FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG Wirtschaft FREITAG,13. MÄRZ2020·NR.62·SEITE 17
guth./hw.FRANKFURT/BERLIN.
Die Mehrheit der Deutschen istbereit,
für die Bekämpfung der Corona-Krise
eineAufweichung des Datenschutzes
und eineAusweitung derVorratsdaten-
speicherung hinzunehmen. Das geht
aus einerrepräsentativenUmfrag eher-
vor, die das Marktforschungsunterneh-
men Innofact imAuftrag des Daten-
schutz-Start-ups Usercentrics durchge-
führthat und die derF.A.Z. exklusiv
vorliegt.DochimBehördenalltagzeigt
sich, dassder Schutz der Daten manch
einen Schrittgegendie Corona-Pande-
mie ausbremst.
In Hessenetwa hattedas Gesund-
heitsamtWiesbaden die Idee, mit ei-
nem Bus mobilVerdachtsfälle auf Coro-
na zutesten. Dochdie Kassenärztliche
Verei nigung hatteBedenken.„Wir ha-
ben zehnTestcenter,daist das Thema
Datenschutz sogeregelt, wie es sein
muss“, erklärtein Sprecher.Man könne
nicht frei irgendwelche Dinge„aus dem
Bodenstampfen“, da hätteman Beden-
ken. In den Bereitschaftsdienstzentra-
len gebe es bessere „räumliche Gegeben-
heiten, einen Rückzugsraum,etablierte
Prozesse“. Im Buswäre das vermutlich
„schwieriger“ und ungewollt transparen-
ter. Auchwenn manZeltefür Corona-
Testsaufstellte,gebe es Probleme, da ja
Gesundheitsdaten digital verarb eitet
würden.
Als vergangeneWochedas Robert-
Koch-Institut die Idee vorschlug, per
Handydaten Infiziertennachzuspüren,
äußertenFachleuteZweifel an der Ef-
fektivität einer solchenÜberwachung.
Die Maßnahme müsstejedochwirksam
sein, damit sie sichdatenschutzrecht-
lich überhaupt rechtfertigen lasse,warn-
te der Bundesdatenschutzbeauftragte
UlrichKelber (SPD). Erkönne dasKon-
zeptnicht abschließend bewerten, da er
es nur aus den Medienkenne –aber ein
staatlicherzwungenerZugriffauf Da-
tenwie er in China praktiziertwerde,
sei„mehralsproblematisch“.Wennnur
auf Funkzellendaten zugegriffen werde,
sei die Ortsbestimmung unpräzise und
brächteinsofernkeinen Mehrwert bei
der Eindämmung. Auchdie Kassenärzt-
liche Bundesvereinigung mahnteVer-
hältnismäßigkeit an.
Richtig ist:Gesundheitsdaten sind be-
sonderssensibel und imRahmen des
Datenschutzrechts besondersgeschützt.
Die Hürden liegen entsprechend höher,
und umso zurückhaltender verhalten
sichdie Entscheider.Docheinmal mehr
scheint der Datenschutz strengere
Maßstäbevorzugeben, als viele Men-
schen sichwünschen. Der Untersu-
chungvonUsercentrics zufolgespre-
chen sichfast70Prozent der Befragten
dafür aus, dieVorratsdatenspeicherung
vonFlug- undReisedaten auszuweiten,
um dasViruseinzudämmen und imVer-
dachtsfal lbenachrichtigtwerden zukön-
nen. In Deutschland aus Krisenregio-
nen wie Italien oder China Ankommen-
demüssenaktuellaufAussteigekarten
Angaben zumAufenthalt machen, da-
mit sie ausfindiggemachtwerden kön-
nen, wenn sichnachträglichheraus-
stellt, dassein Mitreisender infiziert
war.
