine kleine Zinssenkung der EZBvonmi-
nus 0,1 Prozent nicht mit einem Zins-
schrittreagieren würde.Um den Franken
zu schwächen, seien DevisenkäufeimMo-
ment das wirksamereInstrument.Dieses
habe dieNationalbank in derVergangen-
heit immer wieder erfolgreicheingesetzt.
Tatsächlichhat die SNB mit selbstge-
drucktenFranken imgroßenStil Fremd-
währungen wie Eurooder Dollargekauft
und so über die Jahreeinengewaltigen
Devisenbestand von800 MilliardenFran-
kenangehäuft.
„Es istnicht ungefährlich, gegendie
SNB zu spekulieren. Siekann den Euro-
kurs relativ einfachum2Rappen anhe-
ben“, sagtStucki.Nurgegen eineskönne

die Notenbank nichts ausrichten: „Der
Mythosdes Frankens als sicherer Hafen
istungebrochen.“ Die Investorengriffen
deshalbunter anderem zu Schweizer Ak-
tien wieNestlé, Novartis oder Roche.
Dies erkläre,warumsichderenKursein
Krisenzeiten meistbesser hielten als die
Aktien in anderen Ländern. Allerdings
hat es am Schwarzen Montag auchdie
SchweizerTitelschwergebeutelt,wobei
vorallem die Banken unter dieRäder ka-
men, allenvoranUBS und Credit Suisse.
EtlicheMarktteilnehmerargwöhnen,
das sdie SchweizerNotenbank in ihren
Devisenkäufen inzwischengehemmt
seinkönnte. Das amerikanische Schatz-
amt hatdreiKriterien definiert,nachde-
nenLänder alsWährungsmanipulatoren
gebrandmarktwerden.Die Schweizer-
füll tbereits zwei dieser Kriterien.Wenn
die Nationalbanküber einenZeitraum
vonzwölf Monaten mehr als2Prozent
desBruttoinlandsprodukts fürInter ven-
tionenaufwendet, istauch das dritteKri-
terium erfüllt.Nach Berechnungen des
UBS-Ökonomen DanielKalt liegt die
SNB nurnochhaarscharfunterhalbdie-
serSchwelle.
Im Gesprächmit derF.A.Z. beteuerte
der SNB-Präsident Thomas Jordan An-
fang Februar,dassdieses Thema die
Handlungsfähigkeit der Nationalbank
nicht einschränke. Man lasse sichvon den
Amerikanernnicht vonweiteren Devisen-
käufen abhalten.Kalt wertet dieseAussa-
ge als Versuch, die Glaubwürdigkeit der
SNB zu bewahren, und alsTeil der psycho-
logischen Kriegsführung. „Je mehr man
im Markt bezweifelt, dass die SNBzur Ge-
genwehr fähig ist, umso anfälliger wird
der Franken für spekulativeAttac kenund
umsoteuer wirdesfür die SNB, die eige-
nen Linien zuverteidigen.“

Amerikas FrackerinBedrängnis


Sehr unterschiedlicheFörderkosten in Ölstaaten/Trump telefoniertmit saudischem Kronprinzen


maf.FRANKFURT. DieZuspitzung
der Corona-Krise hat zuForderungen
aus derPolitik nacheiner Lockerung
der Aufsichtsvorgaben für Bankenge-
führ t. In Deutschlandsollen sichVertre-
terder Bundesbank,der Finanzaufsicht
Bafin und desFinanz ministeriums am
Montag über die Möglichkeit unterhal-
tenhaben, den antizyklischenKapital-
pufferaufzuheben. Dieserwarimver-
gangenen Jahr eingeführtworden, da-
mit BankenVorsorge für die abkühlen-
de Konjunktur und den heißgelaufenen
Immobilienmarkt treffen. EinigeAufse-
her lehnen eineAufhebungdieses zu-
sätzlichen Puffers zumgegenwärtigen
Zeitpunkt ab.
Auch andernorts wirdüber eineAuf-
weichung derVorgaben nachgedacht.
Die italienischeRegierung will Hypo-
thekenkrediteaussetzen, um überfor-
derte Unternehmen und Haushalte
während der ergriffenenNotmaßnah-
men, darunterReiseverbote und Sperr-
stunden,zuentlasten. Der französische
Wirtschafts- undFinanz ministerBruno
Le Mairefordert, diestrengenRegeln,
ab wann Banken Krediteals notleidend
einstufen und mit mehr Eigenkapital
unterlegen müssen, aufzuweichen.
Im Mittelpunktsteht die 90-Tage-Re-
gel: Banken müssenForderungen, bei
denen über 90Tage kein Zahlungsein-
gang erfolgt, als notleidendeinstufen.
Derzeit istinItalien nicht abzusehen,
wann die Notmaßnahmen mit ihren
schweren wirtschaftlichenFolgen auf-