Insgesamtgeben knapp zwei Drittel
der Menschen an, auf den Schutz ihrer
persönlichen Datenverzichten zuwol-
len, wenn sie sichdadurch selbstschüt-
zen oder das Leben anderer rettenkön-
nen.Fürdie Umfrag ewurden seit An-
fang März1020 Personen zwischen 18
und 69 Jahren befragt, die nach Anga-
ben vonInnofactrepräsentativ für die
Bevölkerung sind. Siebenvonzehn wür-
den für denKampfgegen die Ausbrei-
tung desVirusihre„Gesundheitsdaten
wie Körpertemperatur,Bewegungspro-
filoder sozialeKontaktpunkte öffentli-
chen Institutionen wie zum Beispiel
dem Robert-Koch-Institut bereitstel-
len“. Zwei Drittelwärenbereit, sichmit
ihremNamen in eine öffentliche Daten-
bank einzutragen,wenn sie an demVi-
ruserkrankt sind.Undimmerhin zwei
vonfünf Bundesbürgern würden Daten
aus ihrenKonten in den sozialen Me-
dien, beispielsweise aufFacebook und
Instagram, freigeben, damit ihreKontak-
te im Verdachtsfall nachvollzogen und
benachrichtigtwerden können.
Die Politiksolle die Ergebnisse der
Umfrag eals Rückendeckung verstehen,
meintUse rcentrics-GründerMis chaRü-
rup, und solle „zügig digitale Maßnah-
men einleiten, um einen datengetriebe-
nen Ansatz imKampfgegen Corona zu
entwickeln“. DiePolitik ,so scheint es,
tut sichmit digitalenNeuerungen je-
dochschwer. Das zeigt einePanne in
Bayern.AmDonnerstag berichtetedas
Fachmagazin „c‘t“, dassman an einer
Online-Besprechung desbayerisc henIn-
nenministersJoachimHerrmann(CSU)
zu Corona habe teilnehmenkönnen –
dafür mussteman nur denNamen des
virtuellen Konferenzraums angeben.
Ein Passwort verlangtedas Ministerium
zunächstnicht.
sup.STUTTGART.Seit drei Jahren
fährtdie Tram zwischenStraßburgund
Kehl –ein Stückgelebter europäischer
Integration.„Wir sind sostolz auf unse-
re grenzüberschreitende Straßenbahn“,
sagt Bärbel Schäfer,Regierungspräsi-
dentin in Freiburg, und fügt hinzu:
„Aber jetzt sind viele Zügeschon ziem-
lichleer.“ Das Coronavirus macht das
Pendeln zwischen Deutschland und
Frankreichspätestens seit diesemMitt-
woch zu einerHerausforderung, an dem
das Robert-Koch-Institut dengesamten
OstenFrankreichs (dieRegion Grand
Est, bestehend aus Elsass, Lothringen
und Champagne-Ardenne) zum Risiko-
gebietinSachen Corona erklärthat.
Seit derFastenwocheeiner Freikirchein
Mulhouse MitteFebruargabesvor al-
lem im südlichen Elsasszahlreiche In-
fektionen. DieNachverfolgung der An-
steckungswegehat Frankreichaber
schon aufgegeben,während man in Ba-
den-Württembergnochversucht, den
Überblick zu behalten. Entsprechend
starkwird–zumindest hinter denKulis-
sen –die Frageder Grenzöffnung disku-
tiert, auchwennBundeskanzlerinAnge-
la Merkelausdrücklicherklärthat, an
eine Schließung der Grenzen sei nicht
gedacht. Die Präsidentin des Departe-
ments Oberrhein, BrigitteKlinkert,
warnte vor„exzessiven“ Maßnahmen.
Die Epidemie zeige, dassdie Kooperati-
on undKoordination nochintensiviert
werden müsse.
Aufdeutscher SeiteblicktRegierungs-
präsidentin Schäfer auf die wirtschaftli-
chen Folgen: „Die Grenzen sind offen.
Der wirtschaftliche Schaden isttrotz-
dem da. Die Menschen ausFrankreich
kommen nicht zum Einkaufen,gehen
nicht inKonzerte,der Tourismus ist
starkbetroffen.“ Vorallem aberstehen
die Berufspendler und ihreArbeitgeber
vorgroßen Herausforderungen.Rund
50000 Beschäftigtestehen nunvorder
Frage: Sollen sie, dürfensie aus dem
französischen Risikogebietjetzt noch
zur Arbeitsstelle nachDeutschlandfah-
ren? Das betrifft große Arbeitgeber wie
Mercedes, denTunnelbohrer-Spezialist
Herrenknecht oder den Europapark,
dazu dieStahlindustrie und viele Auto-
zulieferer im Saarland.Aber auchkleine
Betriebe und öffentliche Arbeitgeber
sind betroffen. So meldetbeispielsweise
die Stadt Baden-Baden, dassabsofort
der Fahrplangekürztwerde,weil mehre-
re Busfahrer aus dem Elsasswegen der
Corona-Gefahr vorsichtshalber nicht
eingesetztwerden.
Wiedie Unternehmen mit denUn-
wägbarkeiten umgehen sollen, istkei-
neswegs geregelt. „Dassdie Region
Grand Estjetzt Risikogebietist,bedeu-
tetindieser Hinsichtgarnichts“, betont
die Regierungspräsidentin: „Jeder Be-
trieb mussselbstentscheiden,waser
tut.“Rund 1000von9000 Mitarbeitern
des ZF-Werks in Saarbrückenkommen
über die Grenze und müssen täglich
eine Selbstauskunftausfüllen.„Wir las-
sen keinen zu Hause“, sagteeine Spre-
cherin, nurwemesschlechtgeht, wird
zum Arztgeschickt.Das Beispielsteht
im deutlichenKontrastzujenem ersten
Fall eines ausFrankreicheinpendeln-
den Corona-Infizierten amSAP-Stand-
ortSt. Ingbert: Dortwurden die 800 Mit-
arbeiter postwendend ins Homeoffice
geschickt.
Solche Auskünfte vonUnternehmen
zu bekommen istkeineswegs selbstver-
ständlich. Die sonstgepflegte Offenheit
istmit der Krise dahin. „Bittehaben Sie
Verständnis, dasswir uns nicht zu jeder
gegenwärtig im Raum stehenden be-
hördlichen Empfehlung hinsichtlichder
betrieblichenUmsetzung oder Anwen-
dung erklären“, heißt es in der Antwort
eines renommiertenMittelständlers.
Das dürfteauchmit derUnsicherheit zu-
sammenhängen,welche Äußerungvon
Behörden denn nun als Empfehlung
oder als Direktivezuverste hen istund
wasdie Folgen sind. „Bei unsstehen die
Telefone nicht mehr still“, berichtet
ClaudiaNehm vonder IHKKarlsruhe.
Eine der wichtigstenFragen lautet,wer
unterwelchenUmständen nochsein Ge-
halt bekommt undwerdafür aufkommt.
Die Lohnfortzahlung, so der Hinweis
der IHK,greiftdann,wenn Quarantäne
angeordnetwird. Dafür wiederumrei-
cheesnicht, in einem Risikogebietzu
wohnen oder dortseinen Arbeitsplatz
zu haben, es müssten schon Krankheits-
symptome dazukommen.
D
ie Corona-Pandemie führtzur
Neuausrichtungder globalen
Geschäftsbeziehungen und
stärkt politischeTendenzen zur
nationalenAbschottung. Das hatgravie-
rende Folgen fürVolkswirtschafteninal-
ler Welt. Dasvomamerikanischen Präsi-
denten DonaldTrumpverhängteEinreise-
verbotfür EU-Bürgeraus dem Schengen-
raum istjüngsterHöhepunkt dieser Ent-
wicklung.Bislang ging es in der Debatte
um eineRückabwicklungder Globalisie-
rung vorallem umdie Medikamentenher-
stellung, dochimmergrundsätzlicherste-
hen auchinternationale Produktionsver-
bünde und GeschäftsreisenzurDispositi-
on. EinigeProdukte großerUnternehmen
wie Apple, General Motorsoder Coca-
Colakönnten zur Mangelwarewerden.
Die Börsen nehmen all diese Entwick-
lungenvorweg mitKursverlusten in aller
Welt. In denVereinigten Staatenverlor
der DowJones im frühen Handel fast
Prozent.Der Harvard-Ökonom Larry
Summerswirft Trumpvor, mit seiner An-
spracheglobaleUnsicherheitbeflügelt zu
haben.Trumphabe mit seiner Elf-Minu-
ten-Rede am Mittwochabendden Weltre-
kord in Börsenwertvernichtung gebro-
chen. Trumps zunächstauf 30Tage befris-
tete Einreiseverbottrifftmit demTouris-
mus eine Branche, in der nachstaatlichen
Angaben in denVereinigtenStaaten im-
merhin neun Millionen Menschen beschäf-
tigt sind und die mehrals 2Prozent zur
Wirtschaftsleistung beisteuert. Ausden be-
trof fenen Ländernkommenrund zehn
MillionenReisende, in denFrühlingsmo-
naten knappeine Million.