gehobenwerden. Unternehmen oder
Gaststätten müssen mit deutlichen Ein-
bußenrechnen undkönnten deshalb ir-
gendwann nicht mehr Kreditebedie-
nen.Wenn die Banken diese über einen
längerenZeitraumstunden und ihr Ei-
genkapital schonen, wirkt das entlas-
tend. Dochdie nötigenAbschreibungen
auf Kreditedürfennicht zu langeaufge-
schobenwerden. Selbstwenn die italie-
nischen BankenFortschritteimAbbau
fauler Kreditegemacht haben, sind ihre
Bestände nochimmer zu hoch. Das
lässt sichauf eine über Jahrenachlässi-
ge Aufsicht in Italien zurückführen.
Deshalb sind viele Bankenaufseher
nichtglücklich,wenn in derPolitik die-
se Forderungen lauterwerden. Zu ent-
scheiden hätten dieAufseher der Euro-
päischenZentralbank(EZB) ohnehin
nicht.Sie könnten auf die Corona-Krise
nur über die individuellenEigenkapita-
lanforderungen (SREP) der Institute
eingehen. Hierkönnen die Anforderun-
genzurückgeschraubtwerden. Um die
90-Tage-Vorgabe zeitweise aufzuheben,
wäre die EU-Kommissiongefragt.Eine
Diskussion über eineAufweichung der
Kreditregeln wirdinzwischen auf der
ganzenWelt geführt, zum Beispiel auch
in Großbritannien.
DieRatingagenturMoody’swarnte
am Dienstagvor denwachsenden Risi-
kender Corona-Krise für Europas Ban-
ken. Die Qualität der Kreditekönnteun-
terden Reiseeinschränkungen und den
Produktionseinbußen leiden.

Schweizer Notenbank unter Druck


Ölförderung inNorthDakota FotoReuters

wmu.BRÜSSEL.Atomenergie sollte
nach Ansicht einervon der EU-Kommis-
sion eingesetzten Expertengruppe nicht
als „grüne“Technologie eingestuftwer-
den. Deshalb dürften Finanzprodukte
vonKernkraftwerkbetreibernals „nach-
haltige“ Papiereprivilegiertwerden,
heißt es in dem Bericht derFachleute,
der am Montagveröffentlicht wurde.
AufGrundlagedes Berichts wirddie
EU-Kommission bis 2021 auf einer Lis-
te genau definieren,welcheTechnolo-
gien als „grün“gelten dürfen. Die ent-
sprechenden Papiere sollenkünftig in
derRegulierung bevorzugt behandelt
und sogefördertwerden. Die EUver-
sucht über die neuen Standards ein
Greenwashing zuverhindern,wasFi-
nanzprodukteals grüner erscheinen
lässt,als sie sind.
Die EU-Staaten und dasEuropapar-
lament hatten im Dezember einen Kri-
terienkatalogverabredet, den die EU-
Kommission„Taxonomie“ nennt.Er

sieht dreiKategorien für nachhaltige
und „annäherndnachhaltige“Finanz-
produkte vor: zunächst„grün“für un-
eingeschränkt umweltfreundlicheIn-
vestitionen, ergänzt um zwei Abstufun-
genfür Finanzprodukte, mitdenenin
nichtvölligemissionsfreie Projektein-
vestiertwird, die aberden Übergang zu
vollständigerKlimaneutralitätfördern.
Als eindeutig nicht nachhaltiggelten
demnach Investitionen inKohle.Für
die Energieproduktion mitGas hängt
die Einstufungvonder Kohlendioxid-
Bilanz der jeweiligenMethodeab. Auf
der Liste wirddie EU-Behörde definie-
ren, obKernkraf tzumindest für eine
Übergangsfristals nachhaltigeinzustu-
fenist.Nach Ansicht des Grünen-Abge-
ordneten SvenGiegold mussdie EU-
Kommission aufgrund des Expertenbe-
richts Atomkraftdefinitivganz aus-
schließen. DerKernenergiestehejetzt
keine Hintertür mehr offen, sagte Gie-
gold.

DebatteumLockerung der


Aufsichtsregeln für Banken


ImBlickpunktstehtdieVorsorgevorKreditausfällen


Die Rücknahmeder staatli-
chen Sonderbelastung
durch den Soli in Deutsch-
land istabsolut überfällig.

DasCoronavirustreibt


Investoren in den


Franken undlässt diesen


erstarken. Reagiert die


Nationalbankmit einer


weiterenZinssenkung?


VonJohannes Ritter,


Zürich


Kernkraft bleibt Zankapfel


EU-Zwischenbericht zu nachhaltigenTechnologien


Quelle:BloombergFotoJohannesRitter/F.A.Z.-Grafik swa.

Schweizer Franken je Euro

1.1.2019 10.3.2020

1,04

1,16

1,12

1,14

1,10

1,06

1,08

DasSchaufelradschiff„Italie“ auf demGenfe rSee

FRANKFURTER ALLGEMEINEZEITUNG Finanzen MITTWOCH, 11.MÄRZ 2020·NR.60·SEITE25

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