Schwer betroffensind zuerst die Flugge-
sell schaften, die schonvorTrumpsReise-
beschränkungen dramatischeRückgänge
bei denReisebuchungenverzeichneten.
70 Prozent der Flügeinden pazifischen
Raum, 50 Prozent nachEuropa und 25
Prozent der inneramerikanischen Flüge
sind nachAngaben desUnited-Airline-
Chefs Scott Kirbyzuletzt ausgefallen.
Nach dem 9/11-Anschlag seien die Bu-
chungen für zwei Monate um 40 Prozent
zurückgegangen.
AusSichtvonAnalysten könnteder
Luftverkehr zwischen der EU und denVer-
einigtenStaaten nun sogar zum Erliegen
kommen.Nach EinschätzungvonDaniel
Roeskavon BernsteinResearch betrifft
der Schritt 3500FlügejeWoche und bis zu
800000 Passagiere. Analyst MikeBoyd
prognostiziertegar: „Das Flugverbotfür
Europa wirdausländischeGesellschaften
umhauen.“Denn denen bleibenkaumPas-
sagiere:Wersichinnerhalbder vergange-
nen 14Tage in den Länder des Schengen-
Raums aufgehaltenhat, darffür vorerst
vier Wochen nicht in dieVereinigtenStaa-
teneinreisen.
40 ProzentwenigerPassagiere
Die Strecken überden Nordatlantik
sind für europäische Fluggesellschaften
die wichtigsten Interkontinentalverbin-
dungen. Die DeutscheLufthansa trifft die
Beschränkung besondershart. DerKurs
der Lufthansa-Aktiefiel am Donnerstag
um 14 Prozent und erstmals seit 2016 un-
ter10Euro. Erst am MittwochhatteLuft-
hansamitg eteilt, dassdie angekündigte
Straffungdes Flugplansumbis zu 50 Pro-
zent im April zurAbsagevon 23000 Flü-
genführt.Keine 24 Stunden späterhat
sichdie Streichlisteals unvollständig er-
weisen.Lufthansa teiltemit, aus Deutsch-
land in dieVereinigtenStaaten Flügevon
FrankfurtnachChicago undNewYork-Ne-
wark beizubehalten.Weiter eKürzungen
zeichnen sichab, Indienhat vorerstEinrei-
sevisafür ungültigerklärt. Bezüglichder
FinanzlageverweistLufthansa auf diege-
ringer eSchuldenquote imVergleichzu
Konkurrenten und den hohen Anteil eige-
ner Flugzeugeinder Flotte. Ende Septem-
ber hatteder Konzern3,6 Milliarden Euro
flüssigeMittel, in derkommendenWoche
legt Lufthansa ihreJahresbilanzvor.
DerPassagierrückgang fällt mit jedem
Taggrößeraus. DerFrankfurter Flugha-
fenbetreiberFraportteiltemit, dassinder
letztenFebruarwoche14,5 Prozentweni-
gerPassagieregezählt wurden imVer-
gleichzum Vorjahreszeitraum. Zuletzt sol-
len es nachF.A.Z.-Informati onenrund
70000 Reisende amTagwenigergewesen
sein,wasein Rückgang vonetwa40Pro-
zentwäre. Reiseunternehmen wie die
Lufthansa „werden massiv Staatshilfen
brauchen, zunächstinFormdes Kurzarbei-
tergeldes“, warnte Gabriel Felbermayr,
der Präsident des Kieler Instituts fürWelt-
wirtschaft(IfW). Spekulationen um mögli-
cheStaatshilfen hattedie Branche bisher
nochzurückgewiesen.Sie streichen statt-
dessen Investitionenzusammen und besor-
gensichflüssigeMittel vonBanken. Flug-
zeugbestellungenwerden aufgeschoben.
Das sind schlimmeNachrichten fürBoe-
ing,dessen Börsenwert am Mittwochmit
14 Prozent sostark einbrachwie zuletzt
1974.Auch mit der Bahn fahren deutlich
weniger Menschen.AusAngstvor demVi-
rusfahren inzwischeninDeutschland
deutlich weniger Menschen mit dem Zug
als üblich. In der ersten Märzwoche sank
das Fahrgastaufkommen um 25 Prozent,
für die laufendeWoche dürfte es sogar um
40 Prozent einbrechen. Diese Zahlen
nannteder Vorstandsvorsitzende der DB-
Fernverkehrssparte,MichaelPeterson,im
Tourismusausschussdes Bundestages.
Die Wirkungen der sinkendenMobili-
tätauf denglobalen Güteraustauschsind
überall spürbar.Fast75Prozent der in
Amerika befragtenUnternehmengeben
an, dassihreWertschöpfungskettenaufge-
brochenwerden, weil viele Länderwegen
der PandemieTransportbeschränkungen
verhängt haben.Das geht aus einerUmfra-
ge des Institutefor SupplyManagement
hervor, die am Mittwochveröf fentlicht
wurde. In Deutschlandgaben in einer Ifo-
Umfrag e56Prozent derUnternehmenan,
schon unter denFolgen desViruszulei-
den. IfW-PräsidenteFelbermayrsagteder
F.A.Z., dassdie eingeschränkteMobilität
auchden Warenhandelbremsen wird, un-
teranderem,weil Lastwagenfahrer und
MonteureihreArbeitnicht mehrverrich-
tenkönnen.„Aus Studienzur Wirkung
des Schengen-Abkommens wissen wir,
dassausgedehntePersonenkontrollen den
Handel um circa3Prozent schrumpfen las-
sen.“Essei zu befürchten, dassdie Coro-
na-Krise alsVorwand füreine weiter eAus-
dehnungauf andere Güterverwendetwer-
de und nationalistische Instinkte gestärkt
würden–nachdem Motto: Die Chinesen
sind schuld, die Europäer kriegen es nicht
in den Griff, jetzt hilftinden Vereinigten
Staaten nur mehrdie Abschottung. „Dann
wirdaus einertemporärenmedizinischen
Krise eineKrise der Globalisierung und,
damitverbunden,ganz erhebliche wirt-
schaftlicheEinbußen, vielleichtsogar ein
Ende der billigen Güter und einRevival
der Inflation“, sagtFelbermayr.Wie in
Deutschlandgegenges teuertwird, dürfte
am heutigenFreitag klarerwerden: Fi-
nanzministerOlaf Scholz (SPD) undWirt-
schaftsminister Peter Altmaier (CDU) tre-
tenvor die Presse, es istzuerwarten, dass
sie Vorschlägefür Liquiditätshilfen fürUn-
ternehmen, darunter aucheine zinslose
Steuerstundung, erläuternwerden.
In Italien wirdunterdessenweiter über
die SchließungvonFabriken diskutiert.
Am Mittwochabend hatteMinisterpräsi-
dent Giuseppe Conte per Dekretangeord-
net, dassinganz Italiendie Restaurants
und viele Geschäfte endgültiggeschlossen
werden. Offensind nur nochSupermärkte
für Lebensmitteloder Geschäfte für Haus-
tierbedarf, aber auchComputerläden. Der
populistischeFührer der LegaNord, Mat-
teoSalvini,fordertdagegen nochweiter ge-
hende Schließungen, vorallemvonFabri-
ken. Dagegen gibt es abergroßenWider-
stand derUnternehmer,die befürchten,
dasssie imFall vonFabrikschließungen
vorallemauf denMärkten für Export-
undZulieferprodukteihreKunden und da-
mit Marktanteileverlieren.
Indessenkommt es in Italien zu zahlrei-
chen wildenStreik sund Protesteninden
Fabriken.Vorallem für Kleinbetriebe,in
denen die Produktion oftauf kleinem
Raum stattfindet, wirdvon Gewerkschaf-
tendie Ansteckungsgefahr angeprangert.
Großunternehmen, etwa Fiat-Chrysler,
habenFabriken für einigeTagestillgelegt,
um die Produktion so zu organisieren,
dassdie Mitarbeiter besserverteilt werden
können. Mittelgroße Betriebe haben zum
Teil die Produktionverlangsamt, in die-
sem Fall is tein Teil der Mitarbeiter ingrö-
ßerenAbständen über die Produktionslini-
en verteilt.
Probleme am Brenner
Große Problemeentstehen zugleichan
den Außengrenzen Italiens. Der Export
vonNahrungsmitteln istander kroati-
schen Grenze blockiert,weil Kroatienof-
fenbar eine Bescheinigungüber„viren-
freie “Warenverlangt.AmBrennerpass,
an der Grenze zwischen Italien und Öster-
reich, bildeten sichLastwagenstausvon
bis zu 80 Kilometern.Personenwagenwur-
den auf die Landstraße umgeleitet.Zu-
nächstwar offenbar die Grenzegeschlos-
sen worden, danachwiedergeöffnet, aber
mit schleppenderAbfertigung. JedesAuto
oder jeder Lastwagenwerdeangehalten,
heißt es in Berichten. Die Einreise nach
Österreichsei nichtgestattet.Österrei-
cher auf der Heimreise müssten für 14
Tage in Quarantäne.Bei Deutschenwerde
die Durchreise ohne Stopp erlaubt und
kontrolliert, ob derTank voll sei.
Auch in Asien wirddas Reisenvon
Land zu Land zunehmendschwieriger.Be-
trof fenist davonneben Chinavorallem
Südkorea, das mitfast 8000Angesteckten
zu den Ländernmit den meistenInfizier-
tengehört. 123 Länder haben die Einreise
vonSüdkoreanernbeschränkt oderver-
schärfteQuarantänebestimmungen ver-
hängt.Die Regierung in Seoul fürchtet,
dassdie ReisehemmnisseGeschäftskon-
taktestörenund die südkoreanischeWirt-
schaftsozusätzlichen Schaden nimmt. Sie
versucht auf diplomatischemWeg, zumin-
destdie EinreisevonGeschäftsleutenin
andereLänderzuermöglichen.
Der Süden Asiens, der traditionellvon
der Vernetzung untereinander und dem
Handellebt, hält sichmit Reisebeschrän-
kungen nochzurück. Undwenn, dann
sind dieRegelungenkaum nachvollzieh-
bar:Der gut organisierteStadtstaat Singa-
pur untersagteschon imFebruar Zusam-
menkünfte, hielt aber eineinternationale
Waffen- und Flugmesse mitTausenden
Gästen aus allerWelt ab,weil sie Geld
brachte. Vergleichbar unverantwortlich
handelt Australien amWochenende: In
Melbourne soll dieFormel-1ihreRunde
drehen, obwohl mit McLaren einTeam be-
reits abgesagt hat, da ein Mechaniker posi-
tiv auf Coronagetestetwurde. F.A.Z.
itz. BERLIN.ImUnterschiedzuanderen
Ländernhat Deutschlandvergleichsweise
viel eKrankenhausbetten für mögliche Co-
rona-Kranke, trotzdemkönnten die Klini-
kenschon baldanGrenzenstoßen.Wenn
die LungenkrankheitCovid-19 im berech-
netenMaße um sichgreif t, „dannwird
Deutschland am 14. Maikeine Betten in
den Intensivstationenmehr frei haben
und Anfang Junikeine Krankenhausbet-
ten“, heißt es in einer StudievonDeutsche
BankResearch.
Dabeigeht es der Bundesrepublik noch
vergleichsweise gut. Den Angaben zufolge
gibt es hierzulande1942 Krankenhäuser
mit 497 000 Betten für die Allgemein- und
Akutversorgung. Die Auslastung beträgt
78 Prozent.1160 Kliniken, also 60 Prozent
der Gesamtzahl, halten Intensivbetten
vor. Vondiesen 28 000 Intensivbetten sind
derzeit 79 Prozent belegt.ImVergleich
dazu trifft es ErkrankteinGroßbritannien
härter.Das Land mit einer um einFünftel
kleineren Bevölkerung verfügt über
102 000 Betten,vondenen 4000 auf Inten-
sivbehandlungen ausgerichtetsind. Die
Auslastung beträgt bei allen Betten 92 Pro-
zent, bei den Intensivbetten 75 Prozent.
Das vielgeschmähteamerikanische Ge-
sundheitswesen mag ungerecht organi-
siertsein,viele Menschen sind unzuläng-
lichversichert. Die Versorgungsdichte
aberistder Studiezufolgenicht zuverach-
ten. Die Einwohnerzahlist viermal so
hochwie die deutsche. Bei der Mengeder
Krankenhäuser und Betten wirddieser
Faktor zwar nicht erreicht:Esgibt in Ame-
rika 5200kommunale Spitälermit
790 000 Betten. 2900 dieserEinrichtun-
genhalten 99 000 Intensivbettenvor.Die
Auslastung istmit 65 und 68 Prozent aber
geringer als in Deutschland. An diesem
Freitag will dasStatistische Bundesamt
Daten zur deutschen Bettenausstattung be-
kanntgeben. Das sind aber dieselben wie
die der Bank,die nicht sehr aktuellsind,
sondernvon 2017stammen.
DieFragenach derVorbereitung auf
die EinlieferungvonCovid-19-Patienten
hat die Diskussion über die deutsche Kli-
niklandschaftneu belebt.Imvergangenen
Jahr hatteeine Studie der Bertelsmann
Stiftung fürAufregunggesorgt,wonach
die Zahl der Krankenhäuservon1400 auf
weniger als 600 mehr als halbiertwerden
könnte. Damit ließen sichdie Versorgungs-
qualität und diePersonalausstattungbei
Ärzten und Pflegekräften verbessern,
hieß es.
Die Deutsche Krankenhausgesellschaft
DKGsieht solcheÜberlegungenkritisch.
„Die derzeitige Situation macht deutlich,
wie wichtig eineflächendeckende Kran-
kenhaus- undNotfall versorgung ist“, sagte
DKG-Präsident Gerald Gaß derF.A.Z.
Seit zwei Jahrzehntenfehle aber das Geld,
„um auf dem aktuellenund bestenStand“
zu sein. In erster Linie sei das Aufgabe der
Länder,dochsolltesichauchder Bund
mit seinen beabsichtigten Konjunktur-
spritzen beteiligen,forderte Gaß.
Der DeutscheStädte- und Gemeinde-
bundmonierte,die Klinikplanungenori-
entiertensich ausschließlichander Wirt-
schaftlichkeit.Viel zuwenig würdenPan-
demiegefahren berücksichtigt und die
Notwendigkeit, zusätzliche Behandlungs-
plätze auchinden Regionenvorzuhal-
ten. „Der oftbeklagte,Bettenberg‘ istim
Ernstfall unverzichtbar,umdie Funkti-
onsfähigkeit des Gesundheitswesens zu
gewährleisten“, sagteHauptgeschäftsfüh-
rerGerdLandsberg der F.A.Z. Aucher
verlangte, ausreichende Mittel zurVerfü-
gung zustellen.
Die Vorsitzende der Ärztegewerkschaft
MarburgerBund,Susanne Johna, sagte,
eine „Just-in-time-Versorgung“funktionie-
re im Gesundheitswesen nicht:„Die Feuer-
wehr wirdjaauchnicht nach Brändenbe-
zahlt und schafft sicherstdann Feuerwehr-
autos an, sondernwir brauchen undfinan-
zieren sievorsorglich.“ Einegenügende
Bettenzahlinder Fläche sei auchdeshalb
nötig, um den Spezialkliniken für schwere-
re Erkrankungen denRücken freizuhal-
ten. Dennochkönnten in der Corona-Kri-
se dieKapazitäten ausgeschöpft werden,
dann müssten „elektiveEingriffe“ wie
Hüftoperationen abgesagtwerden.
Jan Böckenvon der BertelsmannStif-
tung sagte, das Ziel der Studie sei esgewe-
sen, die medizinische Effizienz zustärken
–auchinder Fläche und auchfür Krisen-
fälle. Die besteVersorgungwerdeaber
nicht notwendigerweise durch Kliniken er-
bracht. „Geradebei eineraußergewöhnli-
chen Belastungdes Gesundheitssystems
wie bei Coronakönnen wir es uns nicht
leisten, die ohnehin knappenRessourcen
suboptimal einzusetzen.“
MetroinNeu Delhi:Corona bremstden Verkehr in allerWelt. FotoAFP
Bis wann reiche ndie Krankenhausbetten?
Studie: Mitte Mai laufen die Intensivstationen mit Covid-19-Patientenvoll /Debatteüber Klinikdichte
Globalisierung auf der Intensivs tation
Grenzübergangim Elsass Fotodpa
Amerikalässt keine
EU-Bürgermehr ins
Land, Italienmacht
dicht, Geschäftsreisen
entfallen massenhaft.
Droht einEnde der
billi genWaren?
Virusschutz istDeutschen
wichtiger als Datenschutz
Manche Maßnahme scheitertanstrengenRegeln
Pendler im Risikogebiet
Der OstenFrankreichs leidetunter der Krise